Tv-Leap: Dex and the City
von Carsten Maday

Kapitel
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Der Explosionsdruck hatte mich in die Barrikade gedrückt. Das verbogene Turm-MG hatte sich eine Handbreit neben mir in die Barrikade gebohrte. Ich sah an mir herab.
>Ich lebe noch<, stellte ich mich ehrlicher Überraschung fest. Ich hörte Kettengeklirr von der Straße her. Dort stand das brennende Wrack des Jagdpanzers. Ich hörte einen Motor aufheulten. Dann ging ein Ruck durch das Wrack, als es sich langsam bewegte. Mein zerschundener Körper sehnte sich nach einem ausgedehnten Bad in Franzbrandwein. Ich trieb ihn dennoch an, die Barrikade zu erklimmen. Nur weg hier, bevor die Verstärkung kam. Ich hatte kaum zwei Höhenmeter geschafft als ich meinen Namen hörte. Voller Erstaunen drehte ich mich um. Das brennende Wrack war zur Seite geschoben. Statt seiner stand dort ein alter Sherman Panzer. Aus der Turmluke winkte mir eine junge Frau zu. Unwillkürlich seufzte mein Herz, denn die junge Frau war entzückend. Kastanienbraunes Haar, Rehaugen und volle Lippen in dem schönen Gesicht, das vor Freude strahlte. Ich grinste zurück. Ich kannte das Gesicht.
>Joey?<, fragte ich, noch immer verwundert über meine Rettung. Das Gesicht der jungen Frau nahm einen befremdlichen Ausdruck an.
>Nein, Patt<, sagte sie mit lieblicher Stimme. >Nicht Joey. Chloe!<

Der Sherman parkte in dem Schaufenster von eines Modestempels. Es schneite heftig und der Schnee verbarg die Kettenspuren. Wir warteten darauf, dass das Geräusch der feindlichen Flugmaschine verging.
>Dann kannst du dich an die letzten zwei Jahre nicht mehr erinnern<, fragte Bianca, der attraktive, ehemalige Cheerleader. Ich schüttelte den Kopf. Ebenfalls in den Panzer gequetscht saß Steve, der Quotenschwarze, der in Doppelfunktion auch den Quotenschwulen und besten Vertrauten Chloes spielte. Er hielt ein Scharfschützengewehr. Er war es, der auf die Echsenwesen geschossen hatte.
>Nein, alles nach Chloes Hochzeit ist weg<, sagte ich >Muss der Unfall gewesen sein.< Anscheinend hatte ich einen Verkehrsunfall gehabt, als die ersten Zombies auftauchten. Das gab mir die günstige Gelegenheit, eine partielle Amnesie vorzutäuschen und mir die Ereignisse zwischen dem ersten Teil des Zombie-Filmes und dem Jetzt zusammenfassen zu lassen. Der erste Teil endete damit, dass Jason und Chloe heirateten und ich den rebellischen Matt mit einem Kuss verabschiedete.
>Vielleicht könnt ihr erzählen, was bisher geschehen ist<, schlug ich vor. >Nur das aller wichtigste.<
>Ich lasse mich scheiden<, schoss es aus Chloe heraus.
>Was<, fragte ich überrascht. >Aber um Himmelswillen, warum?<
>Die Beziehung mit Jason lief irgendwie nicht richtig. Es gab soviel unausgesprochenes.<
>Aha, aha. Verstehe.< Daran scheiterten die meisten TV-Beziehungen. Gefühle wurden verschwiegen, stauten sich auf und führten zu dem, was ich Katalysatorsex nenne. Ein unüberlegter Seitensprung schaffte Tatsachen und veränderte eine Beziehung von heute auf morgen völlig.
>Und ich hatte Sex mit Matt<, fügte Chloe hinzu.
>Wie? Du hattest Sex mit Matt. Ja aber, ich dachte das Matt und ich-<
Chloe legte mir die Hand auf die Schulter.
>Du Ärmste, kannst dich ja wirklich nicht mehr erinnern. Also, du und Matt ihr hattet etwas, aber es hat nicht funktioniert. Du bist so lieb und nett, stehst auf französische Lyrik und Shakespeare.<
>Ich will kein lebendig Wesen in der Welt schelten als mich selber, an dem ich die meisten Fehler kenne<, murmelte ich verdrossen.
