MIT TRETEN UND TORKELN
von Jürgen Karl Otto Bartsch (bartsch)

Kapitel
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Repräsentationspflicht

Bei Hofe halten sich ständig gebetene und zuweilen auch ungebetene Gäste auf, die es zu bewirten gilt. Das ist die Repräsentationspflicht des Hofeigners, zum Beispiel eben eines Kaisers. Und wenn diesbezüglich etwas danebengeht, dann wird das schnell einmal als Affront aufgefasst und womöglich gar von einem wenig freundlich gesonnenen Besucher zum Anlass für die eine oder andere Staatskrise gemacht. In diesem Falle erreichte den Kaiser flugs eine Note etwa folgenden Inhalts:
„Wenn Ihr, mein Kaiser, uns (… hier folgt in der Regel ein mehr oder minder langer Name, gern ergänzt durch Zusätze wie „von“ und „zu“ …) einen solch miserablen Wein auftischet wie unlängst, so sollet Ihr mein Kaiser nicht länger seyn. – Unterschrift.“
Auch Karl der Große trachtete im Bestreben nach dem Erhalt seines Arbeitsplatzes danach, derartige Missgeschicke wenigstens beim Wein zu vermeiden. Denn gerade das Repräsentieren mit Wein ist ein hohes Risiko. Wurden – und werden – doch mancherorts die Trauben zur Produktion des Traubensaftes mit den Füßen getreten. Das ist einerseits zwar sehr natürlich, es verschafft jedoch andererseits dem fertigen Getränk gelegentlich ein mehr als ungewolltes Aroma. Daher verbot Karl der Große in seinem capitulare de villis imperiabilis kurzerhand das bloßfüßige Traubentreten, und zwar ein für allemal.
Unglücklicherweise ließ sich das Verbot nicht durchsetzen und wurde im 13. Jahrhundert schließlich ein wenig abgeschwächt. Fortan sollte die Traubentretermannschaft vor dem Betreten des Bottichs zumindest die Füße waschen, nicht ständig wieder hinaussteigen, anständige, gegürtete Kleidung tragen, damit der Schweiß im Gewande bleibe, und vor allem während der Arbeit nicht essen oder trinken.

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