TV-Leap: Black Emmanuelle
von Carsten Maday

Kapitel
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2314. Tag

Drehbuchautoren! Sie konnten ja so grausam sein. Einfach eine Einblendung Sechs Jahre später in den Film und den Rest überließen sie der Phantasie des Publikums. Auf den Gedanken, dass jemand wirklich jeden einzelnen Tag dieser Hölle durchstehen musste, war anscheinend noch keiner gekommen.
Sechs Jahre später. Irgendwo in der Wüste, kurz vor Sonnenuntergang. Ich befand mich auf einem heruntergekommenen Sportplatz. Die alten Flutlichtmasten krallten sich wie die Finger eines Toten in den Himmel. Die Fahrertür des dunkelgrünen Ford Mustang stand offen. Leise Musik erklang aus der Anlage. Ich saß auf einem Stuhl und nahm ein Bier aus der Kühlbox. Auf meinen Knien lag ein schweres Bowiemesser. Ich sah auf meinen Arm, auf die vielen Striche von vernarbten Schnitten. Noch ein paar Minuten und ein neuer kam hinzu.
Es war ein langer Weg hierher gewesen. Eine Pandemie war ausgebrochen und mit ihr der Wahnsinn, denn als die Lebenden fielen, blieben die Toten stehen. Vampire krochen aus ihren Löcher, sahen die Welt untergehen und ließen jegliche Hemmung fallen. Sie fielen über jeden her, den sie fanden. Sie mussten sich nicht mehr verstecken und achteten nicht mehr darauf, ihre Zahl gering zu halten, wie sie es seit Jahrtausenden getan hatten. Vielen schlürften sie das Blut bis zum letzten Tropfen aus und verwandelten sie ebenfalls in Vampire. Es war ein orgiastische Vergnügen für sie, um so stärker, da sie es sich so lange versagt hatten.
So schrecklich die Vampire auch waren, die Seuche war schlimmer. Kaum einer überlebte. Und nach einer Zeit des Chaos, die die Blutsauger wehmütig das große Fest nannten, wurde ihnen klar, dass es so nicht weiter gehen konnten. Es gab immer mehr Vampire und immer weniger Beute. Nicht mehr lange und sie würden mit den Menschen aussterben. Also gründete man die Farmen. Die Vampire sammelten die Überlebenden der Seuche und gründeten kleine Gemeinden. Sie gewehrten den Menschen Schutz vor anderen Vampiren und Kopfjäger und molken dafür ihr Blut. Es gab viele Vampirclans, viele Farm, aber nie genug Menschen, denn die Immunität der Eltern übertrug sich nicht auf ihre Kinder. Die Seuche war noch immer da und nur ein Bruchteil der Neugeborenen überlebte sie. Nicht mehr lange und der für die Vampire so bequeme Status quo war nur noch eine Fußnote in der Geschichte, die niemand mehr studieren würde.
Und ich? Ich hatte überlebt, denn der Film war nicht unfair genug, um mich chancenlos eingehen zu lassen. Ich hatte die anderen fallen sehen. Ich hatte Susi nicht vergessen. Da ich die Seuche nicht fassen konnte, knöpfte ich mir die Vampire vor. Ich nutzte die Jahr und fand heraus, wie man sie am besten umbrachte. Da gab es von Film zu Film erhebliche Unterschiede. In diesem Film nutzten Kreuze nichts, was ich als sehr bedauerlich empfand, da ich mich die Begegnung mit einem Vampir von ehemals buddhistischen oder muslimischen Glaubens aus Forschungsgründen gereizt hätte. Oder Atheisten. Womit man die wohl umbrachte? Marx?
Es gab viele Vampire und manche bildeten sich ein, besser zu sein als die anderen. Es waren die Vampire, die versuchten, ihren Durst zu unterdrücken, so wie man den Alkoholismus bekämpfte. Sie schämten sich, vergingen vor Selbsthass und Einsamkeit und versuchten aus ethischen Gründen, ihre Opfer nicht zu töten. Es waren modere Vampire, mit denen man mitleiden konnte. Ich tat es nicht. Sie glichen keinen geläuterten Alkoholikern. Sie raubten Menschen mit Gewalt ihr Blut, selbst wenn sie sie dabei nicht töteten Das war etwas anderes, dem man seine vergangenen Sünden nicht so schnell nachsah. Wenn man Vampir durch Vergewaltiger ersetzte, würde selbst Brad Pitt wenig Sympathien erhalten. Kurz, ich hatte die Hoffnung, jemals wieder aus diesem schrecklichen Film springen zu dürfen, längst aufgegeben und jagte die Vampire, wo ich sie traf.

