Der größte Hexer aller Zeiten kehrt zurück
von Carsten Maday

Kapitel
[ 1 ]  [ 2 ]  [ 3 ]  [ 4 ]  [ 5 ] 
 

Es blitzte, als Georg Herder mit dem noch pochenden Herz auf Aische zu schritt, die noch immer unfähig war sich zu bewegen. Einzig ein tränenreiches Wimmern drang aus ihr heraus.
>Nun<, sagte das Skelett. >Wen haben wir denn hier, hehehehe.<
Nach alter Gewohnheit strich Georg Herder dem Mädchen über die Wange. Es zuckte zusammen.
>Nana, keine Angst, meine Dame. Ich werde Euch kein Haar krümmen. Nein, seid ´s gewiss.<
Er strich sich über die freiliegenden Rippen.
>Fleischliche Gelüste liegen mir fern, wenn ihr versteht, was ich meine, hahahahahaha.
Nein, auch eurer Seele will ich keinen Schaden zu fügen. Die gehört doch längst einem anderen, hahaha. Oh, ihr erschreckt. Wie nun, mein Fräulein, ihr seid überrascht? Das überrascht, haha. Wer Satan anbetet, sollte doch nicht verwundert sein, dass es ihn wirklich gibt, tss, tss. Nein, eure Seele gehört ihm. Ich brauche nur euren Körper, hahahaha. Ein Gefäß für MEINE Seele soll er sei...NEIN, wartet, tut das nicht, mein Fräulein...<
Das Skelett zuckte resignierend mit den Schultern.
>Nun, mein Fräulein<, seufzte es schwer, >Ich hoffe, ihr habt noch einen zweiten Satz saubere Unterwäsche bei Euch. Das wäre wirklich nicht nötig gewesen.<
Aische sank bewusstlos zusammen.
>Nun je<, sagte das Skelett zur Welt im allgemeinen. >Auf geht´s!<
Georg Herder legte das Herz ins Pentagramm und sprach zaub´rische Worte.
Ein bläuliches Licht erschien, weitete sich aus. Ein Portal. Ein Schemen darin. Er wuchs, bis er die gesamte Öffnung einnahm. Ein Klauenfuß kam heraus, ein Bein, endlich der gesamte Körper des Dämons, eingehüllt in Schwaden von Schwefeldampf.
Rot glühende Augen lagen tief unter der von Widderhörnern gekrönten Stirn. Die Nüstern weit geöffnet, witterte der gottlose Unhold nach dem frischen Geruch des Herzen. Dann sah er Georg Herder, stieß schnaubend sein Atem aus und fletschte die unterarmlangen Fangzähne:
>Jo, Mensch, Alter, sach bloß, Lou? Lou, bist Du´s? Leck mich fett, gibt ´s ja gar nicht ! Saß grad in der Wanne mit nem höllischen Rohr, da riecht ´s von oben so nach Herz, dach, schau mal nach und siehe da, der alte Lou. Leck mich am Arsch. He, Lou. Mann. Echt. Sag mal, du siehst ja richtig scheiße aus, gar nicht jugendlich, hä?<
Das befremdete das Skelett.
>Lou? Ich bin nicht Lou.<
>Wow, nicht der alte Lou, wie. Hm, tja, wer denn dann? Erster Buchstabe? Nein, nein, sag ´s nicht, hab ´s gleich...Tino...<
>Georg Herder.<
Stille.
