TV-Leap: Dr.Mental gegen die Unheimlichen Vier
von Carsten Maday

Kapitel
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Ein verlassenes Lagerhaus mit einem toten Wissenschaft in einer sich schnell ausweitenden Blutlache. Es musste der Wissenschaftler sein. Wer sonst trug selbst auf der Flucht einen weißen Laborkittel? Das Lagerhaus war riesig und leer. Ein Wagen stand darin. Wahrscheinlich gehörte er dem Wissenschaftler. Ich kniete neben dem Wissenschaftler und fühlte seinen Puls. Tot. Aber nicht lange. Er war noch warm. Der Mörder steckte vielleicht noch hier. Ich zog zwei Karotten und spähte in das schummrige Halbdunkel des Lagerhauses. Meine Ohren stand senkrecht in die Luft, horchten auf das kleinste Geräusch. Es gab keines, als Styx mich angriff. Das Schattenwesen hatte mir irgendwo in einer dunklen Nische aufgelauert und sich lautlos an mich heran geschlichen. Erst das Schneiden der Luft, als Styx ihre dünne Klinge zog, warnte mich. Instinktiv rollte ich zur Seite. Das war einer der Vorzüge als Filmheld. Die machten alles instinktiv. Ducken, hinlegen, springen, den Täter auf den ersten Blick erkennen. Normale Menschen würden jetzt ohne Kopf daliegen, obwohl normale Menschen normalerweise nicht von Schattenwesen mit blauer Klinge angriffen wurden.
Mein Instinkt rettet mir das Leben. Die blauschimmernde Klinge fuhr neben mir in den Beton des Bodens. Styx fluchte laut. Ich stimmte mit ein, denn die Spitze meines rechten Ohres lag abgetrennt auf dem Boden.
>Aua<, rief ich beleidigt und fasste mir ans Ohr. Das Schattenwesen zog mit einem Ruck die Klinge frei. Nicht schnell genug. Ein Tritt meiner großen Füße traf sie mit voller Wucht im Gesicht. Die Kreatur flog kreischend durch die Luft, fing sich und landete nach ein paar Meter in eine gehockten Position. Rote Augen in einem dunklen, formlosen Gesicht bohrten sich drohend in mich. Styx fluchte wütend. Ich grinste erleichtert.
>Wenn man es treten kann, kann man es töten<, sagte ich laut, um mir Mut zu machen. Das war auch nötig. Styx schoss auf mich zu, mehr schwebend als rennend. Ich warf meine Karotten. Die blaue Klinge zerteilte sich mühelos in der Luft.
>Oje<, dachte ich. Ich ging in die Knie und sprang. Mit einem Salto sprang ich über Styx hinweg. Die Klinge fuhr hauchdünn an meinem Gesicht vorbei. Ich landete. Ich zögerte nicht und rannte davon. Nicht sehr heldenhaft, aber das war ein Kampf Klinge gegen Karotte auch nicht. Hinter mir hörte ich die blaue Klinge wild die Luft zerfetzen. Styx war mir auf den Fersen. Ich schlug Haken, aber in der riesigen Halle, würde ich dem Jäger nicht lange entkommend können. Ich schlug einen Haken. Leider hatte Styx die Richtung erraten. Sie kam heran und trat mir die Beine weg. Ich fiel krachend auf den Boden. Styx war über mir, ehe ich mich aufrichten konnte. Die dünne Klinge lag an meiner Kehle. Ich wartete gebannt, während mein Puls wie wild vor Furcht und Anstrengung hämmerte.
>Ich werde dir das Fell über die Ohren ziehen<, fauchte Styx schließlich. Na, also. Ich atmete seufzend aus.
>Du gehörst nicht zu den drei anderen Spinnern<, sagte Styx. Damit konnte sie nur meine Wohngenossen meinen. >Die Frage ist also: Wer bist du?< Styx hob die Klingen einen Zentimeter, um zuzustoßen, falls ich nicht antwortete, oder antwortete und meine Schuldigkeit getan hatte.
>Wer bist du, rosa Kaninchen<, zischte sie erneut.
>Er ist mein Freund Harvey<, ertönte es laut in der Halle. Ich spürte die Überraschung bei Styx, als die Stimme erklang. Sie klang entschlossen, wütend und sexy. Mitten in der Halle stand Queen Tarawa. Sie stand im Lichtschein eines der Oberlichter, stemmte die Hände in die Hüften und verwirrend gut aus.
>Keine Beweg-<, wollte Styx warnen. Die Bewegung kam mit der Schnelligkeit einer Hochleistungsstylistin nach drei Litern Kaffee. Die Luft zischte, als sie zerschnitten wurde. Styx kreischte vor Schmerzen auf und ließ ihre Klinge fallen. In ihrer Hand steckte eine Nagelfeile. Ich zögerte nicht und trat nach Styx. Trotz ihrer Überraschung war Styx noch immer enorm schnell. Sie rollte sich zur Seite ab und sprang auf. Rasend schnell rannte Styx eine der Wände hinauf und entkam klirrend aus einem Oberlicht. Ich schloss Queen Tarawa dankbar in die Arme.