Ich verfolgte ihn bereits seit drei Tagen. Ich war neugierig geworden. Er raste durch die Wüste, einen Ort, den Vampire eher mieden und daher der Sammelpunkt einiger freiheitsliebenden Überlebender war. Er nutzte die letzten Schatten der Nacht, ehe er seine Reise unterbrach, um sich vor der Sonne zu verbergen, und schwang sich noch mit den letzten Strahlen wieder auf sein Motorrad. Er fraß nicht. Blutkonserven konnte er wegen der Hitze nicht dabei haben. Er hatte es eilig. Warum? Ich war neugierig. Ich musste es wissen, bevor ich ihn tötete.
Ich nahm einen Schluck und lauschte der Musik, die leise aus dem Wagen klang. Eine wundervolle Frauenstimme kleidete den Kummer der Welt in Worte:
Poios ouranos poia thalassa poia vrisi de tholonei? Poia mana chanei to pedi kai lype den ti lyonei; poia mana xani to pedi kai o ponos den ti lyonei?
(Welcher Himmel, welches Meer, welche Quelle trübt sich nicht? Welche Mutter verliert ihr Kind und Kummer bringt sie nicht zum schmelzen? Welche Mutter verliert ihr Kind und der Schmerz bringt sie nicht zum schmelzen?)

>Das ist schön<, erklang eine verzerrte Stimme. >Was singt sie?<
>Weiß nicht genau<, antwortete ich. >Ich glaube eine Mutter beweint den Tod ihres Sohnes. Ein Fischer, oder so.<
Die Musik hielt mich noch in ihrem Bann und es dauerte einen Augenblick, ehe ich realisierte, dass die verzerrte Stimme nicht aus meinem Headset sondern von hinter mir kam. Erschrocken sprang ich auf und wirbelte herum. Die Gestalt machte keine Anstalten, mir an die Kehle zu gehen. Es war der Vampir. Kein Zweifel. Kein Mensch, mochte er noch so ein abgebrühter Fetischist sein, konnte einen so engen, schwarzen Latexanzug in der Wüste tragen, ohne im eigenen Schweiß zu ertrinken. Der Vampir trug einen schwarzen Motorradhelm, aber der Anzug ließ keine Zweifel offen: der Vampir war eine Frau. Ich verfluchte mich. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass der Blutsauger so einfach an den Claymore-Minen vorbeikommen würde, geschweige denn, sich vor Sonnenuntergang heraustrauen würde. Ein kleiner Riss im Anzug wäre fatal. Der Vampir wusste es. Ich sprang erschrocken auf und hielt das Bowiemesser abwehrend vor mich. Der Vampir stand ruhig da.. Trotz des Messers wäre es keine Mühe für ihn gewesen, mich bewusstlos zu schlagen und später auszusaugen.
>Ich will dich nicht töten<, sagte der Vampir stattdessen..
>So<, meinte ich und ließ zum Schein das Messer sinken. Mit einer schnellen Bewegung zog ich es mir über den Arm. Augenblicklich quoll Blut aus der Wunde und tropfte in den Wüstensand. Vampire, die Blut gewittert hatten, waren am gefährlichsten. Aber da ihre Aufmerksamkeit durch den Hunger getrübt wurde, waren sie auch anfälliger für Hinterhalte. Ein lüsterner Schrei drang von unter dem Helm hervor.
>Feuer! Feuer! Feuer!<, schrie ich in mein Headset. Ich griff mit der Linken hinter mich. Ehe ich die Desert Eagel im Anschlag hatte, hatte der Vampir sie mir aus der Hand geschlagen. Ein Fausthieb traf mich. Ich flog einige Meter durch die Luft und krachte auf den vertrockneten Boden des Sportplatzes.
>Feuer?<, sagte ich verzweifelt, als ich die Reste des Headsets von meinem Hals baumeln sah. Dann war der Vampir über mir. Er packte meine Hand und drückte. Der Schmerz zwang sie offen und ich ließ das Messer fallen. Mit der anderen Hand riss ich das Visier des Motorradhelms auf. Doch anstatt vor Schmerz aufzuschreien, starrte mich ein vor Gier verzerrtes Gesicht an. Die letzten Strahlen der Sonne waren gerade verloschen.
>Susi!<, keuchte ich entsetzt. Mit ihren Knien drückte Susi meine Arme in den Staub. Sie nahm den Helm ab. Ihre Fangzähne bleckten auf, als sie mich anfauchte.
>Susi, warte<, schrie ich panisch. Ich sah Erkennen in ihren Augen. Sie beugte sich dennoch zu mir hinab. Dann traf es sie. Wie von einer riesigen Faust wurde sie gepackt und einige Meter nach hinten geworfen. Sie blieb regungslos liegen. Ein riesiges Loch klaffte in ihrer Brust. Den Schuss hatte man erst den Hauch einer Sekunde nach dem Einschlag gehört.