>Oh, Scheiße, GEORG HERDER. Tja, Mensch, Schorsch, alter Sack, ham uns ja mal ne ganze Ewigkeit nich gesehen, wie, haha. Gut sieht du aus, abgenommen was, hahahaha, kleiner Scherz unter Freunden. Ne, echt, hör mal, toll das wir uns mal wieder gesehen haben. Lange her. Tempus fugit, wie der Lateiner sagt, hehe. Triff sich echt toll, Mann. Hab mich oft gefragt: wie geht´s wohl dem Schorsch? Wollte immer mal anrufen, aber kennst ja die Sache: irgendwie kommt einem immer was dazwischen und schwups sind auch schon mal knappe achtzig Jahre rum. Hups. Ne, aber echt, toll, und weißt schon, die Sache damals. Tut mir auch ein bisschen leid. Gut, schön, dass wir mal drüber gesprochen haben. Liegt einem ja auch auf der schwarzen Seele so was, höhöhö. Alles wird gut. Ich muss dann jetzt auch mal wieder..he, aua.<
Georg Herder packte den Dämon bei den Hörner und zog ihn herab:
>Die SACHE tut dir leid? Ich bin gestorben. Du hast mir Schutz versprochen. Ich hab dir die Seelen von drei Kameraden geopfert, damit mir nichts zustößt. Nun sieh mich mal an. Sieht das so aus, als ob du den Vertrag zu meiner Zufriedenheit eingehalten hättest, Baphomet?<
>Mann, Schorsch. Bist wohl ein bisschen sauer, eh? Jetzt lass uns mal nicht auf dieser unschönen Spur weiter fahren, ja. Mensch, weißt du, tut mir wirklich leid. Na ja, dachte so ein paar Kugeln und so, klar, das kann ich schon abhalten. Aber, Mann, Alter, die haben ja eine enorme Feuerkraft entwickelt in diesem Krieg. Völlig ungeahnt. Ich meine, da hätte man schon ne Zusatzversicherung gebraucht...Nun guck nicht so, ich meine, solche Kriege sind echt schlimm. Peace, Bruder, hahaha. Nie wieder Krieg und so. Ach, ne, die Hippies haste ja verschlafen. Also, ich meine, tut mir leid, aber der Krieg war einfach zu heavy, klar. Aber denk jetzt nicht, das wäre so einfach an mir vorbei gegangen. Ne, ne, hab auch was gelernt. Keine Kriegsversicherungen mehr. Ich meine, sei froh, du bist der bedauerliche Unfall durch den Missstände erst aufgedeckt werden. Super. Nen glatter Vorreiter. Echt Sorry. Und nenn mich nicht mehr Baphomet. Das ist schrecklich out und uncool. Kannst mich FÄTTES BÄH nennen. Alles klar?<
>Nichts ist klar<, schrie das Skelett so laut, dass der Kiefer abfiel. >Hich hahange Hiederguthachunk!<
>Jo, Alter, Wiedergutmachung? Also auf dem Ohr bin ich ja ganz taub...<
Der Hexer hängte den Kiefer wieder ein.
>Wiedergutmachung. Du hast den Vertrag nicht erfüllt. Oder ist es dir lieber, wenn ich das rum erzähle?<
>Jojojo, Mann. Immer langsam. Kein Grund für Drohungen, ja. Gut. Ich bin durchaus bereit dir in dieser Beziehung entgegen zu kommen. Mal sehen, was könnte ein so stattliches Skelett wie du denn brauchen...?<
>Eine Seelenwanderung!<
>Bist du total durchgeknallt, Schorsch, alter Eierschaukler! Nix Seelenwanderung. Das ist zuviel. Schwierig, gibt nur Reklamationen, bringt die göttliche Ordnung durcheinander, den ganzen Hokuspokus. Ne. Außerdem hab ich´s. Ich meine, stell dir mal vor. Ich sage nur: Chrom. Genau, das ist es. Ich verchrom dir das gesamte Skelett. Ultra cool, Alter. Siehste aus wie der Terminator. Sarah Connor? Bumm, bumm, hehehehe. Lässig. Der absolute Partyknaller. Aha, verstehe. Kein Chrom, wie? Seelenwanderung? Gut, Schorsch, weil du ´s bist. Haste denn ne Zielperson?<
Ein Knochenfinger deutet durch die Nacht hin zur Aische.
>Wäh, leck mich mal kreuzweise. Igitt, die ist aber ein ausgeleiertes Model. Echt sicher, Schorsch? Sieh mal, schnüff, schnüff, die riecht auch schon so, als wenn se nicht ganz dicht wäre...<
>Sie!<
>Gut! Bitte. Reisende soll man nicht aufhalten. Sag mal, warum liegt das feuchte Bündel denn so schlapp im Schlamm, he?<
>Hm, seltsam, aber das machen die Frauen bei mir immer.<
>Raubst ihnen echt die Besinnung, wie, höhöhö.<
>Sie haben wohl einfach nur Angst.<
>Mann, Schorsch, alter Fuchs. Klaro haben die Schiss. Ist ja logisch. Du musst da einfach was einfühlsamer ran. Lass mal ein Kompliment fallen. Die Weiber stehn auf so was.<
>Aha. So etwas wie: Fürchtet Euch nicht, meine Gute. Ich will nur eure Leber. Ach, übrigens, ihr tragt wundervolle Ohrringe. So?<
>Super, prima, wirklich toll. Echt stark. Georg Herder, der Hexer, der die Frauen versteht. Ich kotze. Lassen wir das. Okay. Festhalten. Seelenwanderung. Ich spreche jetzt die ultimative Formel der Macht. Oh, vergessen? Macht nix, hahahaha. Gut, im Ernst. Seele aus diesem Knochendings fahre in die dick...ähm stattliche Jungfrau, schnüff, schnüff, echt sicher? Ich meine ne Jungfrau ist sie auch nicht mehr...ach, das arme Ding, war keine schöne Nacht...Gut. Fertig.<
Die Knochen zerfielen zu Staub. Aische schlug die Augen auf.
