TV-Leap: Horror-High
von Carsten Maday

Kapitel
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Bssssssssssssssssssssssssssssssssss, Bssssssssssssssssssssssssss.
>Au, Uh, Huch, ah!<
Bssssssssssssssssssssssssssssssssss, Bsssssssssssssssssssssssssssss.
>Argh, Uhm, oh, oh, oh.<
>He, Patt, was treibst du da.?<
Ein Gesicht war am Fenster aufgetaucht. Ich sollte mal ein ernstes Wörtchen über diese Unsitte verlieren. Das Gesicht gehörte einem wirklich süßen Jungen: blond, niedlich, Mutters Liebling und wahrscheinlich etwas langweilig. Ich hockte auf dem Bett und winkte ihn rein.
>Das siehst du doch. Ich rasiere mir die Beine.< Ich legte den infernalischen Damenrasierer beiseite. Es gab wenige Dinge, die so schrecklich waren, wie der NAM-Film. Dieser Epi-Lady gehörte sicherlich dazu.
>Setzt Dich, Dawson.<
>Jason!<
>Bitte? Oh, ´schuldigung. Jason, natürlich.<
>Hör mal Patt. Ich wollte mit dir über etwas reden.
>Lass mich raten. Es geht um Joey?<
>Chloë!<
Verfickte Arschficker! Chloë, natürlich. So eine beschissene Wichse. Verdammt, das verfickte Fluchen hatte ich anscheinend aus NAM mitgenommen.
>Du empfindest noch immer etwas für sie, oder?<
>Woher weißt du das, Patt?< Ach, er sah so verletzlich und knuddelig aus.
>He, Jason, wie lange kennen wir uns denn?<
>Du hast recht, Patt. Ich glaube, ich liebe sie. Ich habe sie immer geliebt.< Immer ist ein seltsames Wort aus dem Munde eines achtzehnjährigen.
>Hast du es Chloë gesagt, Jason?<
>Wollte ich ja, aber dann war sie auf einmal mit Matt zusammen.<
>Ja, Krieg ist die Hölle.<
>Bitte?<
>Ach nichts. Rede weiter.<
>Na ja, und bevor sie mit Matt zusammen war, da war ich mit Lucy liiert.<
>Lucy, ja? So, so.<
>Ja, Lucy. Und als Chloë mir damals gesagt hat, was sie für mich empfindet, da habe ich ihr gesagt, dass wir nicht unsere Freundschaft riskieren sollten. Ich war ja noch mit Lucy zusammen.<
>Richtig. Lucy.<
>Ja. Aber irgendwie ist sie mir nicht aus dem Kopf gegangen...<
>Lucy?<
>Nein. Chloë. Ich habe gemerkt, dass ich sie liebe. Also habe ich die Sache mit Lucy beendet. Und auf einmal war sie mit Matt zusammen.<
>Aha?< Und wahrscheinlich würde die Sache immer so weiter gehen. Die beiden gingen bald aufs College und würden immer wieder neue Freunde haben. Und immer, wenn man es langsam müde wurde, kamen die beiden für einen kurzen Augenblick zusammen, um sich dann wieder zu trennen. Bis in alle Ewigkeit. Na gut, vielleicht konnte ich den beiden ja helfen und mir nebenbei ein paar schöne Stunden machen. Eines interessierte mich allerdings.
>Sag mal, Jason. Du und Chloë, ihr hattet ja schon einige Beziehungen. Und was ist mit mir. Ich meine, he, ich bin doch irgendwie niedlich, oder?<
Er wurde verlegen.
>Ja, weißt du, du hast den richtigen einfach noch nicht gefunden.<
>Aha.< Verfickte Schweinerei! >Aber du hast die Richtige gefunden?<
>Ja<, sagte er im Ton der Überzeugung.
>Und warum bist du dann mit der Falschen zusammen?<
Ehe er antworten konnte, hob ich mahnend den Finger.
>Sag nichts, Jason. Denke darüber nach. Und wenn du eine Antwort gefunden hast, dann bist zu dem Ziel deiner Reise ein ganzes Stückchen näher gekommen.> Mit diesem weisen Wort scheuchte ich ihn weg.
Auf dem Bett lauerte der Rasierer. Was sollte ich machen? Auf einem rasieren Bein konnte man ja nicht stehen. Als ich mich durch das Tal der Schmerzen kämpfte, schoss mir ein brennender Gedanke durch den Kopf. Was wenn ich mich vielleicht nicht in einem Teeny-Liebesfilm, sondern in einem Teeny-Splatterfilm befand. Ich ärgerte mich, dass ich Jason nicht nach etwaigen ungeklärten Todesfällen in der Gegend gefragt hatte. Ich beschloss auf Nummer sicher zu gehen und setzte neben Kleid und Batterien noch die eine oder andere Kleinigkeit auf meine Einkaufsliste.

Ich trug ein kleines Schwarzes und Schuhe mit mörderischen Absätzen, die mich dicht bis an die einssechzig hievten. Mein Haar war offen und verdeckte etwas meine Nanna Mouskouri Gedächtnisbrille. Nicht schön, aber sicher. Vielleicht lief ja ein entsprungener Irrer frei herum. Da war es nie gut, wenn im entscheidenden Moment die Kontaktlinse herausfiel.
