TV-Leap: Die Power Shaolin vs. Meister Ling Liu
von Carsten Maday

Kapitel
 

>Wie ich dieses Warten hasse. Das Warten ist das schlimmste<, jammerte FBK. Es war kurz vor Tagesanbruch. Wir waren mit einem kleinen Schlauchboot auf der Insel der Nazi-Tammagochies gelandet. Wir hatten ihren Stützpunkt gefunden und warteten auf den Tagesanbruch und den Angriff. Wir waren zu viert. Neben mir saßen Chen, FBK und Melody. Die anderen Power Shaolin waren bei der Angriffstruppe. Melody war die einzige, die uns begleitet hatte. Aus irgendeinem Grund hatte sich Chen vehement dagegen ausgesprochen, dass Nice mitkam. Und FBK war in Schulmädchens Gegenwarten zu noch weniger zu gebrauchen als sonst. Und Chaos-Boy wollte niemand dabei haben. Also nahmen wir Melody mit, die zu unserem Spezialkommando das dringend benötigte Quäntchen Grips mitbrachte.
Bei den knuddeligen deutsch-japanischen Truppen hatte eifrige Betriebsamkeit geherrscht. Anscheinend bereiteten sie die Endphase des Experimentes vor. Der Kampfkreuzer war noch im Schutz des riesigen Bunkers verborgen. An dem breiten Strand aus schwarzen Vulkangestein hatten wir jede Menge Geschütze und Bunker ausgemacht. Viele unser Blauen Phantomkrieger würden morgen eine Fahrkarte in die Phantomzone lösen müssen.
>Oh, dies schreckliche Warten<, schluchzte FBK. Er und ich hatte unsere menschliche Gestalt angenommen, um Melody nicht zu verängstigen.
>Wenn es nur endlich soweit wäre<, seufzte FBK laut.
>Jetzt reicht´s aber<, blaffte Chen ihn an. >Skat geht eben nur zu dritt. Da muss der Geber halt eine Runde aussetzen. So war´s abgemacht. Nächste Runde bist du wieder dabei.<
>Aber das dauert so lange<, sagte FBK.
>Also, nimmst du jetzt die Blinden auf, oder nicht, Chen<, drängte Melody.
>Ach, scheiß auf die Blinden. Ich spiele Hand.< Chen zog uns gerade die Trümpfe aus der Nase, als FBK uns sagte, dass die Sonne aufging.
>Na, toll. Jetzt komme ich nicht mehr dran<, klagte er. Wir krochen aus unser Deckung auf einen Hügel und sahen auf das Meer hinaus.
>Da!<, rief Melody, die durch einen Feldstecher sah. >Sie kommen!< Ich nahm ihren Feldstecher und sah in der aufgehenden Sonnen einige Fahrzeuge auf die Insel zukommen. Das mussten sie sein. Nice, der Surfer, wollte die Streitmacht auf der nächstgelegenen Insel versammelt und dann mit eilig besorgten Transportmöglichkeiten übersetzen. Er hatte den Zeitplan eingehalten. Anscheinend waren wir nicht die einzigen, die das Meer beobachten. Im Stützpunkt heuten Alarmsirenen auf. Sekunden später stürmten eine bunte Mischung von Soldaten an sie Geschütze.
Die Fahrzeuge kamen näher. Man konnte sie nun mit bloßem Auge erkennen.
>Was zur Hölle ist das<, entfuhr es mir. Anscheinend hatte Nice alles genommen, was irgendwie schwamm, um die zweitausend Phantomkrieger zu transportieren. Ich sah zwei, drei schnittige Rennboote durch die Wellen hüpfen. Da waren Fischerboote und alte Seelenverkäufer. Ein kleiner Frachter und jede Menge Jetskis. Die Krönung war aber ein Motorboot, das eine Pyramide von Phantomkriegern auf Wasserskiern hinter sich her zog.
>Hört ihr das<, fragte FBK. >Das ist Musik. Sie spielen Musik.
>Ja<, stimmte Chen zu. >Der Ritt der Walküren. Die Berliner Philharmonika unter Leitung von Herbert Karajan, 1972.<
>Das kannst du hören<, wunderte sich Melody.
>Natürlich. Durch meine Blindheit haben sich meine anderen Sinne potenziert.<
Jetzt hörten wird auch die Musik, die von riesigen Lautsprechern auf den Booten drang.
>Let´s go surfin´ now, everybody´s learning how, Come on and safari with me…<
>Wagner, wie?<, sagte ich zu Chen. Aber hämische Gemeinheiten blieben mir auf der Zunge liegen, als ich sah, dass einige Phantomkrieger von den Kuttern sprangen und mit Surfbrettern die Brandung zum Strand herabritten. Die Verteidiger eröffneten das Feuer. Fontänen schlugen links und rechts neben der lebenden Pyramide ein.
Während am Strand die Beachhead-Revue lief, wollten wir versuchen, ins Innere des Bunkers einzudringen, das Experiment zu stoppen, Blurpsy auszuschalten und den Tag zu retten.
>Also los<, sagte ich. > mir Vamos, Muchachos!<

