Das Schwarze Mal
von Christine Eisner

Kapitel
[ 1 ]  [ 2 ]  [ 3 ]  [ 4 ]  [ 5 ] 
 

Das Schwarze Mal

Kapitel 4

Warme Sonnenstrahlen strahlten durch das geöffnete Fenster und erhellten den Raum. Durch einen Luftzug erwachte Kei, der die ganze Nacht an Koyuki´s Seite wachte und schließlich vor Ermüdung einschlief. Völlig erschöpft sah er sich im Raum um und bemerkte voller Verwunderung, dass Koyuki sich aus dem Raum geschlichen hatte, ohne ein Geräusch von sich zu geben, sodass Kei nicht geweckt wurde, sondern seelenruhig weiterschlief. Er schlug die Augen weit auf und schreckte vom Bett hoch, um sich auf die Suche nach ihr zu machen. Die Tür öffnete sich und Akira trat in den Raum, wie jeden Morgen, um das Zimmer auf Fordermann zu bringen. Kei packte sie an den Schultern und sah sie etwas besorgt an. "Wo ist sie? Ist sie schon wieder weggelaufen?" , fragte er sie, doch diese antwortete im ruhigen Ton. "Sie ist im Musikraum und erwartet Euch, da Ihr die ganze Nacht bei Ihr geblieben seid. Ich sollte Sie daher holen kommen." Kei, erleichtert über diese Antwort, ließ sie los und machte sich auf den Weg zum Musikraum.
Seine Schritte hallten in der Halle wider und mit jedem weiteren Schritt näherte er sich dem Musikraum und somit einer entfremdeten Melodie, die daraus gespielt wurde. Er blieb kurz vor der Tür stehen und hörte der Melodie zu, da auch sie ihm bekannt war. Mit einem kurzem Klopfen öffnete er die Tür und beobachtete Koyuki, die ganz vertieft in die Melodie war und somit nicht bemerkte, dass Kei zur Tür eintrat. Nachdem Koyuki geendet hatte, trat er näher zu ihr und verbeugte sich, als diese ihn endlich bemerkte. Ihre Augen schienen traurig und müde zu sein. "Ihr habt mich erwartet Hoheit?" Koyuki nickte und bot ihm einen Platz gegenüber von ihr an. Die Bedienten, die zur Sicherheit bei ihr blieben, schickte sie hinaus. "Nun ich habe dich kommen lassen, weil ich mich bedanken wollte. Du hast, wie ich sehe, kaum geschlafen und das ist allein meine Schuld. Es tut mir sehr Leid." Kei schüttelte den Kopf. "Mir tut es Leid euer Majestät. Ich war nicht in der Lage Euch euren Kummer zu nehmen. Darf ich fragen, weshalb Ihr gestern Nacht aus dem Schloss liefet und vor Kumer zusammenbrachet?" Koyuki zauberte ein müdes Lächeln auf das Gesicht. "Wie ich sehe, hast du dir viele Sorgen um mich gemacht und dafür danke ich dir, doch es ist vorbei." "Euer Majestät," , unterbrach Kei sie, "Ihr könnt mir alles sagen, ich bin verantwortlich für Eure Glückseeligkeit und Gesundheit. Ich werde schon bald Euer Gemahl sein. Sagt mir, wie soll ich mich Euch als würdig erweisen, wenn ich Euch nicht einmal helfen kann?" Koyuki erhob sich und schritt zum Fenster. Ruhig blickte sie hinaus und öffnete schließlich das Fenster. Nachdem sie nun Anstalten machte sich auf das dünne Fensterbrett zu setzten, schoß Kei hoch und trat zu ihr, um sie daran zu hindern. "Ich bitte Euch, wir sind im dritten Stockwerk. Einen solchen Sturz würdet Ihr nicht überleben." Koyuki schien hellwach zu werden, denn nun lachte sie mit Kei, wie sie noch nie mit ihm lachte. "Keine Sorge. Ich habe einen Schutzengel bei mir." , antwortete diese lachend. "Ihr habt recht. Eure Mutter wacht über Euch." Sie blickte in die Ferne und fragte sich, wie die Welt außerhalb des Landes aussah. Bis auf die Schlossmauern, der Stadt und dem Wald sah sie nichts aus ihrem Land. Sie fragte sich, wie sich Freiheit anfühlte, wie es ist ein ganz normales Leben zu führen, ohne Einengungen und Vorschriften.