Ich wuchtete die Sporttasche in den Kofferraum von Mamis Wagen und setzte mich ans Steuer. Ich sah mehr unter dem Lenkrad durch als darüber hinweg. Ich fuhr aus der Garage und machte mich auf dem Weg zum Abschlussball. Das diskriminierende Schicksal hatte keinen Begleiter für mich bereit gehalten. Egal! Ich beschloss möglichst viel zu trinken. Das war besser als ein Mann.
Der Ball fand in der Sporthalle statt. Die Schulzufahrt war voller Autos. Nirgends ein Parkplatz. Ich fuhr einfach auf den Rasen. Ich wollte das Auto in der Nähe haben und vermeiden, allzu weit auf diesen Absätzen zu gehen. Ohne mir die Knöchel zu verstauchen stakste ich zur Sporthalle. Die Party legte langsam los. Musik strömte mir entgegen, als ich die Eingangstreppen empor wankte. Schüler lungerten herum. Einige tranken Bier, andere rauchten Hasch. Zwei adrette Cheerleader plauschten gelangweilt miteinander, derweil ihre muskulösen Begleiter gerade ihr Denkmögen erweitern wollten.
>Oh<, sagte die eine und stieß ihre Freundin an. >Sieh mal, da kommt ein Hobbit. Echt, Patt, du siehst so knuffig und sooooooooooo allein aus...<
>Halt deine verfickte Schnauze, Drecksschlampe<, fuhr ich sie an. Mein Fluchen war nicht besser geworden. Die beiden Mädchen waren zu verblüfft, um ein Wort heraus zu bekommen. Ihre Begleiter ebenfalls, als ich ihnen den Joint ab nahm.
>Macht nur impotent, Jungs<, sagte ich und ging weiter. Der Joint verschwand in den Tiefen meiner Handtasche.
Ich betrat die Halle und steuerte auf die Bar zu. Miss Mankousow, die Englischlehrerin, fing mich ab.
>Oh, Hallo, Patt. Wie geht es meiner Lieblingsschülerin.<
>Sehr gut, Miss Mankousow.< Ich schien eine ziemliche Streberin zu sein. Es war offensichtlich, dass Miss Mankousow nicht glücklich darüber war, dass sie an diesem Abend Aufsicht führen musste. Da sie sich unwohl fühlte, klammerte sie sich an ein vertrautes Gesicht, meines. Mit einiges Mühe konnte ich mich endlich loseisen und kam zur Bar. Ich bestellte mir eine verbesserte Limonade und versuchte, mir einen Überblick zu verschaffen, was mir wegen meiner Größe nicht gerade leicht fiel.
Wie das Leben so spielte, gefiel mir die Party mit jedem Drink besser. Man tanzte, man trank, man verschwand nach draußen, um dieses oder jenes zu tun. Ein paar Schüler grüßten mich, aber niemand kam, um sich mit mir zu unterhalten.
Endlich tauchten sie auf. >Chloë sah großartig aus. Sexy, wenngleich sehr sittsam. An ihrer Seite das obligatorische James Dean Imitat. Matt, der Rebell. Ein wenig später erschien Jason mit Bianca. Ebenfalls sexy, aber kaum sittsam. Jason warf Matt eisige Blicke zu und Chloë Bianca.
Ich hatte noch keine Strategie, wie ich Chloë und Jason zusammen bringen sollte, aber nach einigen weiteren Drinks würde sich sicherlich eine finden lassen. Sie ließ sich finden. Ich entschied mich für einen Frontalangriff. Munitionsart: Ehrlichkeit.
Ich stakste auf die Tanzfläche und griff Chloë am Arm. Sie tanzte allein. Matt stand am Rand der Tanzfläche. Rebellen tanzten nicht.
>He, Patt. Du siehst toll aus.<
Ich errötete tatsächlich.
>Danke. Du aber auch Chloë. Kann ich dich kurz sprechen?<
Ohne ihre Antwort abzuwarten, zerrte ich sie nach draußen. Wir gingen zum Sportplatz. Es war dunkel. Nur in einigen Fenster des Bürogebäudes hinter dem Sportplatz brannte noch Licht. Wir setzten uns auf eine Bank.
>Hör mal, Chloë. Ich weiß aus sicherer Quelle, dass Jason dich liebt.<
Sie sah mich mit ihren Rehaugen an.
>Von wem?<, hauchte sie aufgeregt.
>Ähm, von ihm selbst. Und du liebst ihn doch auch. Also, warum sägt ihr eure Begleiter nicht einfach ab und verbringt den Abend gemeinsam. Nur reden, meine ich. Ganz viel reden. Küssen auch und so. Zu viel reden ist auch langweilig. Alles klar? So, viel Spaß.<
Chloë sah mich erstaunt an. Dann zeigte sich Entschlossenheit in ihrem hübschen Gesicht.
