Tod
von gwennifer

Kapitel
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Der Felsen war im oberen Drittel durchbohrt und ein hell leuchtender Kristall lag darin. Erstaunen trat auf das Gesicht der Tochter.. fast schon ein wenig Angst.
Der Mann trat hinter sie , umschlang sie mit seinen Armen.
Die Priesterin selbst ließ ihren Blick über den hohlen Baum gleiten. Sie fand das Innere unverändert. Niemand schien seid ihrem letzten Besuch hier gewesen zu sein.
Unter leisem Rascheln ihrer Robe sank sie auf das Knie und verhielt eine Weile so.
Hinter ihr standen eng umschlungen Tochter und Sohn und hielten sich gegenseitig aufrecht. Sie war sich ihrer stillen Anwesenheit sehr bewusst. Deutlich präsent waren sie in ihrem Rücken, gaben ihr die Gewissheit ,nicht allein zu sein, waren ihr nahe. Es war ein gutes Gefühl, sie bei sich zu haben.. das sich gleich einem weichen warmen Gewicht mit dem vereinte,welches sie unsichtbar noch verborgen in ihrem Schoß trug, sein Geschenk an sie, mehr als ein bloßes Andenken. Sein Kind trug sie sicher in ihrem Schoß, behütet und geschützt von denen, die sie im Herzen trug.
Kniend verharrte sie vor dem Stein, den schönen Kopf anmutig geneigt. Ihr langes silbernes Haar floss weich zu beiden Seiten herab und umrahmte ihr von tiefer Trauer geprägtes Gesicht.
Und doch war Ruhe in ihre Züge eingekehrt und noch etwas schimmerte darin. Ein erster Anflug von Hoffnung? Ja.. ein leiser Hoffnungsschimmer und Entschlossenheit lag darin.
Sie nahm den Beutel mit der Erde aus dem Korb und schüttete diese zu einer kleinen Pyramide in die Höhlung des Steins. Dann entzündete sie die Kerze und stellte sie dort hinein. Im ersten Augenblick flackerte die Flamme, drohte sie zu verlöschen. Doch die Hand der Priesterin bildete eine schützende Wölbung und der sanfte Schein der Kerze wurde ruhig.
Wie ein langsamer Fluß strömten Worte aus ihrem Mund, sie hielt Zwiesprache mit dem Manne, dem sie ihr Herz geschenkt und der sie so unendlich glücklich gemacht hatte.
Bilder vergangener Tage stiegen in ihr auf, Erinnerungen an so wenige unbeschwerte Stunden in ihrem gemeinsamen Leben. Lange sprach sie mit ihm. Vieles hatte sie ihm doch noch zu sagen. Die beiden jungen Gestalten hinter ihr nahmen still schweigend teil an ihrer Andacht, vereinten ihre Gedanken mit denen der knienden Elfe. In den tränen überströmten Gesichtern lag die gleiche Traurigkeit und der Schmerz, aber auch die Entschlossenheit , Mutter und ihre noch ungeborene Schwester zu schützen, komme, was da wolle. Sie standen da als Versprechen da zu sein, sie zu begleiten und festzuhalten, nahmen Anteil an ihren Gefühlen.
Leise erklang nun die Stimme der Frau, die den Segen für den Geliebten sprach. Und obwohl ihr Gesicht nass war von den Tränen.. die ihr unablässig über die Wangen liefen, sprach sie ruhig mit einer Gewissheit, die aus ihr selbst heraus erwuchs.
„Was ich ganz tief im Herzen trage, das kann der Tod mir nicht nehmen. Wir steigen hoch und fallen tief. Wem ist das Glück gegeben? Doch meine Seele fliegt weit fort.. unendlich zu den Sternen.“ Mit diesen Worten schloss die Elfe ihren Segen. Noch einmal wurde es still. Eine zerbrechliche dunkle Gestalt, die ihr silbernes Haupt vor der Kerze im Stein neigte.. hob sich kaum von der Dunkelheit der Nacht ab. Dann stand sie auf.. schwer waren ihre Glieder, fast taumelte sie ein wenig, erschöpft von den Anstrengungen der vergangenen Stunden.
Sofort waren Sohn und Tochter an ihrer Seite und hielten sie fest.
Liebevoll schloss sie beide in die Arme, ließ sich ihrerseits in die Umarmung fallen. Regungslos blieben sie stehen im Schein der brennenden Kerze unter einen wunderschönen Sternenzelt, umschlossen von der Kraft des uralten Baumriesen, der doch schon so vieles gesehen hatte.
Dann sprach sie leise: „ Gehen wir nach Hause.“
Eng umschlungen wandten sie sich im.. ein letzter Blick zurück.. und verschmolzen mit der Nacht.. während die Kerze hinter ihnen still und sanft erstrahlte.

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