>Das war meine Letzte Nagelfeile<, sagte sie vorwurfsvoll.
>Ich kauf dir ne neue<, sagte ich. >Das heißt, wenn ich Geld hätte und in eine Drogerie könnte, wie andere Menschen auch.< Wir verbanden mein Ohr und machten uns an die Arbeit und durchsuchten den Wissenschaftler und seinen Wagen. Anscheinend endete unsere Spur in einer Sackgasse.
>Kein einziger Hinweis<, sagte ich enttäuscht. >Nur dieses seltsame, klobige Plastikbox.<
Queen Tarawa nahm sie mir verwundert aus der Hand.
>Mensch Harvey, das ist eine Betamax Videokassette.<
>Betawas<, fragte ich erstaunt.
>BETAMAX<, sagte Greg. >Musst du doch kennen. Tolles Format. Viel besser als dieses VHS-Zeug. Qualität setzt sich eben durch.<

>Von welcher Verbindung sagtest du, bist du noch mal?< Wir waren zu Gregs Arbeitsplatz in der Uni gefahren, da er dort einen Betamax-Video-Rekorder zur Verfügung hatte. Leider trafen wir dort auf einen seiner Kommilitonen, der dort arbeitete, obwohl es Sonntag war. Wir erzählten ihm, dass ich Austauschstudent war und für ein obskures Aufnahmeritual einer noch obskureren Verbindung drei Tage lang das Häschenkostüm tragen musste. Er schien skeptisch.
>Alpha Rho Sigma Chi<, antwortete ich.
>Nie gehört<, sagte der Nerd, der Brian hieß.
>Tja, Brian, nicht jeder ist coooooool genug, um bei Alpha Rho Sigma Chi aufgenommen zu werden. Wenn du willst, lege ich ein Wort für dich ein.< Leider schluckte Brian den Köder nicht. Mein Kostüm sah zu lebensecht aus.
>Ich kann überhaupt keinen Reißverschluss finden.<
>Brian<, sagte Greg, der mit einem Wägelchen, auf dem ein Videorekorder stand, in den Raum kam. >Warum nervst Harvey nicht etwas weniger und bietest ihm etwas an. Wir wollen nicht gestört werden.< Brian sah Greg mürrisch an.
>Gut<, sagte er schließlich zu mir. >Was willst du haben?<
>Was hab ihr denn?<
>Kaffee. Aber der ist schon kalt.<
>Mutt du warm machen.<
Wir wimmelten Brian endlich ab und legten das Band ein. Nach ein paar Sekunden Schneegestöber erschien ein älterer Mann im Laborkittel auf dem Bildschirm.
>Legen die den denn nie ab<, wunderte ich mich.
>Pssst<, zischte Greg mich an.
>Liebes Fräulein Bridget<, begann der Mann. >Vielleicht erinnern Sie sich noch an mich aus jener Nacht, als ihr neues Leben begann.< Greg erkannte ihn wieder. Es war der Wissenschaftler aus dem Labor, der jetzt tot in einem Lagerhaus lag. Offensichtlich war er über die Veränderung, die uns widerfahren war, im Bilde.
>Ich experimentierte damals im Geheimauftrag der Regierung an einem völlig neuem Projekt, dass ich den Quantenvergrößerer nenne...< Ich sah auf meine Füße.
>Ach deshalb sind die so lang.< Das brachte mir ein weiteres „Psst“ ein.
>...woraufhin der Organismus durch weitgehende Änderung reagierte, und sie zu dem wurden, was sie heute sind.<
>Jetzt hab ich die ganze Erklärung verpasst<, sagte Greg vorwurfsvoll.
>Wir können sie ja nachher noch einmal abspielen<, tröstete ich ihn.
Der Wissenschaftler barg das Gesicht in den Händen und schluchzte.
>Die Regierung stellte die Finanzierung ein. Ich war verzweifelt. Da tauchte Dr. Mental auf und versprach mir unbegrenzte Gelder. Ich willigte ein und fragte nicht, woher das Geld stammte. Bald aber wurde mir klar, dass Dr. Mental wahnsinnig ist....<
>Wenn wundert´s bei dem Namen.<
>...um so die neurale Hirnstruktur auf mechanische Einheiten zu übertragen...<
>Mensch, Harvey<, fuhr Greg mich an. >Wir verpassen ja die Hälfte!<
>...in seinem Geheimversteck. Abschließend musst ich ihnen noch etwas über Dr. Mental berichteten, auch wenn es Sie vielleicht schmerzen wird. Es hat einige Zeit gedauert, bis ich seine Identität herausfand. Das folgende Video wird zur Erklärung dienen.<
Schneegestöber, dann tauchte eine schwarz-weiß Aufnahme einer Überwachungskamera auf. Greg und ich stöhnten erschrocken, als wir die Aufnahme erkannten. Es war das Labor. Stalin, Mussolini, Dschingis Khan und Hitler waren zu erkennen. Hitler stahl gerade das rosa Kaninchen, als ein Lichtblitz erschien. Die vier Gestalten sanken bewusstlos zu Boden. Im ganzen Labor waberte regenbogenfarbenes Licht wie Nebelschwaden. Nach einiger Zeit tauchte eine weitere Gestalt auf. Die Gestalt in der Elvismaske blickte erschrocken auf die regungslosen Körper und trat dann selbst in den bunten Farbschleier ein. Sie schritt auf Hitler zu. Nach ein paar Meter wurde ihr Schritt unsicher. Sie wankte und fiel zu Boden. Dort blieb sie liegen. Nach ein paar Augenblicken fing sie schrecklich an zu zucken, so als leite jemand Starkstrom durch den Körper. Dann war es vorbei. Die Gestalt erhob sich mühsam. Sie riss sich die Maske vom Gesicht. Ein irres Glühen lag in Jeffs Augen. Er streckte die Arme empor und lachte. Die Aufnahme war ohne Ton, aber wir wussten, wie das Lachen klangen. Wie das Lachen eines größenwahnsinnigen Irren. Dann hörte er auf. Er sah sich gehetzt um und rannte er aus dem Labor. Vorher trat er mir allerdings noch in die Seite. Kurz darauf erstarb das seltsame Licht und Wachmänner erschienen. Die Aufnahme brach ab.
