Von Helden und Schurken
von Carsten Maday

Kapitel
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Jeder kennt ihn, den Ewigen Helden. Und natürlich den Ewigen Bösewicht. Protagonist und Antagonist im fortwährenden Kampf miteinander verstrickt. Endlose Reinkarnationen in unendlichen Multiversen. Jeder kennt ihre Kämpfe, die Stoff für Mythen und Legenden bilden, die Grundlage allen Seins sind. Ein ewiger Kreislauf von Schlachten und Kriegen, in denen Triumph Untergang und Niederlage Wiedergeburt bedeutet. Denn, wie es ein alter, mürrischer Mann es einst gesagt, das Feuer lodert auf, verglüht zur Asche um erneut aufzuflammen. Immer fort bis in alle Unendlichkeit, denn der Krieg ist der Vater aller Dinge.
Jeder weiß es, jeder kennt den Helden und den Schurken.
Aber wer kennt mich?
Es gibt noch andere, die ihre Rolle in dem ewigen Kreislauf spielen. Unbedeutende Rollen scheint ´s im Kampf, doch wichtige in den Geschichten. Sie spenden den Legenden Leben, den Helden Charakter, lassen Hörer, Leser, Zuschauer sich oftmals danach sehnen, ein Teil zu sein vom großem Ringen, zu leben in der Zeit der Taten und Nöten.
Der Begleiter. Er ist so eine Rolle. Kein Held ohne Gefährten, der ihm mit Rat und Tat zur Seit steht, der dem Helden hilft, wo ´s ihm am meisten Mangel: am Humor. Kleine Abenteuer darf er haben, kleine Lieben jenseits vom großem Kriege, so kurz und bescheiden, dass man wünscht, er möge mehr von sich erzählen, von seinen Taten und seinem Leben.
Dieser bin ich nicht. Auch nicht der Geliebte, der Mann, die Frau an des Helden Seite.
Nein, ich bin des Schurken Handlanger, des Antagonisten williger Vollstrecker, wenn man so will.

Oh, höre ich nun sagen, der schuft´ge Handlanger. Ein Paar denken vielleicht: Der arme Kerl. Jeder weiß doch, dass die Handlager nur dafür da sind, vom Helden erschlagen zu werden. Ich gebe zu, dass ist sicherlich ein großer Minuspunkt in meinem Beruf. Er hat aber auch seine Vorteile. Der Schurke sein? Unendliche Macht besitzen? Verlockend, aber Schurken finden meist ein unschönes Ende und, nun ja, sie sind ziemlich beschränkt... Schlau, verschlagen, ja, aber es mangelt ihnen am, sagen wir mal, administrativen und strategischen Geschick. Ich werde die Welt in eine Ödnis des Schreckens verwandeln, rufen sie und senden ihre Heere aus. Die entsprechen aber in den seltensten Fällen ihren furchteinflössendem Ruf und werden stets von einer verzweifelt kämpfenden Minderheit gegen alle Wahrscheinlichkeit aufgerieben. Hat man je von Orks gehört, die erst einmal eine dreimonatige Grundausbildung hinter sich bringen mussten, bis man ihnen ihre individuellen Züge, wenn es so etwas bei denen überhaut gibt, abgeschleift hatte, bis sie Killermaschinen waren, die Befehlen blind folgten und nicht für Beute und Mord stehen blieben, ein homogener Truppenkörper waren?
Wohl kaum.
Held zu sein ist ja noch schlimmer. Man sehe sich den Helden einmal an. Was bewegt ihn? Oft ist es ein Unrecht, das ihm widerfuhr, der Mord an einem geliebten Menschen. Nein danke, wenn ich daran denke, dass man mir immer wieder meine Frau oder Mann erschlägt, nur damit ich gut motiviert bin, um gegen das Böse ins Feld zu ziehen. Wie viele Reinkarnationen macht man so etwas schon mit, ohne einen Knacks zu bekommen?
Nein, lieber Handlanger. Ich bin wie ´s Leben selbst. Ich weiß, mein Ende ist unausweichlich. Was zählt, ist die Zeit bis dahin. Die kann mitunter recht unterhaltsam sein.

Dem war leider nicht so in meiner jetzigen Reinkarnation. Neben einigen wirklich unerfreulichen Dingen, wie z. B. ein fleisch- und gestaltloser Untoter zu sein, kämpfte ich gegen eine drohende Schizophrenie an. Man sagt ja oft, man habe zwei Seelen in der Brust, mal ist man so und mal so. Ying und Yang. Bei mir waren es zur Zeit gleich zwölf. Kein Wunder, dass ich kaum sichtbar und ohne nennenswerte Emotionen war. Das bisschen, das überhaupt in dem Ewigen Handlanger steckte, hat man diesmal so weiter verschnitten, dass es für zwölf gedungene Halunken reichte.
Gegen die Gestaltlosigkeit konnte man sich gut mit schwarzen Roben und so behelfen. Sieht außerdem ziemlich sexy aus, wenn man mich fragt.
Aber wenn man nicht viel mehr als ein furchterregender Schatten ist, lernt man natürlich recht schwer Leute kennen. Und Selbstgespräche zu zwölft können auch den abgebrühtesten Untoten ziemlich verwirren. Außerdem waren meine Persönlichkeit nicht grade für ihren dezenten Smalltalk bekannt.
Frost, Eis, Pest, Mord, Mief, Frust, Blut, Ruth, Horst, Heinz, Ernst und Klaus war mitunter wie unsere Namen: ziemlich einsilbig.

Wir hatten unseren wohlverdienten Jahresurlaub genommen und feierten ihn zusammen in Miefs muffiger Festes des Grauens ab. Wir hatten den höchsten Turm der gräulichen Trutzburg erklommen, errichtet aus dem schwarzwabernden Vulkangestein der Verdammnis, und machten uns einen lauen Sonnentag.
Mord erzählte Witze:
>Also, trifft ein monströser Schattenkrieger des Todes den anderen. Fragt der eine: Wie viel Sterbliche hast du so im Kerker? Und der andere: Ach, so zweiunddreißig und ein paar Zerquetschte.<
Mord lachte. Ein Lachen, dass Städte einzuebnen pflegte. Wir anderen waren, nun ja, totenstill.
Vor den Tore erschallte das Kriegshorn des Meisters.
>Du bist dran<, meinte Klaus.
>Ich?<
>Ja.<
>Warum?<
>Keine Ahnung. Vielleicht, weil es deine Burg ist. Was bist du eigentlich für ein Gastgeber, hä?<
>Okay, okay. Immer, wenn ich kurz vorm Schlafen bin. Hoffentlich ist es was wichtiges. Wehe, ich muss ich die ganzen Treppen umsonst runter und wieder hoch laufen.<
Mief schob mürrisch ab.
>He<, rief Pest ihm hinterher. >Bring mir noch ein Bier mit.<
>Mir auch<, kam es aus zehn durstigen Kehlen.
Mief erschien wieder am Treppenaufgang.
>Da muss mir aber einer tragen helfen. Ich schlepp das doch nicht alles allein hoch.<
>Hotte!<, riefen zehn Untote schnell.
>Shit<, sagte Horst. >Zu langsam.< Mief und Horst machten sich auf den langen Abstieg die Treffe der Trauer hinunter.
>Selbst Schuld<, meinte Mord als sie den beiden hinterher sah. >Deshalb wohne ich ja auch in einem Bungalow. Wegen meiner Knie, wisst ihr? Die bringen mich noch um.<

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