Tv-Leap: Dex and the City
von Carsten Maday

Kapitel
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>Seid vorsichtig. Es könnten Tausende von den Dingern da unten sein. Und trennt euch nicht. Unter keinen Umständen.< Das waren die warnenden Worte, die uns Major Jeng am Eingang des alten Tunnelsystems der U-Bahn mit auf dem Weg gab. Der Major hatte recht. In jeder Beziehung. Das alte Gleissystem wimmelte von Zombies. Viele hatten versucht, durch die Tunnel von Manhattan nach New Jersey zu entkommen. Die wenigsten von ihnen hatten es geschafft. Und wer es nicht geschafft hatte, war noch immer hier und wartete in der Dunkelheit auf Fleisch.
Nie trennen! Das war überlebenswichtig in einem Horrorfilm. Nie von der Gruppe entfernen, egal aus welchen Gründen.
>Und warum stapfe ich dann allein durch die Dunkelheit?<, knurrte ich vor Angst schlotternd. Eine große Horde Zombies hatte unseren Trupp überfallen. Es hatte eine wilde Schießerei gegeben Panik war ausgebrochen. Jeder rannte um sein Leben. Ich hatte es geschafft, aber viele blieben verschwunden. Unsere ausgemusterten Funkgeräte funktionierten in dem Tunnelsystem nicht. Wir konnten nicht feststellen, wo die Versprengten waren. Auch von Bianca und Steve war keine Spur. Also ging ich zurück. Nebenrollen mussten zusammenhalten.
Irgendwann hörte ich einen Schrei. Er klang nach Bianca. Ich rannte im Schein meiner Bergmannslampe so schnell, wie es meine schwere Ausrüstung erlaubte. Schatten tanzten irre an den Wänden, als ich lief. Jeder schien ein Zombie zu sein. In jeder Nische konnte einer lauern. Ich hatte schnell die Orientierung verloren. Die Wände waren alt, der Tunnel schmal und seit Jahrzehnten nicht mehr in Betrieb.
Wieder ein Schrei. Schüsse bellten ohrenbetäubend in der Dunkelheit. Ich rannte schneller. Ich machte mir Sorgen um Steve und Bianca. Horrorfilme waren prüde. Drogenkonsum und Sex wurden meist durch verfrühten Tod bestraft. Eine angehende Lesbe und ein Schwuler hatten eine noch mieser Überlebenswahrscheinlichkeit, als die niedliche Bestefreundin-Nebendarstellerin.
Schüsse krachten. Ich sah Mündungsfeuer aufblitzen, als ich durch einen engen Verbindungstunnel zu einer T-Kreuzung lief. Auf der Kreuzung lagen Körper in verwahrloster Kleidung. Zombies. Sie waren tot, endgültig tot. Ich sprang um die Ecke. Bianca stand dort. Meine Lampe schien ihr ins Gesicht. Es war bleich vor Schreck und tränennass. Bianca zielte in meine Richtung und schoss. Wäre ich einen Kopf größer gewesen, hätte es mich erwischt. So aber traf es Steve, der von hinten auf mich zu rannte. Ich warf mich zu Boden und sah Steve, der zurück taumelte. Blut schoss in Strömen aus dem Treffer in seinem Hals. Sein rechter Arm war fehlte. Nur ein grausiger Stumpf war übrig. Sein wütendes, hungriges Stöhnen ließ keinen Zweifel daran, dass er sich verwandelt hatte. Bianca schoss das Magazin ihrer Pistole leer. Eine Kugel fand ihr Ziel. Steve sank bewegungslos zu Boden.