>Und Matt ist das genaue Gegenteil davon<, sagte Chloe. >Matt ist mehr der Draufgängertyp, weißt du, Patt? Und manchmal ist das gar nicht nett.<
>Ähm, ja, aber mein Spitzname ist doch Patton, nach dem Panzergeneral im 2. Weltkrieg. Ich meine, wie nett kann man da schon sein?< Ich war nun wirklich nicht auf eine amouröse Beziehung zu einem Mann aus, aber etwas Ehrgeiz hatte man schon.
>Vielleicht lag es auch an dieser ganzen „kein Sex vor der Ehe Sache“<, warf Bianca ein.
>Wie bitte? Matt wollte nicht. Aber mit Chloe hat er doch-<
>Nein, Patt, du wolltest nicht.<
>WAS? Das ist ja unerhört.<
>Nun Matt ist eben auch nur ein Mann<, nahm Chloe ihn Schutz.
Na toll, dachte ich. Ich war klein und war prüde. Ich würde hier sterben, geopfert, um den wahren Helden dieses Machwerkes einen kurzen dramatischen Augenblick zu verschaffen.
>Großartig<, sagte ich niedergeschlagen.
Bianca rieb mir aufmunternd über die Schultern.
>Kopfhoch, Kleines. Irgendwann wirst du den richtigen treffen. Bis dahin gehe deinen eigenen Weg. Der ist richtig. Körperliche Liebe ist ein kostbares Geschenk, mit dem man nicht so um sich werfen sollte.<
>Ha<, schnappte Chloe aufgebracht. >Von wegen.<
Ich sah Bianca fragend an. Sie blickte mich schuldig an.
>Ich hab auch mit Matt geschlafen.<
>Und?< keifte Chloe und durchbohrte Bianca zornig mit Blicken.
>Und ich hab mit Jason geschlafen. Gut, ich bin nicht stolz drauf. Aber du darfst dich wirklich nicht beschweren, Chloe. Immerhin habt ihr euch schon getrennt gehabt. Jason brauchte jemanden. Einen Freund.<
>Wohl eher einen Sexfreund, was?<, grollte Chloe.
>Okay<, sagte ich und versuchte die Situation zu entspannen. >Gibt es hier irgendjemanden der noch nicht mit Matt geschlafen hat?< Alle Blicke flogen zu Steve. Er winkte bedauernd ab.
>Nicht dass ich nicht wollte, aber nein. Ich hab mit Ruth Handerson geschlafen<, fügte Steve nach einer kurzen Pause geknickt hinzu.
>Was, mit der Schulschlampe?< Für solche Dinge hatte ich ein gutes Gedächtnis.
>Aber wie konntest du? Du bist doch schwul<, sagte Chloe.
>Ja, schon. Aber wir waren so einsam und Ruth hat gemeint, wir müssten uns um den Fortbestand der Menschheit kümmern. Und dann hat sie mir Komplimente wegen meiner Schultern gemacht.<
>Du hast wirklich schöne Schultern<, lobte ich Steve. >Sehr athletisch und stark.< Das war sein ganzer Körper, und die der beiden jungen Frauen auch. Topfit. Sie hatten sich zwischen den beiden Teilen von schmächtigen Highschool Schülern in durchtrainierte Superhelden gewandelt. Dann konnten die Schauspieler später im Making of erzählen, was für eine physische Herausforderung der Film gewesen war und wie sehr sie sich schinden mussten. Während die anderen trainiert hatten, hatte mein Charakter anscheinend seine Zeit mit Sonetten und Pralinen verbracht. Ja, ich würde definitiv sterben. Ich seufzte schwer.
>Ist schon gut, Steve. Nimm es einfach als neue Erfahrung<, tröstete ich ihn. >Wenn man nach der Highschool nicht herumexperimentiert, wann dann?<
>Ich hab mit Major Jeng geschlafen<, brach es nun aus Bianca heraus. Ich fasste mir an die Stirn.