>Du hast Recht, Patt. Ich sollte mit ihm Reden. Sonst geht die Sache noch ewig so weiter. Ich danke dir.< Sie hauchte mir eine Kuss auf die Wange und ging zurück in die Sporthalle. Ich lehnte mich zurück und kramte in den Untiefen meiner Handtasche nach dem Joint.
>Jetzt reite ich den magischen Drachen<, sagte ich und betete inständig, dass die NAM-Gesichte aus meinem Kopf verschwand. Ich nahm einen tiefen Zug, rauchte langsam und ließ die Ewigkeit der einsamen Nacht auf mich wirken. Dann brandete die Paranoia heran: die Sache lief einfach zu glatt. Meine Sachen liefen doch nie glatt. Noch einen Zug. Gütiger Gott. Hatte ich etwa den Plot geändert? Das war das schlimmste! Regel Nummer eins: niemals den Plot ändern. In einem solchen Fall änderte der Film nämlich gnadenlos sein Genre.
Ich hörte ein Geräusch. Instinktiv griff ich in die Handtasche. Meine Finger krümmten sich um das Gesuchte. Mit einem Ruck drehte ich mich um. Matt kam auf mich zu. War er der irre Killer? Wollte er mich umbringen, weil ich Chloë geraten hatte, ihn zu verlassen? Er hob die Hand.
>Keinen Schritt weiter, Matt, oder...<, Ich bedrohte ihn mit der Waffe, die ich zog.
>Oder was? Massierst du mich dann?< Er grinste verwirrt.
>Was? Verfluchte Scheiße!< Anstatt meines neuen Elektro-Schockers hielt ich den Vibrator in der Hand (Nein, ich möchte an dieser Stelle nicht darauf eingehen, warum ich ihn dabei hatte).
>Alles in Ordnung, Patt?< Er hörte sich nicht gerade wie ein Irrer an. Ich nickte und steckte den Vibrator wieder weg.
>Das ist nicht meiner. Ich...bewahre...ihn...nur...auf...für eine Freundin, vielleicht?<
>Verstehe. Darf ich?< Er deutete auf den Joint, der zwischen meinen Lippen hing. Ich reichte ihn weiter. Matt setzte sich neben mich. Da ich keine Axt in seinen Händen sah, entspannte ich mich ein wenig.
>Patt, Chloë hat mit mir geredet. Es ist aus. Sie hat mir erzählt, was du ihr geraten hast...<
>Es tut mir leid, Matt. Es war nicht persönlich gemeint, weißt du.<
>Ja, natürlich. Ich bin dir auch gar nicht böse.< Er nahm einen Zug. >Es ist gut so. Wir waren nicht für einander bestimmt. Keine Harmonie, keine...<, er stupste mich an >Vibrations.<
>Sehr lustig, Matt.< Wir kicherten. Der Joint war tot. Matt brachte einen zweiten zum Vorschein. Wir rauchten. Matt war ein netter Junge, vielleicht die andere Seite von Patt. Sie war zu bieder, um beliebt zu sein, er zu rebellisch. Wir sahen auf die Sterne.
>He, Matt? Sag mal, was treiben die in dem Bürogebäude dort drüben eigentlich?<
>Ach das. Ist ein Regierungsgebäude.<
>Regierungsgebäude?< Alarmsirenen schrieen in meinem Inneren. Regierungsgebäude waren nie gut.
>Ja<, sagte Matt. >Ist mächtig was los bei denen, seit vor drei Wochen der Meteorit heruntergekommen ist...<
Ich sprang auf. >Was denn für ein Meteorit?<
>Weißt du nicht mehr. Schlug hier auf der Insel ein. Ein ganz schöner Wumms...Die Alarmsirenen schrieen wieder. Diesmal nicht in mir, sondern in dem Regierungsgebäude.
>Was zur Hölle ist das<, rief Matt. Er zeigte auf eine Gestalt, die mühsam über den Zaum am anderen Ende des Sportplatzes kletterte. Auf der Mitte des Rasens brach sie zusammen. Matt rannte los. >Warte Matt, wir müssen zu meinem Wagen!< Er hörte nicht. Ich fluchte. Meine Absätze versanken im Rasen. Ich zog die Schuhe aus, nahm sie in die Hand und rannte hinter Matt her. Er erreichte die Gestalt. Sie trug weiß. Ein Laborkittel. Laborkittel nie gut! Überall all war Blut auf dem Stoff. Das war sogar noch schlimmer. Es war ein Mann. Er bewegte sich noch. Matt kniete sich neben ihn. Als ich dazu kam, hörte ich noch die letzten Worte:
>...der Impfstoff...alles verloren...< Blutiger Schaum auf den Lippen. Ein Röcheln. Der Mann war tot. Matt kniete fassungslos neben der Leiche. Er sah mich an.
>Patt, er ist tot...<
>Ja, ich weiß. Steh auf, Matt. Bitte! Geh da weg, Matt! Schnell!< Der Tote riss die Augen auf, richtete sich auf und biss in Matts Unterarm. Nun zumindest versuchte er es. Ehe er Matt verletzten konnte, warf ich den Schuh. Der Absatz bohrte sich durchs Auge tief ins Hirn und warf den Untoten auf immer zurück aufs Leichenbett.

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