Bulgakov in Holmgardir
von Rutz Rische

Kapitel
 

9.

"He, Bursche, das ist aber nicht der Friedhof, aus dem wir euch ausgebuddelt haben!" widerspricht Danilov.
Der Sensenmann dreht sich zu ihm und stößt ihm den Sensenstiel in den Unterleib. Die Flasche fällt Danilov aus der Hand und der Wodka verflüchtigt sich im grünen Gras.
"Scheiße!" Denkt Danilov. Da tun sich die Gräber auf und verrottete Gestalten greifen nach seinen Armen und Beine.
Danilov will aufspringen. Sie zerren ihn zurück auf die Erde. Er schluckt Dreck.
Seine Finger durchwühlen den Lehm nach einer Waffe. Mit Dreck und Steinen bewirft er die schleimigen Kreaturen.
"Geizkragen", tönt eine Geköpfte, die ihren abgetriebenen Fötus um den Hals trägt.
Die Faust eines Bauernburschen trifft Danilov ins Gesicht und erlöst ihn von den toten Gestalten.
Er verliert das Bewußtsein, als sie ihn fesseln und in die Irrenanstalt fahren. "Nekrophilie!" Konstatiert der Arzt.


Professor Simonowitsch ist gerade erst wach geworden, als Ordnungskräfte die Tür zu seinem Bauwagen aufreißen.
"Kommen sie sofort mit auf's Revier!" Herrscht eine Stimme ihn an.
Verkatert steigt Simonowitsch in Hemd und Hose. Zitternd fährt er sich mit der rechten Hand durch das ungekämmte Haar.
Auf der Wache serviert man ihm Tee aus dem Samovar.
"Ich kann es nicht verstehen!" Jammert Professor Simonovitsch. "Die Kinder wollten doch nur die Sonnenwende feiern."
"Ist das die Art, wie Jugendliche heutzutage feiern?" Der Milizionär schnaubt durch die verstopften Nasennebenhöhlen.
"Drei Deutsche stürmen ein Pionierlager und metzeln unschuldige Kinder nieder. Wie 41. Hätten wir sie nicht erschossen, wäre vermutlich noch viel Schlimmeres passiert."
Der Milizionär zieht an einer Zigarette: "Dann der bekloppte Mediziner. Hat mit bloßen Händen eine Tote vom Dorffriedhof ausgebuddelt. Auf die satanistischen Spielchen an der alten Kirchenruine will ich gar nicht weiter eingehen."
Der Milizionär schüttelt mit dem Kopf. "Und euer vielgepriesener Pavel Iljitsch heult in der Nebenzelle. Hat im Suff seine kleinen Töchter ertränkt."
"Wie konnte das nur passieren?" Professor Simonowitsch ist fassungslos.
"Das passiert, wenn man seine Schützlinge micht im Griff hat, Bürger." Faucht der Milizionär.
"Das Allerschlimmst aber ist, dass der durchgeknallte Maler dieses Gemetzel noch auf der Kremlmauer verewigt hat. Wir haben ihn natürlich festgenommen." Erklärt der Bürgermeister, der aus einem Nebenraum hereinkommt.
"Eines ist natürlich klar, Simonovitsch, mit dem Gegrabe ist es ein für alle Mal vorbei. So ein Skandal - und das vor den Wahlen." nörgelt er: "Lächerlich habe ich mich gemacht, weil ich dich und deine besessene Brut unterstützt habe. Das Bauland wird verkauft und damit basta!"
"Aber Herr Bürgermeister..." "Halt einfach dein Maul Simonovitsch.
"Ich denke, dein Lehrstuhl wird dich heute noch entlassen."
Der Bürgermeister verläßt die Wache.

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