>Wie interessant<, sagte ich ätzend. >Aber ich glaube nicht, dass wir dafür jetzt die Zeit-<
>Ich glaube, ich liebe sie<, sagte Bianca mit Tränen in den Augen, was immer ein gutes Indiz für aufrichtige Gefühle war.
>Sie?<, staunte ich. >Eine Frau?<
>Patt hat recht<, sagte Chloe. >Jetzt ist nicht die Zeit-<
>Doch<, fuhr ich dazwischen. >Wir haben deine Geschichte gehört, jetzt will ich, ich meine, wollen wir auch Biancas Geschichte hören. Also dieser Major. Wie sieht sie aus?<
Bianca winkte ab.
>Das ist vielleicht wirklich nicht der richtige Augenblick dafür. Dich interessiert doch bestimmt mehr, wie die Zombies und die Außerirdischen auf die Erde kamen.< Richtig, die gab es ja auch noch. Ich nickte enttäuscht und die drei erzählten. Was bisher geschehen war:
Zwei Jahre nach Eindämmung des ersten Zombiebefalls, kehrten die Untoten zurück. Es gab Ausbruchsherde überall auf der Welt verteilt. Die Zombies verbreiteten sich rasen schnell in den Metropolen der Welt. Zusammen mit den Zombies verbreitete sich ein Computervirus, genauso schnell und tödlich wie sein Kollege. Seine Übertragungsart war unerklärlich. Er befiel alles, vom Hochleistungs- bis zum Taschenrechner. Was einen Chip hatte, fiel aus.
>Du weißt, was das heißt<, fragte Steve.
>Keine Pornos im Internet mehr?<
>Ähm, ja, vor allen aber brach die Verteidigung zusammen. Als die außerirdische Invasionsflotte drei Tage später landete, traf sie auf keinen Widerstand<, sagte Steve mitgenommen, als erlebe er den Schrecken aufs Neue.
>Die Außerirdischen nennen sich selbst die DEX<, sagte Chloe. >Wie sind für sie nicht mehr als Bakterien, die diesen Planeten verseucht haben. Ihr Plan war perfekt. Die Zombies stürzen sich nicht nur auf die Menschheit, sondern lassen sich auch als Arbeiter und Kanonenfutter verwenden. Die Dex sind in der Lage, einfache Befehle an die Gehirne der Zombies zu übermitteln. Tausende Zombies, die wild auf eine gut befestigte Stellung stürmen, sind kein großes Problem. Wenn sie aber taktisch eingesetzt und mit Dex Sturmtruppen kombiniert werden, hält ihnen niemand stand, nicht ohne moderne Waffen.<
>Aber dennoch leistet die Menschheit Widerstand<, sagte Bianca. Ich nickte. Ich konnte es mir vorstellen. Gruppen von jungen, gut aussehenden Schülern und Studenten versuchten mit der schrecklichen Situation zurechtzukommen und, möglichst mit patriotischem Unterton, den Invasoren die Stirn zu bieten. Wie in „Die rote Flut“, nur mit Zombies statt Russen.
>Die tote Flut<, murmelte ich erschrocken vor mich hin. Wer nur dachte sich so etwas aus?
Die drei sahen mich fragen an. Ich winkte ab.
>Aber was ist mit der Regierung. Die wussten doch von der Bedrohung. Und der Impfstoff? Warum wurde der nicht an die Bevölkerung verteilt?<
Chloe zuckte mit den Schultern.
>Die Regierung hat ein paar halbherzige Anit-Zombie-Programme in die Wege geleitet. Sie haben z.B. eine Serie von Killer Spielen heraus gebracht, um die Hemmschwelle in der Bevölkerung zu senken, einen Zombie durch Kopfschuss zu töten.<
>Hat es was gebracht.<
>Na ja<, sagte Steve. >Der Anteil von übergewichtigen dreizehn bis achtzehn Jährigen bei den Überlebenden ist erstaunlich hoch.<
>Aha.< Ich rieb den Kratzer auf meiner Hand. >Und der Impfstoff.<
>Och der<, sagte Bianca. >Funktioniert nicht.<
Sie erzählen mir mehr, aber ihre Stimmen drangen nur undeutlich zu mir. Mir war, als hätte ich einen negativen Jackpot geknackt. Das Entsetzen klammerte sich um mein Herz. Das Atmen fiel mir schwer.
