TV-Leap: Im Weltall ist die Hölle los
von Carsten Maday

Kapitel
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Ich schluchzte.
>Was hat er nur<, fragte einer der Außerirdischen. Ich schluchzte noch mehr.
>Vielleicht ein transtemporales Trauma<, mutmaßte der andere Außerirdische. >Ohne den neokulturellen Aspekt vernachlässigen zu wollen.<
Der andere nickte:
>Ja. Das, oder der Chip, den wir in seinen Kopf eingepflanzt haben, ist defekt.<
Ich fasste mir an dies Schläfe. Ein heißes Brennen fuhr mir durch den Kopf. Ich heulte erneut auf. Die Außerirdischen sahen sich betreten an. Es war dieser putzige Typ von Aliens: klein, grau-blau, zierlicher Körperbau und ein großer Wasserkopf mit schwarzen Knopfaugen. Auf den ersten Blick waren die beiden nicht zu unterscheiden.
Ich entspannte mich etwas. Normalerweise waren das die netten Außerirdischen. Normalerweise.
Ich sprach:
>Wer zum Henker...He, ihr redet kein Latein, was?< Alles klar. Die Palastszene war nur ein Zwischenspiel gewesen. Das konnte der Zuschauer auch notfalls mit Untertiteln verstehen. Das verstärkte überdies den Eindruck von einen fernen Vergangenheit.
>Nein, wir reden kein Latein<, sagte der eine. Er war ganz aus dem Häuschen, dass ich sprach. Er freute sich, so wie man sich freute, wenn der Hund einen neuen Trick gelernt hatte.
>Du kannst uns verstehen, weil wir einen Informationschip in deinen zerebralen Kortex implantiert haben.<
>Ah<, sagte ich. >Und warum um Himmels...<
Der eine Außerirdische hob mahnend den Finger. Dann tippte er sich an die Schläfe.
>Die Informationen sind alle hier drin. Der Chip soll es dir ermöglichen, dich schneller in dieser Welt zurecht zu finden. Er ist übrigens absolut harmlos...<
Der andere Außerirdische beugte sich herüber und flüsterte seinem Kollegen etwas in die winzige Gehöröffnung.
>Weitgehend harmlos<, korrigierte sich der erste und lächelte freundlich. >Wenn du dich konzentrierst, solltest du die Antworten auf deine Fragen erhalten.<
Ich seufzte. Nun gut. Jetzt kam also der Plot, die Mission, das, wo ich durch musste. Ich konzentrierte mich.
Irgendwann einmal wird es in einer weit entfernten Galaxie eine Reihe schrecklicher Kriege, die sogenannten System-Kriege, geben. Eine aggressive, menschenähnliche Rasse, die sich selbst Danischmiden nannte, hatte vor einigen Jahrzehnten einen Großteil dieser Galaxis unterworfen. Angeführt wurden sie von ihrem bösen Kaiser Tore. Die von den Danischmiden eroberten Welten wurden mit ihrer Kultur und Technologie überzogen. Autochthone Entwicklung wurde unterdrückt. Nur Technologie der Eroberer durfte hergestellt und verwendet werden. Sie drang in alle Bereiche des Lebens ein und kontrollierte und observierte sie. Mit jeder eroberten Welt vergrößerte sich die Monopolstellung des Kaisers. Ein Bündnis von freien Welten stellte sich dem Kaiser entgegen und wurde in einer verzweifelten Schlacht vernichtet. Die Überlebenden, eine kleine Schar von alternativen Programmierern, leistete aus dem Untergrund heraus weiter Widerstand. Zwei Vertreter des Widerstandes saßen nun mir gegenüber.
>Also<, sagte der eine Alien, der sich als Netral vorstellte. >Wenn denn zum Beispiel das Betriebssystem von Kaiser Tore wenigstens etwas taugen würde. Aber das ist reiner Schrott. Hängt sich dauernd auf. Unser eigenes System ist bei weitem besser, bekommt aber einfach keine Chance auf dem Markt.<
>So´n Dreck<, stimmte der zweite Außerirdische mit Namen Nial Kerbogha zu.
