TV-Leap: Black Emmanuelle
von Carsten Maday

Kapitel
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2325. Tag

Die Tür ging auf und ein heller Lichtschein fiel in das dunkle Zimmer. Ich blinzelte die Müdigkeit fort und sah Kevin in der Tür stehen.
>Fräulein? Bist du da.<
>Nein, Kevin. Ich bin nicht hier. Ich laufe durch den Dschungel und sammle Mangos. Was gibt´s?<
>Steh auf. Der Indianer will dich sehen. Irgendetwas ist passiert. Und ich glaube, ich habe ein Flugzeug gehört.<
Nach unseren Treffen mit Susi hatten Kevin und ich uns auf den Weg nach Hause gemacht. Zu Hause war in unseren Fall Las Vegas. Dort befand sich eine große Gemeinde von Überlebenden, die den Vampiren die Stirn boten. Es war ein Risiko so viele Menschen –es waren beinahe achthundert- an einem Ort zu versammeln, aber die Leute sehnten sich nach einem Heim und hatten das ewige Verstecken satt. Letztlich schreckten die Vampire vor der glühenden Wüste zurück und mit den Kopfjägern wurde man fertig. Man konnte gut Leben in Las Vegas. In einigen Straßenzügen hatte man die Leichen beseitigt. Die Hotels lagerten genug Vorräte und Paul Anka gab noch immer drei Vorstellungen am Tag. Es gab alles, was das Herz begehrte. Nur Kinder gab es wenige.
Es war Mitten in der Nacht, als der Fahrstuhl im obersten Geschoss des Palace Hotel hielt. Hier residierte der Indianer. Er war wirklich einer. Ein mittelgroßer, bulliger Mann mit kurzen Bürstenschnitt in dem das Grau mehr und mehr Boden gut machte. Vor dem großen Fest hatte der Indianer als Sheriff in einem kleinen Wüstenkaff gelebt. Die Katastrophe hatte seine Qualitäten als Anführer hervorgebracht. Er war unser Bürgermeister. Er begrüßte mich, als wir eintraten. Ich hatte ihn seit unser Rückkehr nicht getroffen, da ich zu sehr mit den Vorbereitung für unsere Expedition beschäftigt gewesen war. Der Nordosten der USA war Vampir-Land. Dort waren die Lebensbedingungen ideal für sie. Wer da durch wollte, musste gut gewappnet sein. Kevin und ich hatten zwei Panzer flottgemacht. Damit kam man schneller voran, als man gemeinhin dachte, besonders auf den mit Autowracks verstopften Straßen. Wir freuten uns auf unseren Ausflug.
Wir waren nicht die einzigen Anwesenden. Der Indianer stellte uns seine Gästen vor. Den Vize-Bürgermeister kannten wir bereits. Sie hieß Elaine, Mitte dreißig, attraktiv, stammte auch ursprünglich aus Las Vegas, wo sie einer etwas anrüchigen aber einträglichen Beschäftigung nachgegangen war. Nun, wer ohne Sünde ist, der werfe den ersten Dildo. Die beiden anderen Gäste kannte ich nicht.
>Das ist Matt Anders<, stellte der Indianer uns den hochgewachsenen Mann vor. Er hatte ein wettergegerbte Gesicht, das viel gesehen hatte und dennoch lachen konnte. Er kam frisch aus der Wüste, sein schwarzes Haar war staubbedeckt. Er trank genüsslich ein kühles Bier. Freudestrahlend gab er mir die Hand. Das Strahlen wurde noch breiter, als er mir ungeniert in den Ausschnitt starrte. Man musste ihn einfach gerne haben. Matt war ein Renegat. So nannte man die Leute, die in die Farmen der Vampire einbrachen und Menschen befreiten, bzw. entführten, denn die meisten zogen es vor, sich von den Vampiren melken zu lassen als langsam in der Wüste zu verdorren. Der Indianer wies auf den zweiten Mann, ein untersetzter, älterer Herr mit Brille und Halbglatze.
>Matt hat uns beschafft, was uns noch gefehlt hat.<
Ich starrte den Mann an.
>Sie sind Biologe<, fragte ich freudig überrascht.
>Arzt<, verbesserte der Mann mit gütigem Lächeln. Das musste reichen. Kevin und ich hatte unsere Vorbereitungen so gut wie abgeschlossen. Alles was uns noch fehle, war einer, der sich auch mit Viren auskannte und uns sagen konnte, was wir in dem Labor in Maine gefunden hatten.
>Willkommen an Bord, Doktor, ähm...<, sagte Kevin.
>Doktor Heinz.<
>Und Sie sind Virologe<, fragte Kevin.