Ich spürte, wie mir die Tränen kamen. Ich hatte in meiner Filmkarriere schon viele gute Männer verloren. Ich versuchte meist auch den todgeweihtesten Statisten durchzubringen, aber es gelang mir nicht immer. Manchmal musste ich vor den krankhaften und sadistischen Einfällen der Drehbuchautoren kapitulieren. Herzlos waren sie, verachteten uns Nebenrollen und schrieben Dialogen wie diesen:
>Wir müssen weiter!<
>Oh, mein Gott, Steve!<
>Ich weiß. Wir trauern später um ihn. Wir müssen weiter!<
>Ich- Ich kann nicht.< Schluchzen. Das Klaschen einer Ohrfeige erklang.
>Jetzt reiß dich zusammen!< Dann sanfter. >Das war nicht mehr Steve. Er hätte gewollt, dass du weiter lebst. Komm!<
Ich zog Bianca mit mir in die Dunkelheit.
>Das ist ganz großes Kino<, sagte ich bitter, als wir durch die alten Tunnel stolperten.
>Na, wenigstens kann es nicht schlimmer werden.< Das Licht meiner Lampe flackerte.
>Oh, nein<, sagte Bianca und krallte sich mit mühvoll unterdrückter Panik in meinen Arm. Ihre Lampe war zerbrochen und unser letztes Fünkchen Licht- ich schlug gegen die Helmlampe, die sogleich wieder hell strahlte- funktionierte tadellos.
>Weiter, Bianca. Wir finden die anderen bestimmt. Alles wird gut.< Das Licht fiel aus. Wir standen im Dunkel.
>Verdammt noch mal<, fluchte Bianca. Besser Fluchen als Panik. Das steckte wenigstens nicht an. Ich versuchte es mit Smalltalk, während ich an der Lampe herumbastelte. Vielleicht würde er Bianca ablenken.
>So, dieser Major Jeng macht aber einen netten Eindruck, was?<
Bianca biß an. Frischverliebte wurden ja nimmer müde, von ihrer Verliebtheit zu berichten.
>Ja, sie ist toll, nicht? Und wir haben so viel gemeinsam. Wusstest du, dass der Major früher auch Highschool Cheerleader gewesen ist?<
>Aha, Cheerleader, wie?< Wirbelnde Zöpfe, Pompoms und jedes Menge Brüste zogen an meinem inneren Auge vorbei. Ich verscheuchte sie schnell. Normalerweise ließ mir mein Leben keine Lüsternheit so einfach durchgehen.
>Hast du das gehört<, fragte Bianca erschrocken. Wir hielten still. Schlurfende Geräusche im Tunnel. Viele schlurfende Geräusche im Tunnel. Und sehr nahe.
>Nimmt meine AK<, sagte ich. Ich reichte Bianca mein Sturmgewehr. Das Schlurfen kam immer näher. Die Panik hatte gewonnen. Ich fingerte nervös und planlos an meiner Waffe herum.
>Was ist das, Patton?<, fragte Bianca bebend.
>Ich weiß es nicht. Und nenn mich nicht Patton. Das ist ein wirklich unvorteilhafter Spitzname für ein Mädchen.< Wir standen Rücken an Rücken in der Dunkelheit. Ich konnte ihr Zittern spüren und sie meines. Das Schlurfen kam näher. Wir hörten lautes Stöhnen. Dann endlich bekam ich meine Waffe klar. Ich drückte auf den Auslöser und die Zündflamme sprang an. Die Dunkelheit war entsetzlich, aber manchmal verbarg sie auch gnädig. In dem blauen Licht sahen wir eine Wand aus Untoten, die sich gierig aus uns zu schob. Keine zehn Meter von uns entfernt. Als sie uns sahen, rannten auf uns zu. Ich drückte den Abzug meines Flammenwerfers. Es wurde Licht.

Der Gullideckel flog zur Seite. Ich kroch langsam aus dem Kanalschacht auf die Straße und sah mich um.
>Ah, New York<, sagte ich amüsiert. Es war noch Mitten in der Nacht und kein Laut war zu vernehmen. Entgegen aller Aussagen schlief die Stadt also doch mal. Ich half Bianca aus dem Schacht und funkte die anderen an. Wir machten uns auf den Weg zu ihnen.