>Ja<, sagte ich, >Das ist ja wirklich schrecklich. Und was soll ich da tun?<
Anstatt zu antworten tippten die beiden erneut an ihre Stirn. Ich seufzte und konzentrierte mich wieder:
Der Widerstand lief schlecht, da der Gegner übermächtig war. Und vor einigen Wochen wurde zu allem Überfluss auch noch eine der Oberprogrammiererinnen des Widerstandes während einer Geheimmission von den Arachnoiden, einer, nun, arachnoiden Spezies, die sich in den Sold der Danischmiden gestellt hatte, aufgebracht. Das klang doch hinreichend bekannt. Eine Rettungsmission, also. Alles klar. Blieb nur die Antwort auf die Frage, wozu man einen Zenturio aus der Antike brauchte. Diese Information hatte der Chip nicht gespeichert. Zur Antwort warf Nial Kerbogha einen dünnen Aktenordner vor mich auf den Tisch. Es war ein Lebenslauf. Meiner oder vielmehr der meiner Rolle. Ich hieß Marcus Annius Silo und war Prätorianerzenturio, ca. fünfundvierzig Jahre alt und diente zur Zeit des Domitian. Verdammt. Um den wäre es nun wirklich nicht Schade gewesen.
>Schön<, sagte ich und schob Netral meine Akte rüber. >Warum ich?<
>Nun<, antwortete der Außerirdische, >Du musst wissen, dass du nicht der einzige bist, den wir aus der Vergangenheit herbeigeholt haben. Es gibt noch drei andere, die uns helfen sollen, die Oberprogrammiererin zu befreien.<
>Warum nur vier?<, wunderte ich mich. >Warum nicht zehn, hundert oder tausend? Je mehr desto besser, oder?<
>Leider reichten die Energiereserven unseres Schiffes nur für den Transport von vier Personen. Die Aufrechterhaltung der Kraftfelder, die einen transtemporalen Transfer ermöglichen, hat bedauerlicherweise einen extrem großen Energiebedarf.<
Ich nickte. Es war müßig irgendwelche Einwände vorzubringen, wie z.B.: warum nicht ein paar Tage warten, bis die Batterie wieder aufgeladen war, oder warum man nicht andere Energiequellen suchte, um eine effektive Armee auf die Beine zu stellen. So funktionierte es in diesen Filmen nicht. Wenn man dachte, dass man sein Gegenüber mit seiner Logik in die Enge gerieben hatte, aus der es kein Entrinnen gab, außer dem Eingeständnis, dass man in einer fiktiven, schwachsinnigen Realität lebte, sagte irgendeiner etwas wie: eine alte Prophezeiung hat von vier Kriegern gesprochen, oder: das Orakel von Dingsdabumsda hat uns befohlen... Das war reichlich entnervend. Also besser nicht nachfragen.
>Und warum Menschen<, fragte ich stattdessen.
>Nun<, sagte Netral. >Menschen sind weithin als eine der aggressivsten Spezies bekannt. Immerhin haben sie sogar ihren eigenen Planeten zerstört. Sie müssen also hervorragende Krieger gewesen sein.<
Ich lächelt. Ach, es war immer niedlich, wenn Billigproduktionen sich durch Pseudo-Sozialkritik den Hauch eines Anspruches verleihen wollten.
>Aber wir stammen doch nicht alle aus der Antike, oder? Ich meine, wenn man sich aus der ganzen Menschheitsgeschichte Soldaten aussuchen kann, dann...<
Netral versuchte mich zu beruhigen:
>Keine Sorge, Zenturio. Eine Kriegerin stammt ebenfalls aus der Antike, die anderen aber sind viel moderner.<
>Da ist gut. Was denn für welche? GSG 9? Delta Force? SWAT? Rambo? Space Marines? Oder gar Supermann?<, fragte ich hoffnungsfroh.
>Nun, so ähnlich<, meinte Nial Kerbogha. >Der eine ist ein Ritter der Kreuzzüge und der andere ein Sarazene.<
>Ah<, sage ich enttäuscht. >Doch soooo modern, wie? Um Himmelswillen, warum habt ihr denn so ein paar Auslaufmodelle genommen? Jeder Wehrdienstleistende des 20. Jahrhunderts war besser bewaffnet.<
Die Aliens wirkten peinlich berührt.