Kei holte sie aus ihren Gedanken, indem er gerade das ansprach, worüber sie nachdachte. "Fühlt Ihr euch einsam?" Koyuki sah ihn an und fragte sich, was sie ihm antworten sollte. "Ich verstehe Euch gut. Ich war auch einsam, bis Ihr in mein Leben getreten seid. Ich hörte schon als Kind von Euch. Ihr solltet die Tochter Terra´s sein, die Frieden über das Land bringen sollte. Man sagte, Ihr seht genauso aus wie Eure Mutter und da wir eine Statue Eurer Mutter im Tempel errichtet hatten, ging ich jeden Tag in den Tempel, um zu beten. Ich habe Eure Ankunft sehnsüchtig erwartet. Mein Vater starb im Krieg und meine Mutter starb während meiner Geburt. Ich wuchs daher alleine auf. Niemand beachtete mich, denn der Krieg vernebelte den Menschen die Sicht. Alle bangten um ihr Leben, doch sie taten nichts. Ich hatte gebetet. Das war das einzige, was ich tun konnte. Vier Jahre später, mit siebzehn, trat ich in die Garde ein und kämpfte für Euch. Ich hatte es geschafft eine Verteidigung aufzubauen und schützte daher die Stadt mit meinem Leben. Ich hatte nicht aufgehört zu beten, obwohl meine Hoffnung schwand. Dann, ein Jahr später fand Takashi Euch im Wald, ohne Erinnerungen. Kaum hatten Euch die feindlichen Truppen erblickt, ergaben sie sich. Nach fünf Jahren Krieg, endete das Blutvergießen. Mir war sofort klar, dass Ihr die Tochter Terra´s ward, die ich so sehnsüchtig erwartet habe." "Was, wenn es nur Zufall war?" "Wie könnt Ihr soetwas nur sagen? Ihr habt doch auch diesen Krieg verhindert, der uns seit einem Jahr drohte." Koyuki wusste, dass sie niemanden in diesem Land dazu umstimmen konnte. Auch Takashi geht immer noch davon aus, dass sie die Tochter von Terra sei. Sie vergaß, dass sie auf dem dünnen Fensterbrett saß und lehnte sich zur Seite, um sich mit der Hand am äußeren Festerbrett abzustützen, das es allerdings nicht gab und verlor somit das Gleichgewicht. Kei hinderte sie am Sturz und hielt sie in den Armen fest. Auch Koyuki hielt sich vor Schreck an ihm fest. Koyuki realisierte noch nicht richtig was geschehen war, also hielten sie sich eine Weile in den Armen fest. Kei umarmte sie, als wollte er sie nicht verlieren. Dann flüsterte er ihr leise ins Ohr. "Warum habe ich Euch noch nie so in meinen Armen gehalten wie jetzt? Warum verschließt Ihr euch mir?" Er sah sie an und ihm stiegen Tränen in die Augen. "Ich liebe Euch, seit ich Euch zum ersten Mal begegnet bin. Zwei Jahre war ich stets an Eurer Seite und wünsche mir nichts sehnsüchtiger, als dass ich Eure Liebe gewinnen würde. Nun sind wir ein halbes Jahr verlobt, doch ich spüre nichts von Eurer Liebe zu mir. Ich möchte Euch doch nur glücklich machen, doch Ihr habt Euch mir immer verschlossen und nie gesagt, ob Ihr es denn auch seid. Ich bitte Euch: Öffnet mir Euer Herz." Koyuki war sehr gerührt, doch sie verlor ihr Ziel nicht aus den Augen. Die Flucht musste gelingen und so erinnerte sie sich an Akira´s Plan. Schnell spielte sie mit. "Kei, ich