TV-Leap: Im Tiefen Tal der Super Echsen
von Carsten Maday

Kapitel
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Ich erwachte, rannte und war verwirrt. Die Welt um mich herum war verschwommen und unwirklich. Unwirklicher als normal, denn wie wirklich konnte eine Existenz sein, die einen in immer neue Rollen irgendwelcher billigen B-Movies springen ließ? Manche Rollen waren erträglich, aber in den meisten versuchte man, mir an den Kragen zu gehen. Es war schon ein Fluch, dass die Gewalt in einem Film in dem Maß stieg, in dem der Anspruch fiel.
Meine letzte Rolle war eine erfreuliche Ausnahme gewesen. Es gab zwei Kategorien von Rettungsschwimmerinnen. Die einen hatten eine enorme Oberweite, die anderen waren langweilig. Ich war die Langweile gewesen, will heißen, ich war athletisch, intelligent und flach wie ein Surfboard. Ich fand`s prima. Das hielt die Strandschönlinge von mir ab. Nur die alternde männliche Hauptrolle stellte mir nach, vermutlich weil die Produzenten meinten, es wäre für einen Mann im fortgeschrittenen Alter lächerlich, wenn er auf Frauen mit riesigem Busen stand. Ich konnte den Mann jedoch vom Gegenteil überzeugen, und mit sichtlicher Erleichterung stieg er dann den drallen Silikonwundern in unser Rettungsschwimmertruppe nach. Ich hatte meine Ruhe, genoss das Strandleben, und abgesehen von den paar Handgranaten, die ich bei einem obligatorischen Haiangriff los wurde, brauchte ich keine schweren Waffen. Eine herrliche Zeit, die, wie ich fürchtete, wohl nur die Ruhe vor dem Sturm gewesen sein konnte.
Ich rannte weiter. Die Erde um mich herum erbebte unter tonnenschwerer Last. Ich werde verfolgt, schoss es mir durch den Kopf. Von etwas gigantischem? Einem Ungeheuer? Einem Panzer? Ich rannte schneller. Das Beben ließ sich nicht abschütteln, hielt die Geschwindigkeit.
Ich rannte und versuchte den seltsamen Schleier vor meinen Augen fortzublinzeln. Mein Kopf fühlte sich wie in Watte eingepackt an, meine Wahrnehmung war verzehrt und die Welt war, als sehe ich aus großer Höhe auf sie herab. Endlich verschwanden die Schleier und das Gewirr aus Farben setzte sich zu einem klaren Bild zusammen. Ich rannte über eine Grasebene. Am Rande davon ein Urwald. Ich machte nicht den Fehler, mich nach meinem Verfolger umzusehen, versuchte stattdessen noch schneller zu laufen. Ich musste den Urwald erreichen. Oh, Gott, was wenn ich wieder in einem dieser schrecklichen Dschungel/Söldner-Filme gelandet war? Mit einem Panzer auf den Fersen? Bitte nicht! Explosionen konnte ich nicht hören. Noch nicht? Es würde bestimmt bald losgehen. Feuerbälle würden links und rechts neben mir entstehen, so als schoss der Gegner mit Benzinfässern und nicht mit Granaten.
Ich sah einen riesigen Felsen am Rande des Dschungels. Ich hielt darauf zu und wollte mich dahinter in Deckung schmeißen, doch ich hatte meine Geschwindigkeit unterschätzt. Statt mich durch einen schnellen Haken in Sicherheit zu bringen, verlor ich das Gleichgewicht und schlitterte krachend in den Wald, wobei ich Bäume und Unterholz umfegte.
>Verdammt!< Fluchend rappelte ich mich auf. Ich kroch hinter den Felsen. Ich spürte meinen Herzschlag, der vor Angst und Anstrengung wütend wummerte und das Blut in meinen Kopf rauschen ließ. Vorsichtig sah ich über die Kannte des Felsen auf die Ebene. Nichts. Kein Panzer, keine Artillerie, die auf mich einhämmerte. Alles ruhig. Selbst das Beben war verschwunden. Ich atmete erleichtert aus. Irgendetwas stimmte nicht, aber ich konnte es einfach nicht benennen. Ich rutschte zurück und hockte mich hinter die Deckung des vier Meter hohen Felsens. Verflucht, was ging hier nur vor sich? Ich legte den Kopf in den Nacken und sah zur Kante des Felsens hinauf. Sah hoch aus, eigentlich zu hoch, als dass man so einfach drüber gucken konnte. Ich wollte mich grübelnd am Kopf kratzen, aber es gelang mir einfach nicht. Meine Arme fühlten sich seltsam an, irgendwie unnütz. Ich senkte meinen Kopf und sah sie mir an.
>Argh!<, brüllte ich und hob meinen Kopf gleich wieder. Panisch sprang ich auf. Ein Schatten. Ich wirbelte herum, drehte mich wie irre im Kreis. Es gelang mir zwar nur zum Teil, ihn zu sehen, aber es gab kein Zweifel, an meinem Hinterteil steckte ein langer Schwanz.
Ich rannte los und fegte mit der Höchstleistung eines olympischen Hundertmeterläufers über die Ebene, die unter dem fast siebentonnenschweren Gewichts erbebte. Tränen liefen mir über das Gesicht. Warum ich? Warum immer ich? Endlich hatte ich das gesuchte gefunden. Wie ein ruhiger Spiegel lag die Wasseroberfläche des kleinen Tümpels vor mir. Ich sah hinein. Überrascht war ich nicht mehr, nur entsetzt, dass sich meine Befürchtungen wieder einmal bestätigt hatten. Ich warf meinen Kopf in den Nacken und riss meine gewaltigen Kiefer auf, und meinem mit mörderischen Zähnen bewehrtem Maul entrang sich ein verzweifelter Schrei, der einen mittleren Exodus unter den Flugsauriern in meiner Umgebung auslöste:
>Nein! Doch kein T-REX!!!<

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