>Das ist eine wirklich dumme Sache<, sagte Nial Kerbogha. >Wir waren in der Lage, die gesamte Geschichte der Menschheit temporal zu scannen, aber aus irgendeinem Grund gelang es uns nicht, einen lebenden Organismus nach dem 15. Jahrhundert zu teleportieren.<
>Wir vermuten<, fuhr Netral fort< dass es ein Problem mit dem Hauptprozessor ist. Der ist ein Stück danischmidischer Hardware. Wir haben ihn nicht gerne verwendet, aber er war so konkurrenzlos billig. Jedenfalls befindet sich in jeder danischmidischen Technologie eine Sicherung, die verhindern soll, dass sie gegen ihre Erfinder eingesetzt wird. Wir dachen eigentlich, wir hätten die Sicherung entfernt. Aber vielleicht ist es uns nicht völlig gelungen und Reste der Sicherung verhindern die Teleportation aus neuzeitlichen Jahrhunderten.<
>Genau<, stimmte Nial Kerbogha zu. >Entweder ist es das, oder der verdammte Maustreiber. Kauf dir nie eine danischmidische Infrarotmaus. Reiner Schrott. Häng sich immer auf.<
>Wenn du möchtest, führen wir dich nun zu deinen Kameraden<, sagte Nial Kerbogha, als ich sprachlos eine Weile ins Leere gestarrt hatte. Ich zuckte mit den Schultern.
>Warum nicht.<
Als wir durch die weißen Korridore des Raumschiffes gingen, musste ich eine weitere Frage stellen:
>Was, wenn wir keine Lust habe, euch zu helfen?< Ich bedauerte die Frage sofort, denn die kleinen Aliens gucken mich nun mit ihren schwarzen Augen mitleiderregend an.
>Da wäre wirklich sehr traurig Zenturio<, sagte Netral. >Dann müssten wir euch in den Augenblick eures Lebens zurückschicken, aus dem wir euch herausgeholt haben.<
Ich seufzte resigniert.
>Lasst mich raten. Der Augenblick unseres Todes, oder?<
Netral nickte
>Richtig. Nur so konnten wir sicher gehen, dass unser Eingriff nur minimale Auswirkungen auf die menschliche Geschichte hatte. Wenn du willst, bringen wir dich gleich zurück.<
>Nein, nein. Ich helfe euch natürlich gerne.<
Wir blieben vor einer Tür stehen.
>Wir sind da<, sagte Netral.
Ich war nicht sonderlich gespannt, wer meine Kameraden waren. Die Männer waren vermutlich athletisch und jung. Den alten Part hatte augenscheinlich ich erwischt. Und die Kriegerin? Nun ja, irgendwo musste ja der Sex in der Sache herkommen. Also vermutlich eine blonde, geschmeidige Amazone, eine Uma Thurman vielleicht in albernem Lederkostüm.
Die Tür ging auf. Und zu meinem Erstaunen war meine blonde Amazone eine Walküre mit brünetter Löwenmähne. Hünenhaft, vollbusig und mit muskulösen Oberarmen dick wie Haltetrossen. Mit ihren nervichten Armen hielt sie den christlichen und den muslimischen Glaubenskrieger davon ab, einander umzubringen. Stattdessen warfen sie sich wüste Beleidigungen an den Kopf.
>Du feiger Lateiner-Hund. Ihr habt meinen Vater bei der Eroberung Jerusalems abgeschlachtet.<
>Du sodomitischer Wickelkopp. Da war ich doch gar nicht dabei. Dafür habt ihr meinen Lehnsherrn bei Hattin ermordet.<
Erst als die Walküre die beiden kräftig schüttelte, hörte das anachronistische Gezeter auf.
Netral räusperte sich vernehmlich, und meine drei neuen Kameraden sahen zu uns herüber.