verschließe mich dir doch nicht, sondern der Zukunft. Ich habe keine Erinnerung an meine Kindheit, wer meine Eltern sind oder woher ich wirklich komme. Ich möchte kein Leben ohne Erinnerung führen und daher denkst du wahrscheinlich, dass ich mich dir verschließe. Und bitte entschuldige die Behauptung, du würdest mich anwiedern, denn in Wahrheit liebe ich auch dich. Es ist nur, ich habe Angst. Angst davor mich selbst zu verlieren." "Wie meint Ihr das?" Koyuki starrte ihm in die Augen. "Ein Mensch, der die Vergangenheit verliert, ist dazu verdammt, sich selbst zu verlieren. Ich habe Angst in Vergessenheit zu geraten. Dies ist auch der Grund, weshalb ich gestern Nacht im Garten war. Ich hatte das Gefühl, als würde jemand um mich weinen und erwachte. Durch das Fenster hörte ich eine Melodie, die mir sehr vertraut vorkam." Kei ließ sie los und deutete auf die goldene Harfe. "Ihr meint die, die Ihr vorhin gespielt habt?" Koyuki nickte. "Ich war der Hoffnung meine Vergangenheit wieder zu erlangen, doch nachdem die Melodie verstummte, hatte ich jede Verbindung zu meiner Vergangenheit verloren. Genau aus diesem Grund brach ich zusammen. Mir war es nicht gelungen meine Erinnerungen wieder zu finden, also war ich dazu verdammt, mich selbst zu verlieren." Kei setzte sich vor die Harfe und dachte nach. "Euer Majestät, Ihr sagt diese Melodie sei Euch sehr vertraut. Als ich Euren Gesang hörte, die auf die Melodie abgespielt wurde, unterbrach ich Euch nicht, denn mir wurde ganz komisch. Auch heute, als Ihr die Melodie spieltet. Sie kommt mir ebenfalls bekannt vor." Kei ergriff die Harfe und spielte darauf die mysteriöse Melodie, die alle verwirrte. Koyuki hörte erstaunt zu und versuchte eine Beziehung zu dieser Melodie aufzubauen, doch wieder gelang es ihr nicht. Kei endete und sah zu Boden. "Weißt du woher diese Melodie stammt oder was sie zu bedeuten hat?" , fragte Koyuki nachdenklich. "Nein. Tut mir Leid, dass ich Euch ein weiteres Mal enttäuschen muss." Beide sagten kein weiteres Wort. In Stille dachten sie nach, um das Rätsel lösen zu können. "Vielleicht, " , setzte Kei an, "Vielleicht ist es ein Zeichen? Von Eurer Mutter... dass wir füreinander bestimmt sind. Niemand sonst kennt diese Melodie." Koyuki schüttelte den Kopf. "Nein, ich glaube nicht an Schicksal. Außerdem spricht mich die Melodie nur an, wenn sie auf einer Flöte gespielt wird." "Euer Hoheit!" , schrie Kei und sprang auf, "Erinnert Ihr Euch noch an den Tag, an dem Takashi Euch im Wald fand? Ihr hattet einen Umhang an und darin verbarg sich eine seltsame Flöte mit seltsamen Zeichen. Vielleicht ist das der Schlüssel zu dem Rätsel?" Koyuki erinnerte sich. Eine hölzerne Flöte, die ein schwarzes Band umgebunden hatte. Doch waren dort wirklich Zeichen drauf? Koyuki spielte ihre Rolle sehr gut, denn sie warf sich Kei um den Hals, küsste ihn, wenn auch angewidert, auf die Wange und lief mit einem 'Ich liebe dich Kei!' hinaus, um die Flöte zu suchen.
