TV-Leap: Dr.Mental gegen die Unheimlichen Vier
von Carsten Maday

Kapitel
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Rußiger Rauch wehte durch die zerschossenen Überreste des Städtchens. Zwei Sanitäter schleppten mich zum Verbandsplatz. Auf meinem bloßen Oberkörper prangte ein blutgetränkter Verband. Kolonnen mit GI´s kamen uns entgegen. Eine französische Nonne ging neben mir und nahm mir ab und an mit gütigem Lächeln die Zigarette aus dem Mund. Es war eine hübsche Nonne, die einem geradezu die Frage in den Mund legte, die man auch ihrem moralischem Gegenstück stellen würde: wie kommt ein Mädchen wie du dazu...
>Mensch, Sarge<, sagte Captain Walters, der auf der anderen Seite neben mir ging. >Ich hab fast nicht geglaubt, dass es klappen würde.<
>Hatte auch meine Zweifel, Sir<, erwiderte ich müde. >Mit zwölf zum Tode verurteilten und mit der Aussicht auf Begnadigung angeworbenen Verbrechern hinter den deutschen Linien abzuspringen, um einen deutschen General zu liquidieren, also, Junge, Junge, sehr innovativ.<
>Ja. Im Krieg siegt nicht nur die Kühnheit des einfachen Soldaten, sondern vor allem die Kühnheit der Taktik<, belehrte mich der Captain
>Aha, Sir. Sehr weise<, erwiderte ich. Ich tat einen Zug. >Wie viele unser schweren Jungs haben denn überlebt, Sir?<
Der Captain strahlte mich an.
>Zwei, Sarge.<
>Zwei? Doch so viel, was? Lassen sie mich raten, Sir. Der naiv-brave Farmerjunge, der wegen Fahnenflucht verurteilt worden war, weil er immer wieder zu seiner Farm zurück wollte?< Der Captain nickte.
>Und Mike?<, spekulierte ich. >Der unschuldig Verurteilte?< Erneutes Nicken.
>Dann hat Mike also den mörderischen Zweikampf mit seinem Erzrivalen Pete, dem psychopathischen Frauenschänder, überlebt?<
>Hat er, Sarge. Es war ein ziemlich packender Kampf. Sie haben was verpasst.<
>´Tschuldigung, Sir. Lag zu dieser Zeit in einem Loch und blutete, Sir.<
>Schon gut, Sarge. Es freut mich, dass ausgerechnet die moralisch gefestigtsten der Jungs überlebt haben.<
>Ja, Sir. Ein schöner Zufall.<
>Ein Zufall, meinen Sie, Sarge? Ich glaube, es ist der Krieg. Er bringt das Beste im Manne hervor.<
>Eine feine Lehre, die Sie da ziehen, Sir. Sehr tröstend. Sie haben Abitur, stimmt ´s?<
>Oh Gott<, murmelte ich. >Hoffentlich springe ich bald weiter.<
>Was sagen Sie da, Sarge?< Der Captain beugte sich über mich, um mich besser zu verstehen.
>Sie wollen springen? Wacker gesprochen, aber bis zu ihrem nächsten Absprung werden Sie doch ein paar Tage im Lazarett verbringen müssen. Ich mache mich aber gerne für Sie stark, damit man Sie nicht länger als nötig dort zurückhält Schließlich wird der Krieg ja bis Weihnachten zu Ende sein. Das wollen Sie doch nicht verpassen, was?<
>Nein, Sir. Vielen Dank, Sir. He, Schwester, haben Sie noch mehr von diesem Morphium?<
Die Nonne lächelte mir verständnislos zu. Dann sprang ich weiter.

Ich erwachte. Wie jedes Mal, wenn ich in eine neue Rolle sprang, dachte ich, dass es wenigstens nicht schlimmer werden konnte. Mein Leben in einer fiktionalen, alternierenden Realität, in dem ich in immer neue Rollen von B-Movies und schlechten Serien sprang, hatte mir diesen Optimismus nicht nehmen können. Ich klammerte mich daran wie ein Schiffbrüchiger an ein Stück Treibholz. Es konnte nicht schlimmer werden. Was sollte schon schlimmer sein, als ein Tigerpanzer, der einen durch zerschossene Ruinen hetzte?