>Aua<, sagte ich und rieb mir die Seite. Jeff! Also doch. Allerdings wurde meine Genugtuung von meiner Sorge um Claire und Bridget, die sich bei Jeff befanden, überwogen. Auf dem Bildschirm erschien wieder der Wissenschaftler.
>Eines müssen Sie noch wissen, Bridget. Dr. Mental hat eine Reihe von namenhaften Wissenschaftler dafür bezahlt, dass sie ihm einen riesigen Quantenvergrößerer bauten. Sie wissen was das heißt?<
Ich hatte keine Ahnung und den Faden schoss seit geraumer Zeit verloren. Anders Greg.
>Ein riesiger Quantenvergrößerer? Wie will er denn die Gravitationseindämmung bewerkstelligen?<
>Richtig<, fuhr der Wissenschaftler fort. >Das Problem bei einem Quantenvergrößerer dieser Größe ist Gravitationseindämmung. Aber Dr. Mental hat das Problem gelöst. Er braucht jemanden mit ganz speziellen Fähigkeiten, für den die Gravitation quasi die zweite Natur ist.<
>BRIDGET!<, riefen Greg und ich erschrocken, als uns bewusst wurde, was der Wissenschaftler meinte.
>Geben Sie acht auf sich, Miss Bridget. Oder sollte ich lieber Captain Gravity sagen. Dr, Mental verfügt über unheimliche Kräfte. Er kann den Geist eines Menschen kontrollieren. Nur ein starker emotionaler oder elektrischer Schock kann ein Opfer aus seinen Bahn befreien. Ich nenne ihnen noch die Koordinaten von Dr. Mentals Geheimversteck. Sie müssen ihn aufhalten. Er ist wahnsinnig. Er will sein wie Gott und ich habe Angst, er könnte es schaffen.<
Die Aufnahme endete. Greg und ich sahen uns erschrocken an. Dann sprang Greg auf und hastete zum Telefon. Keiner zuhause. Greg rief den Auftragsdienst an. Eine Nachricht von Claire:
>Alles in Ordnung. Bridget und ich treffen uns gleich mit ihrem Spießerfreund. Jeff meint, er hätte eine verblüffende Spur im Fall Dr. Mental. Grüße, Claire.<
>Oh, mein Gott, er hat Bridget<, sagte Greg entsetzt.
>Und Claire! Was hat er nur mit ihnen vor?<
Greg sah mich verdattert an.
>Harvey, was meinst du, worüber es auf dem Video gerade ging? Dr. Mental hat vor, seine Kräfte durch einen gigantischen Quantenvergrößerer ins Unermessliche zu steigern. Da ein menschlicher Körper eine solche Prozedur nicht überleben kann, will Dr. Mental zuvor seinen Geist auf einen Computer übertragen. Und Bridgets Fähigkeiten im Umgang mit der Schwerkraft will er anzapfen, um den Quantenvergrößerer zu kontrolieren.<
>So klingt es irgendwie einfach, Greg. Der Wissenschaftler hat sich so verworren ausgedrückt..<
>Stell dir nur vor, was der Dr. Mental Supercomputer alles kontrollieren könnte. Die Medien, Raketensilos etc.<
>Also müssen wir ihn aufhalten und unsere Mädchen retten. Wenn er Claire nur ein Haar...<
Greg legte mir beruhigend die Hand auf die Schulter.
>Lass uns die Koordinaten des Geheimversteckes checken<, sagte er und tippte sie in den Computer ein.
>Ich tippe auf einen geheimen alten Nazi U-Bootstützpunkt unter der Freiheitsstatue<, riet ich ins Blaue hinein. Damit hatte ich schon erschreckenden Erfolg in meiner B-Movie Karriere gehabt.
>Nicht ganz<, sagte Greg und zeigte auf den Monitor. >Du lässt dir besser dein Winterfell wachsen, Harvey. Es könnte kalt werden.<

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