Auf dem Gang begegnete sie Takashi. Dieser wunderte sich, warum sie es so eilig hatte. Er verbeugte sich und fragte sie, warum sie so in Eile war. Koyuki blieb vor ihm stehen. "Takashi erinnerst du dich an den Tag, an dem du mich gefunden hast? Ich trug einen Umhang in dem eine Flöte war. Wo ist diese Flöte jetzt?" Doch anstatt zu antworten, flüsterte er leise. "Koyuki wie geht es dir? Ich habe gehört du seist gestern Nacht im Garten zusammengebrochen." "Das erzähle ich dir ein ander mal, aber sag mir, ob du weißt wo diese Flöte ist." Takashi dachte nach. "Ich vermute sie ist im Tempel bei den Zwillingen." , antwortete er knapp. " "Du meinst bei Vane und Seth Ame? Oh nein." "Was ist los?" Koyuki verzog ihr Gesicht. "Die sind immer so fasziniert von mir. Sie schwärmen und forschen an mir herum, um Beweise zu finden, ob ich wirklich die Tochter von Terra bin. Ich glaube kaum, dass ich die Flöte bekomme, aber ich muss es versuchen. Danke dir." Sie winkte ihm zum Abschied und er verbeugte sich. Lange sah er ihr nach. "Soweit ist es schon gekommen. Ich habe sie zwei Tage nicht gesehen, doch sie war keineswegs darüber erfreut mich wieder zu sehen. Ob sie sich Kei geöffnet hat?" , fragte er sich selbst und ging seiner Arbeit wieder nach.
Koyuki folgte den unzähligen Treppen hinunter zum Schlosshof und nahm viele Verbeugungen und Komplimente entgegen. Unten angelangt, schritt sie sofort auf das Schlosstor und die Brücke zu, da der Tempel nicht im Schloss, sondern inmitten der Stadt lag. Die Wachen jedoch hielten sie mit einer Verbeugung auf. "Euer Hoheit, mir wurde strengstens untersagt, Euch aus dem Schloss zu lassen. Man fürchtet um Eure Gesundheit." , sagte er und sah sie etwas ängstlich an, da er vermutete, dass sie sauer würde. Koyuki wurde sauer. "Nun hör aber mal: Ich bin die Königin und mir verbietet niemand etwas. Und nun gib die Brücke und das Tor frei, ansonsten muss man sich Sorgen um deine Gesundheit machen." Sie war weder sauer, noch wollte sie ihn anschreien, doch sie wusste, dass die Wachen sie nicht durchlassen würden. Seit sie mit Kei verlobt war, schrieb man ihr vor, was sie durfte und was nicht, doch sie wusste sich zu helfen. Auch dieses Mal gelang es ihr die Wache zu 'überreden' und passierte somit ihren Käfig aus Mauern.
Auch diesmal waren die Menschen auf den Straßen verwirrt. Doch diesmal fragten sie sich, weshalb die Königin allein in der Stadt unterwegs war und vor allem, warum sie kein Kleid, sondern ihre Reitausrüstung trug. Ihre Reitausrüstung war eine sehr kurze Shorts und ein knappes Oberteil, das hängende Ärmel hatte und nicht einmal die Hüfte erreichte. Warum diese Stofffetzen Reitausrüstung genannt wurden, verdankte Koyuki sich selbst, da sie die Sachen nur trug, wenn sie zu Pferd unterwegs war.
Der Tempel erstreckte sich weit in den Himmel, sodass das tulpenförmige Symbol Terra´s schon von weitem sichtbar wurde. Das Symbol hatte irgendeine Bedeutung, das wusste Koyuki ganz genau, denn das Symbol war auch auf ihrem linken Oberarm, das ihr sehr viel Kummer bereitete, da sie nicht wusste, woher sie es hatte. Der einzige Unterschied, der beide von einander trennte war, dass das Symbol auf ihrem Oberarm von klauenartigen Greifern umringt war. Was jedoch beide bedeuten sollen, wusste Keiner. Die meisten vermuteten, dass es ein Zeichen Terra´s sei, um zu erkennen, wer ihre Tochter war, da die Skulptur von Terra, die im Tempel vor Jahrhunderten errichtet wurde, ebenfalls ein solches Zeichen auf dem linken Oberarm hatte. Vielleicht war es daher so schwer die Menschen davon zu überzeugen, dass Koyuki nicht ihre Tochter sei.