>Darf ich vorstellen<, sage Netral. >Zenturio Marcus Annius Silo das ist Bertrand von Haifa. Und der junge Mann, der den guten Bertrand so leidenschaftlich verwünscht, ist Fakr Ibn Daula aus Aleppo. Und die Kriegerin ist Mechthild, die Bataverin.<
Mechthild warf die beiden Männer beiseite und kam auf mich zu. Ich streckte ihr die Hand entgegen. Sie baute sich vor mir auf und musterte mich. Ratlos nahm ich meine Hand zurück.
>Du erinnerst dich nicht, oder<, fragte sie mit einer dunklen aber angenehmen Stimme.
>Ähm, nein. Nicht das ich wüsste.<
>Der Bataveraufstand<, sagte sie.
>Tut mir leid, ich komm einfach nicht drauf.<
>Du hast mich damals umgebracht.<
Ich machte erschrocken einen Schritt von ihr weg und sah Nial Kerbogha fragend an.
>Nun<, erklärte der Außerirdische. >Es sieht so aus, als ob du als junger Mann Mechthild in einer Schlacht erschlagen hast, oder vielmehr hättest, wenn wir sie nicht teleportiert hätten.<
>Nun<, sagte ich zu der Hünin, >das tut mir schrecklich leid. War bestimmt nichts Persönliches.<
>Spar dir deine Ausreden, Römer<, fauchte die Germanin. >Ich werde für unsere kleinen Freunde hier mit dir auf diese Rettungsmission gehen. Aber danach werde ich dich töten.<
>Ja?<
>JA!<
>Oh!< Na toll. Hätte der Konflikt zwischen Kreuzritter und Sarazene nicht gereicht? Warum nun auch das noch? Wie viel Dramaturgie brauchte so ein Film denn?
Netral und Nial Kerbogha schien es nicht zu stören, dass Mechthild mich aus tiefsten Herzen hasste, solange wir einverstanden waren, ihre Oberprogrammiererin zu befreien. Mit sichtlichem Stolz sahen sie auf uns vier Streithähne.
>Wir haben es tatsächlich geschafft<, meinte Nial Kerbogha.<
>Ja<, sagte Netral. >Vier Krieger aus der Vergangenheit. Genau wie es das Orakel prophezeit hat.<

Zum Thema Waffen. Es gab immer Waffen. Besonders in Science-Fiction Filmen. Und seltsamerweise waren diese Zukunftswaffen bei weitem ineffektiver als die Modelle der Gegenwart. So hatte die normale Strahlenkanone meist eine erbärmliche Feuerrate. Und dann gab es noch die Waffen, die wirklich sinnlos waren.
>Laserschwerter<, sagte Netral und zog wie ein übergespannter Kellner ein weißes Tuch von einem kleinen Wägelchen, auf dem vier fast unterarmlange, schwarze Stäbe lagen.
>Cool<, entfuhr es mir. Über den Sinn von so etwas mochte man sich ja streiten. Sie waren aber auf alle Fälle ziemlich lässig.
>Was für ein Teufelszeug ist das nun wieder<, meinte Bertrand, der gefährlich in die Öffnung seiner neuen Strahlenkanone sah.
>Das ist eine Art Schwert mit einer Schneide aus Licht<, klärte ich meine Gefährten auf. Ich griff mir eines und aktivierte es. Mit einem herrlichen Brummen fuhrt die Laserklinge aus dem Stab. Ich fuchtelte ein bisschen damit herum. Es summte zufrieden.
>Beim Shaitan<, entfuhr es Fakr. Selbst Mechthild war beeindruckt.
>Ach<, wandte ich mich an Netral. >Ich habe mich immer gefragt, wie so ein Ding eigentlich funktioniert. Ich meine, he, es ist Licht. Warum fährt es so langsam aus und warum nur anderthalb Meter weit?<
>Ein Kraftfeld begrenzt es<, war der kleine Alien nicht um eine Antwort verlegen.
>Aha. Kraftfeld, wie?<
>Ja.<
>Und wie genau funktioniert dieses Kraftfeld?<
>Wen interessiert ´s<, maulte Mechthild. >Lasst uns die Dinger ausprobieren!<
>Gute Idee<, sagten Bertrand und Fakr in seltenem Einmut.
>Nun, warum nicht<, meinte ich.

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