>Bist du wirklich sicher, dass du das machen willst?<, flüsterte mir eine Stimme ins Ohr. Ich zwang mich, meine Augen zu öffnen und meiner neuen Realität ins Gesicht zu sehen. Ich saß im Heck eines Lieferwagens zusammen mit vier jungen Leuten, deren Garderobe aus den Achtzigern stammte. Ein schwarzer Junge mit Brille, die in der Mitte und an den Seiten mit Isolierband geflickt war. Ein Etui mit Stiften lugte aus der Brusttasche seines Hemdes hervor. Der zweite war ein Schönling mit gestylter Fönfrisur und einem Ohrring. Er trug eine kurze Lederjacke. Typ unbändiger Revoluzzer, etwas älter als die anderen, wahrscheinlich Student. Die dritte war die Schulschönheit. Liebliches, konturloses Gesicht mit unglaublich voluminösem, brünettem Haar. Die vierte war ein Mädchen mit kurzem, blondem Haar mit lila Strähnchen. Typ niedlich-burschikos mit punkigen Klamotten. Auf ihre Jacke steckte ein Button mit einem achtziger Jahre Sponti-Spruch: Alle wollen zurück zur Natur, aber keiner will zu Fuß gehen. Sie war es, die mir ins Ohr flüsterte.
>Harvey, bist du sicher, dass du das willst? Alles nur um dieser Bridget Tussi-< Ihre Stimme klang verächtlich. >auf unser Abschlussnacht zu imponieren?<
>Danke<, sagte ich, ohne zu bemerken, dass ich laut sprach.<
>Danke? Wofür<, fragte die kleine Punkerin. Ich lächelte sie an und sagte nichts. Ich dankte Gott, dem Schicksal oder wem auch immer, dass er mich diesmal in einen achtziger Jahre Teenie-Film hatte springen lassen. Es gab besseres, aber auch schlimmeres. Und ein Meine-Eltern-Beachten-Mich-Nicht-Drama à la Breakfest Club war auf alle Fälle besser als ein Scheiße-Alle-Nazis-Schießen-Auf-Mich-Drama. Ich war also ein Teenager auf seiner Abschlussfeier, der durch eine verzweifelte Tat versuchte, die Schulschönheit für sich zu gewinnen. Alles klar. Und wenn mir das gelang, würde mir bewusst werden, dass die burschikose Punkerin, meine langjährige beste Freundin und Seelenverwandte, in Wirklichkeit das Mädchen war, welches ich liebte. Okay, das bekam ich hin.
Ehe ich etwas sagen konnte, griff der durchgestylte Schönling in seinen Rucksack, zog ein paar Gummimasken hervor und warf jedem eine zu.
>Es ist so weit<, sagte er. >Aufsetzen.< Wir taten, wie geheißen. Es herrschte ein Moment der Stille, nachdem wir die Masken aufgesetzt hatten.
>Ähm, Jeff<, sagte die Schulschönheit schließlich. >Warum haben wir diese Masken auf?<
>Damit man unser Gesicht nicht sieht, Schatz.< Aha, Jeff war also die Konkurrenz.
>Schon klar, Jeff. Aber warum hat Claire eine Stalin-Maske und Greg eine Mussolini Maske auf? Und warum bin ich Dschingis Khan und Harvey Hitler, Jeff?<
>Ich will nicht Hitler sein<, sagte ich traurig. Stalin legte mir tröstend die Hand auf die Schulter.
>Nun<, antwortete Jeff. >Wir wollen nicht nur die Tiere aus dem Labor befreien, sondern auch gegen das faschistisch, tyrannische System dieser Kosmetikfirmen protestieren, die arme Tiere für ihre Versuche missbrauchen. Diese Masken halten den Vorstandsmitgliedern quasi einen Spiegel vors Gesicht.<
>Schon klar, Jeff<, sagte Bridget. >Aber warum bist du Elvis?<
>Nixon war aus und Maggie Thatcher stand mir nicht. Lasst uns gehen.<

Mit einem Brecheisen verschafften wir uns durch eine Hintertür Zugang. Der Laden, angeblich die Niederlassung einer Kosmetikfirma, war schlecht gesichert. Nach Jeffs Informationen schoben hier lediglich zwei in die Jahre gekommene Nachtwächter Dienst.
>Ich verstehe nicht, warum Jeff nicht mit in den Labortrakt kommt<, maulte Greg unter seiner Mussolinimaske. >Immerhin war es doch sein genialer Plan.<
>Er hat es doch erklärt<, flüsterte Bridget. >Während wir die Tiere befreien, will er die Firmencomputer sabotieren. Das ist sehr wichtig.< Der Ton ihrer Stimme sagte allerdings etwas anderes. Bridget war nicht glücklich darüber, ohne ihren Freund durch die leeren Laborgänge schleichen zu müssen.