>Funktioniert nicht?<
>Der Impfstoff<, fragte Chloe. >Nein. Es ist eine mutierte Art des Virus. Tötet und verwandelt innerhalb von Stunden. Die Impfung verzögert den Prozess lediglich.<
>Wie lange?<
>Ein bis zwei Tage.<
>Und die Umwandlungsquote?<
>Liegt bei neunzig Prozent.<
>Dann überleben zehn Prozent<, fragte ich hoffnungsvoll.
>Ähm, nein. Zehn Prozent der Beobachteten Subjekte haben sich vor der Umwandlung erschossen. Du weißt ja, Statistiken.< Ich werde sterben, dachte ich traurig. Alles war hoffnungslos. Mein Kopf sank auf meine Brust.
>Aber es gibt Hoffnung<, sagte Bianca. Hoffnung und Kopf hoben sich wieder. >Wenn unser Plan funktioniert, könnte uns schon morgen ein Gegenmittel in die Hände fallen.<
>Wie das?<
>Später<, sagte Bianca. >Zuerst müssen wir zurück ins Hauptquartier. Man wartet bestimmt schon auf die Erkenntnisse unser Aufklärungsmission.<
>Aufklärungsmission? Aber ich dachte, ihr wäret zu meiner Rettung gekommen.<
>Ähm, ja. Das auch<, sagte Chloe etwas peinlich berührt. >Aber nach fast einer Woche hatten wir keine große Hoffnung, dich zu finden.<
>Ich habe sieben Tage im Koma gelegen? Während die Welt im Chaos versank?<
Die drei nickten.
>Aber was habe ich in der Zeit gegessen oder getrunken? Wer hat meine Infusionen gewechselt? Die Zombieschwester? Und wer-< Ich brach ab. Ich wollte mir die Freude über die Überlebensaussicht nicht durch alberne Logikfehler trüben lassen. Wenn man danach fragte, kam man in meinem Geschäft ohnehin nicht weit.
>Also<, sagte ich gut gelaunt. >Zeigen wir es den Zombies!<
Steve ließ den Motor an.
>Dein Kleid steht dir übrigens gut<, sagte Chloe.
>Oh, Danke.<
>Es gibt bestimmt jemanden im Camp, der es dir kürzen kann.<
Der Panzer ruckelte langsam durch den Schnee davon.

>Der Angriff findet wie geplant morgen um Nullsechshundert statt<, sagte Major Jeng in dem geheimen Hauptquartier des Widerstandes irgendwo in einem Hotel in New Jersey. Der Major war einen bildschöne Asiatin, die es irgendwie schaffte, mich eine Handbreite zu überragen. Der Major stand vor einer großen Karte von New York und zeigte mit einem Stock auf die genannten Gebiete.
>Ziel des Angriffes: das außerirdische Explorationsschiff, das am Hudson River Park gewassert ist. Infiltrationstrupps haben bereits hier, hier, hier und hier Stellung bezogen und diese für nachrückende Truppen ausgebaut. Mr. Gainsbourghs Gruppe Alpha wird von hier durch den Lincoln Tunnel Richtung Park vorstoßen. Leutnant Brenners motorisierte Gruppe Bravo nimmt den längeren über den Hollandtunnel. Der Zeitplan kann uns unser Genick brechen. Sie müssen den Tunnel so schnell wie möglich räumen und über Seitenstrassen vorrücken.<
>Ja, Sir<, antwortete Matt.
>Wir brauchen die Informationen und die Technologie aus diesem Explorationsschiff. Die Dexstreitkräfte sind zahlenmäßig gering, aber gut bewaffnet und ausgebildet. Sobald der Angriff begonnen hat, werden sie eine große Zahl von Untoten zur Unterstützung herbeirufen. Viele befinden sich bereits als Arbeiter im Schiff, andere werden aus der Stadt dazu kommen. Im schlimmsten Fall werden wir es mit einigen Zehntausenden zu tun haben. Wir selbst haben keine viertausend Mann.<
Besorgtes Gemurmel beim Publikum. Der Major hob die Hand. Es wurde stil.