Wir fanden sie an dem vereinbarten Sammelpunkt in der Nähe des Empire State Buildings. Unsere Gruppe war empfindlich kleiner geworden. Von den Hundert Mann fehlte ein Drittel. Es kam noch schlimmer. Jason führte uns in ein Nachbargebäude, von dem aus man den Haupteingang des Empire State Buildings einsehen konnte. Drei schwere Dex-Kampfpanzer standen dort. Und hinter Sandsäcken hockte Infanterie. Die Dex hatten ihren verwundbaren Punkt gut geschützt.
>Die anderen Eingänge sind noch schlimmer. Minen, Stacheldraht. Da kommen wir nicht durch, bevor die Panzer uns abfangen<, sagte Jason
>Vielleicht ziehen die Dex sie ab, wenn der Angriff am Hafen beginnt<, sagte ich.
>Ja, vielleicht<, erwiderte Jason skeptisch.
Der Angriff begann. Geschützfeuer hämmerte von Jersey aus auf den Hafen ein. Wir sollten eine Viertelstunde warten, damit der Gegner Truppen von unserem Ziel zur Verstärkung abziehen konnte. Er tat es nicht. Angreifen mussten wir trotzdem.
>Wir müssen an diesen Panzern vorbei<, sagte Jason entschlossen. >Ich habe das Hauptquartier informiert. Teile der motorisierten Einheit sind hierher unterwegs. Wann sie eintreffen ist fraglich.<
>Wir müssen sie weglocken<, schlug Chloe vor. >Wenn wir sie aus den Häusern beschießen, bewegen sie sich keinen Millimeter. Wir müssen sie in die Straßen locken.<
>Chloe hat Recht<, sagte Jason. >Wir locken sie raus und erledigen sie. Denkt daran, am verwundbarsten sind sie hinten und an den Ketten.<
Wir bildeten zwei Teams. Jason und Bianca und Chloe und ich. Aus verschiedenen Richtungen schlichen wir uns ans Empire State Building. In Schussweite sprangen wir lauthals brüllend auf und schossen unsere Panzerabwehrwaffen ab. Explosionen zerrissen die Stille. Dex schrieen vor Schmerzen. Die Panzer ließen brummen die Motoren an und ratterten ruckend vor. Sie hatten nicht einen Kratzer abbekommen.
>Bloß weg hier<, rief Chloe. Sie packte mich und wir rannten davon. Jason und Bianca würden in ihrer Straße das gleiche machen. Wir hatten keine hundert Meter geschafft, als zwei Dex Panzer hinter uns in die Straße rasten. MG-Feuer spritzte auf. Wir retteten uns in eine Seitenstraße. Nach zwanzig Metern hielten wir. Ich legte Panzerfaust an und wartete, bis ich die Kette von dem ersten Panzer sah. Der Fahrer musste es geahnt haben. Die Straßenecke zerstob wie von einer riesigen Faust getroffen. Es regnete Trümmer und Schutt. Wir sahen nichts vor Staub, bis sich der erste Koloss über den Schutthaufen schob. Chloe und ich rannten um unser Leben. Es war nicht mehr weit. Wir waren fast da. Wir rannten auf eine große Kreuzung und brüllten wie irre. Als der erste Panzer auf die Kreuzung fuhr, schlugen ein halbes Dutzend Raketen auf ihm ein. Der Panzer warf seine Kette und machte eine halbe Drehung ums sich selbst. Die Antriebsräder führen kreischend über den Asphalt. Dann hielt das schwarze Ungetüm an. Sein Turm schenkte. Er schoss in die Häuserfront, aus denen die Schüsse gekommen waren. Schutt und Glas regneten auf die Straße. Ein riesiges Loch war in dem Gebäude. Gewehrfeuer prasselte auf dem Panzer ein. Sein Bord-MG bestrich die Häuserfront.