>Jemand zu Hause?<, fragte FÄTTES BÄH. >Schorsch?<
>Ja<, sagte Aische und erhob sich langsam. >Es hat geklappt.<
>Prima. Also. Ich muss mal. Tschö und...<
>Halt! Das war noch nicht alles!<
>Wie noch nicht ALLES?<
>Hans!<
>Gesundheit!<
>Ich meine Hans, meinen Diener. Er muss hier auch irgendwo liegen.<
>Ja. Toll. Schön. Und?<
>Erwecke ihn!<
>Nö!<
>Gut. Dann werde ich ein paar Dämonen beschwören und ihnen erzählen, dass du illegale Seelenwanderungen veranstaltest.<
Der Dämon sah Aische böse an.
>Mensch, Schorsch, du bist echt ne miese Braut.<
Er hob lässig seine Hand.
Ein Zittern, ein Hügel erschien und ein riesiges Skelett kam heraus gekrochen. Gehen konnte es nicht. Die Beine hatte eine Granate fortgerissen.
Es sah sich um, sah Aische und FÄTTES BÄH.
>Wa...<, machte das Skelett und versuchte fortzurobben.
>Halt, Hans! Ich bin ´s<, rief Georg Herder.
Das Skelett hielt an, drehte sich um und erhob sich auf seine Hüftknochen:
>Du?<
>Ja, Hans. Ich.<
Hans bereitete die Arme aus. >Mutter!<
>Mann, Schorsch, ist der immer so.<
Aische warf dem FÄTTEN BÄH einen bösen Blick zu, wandte sich dann wieder Hans zu.
>Nein, Hans. Ich bin es. Georg Herder!<
>Meister? Oh Meister. Wie schön. Du siehst so seltsam aus, Meister.<
>Ja, ja, guter Hans. Ist ne lange Geschichte und wir haben es eilig.<
>Ja, Meister. Wir sollten hier nicht so ohne Deckung stehen. Wenn der Franzmann uns so findet...<
>Ach, Hans, der Krieg ist aus.<
>Oh. Meister?<
>Ja, Hans?<
>Wer hat gewonnen?<
>Hm, gute Frage. Angesichts der Tatsache, dass ich bei Verdun von Deutschen beschworen wurde, sollte man meinen, dass wir gewonnen haben. Oder, FÄTTES BÄH?<
>Mann, Schorsch. Voll ins Schwarze. Messerscharf kombiniert, höhöhö.<
>Hurra, Meister, Hurra. Wir haben gewonnen. Das ist ein Trost. Weißt Du, Meister, am Ende, zwischen all den Granaten, da hab ich mich doch schon gefragt, was das für einen Sinn macht. Aber wenn wir gewonnen haben, wird schon alles richtig gewesen sein.<
>Wir wollen jetzt gehen, Hans.<
>Ja, Meister. Meister?<
>Ja.<
>Ich hab aber leider keine Beine mehr.<
>Ich sehe es, Hans. FÄTTES BÄH?<
>Jo, Alter, wenn du glaubst, ich trag dir diesen Schwachkopf hinterher, dann lernst Du mich aber mal kennen, ja...<
>Nein. Wir brauchen nur ein paar Beine für ihn.<
>Aha. Und passen soll ´n sie gleich auch noch, was? Ich sag ´s Dir. Dann sind wir aber endgültig quitt, klar.<
>Klar.<
Eine lässige Handbewegung, ein Zittern, ein dritter Hügel erschien. Ein hünenhaftes Skelett grub sich frei. Es trug die Überreste einer französischen Uniform.
>Ja?<, sagte es.
>Der Franzmann!<, schrie Hans entsetzt und brachte eine verrostete Handgranate zum Vorschein.
>Die Deutschen!<, schrie nun auch die französische Leiche, sprang hinter den Erdhügel und brachte ihr verrostetes Gewehr in Anschlag. Der Lauf brach ab.
>Scheiße.<
>Halt, Kamerad<, rief Georg Herder herüber. >Sei unbesorgt. Der Krieg ist aus!<
>Der Krieg? Aus?<
>Ja.<
>Oh. Wer hat gewonnen?<
>Wir. Vermutlich.<
>Scheiße. Armes Frankreich.<
>Nimm ´s leicht. Komm rüber. Wir wollen dir nicht ans Leben<, rief Aische und winkte den Franzosen herbei.
Der warf die Reste seiner Waffe fort und kam herüber.
>Da bin ich aber erleichtert. Ich bin ´s nämlich echt leid zu kämpfen...<
>Wir wollen nur deine Beine<, sagte Aische und warf sich mit vollem Gewicht auf das überraschte Skelett.

Autorenplattform seit 13.04.2001. Zur Zeit haben 687 Autoren 5378 Beiträge veröffentlicht!