>Nun, ich besitze einige Kenntnis in dieser Materie, aber um ehrlich zu sein, vor der-, also vor dieser Sache damals, war ich Schönheitschirurg-<
Ich machte einen Satz und packte den Doktor, ehe Matt und der Indianer etwas dagegen tun konnten. Matt zog seine Waffe aber der Indianer winkte beruhigend.
>Kommen Sie, Doktor<, rief ich. >Es gibt eine kleine Klinik nur zwei Blocks von hier.< Ich deutete auf meinen Busen, der vor Aufregung auf und ab wogte.
>Was meinen Sie<, fragte der Mann verwirrt, als ich ihn zum Fahrstuhl zu schleifen begann.
>Ich kann Ihnen wirklich nicht empfehlen, ihre Brüste noch mehr zu vergrößern. So ein Arzt bin ich nicht. Aber vielleicht etwas Botox für das Gesicht?<
Nachdem ich mich beruhigt hatte und Matt und der Indianer meine Hände vom Hals des Doktors gelöst hatten, saßen wir wieder friedlich in einer Runde und beratschlagten unser weiteres Vorgehen. Der Indianer stand auf und ging zu seiner Gegensprechanlage.
>Schickt sie rauf<, sagte er. Er wendete sich uns zu. >Nun, wir haben heute Nacht noch einen anderen, überraschenden Gast bekommen. Ich glaube, er wird deine Pläne etwas über den Haufen werfen, Chantal.<
Mit einem Ping kündigte sich der Fahrstuhl an. Die Türen gingen auf und Susi stieg aus. Sie lächelte mich strahlend an, als sie meinen fassungslosen Gesichtsausdruck sah. Das war ein Fehler, denn ihre Zähne bleckten auf. Matt schoss, ehe der Indianer ihn daran hindern konnte. Susi taumelte einen Schritt nach hinten und fasste sich an das Loch auf ihrer Brust.
>War das wirklich nötig<, fragte sie zornig. >So verheilt das ja nie. Und weh tut es schon.<
Zusammen gelang es Elaine und dem Indianer wieder Ordnung herzustellen und uns widerwillig das Einverständnis abzuringen, den Vampir anzuhören. Matt, Kevin und ich hatten unsere Waffen vor uns auf dem Tisch liegen.
Susi erzählte uns, was ihr nach unserem letzten Treffen geschehen war. Sie war zu ihren Clan zurückgekehrt und hatte Bericht erstattet.
>Du hattest recht<, sagte sie und sah mich enttäuscht an. >Trotz aller hehren Erklärungen geht es ihnen nur darum, das Überleben der Menschheit zu sichern, um mehr Beute zu erhalten. Ein Impfstoff würde ihnen den entscheidenden Vorteil vor den rivalisierenden Clans verschaffen.< Sie warf einen Blick in die Runde, die nicht sonderlich überrascht wirkte.
>Nun, irgendwie habe ich so etwas schon immer geahnt. Vielleicht habe ich ihnen deshalb nicht die ganze Wahrheit gesagt.<
>Du hast sie angelogen? Gutes Mädchen<, lobte ich Susi.
>Ja. Das Labor in Maine. Ich bin bereits da gewesen.<
>Was<, rief ich entrüstete. >Mich hast du auch angelogen?<
Susi sah mich vorwurfsvoll an.
>Nur gerecht für deinen Streich mit dem Seil. Ich hatte tatsächlich Angst, die beiden Enden könnten wirklich verknotet sein.<
>Muss ich vergessen haben<, flüsterte ich Kevin ins Ohr.
>Ja ja<, kicherte er. >Deshalb hast du´s auch zweimal kontrolliert.< Susi räusperte sich vernehmlich.
>Das Labor in Maine. Es war lediglich einer von vielen Verteilungspunkten, um das Virus weiträumig unter der Bevölkerung zu verbreiten. Es waren keine Spuren mehr davon vorhanden. Dafür fand ich Hinweise auf den Herstellungsort des Virus. Er liegt in England.<
>England<, sagte Kevin enttäuscht. >Das heißt dann wohl keinen Panzerausflug nach Maine, was?<
>Nein<, sagte ich. >Keine Panzer diesmal.<
>Das Labor liegt in Wales, um genauer zu sein<, sagte Susi und las unsere Gedanken: >Um meiner eigenen Sicherheit willen, werde ich den genauen Ort nur Chantal verraten. Wenn ich ihr nicht vertrauen könnte, wäre ich bereits tot.<
>Ah<, sagte ich. >Sehr schlau. Und was macht dich so sicher, dass ich dich auch mit nehme, wenn ich den Ort erst einmal kenne?<
>Nun<, sagte Susi und lächelte selbstgefällig. >Ich kann fliegen und habe ein Flugzeug. Und ihr? Schwimmen?<