Eigentlich war es abzusehen gewesen, dass ich früher oder später auf Susi treffen würde. Das war genau die billige Art von Dramatik, mit der B-Movies spielten. Wenn man allerdings jeden einzelnen Tag der sechs Jahre wirklich durchstehen musste hatte, hörte man irgendwann damit auf, morgens als erstes zu denken: hey, heute treffe ich Susi wieder. Susi war wie der Tod. Er kam einfach. Nur das Wann und Wie konnten einen überraschen.
Nach dem Treffer hatten wir leichtes Spiel mit ihr. Die klaffende Wunde schloss sich schnell und Susi begann sich aufzurichten. Ein Schuss klatschte zwischen ihre Beine in den Boden. Susi zuckte erschrocken zusammen und knurrte zornig. Ich nahm die Desert Eagle wieder an mich und hielt einen Abstand von zehn Metern zu Susi ein. Vampire waren tödlich schnell.
>Ganz ruhig, Schätzchen<, sagte ich. >Überlege genau, was du machst. Auf einem der Flutlichter hockt Kevin mit einem KSVK 12.7mm. Bei einem Treffer in den Hals besteht eine gute Möglichkeit, dass dein ganzer Kopf abfliegt. Das wirkt sogar bei dir. Hier, anlegen!< Ich warf Susi zwei paar Handschellen hin. Sie machte keine Anstalten sie anzulegen. Ich machte ein Zeichen. Nachdem sich Susi von einem weiteren Treffer in die Brust erholt hatte, kam sie meiner Forderung nach. Sie fesselte sich selbst.
>Was hast du mit mir vor<, fragt Susi. Es klang eher trotzig als ängstlich.
>Wir warten bis zum Sonnenaufgang<, sagte ich.