>Ich frage mich, wo die ganzen Tiere sind<, flüsterte mir Claire zu. >Alle Labore sind leer. Es stehen noch nicht einmal Käfige hier.<
>Unverschämt<, flüsterte ich zurück. >Die können doch nicht einfach beschließen, keine Tierversuche mehr zu machen. Ich meine, jetzt, wo wir schon mal da sind.< So ganz wohl zumute war mir nicht in meiner Haut. Mir fielen auf Anhieb mindestens hundert Gründe und eben so viele schlechte Filme ein, die gegen einen Einbruch in ein Labor sprachen. Was wenn das Labor von einer geheimen Organisation benutzt wurde? Da konnte man leicht einen Virus freisetzen, der alle Menschen dahinraffte oder in Zombies verwandelte.
>Nicht schon wieder Zombies<, murmelte ich.
>Bitte<, fragte Stalin neben mir. Ich winkte mit einer Handbewegung ab. Bridget warf uns einen genervten Blick zu. Sie war ein hübsches Mädchen, aber ich fand, meine Rolle war weit genug gegangen, im Versuch ihr zu imponieren.
>Hier stimmt doch etwas nicht<, sagte ich etwas lauter. >Lasst uns lieber abhauen.< Ich sah Erleichterung in Gregs Gesicht. Ich war nicht der einzige, dem die Sache unheimlich war.
>Er hat recht<, sagte Claire. >Dein schnöseliger Freund hat uns verarscht.<
Bridget dachte offensichtlich das gleiche. Sie gab sich geschlagen.
>Also gut<, sagte sie. >Wir checken noch die letzte Tür, dann hauen wir ab. Jeff kann was erleben<, fügte sie drohend hinzu. Bridget schlich zur letzten Labortür. Es war leer, aber in den riesigen Wandschränken drehten sich Magnetbänder der Computer wie irre.
>Irgendetwas geht hier vor sich<, sagte Greg, unser Nerd. >Die rechnen wie wild.<
>Wahrscheinlich planen sie gerade den Untergang der Menschheit<, sagte ich zu Claire. Die allgemeine Anspannung verschaffte sich in lahmen Gelächter Luft. Am Ende des Raumes befand sich eine große, gepanzerte Tür. Daneben war ein Fenster aus dickem Panzerglas.
>Bloß raus hier<, sagte ich laut, aber es war zu spät, um meine Freunde mitzureißen. Bridget war an das Fenster getreten und rief triumphierend auf:
>Ich wusste doch, dass Jeff recht hatte. Nun seht euch das an.< Wir sprangen ans Fenster und drückten unsere Nasen gegen die Scheibe. Auf der anderen Seite befand sich ein riesiger Raum. An den Wänden waren Batterien von Geräten aufgereiht, die wie riesige Kondensatoren wirkten.
>Oh mein Gott<, rief Claire überrascht. >Wie süüüüüüß!< Mitten im Raum mit einer Vielzahl seltsamer Gerätschaften über sich, stand ein einsamer Käfig. Ein Kaninchen kaute gelangweilt auf einem Blatt Salat darin.
>Es ist rosa<, staunte Greg.
Bridget nickte grimmig. >Diese Perversen! Quälen arme Tier, nur um neue Haarfärbemittel zu finden. Welche kranken Menschen bitte benutzen solch ein Zeug?<
Wir drehten uns um und sahen Claire an. Ein vorwitziges lila Strähnchen lugte unter ihrer Stalinmaske hervor.
>Was seht ihr mich so an?<, sagte Claire. >Erstens sind meine Haare lila und nicht rosa. Und zweitens wurde der Farbstoff ohne jegliche Tierversuche hergestellt. Stand auf der Verpackung. Ich meine, die würden es ja kaum drauf schreiben, wenn es nicht stimmt.<
>Nein, natürlich nicht<, beruhigte ich Claire, die einen erstaunlichen Obrigkeitsgehorsam an den Tag legte.
>Ja<, nickte Claire, die anscheinend Blut geleckt hatte, und wählte diesen so passenden Moment für eine Abrechnung mit der voluminierten Bridget. Immerhin war Claire eifersüchtig auf Bridget, da sie ja meine langjährige beste platonische Freundin und damit per definitionem unsterblich in mich verliebt war, was ihr natürlich noch nicht so bewusst gewesen war, bis Bridget auftauchte und... etc., etc.