2327. Tag

Die Turbinen des Privatjets heulten auf. Langsam setzte sich das Flugzeug in Bewegung. Ich öffnete meine Hand und starrte auf den zerknüllten Zettel darin. Er stammte von dem Funker des Hotels. Ich hatte ihn gebeteten, die Augen offen zu halten und mich gegebenenfalls diskret zu benachrichtigen. Heute nacht war es so weit. Er hatte eine Verbindung mit einem Sattelitentelefon abgehört. Keine Stimmen, nur ein verschlüsselter Morsecode. Es war klar, was das bedeutete. Jemand schleuste Informationen nach draußen. Wir hatten einen Verräter unter uns. Es konnte praktisch jeder unser kleinen Expedition nach Wales sein. Ich sah mir die Passagiere der Reihe nach an. Elaine? Eine ehemalige Hure war es in hollywood´scher Vorstellung ja gewohnt, sich zu verkaufen. Der Preis konnte ein privilegiertes Leben sein. Oder sie ließ sich als Belohnung in einen Vampir umwandeln. Das geschah heutzutage nicht mehr oft, nur als Belohnung für besondere Kollaborateure und um Fachpersonal zu konservieren.
Matt, der sonnengebräunte Charmeur. Hatte er zu viel gesehen, um noch an die Menschheit glauben zu können? Und Doktor Heinz? Dem scheinbar gutmütigen Herrn liefen die Jahre davon. Und natürlich Susi, die vorne im Cockpit saß. Seltsamerweise verdächtigte ich sie am wenigsten, schließlich war sie freiwillig zu uns gekommen. Sie war stark genug, auch ohne uns auszukommen. Wer war es also? Es würde ein Verwirrspiel geben à la Agenten sterben einsam geben werden, nur mit Vampiren anstelle von Nazis. Hoffentlich schossen die Vampire genauso mies. Der Verräter würde sich irgendwann offenbaren. Und es würde der sein, den man an wenigsten verdächtigt hat.
>Kevin!<, sagte ich und stieß meinen Freund an. >Liest du wieder diese schwachsinnigen Vampir-Comics?<
>Die sind nicht schwachsinnig sondern unterhaltend, mein Fräulein. Da kann man durchaus noch etwas von lernen. So frage ich mich zum Beispiel, warum wir keine Schwerter haben, wenn man doch Vampire durch Enthauptung töten kann. Hier drin<, er hielt mit das Heft unter die Nase, >hatte jeder ein Schwert, das irgendwelche verrückten Japaner zwanzigtausendmal gefaltet habe, damit´s auch schön schneidig ist.<
>Ist ja auch ein Comic. Im echten Leben gibt es keine sexy Vampirjägerinnen mit riesigen Möp..., na ja, jedenfalls benutzt man keine Schwerter.<
>Ja, aber Susi hat auch eins. Und Matt. Ja, sogar Elaine. Und was haben wir? Einen Klappspaten!<
>Wer ein Schwert hat, der gerät auch in Versuchung, es zu benutzen. Wenn man so schnell und stark ist wie Susi, macht das vielleicht auch noch Sinn. Ich für meinen Teile möchte einem Vampir lieber nicht so nahe kommen. Lieber von weitem draufhalten. Da ist die Hemmschwelle auch gleich viel niedriger. Zwei Kugeln in die Beine und eine in den Kopf. Das gibt ihm was zu denken, während man langsam mit dem Klappspaten auf ihn zu kommt. Danach kann man ihn auch anschließend ordentlich damit bestatten. Unsere Vampire sind leider nicht so freundlich, sich einfach aufzulösen, nur weil man ihnen den Kopf von den Schultern schlägt.< Ich wurde wieder ernst. >Kevin, ich habe ein komisches Gefühl bei dieser Sache hier. Lass uns noch einmal zur Sicherheit unseren Plan durchgehen.<
Kevin sah mir fest in die Augen.
>Ich habe darüber nachgedacht. Du solltest mir sagen, wo genau das Labor liegt. Falls dir oder Susi etwas passiert...<
Ich nickte und sah mich verstohlen um. Die anderen Passagiere saßen weit genug entfernt, als dass sie uns belauschen konnten. Ich flüsterte Kevin die Koordinaten ins Ohr.