Der zweite Panzer fuhr auf die Kreuzung. Sie begannen, die Häuser vor und neben ihnen zusammen zu schießen. Hier und flog eine Panzerfaust heran, traf aber nicht oder verpuffte an der Reaktivpanzerung. Dann kamen keine mehr. Unser Vorrat an schweren Waffen war klein und nun offensichtlich erschöpft.
Die Panzer schossen unaufhörlich weiter, nahmen die Häuser Stück für, Stück auseinander. Chloe und ich robbten im Schutz der verwaisten Autos, die überall in den Straßen standen, langsam vor. Der kettenlose Panzer hatte sein Hinterteil gedreht. Chloe und ich schlichen auf Schussweite heran. Ich zielte, schoss und traf. Es gab ein Puffen, als das Geschoss einschlug. Dann explodierte der Panzer von inner heraus. Der Turm riss ab und grub sich krachend fünf Meter neben dem Ungetüm in die schneebedeckte Straße. Jubel erklang aus den zerschossenen Häusern und Chloe schlang mir die Arme um den Hals. Der Freudenschrei erstickte in meiner Kehle, als der andere Panzer hinter dem brennenden Wrack seines Kameraden vorfuhr und sein Geschütz in unsere Richtung drehte. Der Lauf senkte sich und ich starrte in ein finsteres Loch, an dessen Ende die Schrecken der Höllen liegen mussten.
Eine Panzerabwehrrakete detonierte am Turm des Panzers. Es war das Äquivalent zu dem Steinchen am Hinterkopf, tat nicht weh, lenkte aber die Aufmerksamkeit auf sich.
Das düstere Verhängnis verschwang fort, als der Panzer seinen Turm drehte. Chloe und ich krochen um das Autowrack herum. Hinter dem Panzer stand auf der Straße ein einsamer Motorradfahrer auf einer geländegängigen Maschine. Er warf achtlos seine rauchende Panzerfaust fort.
>Das ist Matt!<, jubelte Chloe. Die Überlebenden in den Häuserruinen stimmten brüllend ein. Ich sah Matts entschlossenen Blick. Er würde etwas wahnsinniges machen, dass die Menschheit retten, ihn töten oder seine Chancen bei Chloe steigen lassen würde.
Matt gab Gas. Das Motorrad wirbelte mit rauchenden Reifen herum. Matt raste auf den Panzer zu. Der hatte seinen Turm fast gedreht. Matt kam näher, wich hier und da Trümmern aus, wurde immer schneller. Der Panzer schoss. Matt duckte sich tief an den Lenker. Hinter Matt wurde ein Autowrack in die Luft geschleudert. Als es scheppernd auf die Straße schlug, fuhr Matt auf das Wrack eines Sportwagens zu. Er gab Gas, nutzte die niedrige Front des Sportwagens als Rampe und sprang.
Der Zuschauer in Kino hätte dies zweifellos in Zeitlupe genießen können. Matt flog in hohem Bogen auf den Panzer zu, aus dessen Kanone sich eine letzter, verzweifelter Schuss löste, der Matt verfehlte. Im Flug griff Matt die Haftmine, die er auf dem Tank befestigt hatte. Am Scheitelpunkt des Fluges, genau einen Meter über dem Panzerturm, warf Matt. Die Mine klatschte an den Turm. Der Flug war zu Ende. Der Aufprall der Landung drückte Matt nieder. Gekonnt fing der die Maschine ab und raste weiter. In seinem Hintergrund explodierte die Mine und der Panzer zerriss malerischer in einem gigantischen Feuerball.
Als die Zeit wieder beschleunigte, sprang Chloe auf, rannte auf Matt zu und schlang dem Helden der Stunde die Arme um den Hals. Aus den Häusern strömten jubelnd unsere überlebenden Männer und Frauen herbei. Auch Bianca und Jason trafen ein. Sie hatten ihren Panzer geknackt. Jetzt wo die Panzer zerstört waren, konnten wir das Empire State Building stürmen.

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