2315. Tag

>Du siehst gut aus<, sagte Susi. Das stimmte. Als gnadenlose Vampirjägerin in einem Hollywoodstreifen war es das wichtigste, gut auszusehen. Die Welt ging unter und die Menschheit zugrunde, aber die Frisur hielt. Und zwischen zwei Vampirkämpfen nahm man sich die Zeit, um Beine, Achselhöhlen und Bikinizone zu enthaaren. Wuscheliges Haupthaar und stachelige Beine waren das Todesurteil in jedem Streifen. Meine Figur war athletischer geworden. Ich trainierte hart, um für die Kämpfe gerüstet zu sein und um meine Rückenschmerzen loszuwerden. Mit meinen Brüsten war es wie mit vielem. Was gut aussah, war nicht immer praktisch. Die Wüstensonne hatte Krähenfüsse in mein Gesicht gebrannt, auf die sogar Clint Eastwood neidische wäre, aber ich war zweifelsohne noch immer eine attraktive Frau.
>Ja, Danke<, sagte ich. >Hab mich gut gehalten für eine Frau Mitte dreißig.< Ich ignorierte Susis Blick. Ich hatte mein Alter eingefroren. Die Überlebenswahrscheinlichkeit von Frauen Ende vierzig in Hollywood war mir einfach zu gering.
>Du siehst selbst großartig aus<, sagte ich. Das Mädchenhafte war aus Susi gewichen. Sie hatte noch immer den fabelhaften Körper, der sich trauen konnte, so einen Latexanzug zu tragen. >Das macht die gute Blut-Diät, was?<
>Ich hab´s mir nicht ausgesucht<, zischte Susi.
>Möglich<, erwiderte ich. Hinter den Hügeln lugten die ersten Sonnenstrahlen hervor. In der Nacht hatten wir die Claymore-Minen wieder eingesammelt und Susi´s Motorrad sichergestellt. In den Taschen hatten wir verschiedene Dokumente gefunden. Ich versuchte erst gar nicht, Susi vor Sonnenaufgang zu befragen. Die Sonne würde sie gesprächig machen.
>Es ist Zeit, dass du uns etwas erzählst Susi. Warum bist du unterwegs durch die Wüste, hm? Eine Mission?< Wir saßen in einem der alten Geräteschuppen. Die Garagentür stand offen. Davor parkte der Ford. Susi hockte gefesselt im Schatten. Ich kniete ihr Gegenüber und spielte mit dem Messer im Boden. Hier und da fing die Klinge einen Sonnenstrahl ein, den sie reflektierte und dicht vor Susis Füße warf, die nun nackt waren. Susi zuckte nicht mit der Wimper.
>Was soll das, Chantal?<, sagte Susi gelangweilt. Den Namen hatte ich lange nicht mehr gehört. Die meisten nannten mich das Fräulein. Chantal klang auch zu blöde.
>Wir wissen beide, dass du mir nichts antun wirst. Ich bin´s doch. Susi.<
Ich nickte Kevin zu, der draußen auf der Motorhaube saß. Er tat so, als untersuche er sein Gewehr, um herauszufinden, warum es Ladehemmungen gehabt hatte. Ich vermutete eher, dass Kevin auf dem Flutlicht eingeschlafen war. Das konnte schon mal passieren, und er Vampir war ja auch zu früh erschienen. Kevin reinigte liebevoll sein Gewehr. Es war eine russische Waffe, entwickelt, um Feinde hinter Holzdeckung und Ziegelmauern zu bekämpfen. Wenn Orpheus so ein Ding gehabt hätte, pflegte Kevin zu sagen, hätte er sein Baby wieder mit zurückgebracht. Kevin sah meine Geste und wir spulten die tausendfach eingeübte Litanei herunter.
>Du bist nicht Susi. Susi ist tot. Wir werden nicht zögern, dich zu töten<, sagten wir unisono.
Kevin legte die Stirn in Falten.
>Ich hab mich immer gefragt, Fräulein, wie man jemanden töten kann, der bereits tot ist. Könnte man das nicht umformulieren, irgendwas von wegen dem Leib Frieden geben, oder so?< Meine bohrenden Blicke brachten ihn zum Schweigen.
>Ich bin nicht tot<, sagte Susi empör. >Ich bin ein Mensch.< Ich lachte.
>Ha, ich kenne eure lächerliche Clan-Synode von vor drei Jahren. Ihr habt offiziell verlauten lassen, dass Vampire ebenfalls Mensch sind. Das soll eueren Blutspender das Leben unter euer Knute schmackhafter machen.<
>Aber es ist wahr<, beharrte Susi. >Die Übereinstimmungen sind größer als die Unterschiede. Und wenn ihr uns stecht, bluten wir nicht...Aua!< Aus dem Schnitt an ihrem Fuß quoll Blut. Ich besah mir nachdenklich das frische Blut auf meiner Klinge. Ich nickte.
>Ja, ihr blutet. Aber euer Blut ist schwarz-<
>Mit einem Hauch Grün<, kommentierte Kevin aus seiner Erinnerung.