>Ich weiß, dass es wie ein Selbstmordkommando aussieht. Wir haben allerdings eine reelle Chance. Leutnant Parker, bitte sehr.< Jason trat vor. Er war schon vor der Invasion einer speziellen Anti-Zombie Einheit der Armee beigetreten. Die künstliche Hand seiner Unterarmprothese –ein Andenken an den ersten Zombieeinfall- hatte er lässig in seine Koppel eingehängt.
>Meine Damen, meine Herren. Um es kurz zu machen, mit den wenigen, uns zur Verfügung stehenden Mitteln, ist es uns gelungen, den Kontrollcode der Dex zu knacken. Wir sind nun theoretisch dazu in der Lage, die Befehle der Dex nicht nur zu blockieren, sondern den Zombies eigene zu geben. Stellen sie sich vor. Mitten in der Schlacht erhalten Tausende von Zombies innerhalb der gegnerischen Verteidigungslinien den Befehl, sich gegen ihre einstigen Herren zu wenden. Dieser Überraschungseffekt wäre gleichbedeutend mit dem Sieg.<
Raunen bei den Truppführern.
>Wie komplex wären die Befehle, die wir den Zombie geben könnten<, fragte Steve.
>Bislang recht simple<, sagte Jason. >Wir haben uns auf „Töte Dex“ konzentriert. Es ist aber möglich, dass wie ihnen in Zukunft komplexere Befehle geben können.<
>Dann wäre es denkbar, dass wir sie zu einer Art Sklaven machen, um den Wiederaufbau unser Zivilisation voranzutreiben.<
Es wurde stil. Alle sahen mit Erstaunen auf Steve.
>Okay, okay<, sagte er. >Ich weiß, ich bin schwarz. Aber wir wollen doch nicht Schwarze mit Zombies vergleichen. Ich meine, wir haben unsere Sklavenhalter ja nicht gefressen, oder? Und wenn ich von den Söhnen von Menschen und den Söhnen von Zombies auf den roten Hügeln von Georgia träume, wache ich nachts schweißgebadet auf.<
>Ähm, ja, vielen Dank für diesen Einwurf, Steve<, sagte Jason. >Unser Problem ist die Übertragung des Signals. Unsere Sender sind zu schwach. Ihr Signal wird von dem Dex Sender überlagert. Wir müssen den Sender erobern und das Signal von Hand einspeisen. Das werde ich mit der Gruppe Charlie übernehmen.
>Vielen Dank. Leutnant<, sagte Major Jeng. >Entschuldigen sie die Geheimhaltung. Aber da wir noch immer nicht wissen, ob die Dex Informationen aus den Gehirnen der Untoten extrahieren können, durften wir nicht riskieren, dass der wahre Angriffplan vorzeitig verraten wird. Wir sind nicht alleine. Ähnliche Unternehmen werden zur selben Zeit in Washington und L.A. durchgeführt. Aber denken sie dran, wir sind in New York. Wenn die Menschheit es hier schafft, dann schafft sie es überall. Abtreten! Ach, Bianca?<
>Ja, Sir.<
>Kommen sie nachher in mein Quartier. Ich habe noch Frager zu ihrer Aufklärungsmission.<
Wir verließen den Raum und versammelten uns in der Lobby des Hotels. Es war ein wilder Haufen von Menschen, die sich hier am Vorabend der entscheidenden Schlacht zusammengefunden hatten. Einige Militärs, einige Cops, der Rest Zivilisten jeglicher Couleur. Jason und Matt kamen zu mir und umarmten mich. Vor der Besprechung hatte ich keine Gelegenheit, mit ihnen zu sprechen. Steve und Chloe kamen dazu und kurz darauf Bianca und Ruth Handerson. Die Stimmung untereinander war frostig. Zuviel Katalysator-Sex hatte eine Eiszeit hinterlassen. Vielleicht war es in diesem Film nicht nur meine Aufgabe, die Menschheit von den Zombies zu befreien, sondern wieder einmal diese Beziehungschaos zu beheben. Da meine Arm mittlerweile wie Feuer brannte, machte ich nur einen halbherzigen Versuch, eine Unterhaltung zu beginnen.
