DESIGN ODER NICHTSEIN
von Jürgen Karl Otto Bartsch (bartsch)

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Barockes Bürgerrecht

Wenn man heute barocke Bauwerke sieht, dann weiß man ganz gewiss: Diese Zeit damals, das muss eine ganz arg reiche Zeit gewesen sein. War sie aber nicht. Das zeigt die amtliche Aufzeichnung eines Eheantrags im Ravensburg des ausgehenden 18. Jahrhunderts.
Sie war schon 40 Jahre alt, und jetzt hatte sie sich doch noch verliebt. Ihr Auserwählter, Johannes Wegmann, war seit 14 Jahren Ravensburger Kontingentsoldat (also ein Soldat ohne Bürgerrecht) und infolgedessen ziemlich mittellos. Aber sie hatte rund 200 Gulden gespart, ein schönes Vermögen damals, im Jahr 1778. Das alles wollte sie für das gemeinsame Leben mit ihrem Johannes einbringen. Wenn nur der Hohe Rat der Stadt Ravensburg zustimmte.
Aber es gab einen kleinen Haken. Ihr Zukünftiger käme mit der Heirat auch in den Genuss des Bürgerrechts. Wenn er nun der Armut anheimfiele, dann wäre die Stadt für ihn verantwortlich. Und das wäre teuer, so jung, wie die beiden noch waren.
So entschied der Rat eher zurückhaltend: Man empfehle, das Vorhaben keineswegs aufzugeben. Die Brautleute mögen sich doch angelegentlich wieder melden, allerdings nicht vor Ablauf von 20 Jahren.
Sie hat ihren Johannes dann doch noch bekommen. Als die beiden ihren Heiratsantrag im Jahr darauf erneut stellten, war die Wartezeit auf zwölf Jahre geschrumpft, und am 21. August 1780 schließlich feierten sie Hochzeit.
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Die einen so, die andern so
Abt Didacus Ströbeles Lebenschance auf Unsterblichkeit war die kleine, aber zunehmend beliebte Wallfahrtskirche in Steinhausen nördlich von Aulendorf. Mehr und mehr drohte das alte vorbarocke Kirchlein aus allen Nähten zu platzen. Ein Neubau tat Not, und zwar dringend. 1727 hatte der Abt das Projekt „Neubau Wallfahrtskirche Steinhausen“ auf den Weg gebracht. Zwar lag der erste Kostenvoranschlag – mit rund 9 000 Gulden – etwas hoch, aber warum nicht. Schließlich sollte der Neubau scho ebbes reachts werden. Es wurde ebbes enorm reachts. Am Ende der Bauzeit im Jahre 1733 lagen die Baukosten bei 43 721 Gulden und sechseinhalb Kreuzern, ohne allfällige Innenausstattung (Altäre, Kanzel, Orgel etc.) und ohne Zubehör (Kelche, Messgewänder und anderes).
So hatte Steinhausen durch die neue Kirche wirklich gewonnen. Die meisten Anwohner – die für die handwerkliche Arbeit herangezogen wurden – waren nach Abschluss der Arbeiten schuldenfrei:
„Da indessen aber dergleichen arbeither hierbey ihre beuttel anspickten, wurde des Gotteshauses der seinig umb mehrers gelärt und giengen … dem damaligen Chlosterhundt die haar zimblicher maßen aus.“
Die Leidtragenden dagegen waren der angeführte arme Klosterhund und Didacus Ströbele. Ihm blieb nur die Abdankung. Er zog sich ab 1734 in ein abgelegenes Prämonstratenserkloster in Lothringen zurück und führte dort ein heiligmäßiges Leben.

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