>Ja, Danke, Kevin. Schwarz mit einem Hauch grün. Kling nicht sehr menschlich. Und Menschen laufen auch nicht mehr herum, wenn man ihnen in den Kopf schießt. Also los, rede endlich.< Ich ließ einen Sonnenstrahl auf ihren Fuß fallen. Das schwarze Blut zischte und stinkender Rauch entstand. Der Schnitt war bereits verschwunden. Susi biss sich vor Schmerz auf die Zähne. Ja, Sonnenlicht tat wirklich weh.
>Das bringst du nicht fertig, Chantal. Das hab ich nicht verdient<, rief sie. >Nicht nachdem du mich damals zurückgelassen hast.<
Ich sprang auf und funkelte Susi wütend an.
>Gibt nicht mir die Schuld daran<, brüllte ich. >Was hatte ich denn für eine Wahl? Du warst bereits verloren, als wir in die Tiefgarage kamen. Wenn er dich nicht gebissen hätte, wärst du wie all die anderen an der Grippe eingegangen!< Das sagte ich mir seit sechs Jahren jeden Morgen und ich war so kurz davor, es zu glauben. Das wollte ich mir jetzt nicht kaputt machen lassen.
>Kevin, in den Wagen!< Kevin stieg ein. Ich setzte mir mein geflicktes Headset auf.
>Also, Susi, spuck´s endlich aus. Die Sonne wird heißer und heißer.< Sie schwieg.
>Gib Gas, Kevin.<
Der Ford heulte auf, als die Räder in dem Staub durchdrehten. Dann schoss der Wagen nach vorn. Die Seilrolle zwischen dem Wagen und Susi rollte sich mit zunehmender Geschwindigkeit ab. Ich deutete Susi panischen Blick richtig.
>Hundert Meter. Mehr nicht!<
Viel war nicht mehr auf der Rolle, als der Wagen stoppte und Susi zu erzählen begann. Es ging um die Seuche. Sie hatte einen Informanten auf einer Farm in der Nähe von L.A. ausfindig gemacht. Ein ehemaliger CIA-Mitarbeiter. Kurz bevor die Infrastruktur der Behörde zusammengebrochen war, hatten sie etwas herausgefunden.
>Es war kein natürlicher Erreger<, sagte Susi. >Es war ein künstliches Virus, das an mehreren Orten auf der Welt gleichzeitig freigesetzt wurde. Die CIA konnte Spuren verfolgen, die zu einem geheimen Labor in Maine führten. Aber ehe sie ihnen nachgehen konnten, hatte die Seuche ihren Höhepunkt bereits erreicht. Du weißt, was das heißen könnte?<
Ich wusste es. Ich hatte endlich eine Mission, etwas, das es zu erledigen galt, ehe ich weiter springen konnte. Nach sechs Jahren begann ich gelegentlich zu vergessen, dass dies nur ein Film war. Es war an der Zeit weiterzuziehen. Also, den Erreger in seiner Reinform finden, ein Gegenmittel entwickeln, die Menschheit retten und dann Schwamm drüber über die ganze Sache.
>Ja<, sagte ich beinahe zufrieden. >Ich weiß, was das heißt. Wenn ihr ein Gegenmittel entwickelt, nutzt ihr es lediglich, um eueren Bestand an Vieh aufzustocken. Dass die Menschheit wieder auf die Beine kommt, interessiert euch doch nicht. Besser, sie kriecht weiter im Dreck.<
>Das ist nicht wahr<, sagte Susi entrüstet. >Vampire und Menschen können doch nebeneinander leben, ohne sich bis aufs Blut zu bekämpfen. Ich falle nicht über euch her und sauge euch aus.<
>Ach ja? Gerade eben sahst du recht hungrig aus, als du dich auf mich geworfen hast.<
>Es tut mir leid<, sagte Susi zerknirscht. Für einen Moment konnte ich die alte Susi sehen, mädchenhaft und unschuldig, na gut, unschuldig im strafrechtlichen Sinne eben.
>Du hast mich überlistet. Ich hatte seit Tagen nichts gegessen. Ich hab dir gesagt, dass ich dich nicht töten wollte.<
>Hast du, ja. Und beim Großen Fest. Hast du dich da nicht bedient?<
Sie schwieg und nickte betrübt.
>Ich-<, sagte sie nach einer Zeit traurig. >Ich war verwirrt. Das waren viele Verwandelte.<
>Du tust mir leid<, sagte ich. Ich stand auf.
>Es ist Zeit, Kevin.< Wir packten unsere Sachen und stiegen ein. Susi ließen wir in der Garage zurück.


>Ich mache mir langsam Sorgen<, sagte Kevin, als ich den Fahrersitz zurecht schob. >Ich weiß, es ist ein Vampir, aber irgendwie ja auch Susi, oder? Sind wir nicht ein klein wenig hart mit ihr umgegangen? Du mochtest sie doch, oder? Bist du bereits so abgebrüht, dass dich nichts mehr erschüttert? Wir leben in einem Sumpf, Chantal. Tag für Tag!<
Ich nickte.
>Ich weiß, Kevin. Deshalb fahren wir ja auch einen 1968er Ford Mustang Fastback.<
Ich gab Gas. Die Reifen drehten durch. In dem Staub sah ich flüchtig Susi stehen, die verzweifelt in ihren Ketten winkte, als der Mustang vor schoss und das Seil sich rasend schnell spannte.

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