Vor dem riesigen Tor blieb Koyuki stehen und atmete tief ein. Sie durfte sich keinen Fehler erlauben, ansonsten war ihr Traum, über die Wiedererlangung ihres Gedächtnisses, einfach nur ein Traum, der niemals in Erfüllung gehen würde. Sie betrat den Tempel mit nervösen Schritten und überblickte den Saal. Die Zwillinge Vane und Seth Ame fand sie wie immer neben der Skulptur, die wiedermal die gesamte Oberfläche überprüften, doch als sie Koyuki sahen, ließen sie alles liegen und eilten zu ihr. "Euer Hoheit, welch eine Ehre Euch wieder anzutreffen. Ihr wart ganze zwei Monate nicht mehr hier. Was liegt Euch auf dem Herzen?" Koyuki versuchte zu lächeln. "Nun es ist so, ich suche nach meiner Vergangenheit, da ich gestrige Nacht eine Melodie hörte, die mir sehr vertraut war. Die Melodie wurde von einer Flöte gespielt und als ich darauf aufmerksam gemacht wurde, dass ich eine Flöte im Umhang hatte, als ich hier ankam, eilte ich sofort hierher." Vane, der etwas kleinere mit den blassblauen Haaren setzte eine nachdenkliche Miene auf. "In welcher Hoffnung und mit welcher Vermutung seid Ihr gekommen Majestät?" Das wars wohl. Auf diese Frage hatte sie keine Antwort. Koyuki stotterte. "Nun... ich, es ist so... Ich erhoffte mir meine Wiedererlangung des Gedächtnisses, indem ich diese Melodie auf einer Flöte höre." "Aber euer Majestät. Im Schloss gibt es zahlreiche Flöten." "Erfinde etwas. Sie werden es schon nicht rausfinden und wenn doch, was kümmert dich das? In ein paar Tagen bist du weg von hier..." , dachte sie und begann zu schwitzen. "Jede Flöte ist einzigartig und anders gestimmt, sodass sich ihre Töne etwas unterscheiden. Ich würde gerne auf dieser Flöte spielen, da ich glaube, dass nur sie mir meine Erinnerung wieder beschafft." Seth, der größere und wahrscheinlich auch ältere von beiden, verschränkte die Arme und sah sie mit schlitzförmigen Augen an. Die Freundlichkeit verschwand, wie immer, wenn man sie nach etwas aus Terra´s Besitz fragte. "Warum gerade diese Flöte Majestät?" , fragte er kühl. Koyuki schluckte. "Weil... nun ja." Sie dachte nach und suchte nach einem Anhaltspunkt der Flöte. Schließlich fiel ihr ein, dass auch die Flöte das Symbol eingraviert hatte. "Das Symbol, es ist ebenfalls auf der Flöte vorhanden, wie auf meinem Oberarm. Es könnte ein Geschenk meiner Mutter an mich sein." Vane und Seth sahen sich an, als hätten sie eine neue Entdeckung gemacht. Schließlich verbeugten sie sich tief und liefen in die hintere Kammer, wo nur strenge Anhänger Terra´s hineindurften. Die Zeit, die die Zwillinge dort verbrachten, nutze Koyuki mit durchschnaufen. War es ihr nun gelungen die Zwillinge zu überzeugen? Sie wartete einen Augenblick und... tatsächlich. Sie hatten ihr geglaubt und schleppten die Flöte, in einem roten Seidentuch eingewickelt, zu ihr. Koyuki erkannte, dass die Flöte immer noch das schwarze Band umgebunden hatte und keine der Gravierungen beschädigt war. Sie mussten wohl sehr sorgsam damit umgegangen sein, was wohl selbstverständlich für sie war, wenn es um Terra´s Eigentum ging. Wieder verbeugten sie sich tief und hielten Koyuki die Flöte hin. "Euer Hoheit würde es Euch etwas ausmachen, die Melodie ein einziges Mal hier im Tempel zu spielen?" , fragte der kleine Vane und Seth fügte hinzu: "Wir sind sogar bereit Euch die Flöte wieder zu geben, doch bitte spielt hier gleich vor der Skulptur." Koyuki strahlte. Sie konnte die Flöte wieder haben, sie musste nur die Melodie darauf spielen. Sie nickte und schritt zur Skulptur. Dort wartete sie auf die Zwillinge, damit diese ihr die Flöte gaben. Vane und Seth stellten sich zu ihr und drückten ihr die Flöte in die Hand. Anschließend knieten sie sich nieder und warteten, bis Koyuki anfing. Sie setzte die Flöte an und schon beim ersten Ton wurde es still im Tempel. Alle hörten der Melodie zu, doch Koyuki bemerkte es nicht, denn sie war wie in Trance versetzt. In ihrem Kopf schwirrten Bilder umher. Sie waren jedoch alle durcheinander geworfen, sodass sie keine Reihenfolge bilden konnte. Sie sah Städte die brannten, Menschen, die kreischend umher liefen, roten Regen, doch vor allem sah sie Blut fließen. Koyuki fiel auf die Knie und setzte die Flöte ab. Tränen bildeten sich in ihren Augen. Mit ihren Händen stützte sie sich am Boden ab und bemerkte ihren Ring, der die Farben rot, blau und gelb anzeigte. Immer im Wechsel erschien eine der Farben, doch was es bedeuten sollte wusste sie nicht. Schon im Wald hatte sie bemerkt, dass ihr Ring plötzlich rot anstatt schwarz war.
