Die Garderobe des Lebens
von Carsten Maday

Kapitel
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Setz Dich, mein Freund, setz Dich, denn ich will Dir eine Geschichte erzählen, die uns wärmen soll, dass nicht des Winters Kälte in unsre Herzen dringe. Höre also und prüfe, ob es nur eines alten Mannes törichtes Geschwätz ist, oder gar Weisheit darin liegen mag. Ich weiß es nicht!

Erwachtet!!!!
Dies Wort drang durch die angegriffenen Windungen bis in mein armes Hirn. Es war schon nach Mittag und ich gerade erwacht. Ich büßte die Flasche Wein mit einem Kater und gereizt schlechter Laune. Ich springe (Springen ist wohl nicht das richtige Wort, impliziert es doch eine gewisse körperliche Aktivität, die an den Tag zu legen ich durchaus nicht imstande war), also ich steige in meine Kleidung, quäle mich die Treppe hinunter. Frühstücksbrötchen. Dann, als ich den Platz erneut überquerte, da sah ich ihn, keine fünf Meter von der Eingangstür entfernt.
Erwachet!!!
Dort stand er, mit Mantel und Hut angetan, die Haare schon grau. Erwache!!! So wie er da in der Kälte stand mit den Buch, ließ sich ihm eine gewisse Würde nicht absprechen. Erwachet! Geschrieben in bunten, großen Lettern, zog dies eine Wort meinen Blick magisch an. Erstaunt las ich weiter: Habgier! Erwachet und Habgier. Mein Blick traf den des Mannes, und bevor er die Gelegenheit ergreifen konnte mich zu bekehren, schob ich schnell den Schlüssel ins Schloss und floh die Treppe hinauf. Habgier. Eine der Todsünden! Nein, ich glaube nicht, mein Freund, dass der Mann mich angesprochen hätte. Wozu auch. Alles gesagt mit zwei Worten. Erwache. Habgier. Menschlein, lass ab von deinem törichtem Streben, kehre zurück in den Schoß der Mutter. Besinne Dich, lebe die Gebote, denn das Ende ist nah. Als ich also die Treppe erklomm, da dachte ich, dass der arme Kerl bei dem Wetter und der Methode niemanden bekehren, auf den rechten Weg leiten würde, sollte die Welt auch kurz vor dem Untergang stehen (Und ich frage Dich, tut sie es nicht längst?) Derart sinnend, brachte ich hurtigen Schrittes die Treppe hinter mich, bevor mein Hirn die Gelegenheit bekam tiefer in die Materie einzudringen: Gibt es einen Gott? Wenn ja, wozu? Wenn nein, ist´s ja auch egal, oder? Bin ich wahnsinnig?

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