Der größte Hexer aller Zeiten kehrt zurück
von Carsten Maday

Kapitel
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Aische war ein Prachtexemplar dieser neuen Satanisten. Für sie war alles hübsch und nett. Huch, nein, was für ein toller Opferdolch. Nein, was siehst Du nett aus in dem Priestergewand. Zauberhaft. Und diese Ohrringe. Nein. Mit so wenig so viel erreicht. ICH brauche ja immer Stunden, ehe ich mich aus dem Haus traue. Ach, es ist so ein schöner Abend, woll´n wir nicht lieber draußen opfern? Wäre doch schade, die ganze Zeit im Kerker zu hocken. Das schlechte Wetter kommt schon früh genug...blablabla.
Karl warf Aische einen verächtlichen Blick zu. Sie keuchte schwer, wischte sich Blut und Schmiere aus dem Gesicht.
>Hier ist niemand!<, schnauzte er sie an. >Los, weiter.<
Aische blieb stehen, horchte in die Nacht, deren Tosen die Stimmen längst fortgerissen hatte.
>Einen Augenblick noch, Karl<, sagte Aische erschöpft. >Ich muss mich etwas ausruhen.<
>Nix da<, maulte Karl. >Denkst du vielleicht, ich hab Lust die ganze Nacht zu brauchen, nur weil Du zu langsam bist, Schwabbel?<
Karl sah in Aisches Gesicht, sah wie sie zusammenzuckte. Er hatte sie getroffen. Tränen mischten sich zu dem Blut und Regen, rannen den Hals hinab in den Kragen.
Karl tat es leid. Er hatte einen Fehler gemacht. Er ärgerte sich über sich selbst. Er hätte seinem Zorn nicht nachgeben sollen. Es war einfach nicht schön, wenn man das eigene Niveau unterschritt. Es war zu leicht Aische mit Bemerkungen über ihr Übergewicht zu verletzten.
Schlimmer noch, es war die einige Art, die Karl kannte. Alles andere versagte, prallte an Aische ab, vermutlich weil sie Karls brillant formulierte Spitzen seines teuflischen Zynismus schlichtweg nicht verstand. Und fachlich konnte Karl ihr leider nicht das Wasser reichen. Traurig, traurig, aber die Kreische war mit ihren jungen Jahren schon besser als Karl. Noch hielt er sie mit seiner jahrhundertlangen Erfahrung in Schach, legte er ihr immer wieder Stolpersteine in den Weg, von denen sie auf unerklärliche Weise zu glauben schien, sie seien Teil einer subtilen Ausbildungsmethode. Aber früher oder später würde es offenbar werden: Aische könnte zu einer der größten Magierinnen dieser Tage werden, wenn, Karl sah sie an, nicht irgend ein tragischer Unfall dieser ach so vielversprechenden Karriere ein vorzeitiges Ende bereiten würde.
Karl lächelte Aische an und hielt ihr seine Hand hin.
>Komm<, sagte er strahlend. >Ich helfe dir. Es ist nicht mehr weit, Moby.<
Als sie seine feste, starke, männlich behaarte Hand spürte, da hatte Aische bereits die Beleidigung vergessen, dachte, dass Karl doch ein netter, wenn auch harter Mann war. Außerdem mochte sie es, wenn er sie liebevoll Moby nannte.

>Hier muss es sein<, sagte Aische, die mittlerweile nass bis auf die Knochen war und jämmerlich fror.
>Ja<, meinte Karl. >Was nun, meine kühne Missionsleiterin?<
>Nun<, meinte Aische. >Wir wissen, dass Er ein Hexer war.<
>Ja?<
>Daher können wir wohl davon ausgehen, dass er sich durch ein magisches Artefakt zu schützen versucht hat.<
>Sehr gut<, lächelte Karl lauernd. >Wie verfahrend wir also?<
Aische musterte ihren Meister. >Nun<, sagte sie. >Üblicher Weise sollte ein einfacher Detektionszauber der ersten Stufe ausreichen, um seine Gebeine zu lokalisieren....<
>Ha!<, schrie Karl triumphierend auf, aber Aische lächelte zufrieden über diese Reaktion.
>Aber<, fuhr sie fort, >da durch die geringe Einflussnahme des Individuums am eigenen Geschick der Aberglaube in Form vom mannigfaltigen Schutzamuletten bei den Kombattanten sich großer Beliebtheit erfreute, dürfte man eine Unmenge von Ausschlägen erhalten.<
>Schlampe>, dachte Karl mürrisch. >Besserwisserische, leblose, kleine, FETTE Schlampe.<
>Da Er vermutlich ein sehr starkes Amulett getragen haben wird, sollte ein Detektionszauber der Stufe Drei ein befriedigend genaues Ergebnis liefern. Oder sollen wir lieber einen der vierten Stufe nehmen?<
>Nein, nein. Ein dreier reicht völlig. Gute Arbeit, Moby.<
Sie machten sich ans Werk.

>Hier!<
>Sicher?<
>Ja! Ich spüre es deutlich.<
>Na, dann los!<
Sie steckten die Spitzen und Schnittpunkte eines Pentagramms über der Stelle ab und verbanden sie mit Karls Beschwörungsseil. Das war Karls eigene Erfindung. Für Outdoor-Rituale. So manch ein Neu-Satanist hat eine böse Überraschung erlebt, als mitten in der schönsten Beschwörung der Regen das Kreidepentagramm fortspülte.
Karl reichte Aische die Blutkonserve.
>Das ist einfach nicht richtig so<, dachte er traurig, als er zusah, wie Aische den Inhalt des Beutels im Pentagramm entleerte.
>Fertig!<
>Gut. Die Formel!<
>Ja, Karl.<
>Bist du nervös?<
>Ja, ich habe so etwas noch nie gemacht und...<
>Ganz ruhig, Moby. Sprich langsam und deutlich, ja! Nur nicht verhaspeln.<
>Ja, Karl.<
Langsam sprach sie die Beschwörungsformel aus.
Sie warteten. Der Sturm peitschte in ihre Gesichter.
>Es hat nicht geklappt...<, begann Aische. Das Zittern unter ihren Füssen riss ihr die Worte ab.
>Da!<, schrie Karl durchs Tosen. Mitten im Pentagramm erschien ein Erdhügel, so als wolle sich dort ein riesiger Maulwurf ins Freie graben. Eine rostige Spitze erschien, ein Bajonett, noch aufgepflanzt wie zum Sturm. Das Gewehr, am Schaft eine Knochenhand, schob sich aus der Erde in die Nacht.
>Wa...<, schrie Aische entsetzt auf. >Was geschieht da. Es sollte doch nur der Geist...<
Langsam kroch das Skelett aus der schlammigen Erde. Es trug noch den Stahlhelm, modriges Feldgrau und die Brotbüchse mit der Gasmaske. Der Knochenmann schüttelte die lose Erde fort, bäumte sich zu voller Größe auf, riss sein Gewehr empor und rief laut, als ein gebührlicher Blitz im Hintergrund schaurig die Gestalt von der Nacht abhob:
>Hmmmhmhmhmhhhhmmmm!<
Das Skelett ließ die Schulter hängen, zwang mit der linken Hand die Kiefer auseinander und holte Lehm und Steine aus dem Mund.
>Huaharharharharhar<, sagte es nun etwas weniger enthusiastischer. >Ich lebe!<

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