Dossier 'Prothese'
von Saha Morgenrot

Kapitel
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4.

„Bitte, versucht wenigstens, euch unauffällig zu verhalten,“ bittet Josefine Zuckmann mit weinerlicher Stimme, während sie sich zur Kasse vorschiebt.
„Ach Frau Zuckmann! Sie waren aber lange nicht mehr hier. Herzliches Beileid noch mal. Schrecklicher Unfall mit ihrem Mann. Hab ihn sehr gemocht.“
Josefine Zuckmann vermeidet es, dem Kartenverkäufer in die Augen zu sehen, sie ist kurz davor, laut los zu weinen. „Ich habe Gäste aus Russland, die gerne unseren Dom erklettern möchten,“ sagt sie stattdessen schnell.
„Aber Frau Zuckmann. Das ist doch überhaupt kein Problem. Viel Spaß.“
„Los“, flüstert Josefine ihren männlichen Begleitern zu. „Und packt um Himmels Willen die Waffe weg!“ Sie quetscht sich die enge Wendeltreppe hinauf, vorbei an keuchenden und schimpfenden Touristen. Die beiden Russen bleiben dicht hinter ihr. „Keine Trickse, sonst Peng!“ flüstert der Feingliedrige ihr ins Ohr.
„Ej, nich drängeln!“ motzt ein dicker glatzköpfiger Mann, der einen Fotoapparat um den Hals hängen hat.
„Bljad!“ brüllt der Gorilla und packt den Mann beim Kragen. Der dreht sich um. „Lassen sie mich los.“
Der Russe lässt los.
„Mudak!“ sagt der Feingliedrige. „Bald wir haben Stäblein! Mal schi.“
„Wie weit noch?“ flucht der Gorilla und wischt sich nach einer weiteren Treppenwindung den Schweiß von der Stirn.
„Sei vorsichtig!“
„Haltet durch, gleich habt ihrs hinter euch,“ versucht Josefine Zuckmann ihre Begleiter zu beruhigen.
„Das will ich sie auch raten,“ knurrt der Gorilla. „Sonst du vom Dom fällst wie ein Voggel ohne Flüggel...“
In der nächsten Kurve hält der Feingliedrige sich die Seite. „Krasaviza, kann ich nur hoffe...“
„Los weiter. Weicheier!“ nörgelt ein Mädchen mit mahagonigefärbtem Haar und goldenem Nasenring.

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