Q-Tipp
von Rutz Rische

Kapitel
 

von Ioanna Paraskeva

Q-Tipp II: Picknick im Grünen




Was Sie schon immer wissen wollten, aber nicht zu fragen wagten

>Sag mal, sind Kühe eigentlich dumm oder tun sie nur so?<

Magda kaute ausgiebig auf einem Grashalm herum. Plötzlich kam ihr ein Gedanke: möglich, dass die Kühe hier alles vollgeschissen hatten. Igitt. Sie spuckte. Anne räkelte sich auf der braunen Wolldecke, die sie mitgebracht hatten. Um hier auf einer gottverlassenen Kuhweide im Bergischen noch ein Paar Sonnenstrahlen zu tanken und den grauen Alltag hinter sich zu lassen.

>Mmmh, ich denke, Kühe sind wirklich dumm< Anne gähnte ausgiebig. >Guck mal, Magda, die drehen ihren Fünf-Uhr-Spaziergang über die Weide< sagte sie plötzlich und fuchtelte wild mit dem Arm in deren Richtung.

>Denen muss doch total langweilig sein. Den lieben langen Tag auf einer grasbewachsenen Wiese rumzustehen – na ja, stell´ ich mir nicht gerade spannend vor< meinte Magda.

Die kleine Herde von 4 Tieren kam langsam, aber unaufhaltsam auf die beiden zu.

Anne richtete sich auf. >Ganz schön idyllisch hier, findest du nicht?< Sie sah sich um. Tatsächlich hatten sie sich für ihr kleines Picknick eine Weide im Grünen ausgesucht, die in der Mitte von einem Bachlauf gespalten war. Ringsrum nur Bäume, Wälder. Vereinzelt Tierlaute aus dem Off.

Da setzt man sich eine knappe halbe Stunde ins Auto und ist schon auf einem anderen Planeten. Anne und Magda atmeten gleichzeitig tief durch.

>Riech mal, die Luft hier duftet nach Kamille und Stroh< Magda hielt inne. Ihr Blick heftete sich an die in Bewegung geratene Herde. >Ich glaube, die Kühe wollen durch den Bach auf die andere Seite rüber. Sie kommen direkt auf uns zu<

>Herrjeh, wir sind mitten in einem Kuh-Spazier-Court gelandet< prustete Anne und hielt sich den Bauch. >Kuh-Spazier-Court< echote Magda und musste nun selber lachen.

>Also ich finde das gar nicht so langweilig, so ein Kuhleben< gluckste Anne. >Überleg´ mal:

Aufgestanden und eine Runde mit den anderen gegangen. Wiese bewundert. Gras gefressen. Durst bekommen. Auf den Bach zugesteuert, wie jeden Tag um fünf. Picknick-Korb angeglotzt. Frauen gemustert, die Bachweg versperrt haben. Angebotenen Keks ignoriert, weitergegangen. Haufen fallen lassen. Durchs Gebüsch gedrückt. Hufe in Bach gekühlt. Getrunken. Bach überquert. In die Sonne gelegt. Wiedergekäut.

Ist doch total entspannt, so ein Kuhleben<.

Magda verscheuchte eine lästige Fliege, die schon die ganze Zeit um ihr Ohr gesaust war. Hilfe, Natur alles schön und gut, aber immer diese lästigen Krabbeltierchen, diese Insekten. Pah!

>Naja, unter diesem Gesichtspunkt könntest du recht haben. Die müssen sich wenigstens keine Gedanken darüber machen, wie sie ihre Freizeit so voll stopfen mit tausend Aktivitäten, bloß um nicht allein Zuhause zu sitzen und sich den Kopf zu zermartern über die eigene ach so schlimme Einsamkeit<.

Anne war überrascht ob der ernsten Wandlung, die ihre Plauderei genommen hatte. Da war sie also wieder, die Realität. Meine Damen und Herren, die älteste Attraktion auf dem Jahrmarkt des realen Lebens: der brandaktuelle, niemals stumpf werdende, immer und überall einsetzbare Hau-den-„ich bin das wahre Leben“-Lukas! Wahrlich, Anne hatte in den vergangenen Jahren oft den Lukas gehauen und dabei immer den Superhighscore gemacht. Und auch Magda war nicht wesentlich besser dran. Bei ihr artete Freizeit mittlerweile in so großem Stress aus, dass sie froh und glücklich war, Montagsmorgens endlich wieder ins Büro gehen zu dürfen. Verglichen mit ihrer Freizeit war die 35-Stunden-Woche auf der Arbeit richtig entspannt. >Verrückte Welt< dachte sie und schlug erneut nach der Fliege aus.

>Ob wir wohl jemals richtig glücklich werden, Anne?< fragte Magda leise mit zusammen gekniffenen Augenbrauen.

>Du hast recht. Die Luft hier riecht tatsächlich nach Kamille und Stroh< sagte Anne, stand langsam auf und packte ihre Sachen zusammen.



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