>Ich finde, du solltest gerade keine großen Töne spuckten, Bridget. Wie viel Haarspray verschlingt deine Frisur eigentlich täglich, hm? Dafür gehen wohl keine Tiere drauf, was?<
Bridget fasste sich entsetzt ans Haar. Dieser Gedanke war ihr anscheinend noch nicht gekommen.
Ich nickte. >Ja, und erst das ganze FCKW. Wenn ich da ans Ozonloch denke...<
>Ozon-was?<, fragte Greg verwirrt. Ja, die frühen Achtziger. Aids war noch nicht weltberühmt und das Ozonloch erst im Kommen. Es war eine behütete, unschuldige Zeit. Abgesehen von der atomaren Aufrüstung und dem sauren Regen vielleicht.
>Also das Ozonloch ist-< Das Aufheulen einer Sirene riss mir die Worte aus dem Mund und unterbrach meinen stümperhaften Versuch, Kühlschränke für die Klimaerwärmung verantwortlich zu machen. Wir zuckten erschrocken zusammen. Mitten ins grelle Kreischen der Sirene mischte sich eine Frauenstimme, monoton, mitleidslos und vom Band:
>Warnung! Überlastung der Delta-Spulen! Bitte verlassen sie das Gebäude. Folgen sie dem Lichtband auf dem Boden zum nächsten Notausgang.<
Ich packte mir Claire am Arm und begann sie nach draußen zu zerren.
>Kommt schon, Leute. Wir müssen verduften! Vielleicht fliegt der ganze Laden in die Luft.< Ja, oder wir verwandeln uns in Zombies.
>Bloß keine Zombies<
>Was?<, schrie Claire.
>Schon gut. Los, weg hier.<
Greg war völlig entsetzt und folgte uns langsam zum Ausgang des Labor. Bridget sah noch immer durch die Glasscheibe. Das Licht in dem Raum flackerte und die Kondensatoren luden sich brummend auf.
>Aber das Kaninchen<, rief sie. >Wir können es doch nicht zurücklassen.<
>Was? Scheiß auf das Karnickel! Wir müssen...< Bridget fing an zu weinen, jedenfalls hörte es sich unter ihrer Dschingis Khan Maske so an. Stalin und Mussolini gingen zu ihr und trösteten sie.
>Schon gut<, sagte Stalin. >Harvey holt das Kaninchen und-<
>Was<, rief ich gegen den ohrenbetäubenden Lärm. >Ich soll was machen? Seid ihr taub? Sirenen? Hallo?<
Stalin sah mich wütend an. Ich seufzte schicksalsergeben. Schließlich konnte ich es mir ja nicht sowohl mit Bridget als auch mit Claire verderben.
>Warum auch nicht<, stöhnte ich. >Natürlich. Soll Hitler doch das rosa Kaninchen stehlen.< Ich gab mir einen Ruck und entriegelte die Sicherheitstür. Luft entwich zischend. Ich hielt den Atem an. Nur für den Fall, dass Zombie-Viren in der Luft lauerten.
>Keine Zombies, keines Zombies.< Mit diesem Mantra auf dem Lippen stürmte ich in den Raum, der vor statischer Aufladung knisterte. Ich erreichte den Käfig, ohne mich in einen Zombie zu verwandeln. Ich öffnete die Käfigtür und sah auf das Karnickel. Es war süß, rosa und sehr flauschig. Ich drehte mich um. Stalin, Dschingis und Mussolini guckten durch die Tür und hoben aufmunternd die Daumen nach oben. Ich sah wieder auf den Käfig. Das Kaninchen hatte Angst. Kein Wunder bei diesem Lärm. Wie gefährlich konnte so ein Tier schon sein. Ich griff in den Käfig. Ich schrie.
>Was ist<, hörte ich Claires erschrockene Stimme vom Eingang.
>Es hat mich gebissen<, schrie ich empörte. >Das gottverdammte Drecksviech hat mich tatsächlich gebissen.< Ich hob anklagend den Daumen nach oben. Mit viel Mühe zwängte sich ein Blutstropfen ins Freie und fiel auf den Boden. Das rosa Kaninchen sprang aus dem Käfig und rannte zum Ausgang. Ich sah mit einer gewissen Befriedigung, dass es nicht in Bridgets ausgestreckten Arme lief, sondern sich durch ihre Beine nach draußen stahl. Irgendwie beruhigend, dass es ein Misanthrop war und nicht nur mich im speziellen hasste. Ich steckte meinen Daumen in den Mund und rannte zu den anderen. Ich versuchte es zumindest, aber ein greller Lichtblitz blendete auf. Dann wurde es dunkel.