>So, Jason<, sagte ich. >Interessanter Plan. Morgen soll also eine kleine Gruppe versuchen, den Dex Sender und damit quasi den Zombischutzschild der Dex auszuschalten, während die Hauptstreitmacht sich auf einem überlegenen Gegner wirft.<
>Ja<, antwortet Jason. >Sorge macht mir der Zeitplan. Hoffentlich stoßen wir auf keine Überraschungen.<
>Oder Ewoks<, murmelte ich.
>Was?<
>Ach nichts. Darf ich mich deinem Unternehmen anschließen, Jason.<
>Ist mir eine Ehre<, strahlte Jason glücklich. >Alte Freunde gehören zusammen<, sagte er mit traurigen Hundeblick auf Chloe, die gerade Matt umarmte, aber über seine Schulter einen vielsagenden Blick auf Jason warf. Ich bekam Kopfschmerzen. Bestimmt von Zombievirus.
>Ich werde dann mal zum Major gehen<, sagte Bianca und warf einen neckischen Blick in die Runde. Als sie fröhlich verschwand, löste sich die Runde auf. Jason versprach mich später zu besuchen. In meinem Quartier duschte ich. Es gab nur kaltes Wasser und keinen Strom. Ich untersuchte meinen Körper vor dem Spiegel. Ich war noch immer das niedliche kleine Mädchen von früher, abgesehen davon, dass mein Arm sich langsam schwarz färbte und ich Fieber hatte. Ich schluckte eine handvoll Aspirin und legte die Armeekleidung an, die man mir gegeben hatte. Ich zog Handschuhe an, damit man meine Hand nicht sah. Es war Winter, niemand würde Fragen stellen. Vielleicht hätte ich jemanden einweihen sollen, aber ich hatte Angst, dass man mich nicht mit auf die Mission gehen lassen würde. Ich musste mit, musste dafür sorgen, dass sie erfolgreich war, dass man das Gegenmittel eroberte, dass man mich retten konnte. Ich untersuchte die Ausrüstung, die ich mir aus den Waffenbeständen besorgt hatte. Dann legte ich mich aufs Bett und machte die Augen zu.

Ich erwachte. Es kloppte an leise an der Tür. Ich öffnete die Augen und sah mich um.
>Shit, still only in Jersey<, murmelte ich enttäuscht. >Herein.< Die Tür ging auf und Jason kam herein. In den Händen hielt er einen in eine Decke eingeschlagenen Gegenstand.
>Hi, Patt. Ich wollte mal nach dir sehen. Ich hab dir auch was mitgebracht.<
Er warf den Gegenstand aufs Bett. Ich wickelte ihn neugierig auf und staunte. Ich schlang Jason glücklich meine Arme um den Hals.
>Das ist so süüüüß von dir<, sagte ich gerührt. >Du hast meine AK 47 aufbewahrt.<
>Ja<, nickte er peinlich berührt. >Weißt du, ich dachte, du würdest sie vielleicht brauchen. Ich habe immer fest geglaubt, dass du noch lebst<, fügte er nach einer kleinen Pause hinzu.
>Es tut gut, dich zu sehen.< Wir setzen uns aufs Bett.
>So<, begann ich. >Matt und Chloe sind jetzt also ein Paar, was?< Es war nicht schwer zu sehen, dass dieser Umstand schwerer auf Jason lastete als alle Zombies der Welt.
>Tja, Patt, ich weiß auch nicht. Nach der Hochzeit hatte ich wirklich geglaubt, dass die Sache mit uns beiden klappen würde. Aber es gab immer, wie soll ich es sagen-<
>Unausgesprochenes zwischen euch?<, half ich aus und legte mitfühlend die Hand auf Jasons Prothese. Es nickte betrübt. Das half nur eines. Ich stand auf und ging zur Minibar.
>Was möchtest du trinken, Jason?<
>Ein alkoholfreies Bier. Wir sind noch keine einundzwanzig, weißt du?<
>Haha, der war gut<, ich lachte lahm und sah Jasons Gesichtsausdruck.
>Kein Scherz, wie? Na gut, zwei alkoholfreie Bier. Bitte schön.< Das war wohl besser so. Wer weiß, wie sich Alkohol mit dem Zombievirus vertrug.
