DESIGN ODER NICHTSEIN
von Jürgen Karl Otto Bartsch (bartsch)

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Oberschwaben h.c.

Die Auseinandersetzung mit dem heimischen Barock zwingt uns zuallererst einmal dazu, unser Selbstbild vorübergehend ein wenig großzügiger als gewohnt zu fassen. Denn die Erbauer unseres Barocks sind im wesentlichen Österreicher und Bayern, welche wir vorübergehend zu Oberschwaben h.c. (honoris causa = ehrenhalber) erklären.
Aus der Vorarlberger Bauschule gingen im Laufe der (Barock-)Zeit insgesamt etwa 800 Baumeister hervor, die mehr oder weniger alle miteinander verwandt oder wenigstens verschwägert waren. Sie sind die Erfinder des Vorarlberger Bauschemas, das um 1700 in ganz Süddeutschland und der Schweiz verbreitet war. Anders als italienische Baumeister setzten die Vorarlberger über die Pfeiler an den Seitenwänden Emporen, über denen die Wandpfeiler zu freistehenden Pfeilern wurden und eine Art Rundgang im ersten Stock erlaubten. Außerdem gehörte es zum guten Ton bei den Vorarlbergern, dass jeder Meister alle Bauhandwerke beherrschte. Die Hauptvertreter der Voralberger Bauschule hießen entweder Thumb oder Beer oder Moosbrugger.
Die (bayerische) Wessobrunner Bau- und Stukkatorenschule kam auf rund 600 Baumeister, und auch die waren gern verwandt oder verschwägert. Sie konzentrierte ihre Arbeit deutlich mehr auf Stuck und Malerei als die Vorarlberger, und das wurde durchaus positiv gesehen. Denn Barock ist Stuck und Schein. Bekannte Namen hier sind Feuchtmayer (Maler und Schreiner), Schmuzer sowie Zimmermann (Stukkatoren, Freskenmaler und Baumeister).
Die Familie Asam schließlich stammt aus München und hat dort sogar mit eigenem Geld ein Kirchlein gebaut. Berühmt aber ist sie wegen der Fresken, die sie schuf. Niemand sonst verband die erhabene Darstellung biblischer und kirchlicher Szenen mit der Fortführung steinerner Architektur in Form von gemalter Scheinarchitektur.

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