Ich erwachte. Mein Kopf schmerzte, und als ich die Augen öffnete, sah ich für einen Augenblick nur undeutliche Schemen. Ich argwöhnte, ich könnte in eine neue Rolle gesprungen sein. Das kam gelegentlich vor. Ich sprang ohne ersichtlichen Grund einfach weiter, ohne etwas getan oder eine Aufgabe erledigt zu haben. Besonders unangenehm war das, wenn es im Schlaf geschah. Man ging in einer Teenie-Klamotte betrunken ins Bett, wachte am nächsten Tag auf, reckte und streckte sich gemütlich, bis man merkte, dass man aufrecht in einem Fuchsloch steckte und ein Scharfschütze auf einen feuerte.
Ich blinzelte die Schemen fort. Ich lag in einem Bett in einem Krankenhauszimmer. Lebenserhaltende Geräte liefen nicht, was ich als gutes Zeichen ansah.
>He<, sagte eine leise Stimme neben mir. Ich blinzelte erneut und sah Claire. Sie sah müde, erschrocken und besorgt aus.
>He<, sagte ich. Ich versuchte mich aufzurichten, aber ein stechender Schmerz ließ mich zurücksinken. Ein Verband lag um meinem Brustkorb. Ehe ich fragen konnte, was passiert war, hörte ich aufgebrachte Stimmen auf dem Flur. Ein Mann verschaffte sich lautstark Gehör und eine Frau schluchzte.
>Meine Eltern?<, spekulierte ich. Immerhin war es ein achtziger Jahre Teenie-Film. Da brüllten Väter und Mütter schluchzten. Claire nickte. Sie klärte mich über das Nötigste auf. Nach dem Lichtblitz im Labor hatten wir alle das Bewusstsein verloren. Irgendwie hatte ich es dabei geschafft, mir eine Rippe zu brechen. Daher also der Verband. Die Wachmänner hatten uns gefunden und die Polizei und den Notarzt verständigt. Meine drei Freunde waren noch vor Ort zu sich gekommen, mich hatte man bewusstlos ins Krankenhaus geschafft. Jeff war nicht zu finden gewesen. Er hatte sich anscheinend rechtzeitig verdrückt.
Ein Wissenschaftler war erschienen und hatte der Polizei zu verstehen gegeben, dass keine Anzeige erstattet werden sollte. Das machte mich argwöhnisch. Vielleicht doch ein Geheimprojekt der Regierung? Das Geheimnis würde warten müssen. Ich war erledigt und wollte ins Bett. Claire holte meine Eltern. Sie durften mich mit nach Hause nehmen, wobei sie die Heimfahrt nutzen, mir bittere Vorwürfe zu machen. Hausarrest bis das College begann und die Rucksacktour durch Europa war auch gestrichen. Sobald wir zur Haustür herein waren, schrie ich etwas im Sinne von „Ihr versteht mich nicht. Das habt ihr nie getan“, rannte die Treppe hoch, riss zwei, drei Türen auf, bis ich mein Zimmer gefunden hatte und warf laut die Tür hinter mir zu. Müde und zufrieden lehnte ich an der Tür. Gott sei Dank, Hausarrest. Da war ich wenigstens sicher. Europa war viel zu gefährlich. Ich schauderte vor den amüsanten, kulturellen Missverständnissen, die dort auf einen amerikanischen Teenie lauern konnten. Erschöpft zog ich meine Hosen aus und fiel ins Bett.
>Morgen noch eine UZI auftun, dann wird alles gut<, dachte ich und sank in einen tiefen Schlaf.

Ich erwachte. Es war dunkel, aber das Mondlicht reichte aus um zu erkennen, dass ich mich noch immer in dem Jugendzimmer befand. Das Wummern in meinen Kopf hatte einem breiigen Gefühl Platz gemacht. Meine Seite pochte. Meine Kehle war trocken. Ich erhob mich und schlurfte ins Bad. Müde nahm ich noch ein paar Aspirin und trank einen Schluck aus dem Wasserhahn. Ich klatschte mir Wasser ins Gesicht. Meine Haut fühlte sich an wie meine Zunge, irgendwie pelzig. Ich sah in den Spiegel und brachte die übergroße Willenskraft auf, nicht zu schreien. Ich presste den Mund fest zusammen und hielt mein Entsetzen zurück. Ich sprang zurück ins Zimmer, schrieb einen Abschiedsbrief, packte das Nötigste, sprang aus dem Fenster und hoppelte in die Nacht davon.

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