>Ich frage mich, was Chloe an Matt findet? Er ist so ungehobelt, raucht Hasch, trinkt und spielt in einer Band.<
Ich sah auf mein Bier und schüttelte den Kopf.
>Ich weiß es selbst nicht, Jason. Ein einem gewissen Alter stehen Frauen auf Typen, mit denen sie später ihren eigenen Töchtern den Umgang untersagen würden.<
>Du warst doch auch mit ihm zusammen.<
>Ja, aber es gab so viel unausgesprochenes.< Jason nickte wissend.
>Ich finde schon noch den richtigen<, sagte ich, um das Thema zu wechseln.
>Einen der deinen Intellekt und deine Güte zu schätzen weiß, Patt?<
>Ähm, ja, und mich vor allem attraktiv findet.<
>Ich finde dich attraktiv, Patt.< Das war der magische Moment. Zwei Rollen, von denen es der Zuschauer unmöglich erahnt haben konnte, schenkten sich vielsagende Blicke. Die Luft knisterte vor Chancen und Katalysatorsex. So unerwartet kam das natürlich nie, den in Serien schlief jeder Hauptdarsteller mal mit jedem. Lag vielleicht an der Gründungsphase der Vereinigten Staaten, wo die Zahl der Siedler gering und die Winter kalt waren.
Jason sah süß aus und ich sehnte mich nach der Wärme eines Menschen, solange ich selbst noch einer war. Wir sahen uns in die Augen, der magische Moment zog unsere Gesichter unwiderstehlich aufeinander zu. Magische Momente endete auf zwei verschiedene Arten.
Die erste Variante:. Lippen näherte sich bis kurz vor dem Kuss. Schnitt. Nächste Szene, gleich Ort. Großaufnahme auf einen der beiden Darsteller. Er liegt im Bett, die Augen geöffnete. In seinem Gesicht spielt sich langsam aufdämmernde Sorge ab. Er dreht sich um. Neben ihm liegt schlafend der andere Darsteller. Erschrecken auf dem Gesicht des ersten Darstellers. Oh, mein Gott, warum habe ich nur diesen Katalysatorsex gehabt? In Jasons Fall dürfte das Erwachen vielleicht noch unangenehmer sein, falls ich mich über Nacht in einen Zombie verwandelt haben sollte.
Die zweite Variante lässt den Zuschauer verwirrt und neugierig auf die weitere Entwicklung zurück. Die Lippen nähern sich, berühren sich fast, als etwas sie unterbricht, vielleicht ein-
Es klopfte an der Tür.
>Ein Klopfen an der Tür<, seufzte ich leise. Nur der Hauch eines Millimeters trennte unsere Lippen. Jason und ich schreckten von einander zurück. Wir hatten beide diesen OhmeinGottwashättenwirbeinahegetan-Ausdruck im Gesicht. Es klopfte erneut.
>Herein<, rief ich, erleichtert und enttäuscht, dass uns die erste Variante erspart worden ist.
Chloe kam herein.
>Patt, hast du einen Moment- Oh, hi, Jason.< Chloes Augen nahmen den herzerbarmenden Blick eines angefahrenen Rehs an, der irgendwie besagte, dass die Sache noch nicht beendet und auf keinen Fall ihre Schuld gewesen war.
>Ich muss gehen<, sagte Jason und verschwand eilig aus meinem Zimmer. Chloe sah ihm versonnen nach, auch als Jason schon längst die Tür hinter sich zugeworfen hatte.
>Kann ich dir etwas anbieten<, riss ich Chloe aus ihren Gedanken.
>Oh, ja, danke, Patt. Ein Bier, alkoholfrei, bitte.< Die zwei waren wirklich für einander geschaffen, dachte ich, als ich Chloe die Flasche reichte.
>Willst du kein Alkoholfreies<, fragte Chloe mich. Ich schüttelte den Kopf.
>Lass, mal. Ich mag nicht, was aus mir wird, wenn ich zuviel davon trinke. Also, was führt dich zu mir, Chloe?< Die Antwort lag auf der Hand. Sie wollte sich über ihre verkorksten Beziehungen auslassen und ich durfte mal wieder den Kummerkasten spielen. So war meine Rolle nun einmal angelegt. Aber fragte vielleicht mal einer, wie es der armen Patt ging?