2329. Tag

>Die verfluchten Iren<, maulte Susi, als wir bei Dunkelheit unsere Ausrüstung aus dem abgestürzten Flugzeug bargen. Die Reise war anfangs gut verlaufen. Eine kurzer Tankstopp an der Ostküste, dann rüber über den großen Teich. An der Westküste Irlands stieg dann eine Luftabwehrrakete auf. Abgeschossen entweder von ein paar gelangweilten Vampiren oder frustrierten Überlebenden. Das Leitwerk wurde getroffen und wir schafften es gerade noch bis zur walisischen Küste. Dort machte Susi eine Notlandung auf einer einsamen Landstraße. Für den Heimweg würden wir uns ein neues Transportmittel suchen müssen. Wir waren nun weiter von unserem Ziel entfernt, als geplant. Als die Nacht hereinbrach, machte sich Susi auf den Weg, um uns ein Fahrzeug zu besorgen. Nach einigen Stunden kam sie mit einem Lieferwagen zurück. Als wir aufbrechen wollten, stellten wir fest, dass jemand fehle. Es war Kevin. Er war verschwunden, seine Waffen ebenfalls. Alle waren besorgt, besonders nachdem ich ihnen meinen Verdacht mitgeteilt hatte, dass ein Verräter unter uns war.
>Ich kann nicht glauben, dass es Kevin ist<, sagte Elaine.
>Er war es auch nicht<, antwortete ich fest. >Aber vielleicht hat ihn der wahre Verräter beseitigt.<
>Dann lasst uns die Gegend ansuchen<, schlug Matt vor.
Ich überlegte einen Moment.
>Nein<, sagte ich schließlich. >Da würde zu lange dauern. Wir dürfen nicht noch mehr Zeit verlieren, falls Kevin wirklich...<
>Was?<, frage Doktor Heinz. >Uns doch verraten hat? Ein Glück, dass er nicht unseren genauen Zielort kennt.<
>Ähm, ja, also...Brechen wir besser auf.<
Wir luden die Ausrüstung in den Transporter. Susi und ich legten unsere Schutzwesten an und kontrollierten die Funkgeräte, als Elaine zu uns kam.
>Ist alles in Ordnung<, fragte sie besorgt. >Es muss schrecklich sein. Sechs Jahre habt ihr zusammen Vampire gejagt. Du musst wie eine Mutter für Kevin gewesen sein.<
>Sagen wir lieber unwesentlich ältere Schwester, bitte. Wenn ich´s mir recht überlege, klingen Kevin und Chantal schon nach dem gleichen Stall.<
>Aha<, sagte Elaine leicht verwirrt. >Wenn ich euch richtig verstanden habe, dann kanntet ihr Kevin schon aus der Zeit vor dem großem Fest. Ihr habt in der gleichen Firma gearbeitet, oder?< Susi nickte.
>Was hat eure Firma noch gleich hergestellt?<
>Damenmode<, sagten Susi und ich wie aus einem Munde.
>Ah, Damenmode. Klingt wie etwas aus einer anderen Welt. Kenne ich eure Produkte?<
Susi sah das gefallene Mädchen, das sich wieder aufgerappelt hatte, an.
>Gut möglich. Sehr wahrscheinlich sogar.<
Der zurückschnappende Verschluss meiner AK 74 wechselte das Thema.
>Genau geplaudert, Schätzchen<, sagte ich. >Zeit die Menschheit zu retten.<

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