"Euer Majestät, ist alles in Ordnung? Vane, los hol den General! Er soll die Königin sofort zum Arzt bringen." "Nein!" , rief Koyuki Vane nach, der sich soeben nach draußen begeben wollte. "Es ist schon ok. Mir geht es gut, mich befiel nur ein leichter Schwindel." Koyuki erhob sich und wischte sich die Tränen aus den Augen. Mit der Flöte in der Hand begab sie sich zum Tor. Ein letztes Mal wandte sie sich um und lächelte müde. "Erzählt dem General nichts davon. Kei hat auch so genug um die Ohren. Ich begebe mich selbst zum Arzt." Sie verbeugte sich, woraufhin alle Anwesenden im Tempel auf die Knie sanken. Sie öffnete das Tor und trat hinaus in das Licht der Sonne.

Hikari stürmte zu Yasuo in den Tempel, um sich zu erkundigen, ob er ebenfalls ein komisches Gefühl gespürt hatte. Yasuo drehte sich zu ihm um und nickte. "Ja ich habe es auch gespürt. Kein Zweifel, es war ihr Werk." Kurze Zeit später traf Ryoichi ein und lief mit hastigen Schritten auf sie zu. "Sie war es! Sie hat die Flöte und sie erinnert sich an die Melodie. Was sollen wir tun?" Yasuo packte ihn an den Schultern. "Hast du gesehen, wie sie die Flöte gespielt hatte?" Ryoichi schütttelte den Kopf. "Das nicht, aber ich hörte die Melodie aus dem Tempel in der Stadt. Und nachdem sie den Tempel verließ, hatte sie die Flöte in der Hand. Wer außer ihr könnte die Melodie noch kennen?" "Niemand." , sagte Hikari knapp, "Niemand außer uns viern." Yasuo reagierte schnell. "Wir müssen auf alle Fälle verhindern, dass sie uns hier findet. Es könnte vor allem sein, dass sie sich noch an uns erinnern kann. Ich halte das für nicht sehr unwahrscheinlich, denn immerhin erinnert sie sich an die Melodie." "Heißt das, dass wir sie in den nächsten Tagen schnappen müssen?" , fragte Ryoichi etwas ängstlich, doch auch froh. Yasuo und Hikari sahen sich an und nickten. "Behalte sie weiterhin im Auge, während Hikari und ich alles für die Rückkehr vorbereiten." , sagte Yasuo und wandte sich zur Skulptur. Er kniete sich kurz hin, sprach ein Gebet und erhob sich wieder. Anschließend nickte er Hikari zu, damit er ihm in die hinteren Wohnräume folgte. "Wir zählen auf dich Ryoichi." , fügte Hikari hinzu und sie ließen ihn somit allein. Ryoichi fiel auf die Knie. "Endlich ist es soweit."


Kapitel 4: Ende

Autorenplattform seit 13.04.2001. Zur Zeit haben 687 Autoren 5378 Beiträge veröffentlicht!