>Ach nichts besonderes, Patt. Ich wollte nur mal hören, wie´s dir geht. Das Koma, die Amnesie und die Zombies, das muss doch entsetzlich sein.<
Ich sah sie gerührt an. Chloe war doch ein Schatz.
>Mir geht´s gut<, sagte ich automatisch, da mich ihre Fürsorge überrascht hatte. Ich beschloss mich ihr anzuvertrauen. Die ganze Zombieverwandlungssache lag mir doch irgendwie auf der Seele und ich konnte jede Hilfe gebrauchen.
>Ich-<, begann ich.
>Ich bin schwanger<, sagte Chloe aus heiterem Himmel.
>Du bist schwanger<, sagte ich seufzend. Das Zombiethema war anscheinend vom Tisch. >Seit wann?<
>Seit acht Wochen.<
>Aha, nach der Scheidung. Das Kind ist also von Matt<, konstatierte ich.
>Ähm, ja<, sagte Chloe unsicher. >Vermutlich.< Ich sah sie fragend an.
>Kurz nach der Scheidung war ich noch einmal bei Jason. Ich wollte mit ihm reden, wollte, dass wir Freunde bleiben. Und dann kam dieser Moment-< Chloe brach ab und barg ihr Gesicht schluchzend in den Händen. Ich verdrehte die Augen und legte ihr tröstend die Hand auf die Schulter.
>Dann kam dieser magische Moment<, führte ich Chloes Worte zu Ende, >Und ihr hattet Sex.< Das „Katalysator“ sparte ich mir an dieser Stelle. Chloe nickte sanft.
>Was soll nur werden, Patt<, weinte sie. >Wie soll ich ein Kind in diese Welt setzen? Ich weiß noch nicht einmal, wer der Vater ist. Und ich glaube, ich habe noch Gefühle für Jason.< Verzogene kleine Göre dachte ich. Kaum schwanger, machte der bieder Versorgertyp Jason natürlich Boden gegenüber dem rebellischen Rock´n´Roller Matt gut. Ich schluckte meine Empörung hinunter. Die Nebenrolle hatte lieb und verständnisvoll zu sein.
>Ach, Chloe. Das wird schon alles. Du solltest dich freuen. Du bringst neues Leben in diese Welt. Was könnte sie mehr gebrauchen? Jason und Matt sind anständig. Was immer auch geschehen mag, dein Kind wird sogar zwei Väter in seinem Leben haben.< Ich sprach noch eine Weile beruhigend auf Chloe ein. Als sie endlich gegangen war, legte ich mich sorgenvoll aus Bett. Ich hatte so eine Ahnung, dass Chloes Kind trotz meiner Worte nicht mit zwei Vätern aufwachsen würde. Das kommende Gefecht würde eine gnadenlose Wahl treffen. Jason oder Matt. Beide würden es nicht schaffen. Einer würde sterben, vermutlich nach einem heroischen Akt. Es sei denn, ich konnte es vermeiden. Ich grinste grimmig und schloss die Augen. Es klopfte erneut. Bianca, Steve und Matt standen vor der Tür. Anscheinend achtete niemand auf die Öffnungszeiten des Kummerkastens. Da ich müde war und mein Arm wild pochte, fasste ich mich kurz:
>Ja, Bianca. Deine neue erwachte Homosexualität ist völlig in Ordnung und nicht egoistisch. Die Menschheit wird nicht dadurch überleben, dass jede Frau ein Baby nach dem anderen bekommt, sondern dadurch, dass sie einsteht für das, was ihr teuer ist. Die Freiheit. Auch die sexuelle. Du bist ein Vorbild der neuen Menschheit. Heute sind wir alle lesbisch.
Steve, zweifle nicht an deiner Homosexualität, weil du mit Ruth geschlafen hast. Eine Schwalbe mach noch keinen Sommer. Freue dich, vielleicht wirst du sogar Vater. Und Matt, ja es geht mir gut. Wir haben einfach nicht zusammen gepasst.< Sie gingen und ich schlief ein.

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