Wir hatten keine Schwierigkeiten in die Basis einzudringen. Alles war zum Strand gestürmt, um meine Phantomkrieger abzuknallen. Wir überrumpelten mühe- und lautlos die zwei Wachen vor dem Eingang und drangen ins Innere des Bunkers vor. Nach ein paar Meter stellte sich uns ein erstes Problem in den Weg. Der breite Gang teilte sich an einer T-Kreuzung. Schilder wiesen die jeweiligen Richtungen aus. Ich sah sie mir an.
>Öhm, kann irgendjemand Japanisch<, fragte ich hoffnungsvoll. Melody und FBK schüttelten den Kopf.
>Ja, ich<, sagte Chen strahlend.
>Das hilft uns ja viel weiter.<
>Dann beschreib mir einfach die Schriftzeichen.<
>Okay. Mal sehen. Also das erste von siebzehn Zeichen beginnt mit einem senkrechten Strich, von dem oben eine geschwungene Linie- Ach, was soll´s. Melody, du geht mit FDH-<
>Du meinst FBK, nicht wahr, Meister?<
>-Mit FBK nach rechts, ich mit Chen nach links.<
Chen und ich drangen weiter ins Innere vor. Wir passierten einige Mannschaftsquartiere, aber niemand war zu sehen. Dann endete der Gang vor einem großen Stahlschott. Wir machten uns bereit. Ich drückte den Türöffner und das Schott fuhr zischend auf. Dahinter lag einen riesiger Raum. Bis auf einige Tische und Bänke an den Seiten war der Raum leer. Auf der gegenüberliegenden Seite war ein weiteres Schott. Wir gingen hinein. Plötzlich fuhr das Schott hinter uns zu. Ich drückte den Türöffner unter dem Lichtschalter, aber die Tür ließ sich nicht öffnen.
>Wir sind gefangen<, stellte Chen richtig fest. Kaum hatte sie die Worte ausgesprochen, als auf der anderen Seite das Schott auffuhr und zu unserem Entsetzen fast fünfzig bunte Nazi-Tamagochies mit Samuraischwertern mit Major Ito an der Spitze hereinstürmten. Dabei schrieen sie peinlicherweise BANZAI. Sie nahmen eine recht theatralische Positionierung ein und warteten auf ein Zeichen von Major Ito, um uns in Scheibchen zu schneiden. Der Major verbeugte sich höhnisch vor uns.
>Das Spiel ist aus, verehrungswürdiger Meister Ling Liu. Ergib dich!<
>Niemals!<, rief Chen.
>Ja, bist du denn irre<, fuhr ich sie an, aber sie gebot mir mit einer Handbewegung Schweigen. Ich sah sie mit einem erneuten Fünkchen Hoffnung an. Hatte sie etwa Massenvernichtungswaffen unter ihrem kleidsamen Kimono, von denen ich nichts wusste.
>Ah, die edle und schöne Chen<, sagte Major Ito und verbeugte sich erneut. >Nichts anderes habe ich von dir erwartet, als dass du sehenden Auges dem Tod entgegen trittst. Oder auch nicht, hahaha.<
>Das ist aber gar nicht nett, ein paar billige Lacher auf Kosten körperlicher Beeinträchtigungen zu machen<, sagte Chen scharf.
>Verzeiht, edle Chen. Bevor wir nun daran gehen, deine körperlichen Beeinträchtigungen noch zu verstärken, habe ich noch eine Frage. Ich war immer ein Bewunderer deines schwarzen Kung-Fu. Aber ich habe nie herausgefunden, warum es SCHWARZES heißt.<
>Das kann ich dir zeigen<, sagte Chen und drückte den Lichtschalter.
In der Dunkelheit erklangen überraschte Schreie, die bald in Kampf- und Schmerzschreie übergingen. Ich hörte zischende Geräusche, als fliegende Fäuste und Tritte durch die Luft schossen, knirschende Knochen und jede Menge Wehgeschrei. Meine Rolle beschränkte sich darauf, gelegentlich denn Lichtschalter zu betätigen, wenn auf der anderen Seite einer verzweifelt versuchte, das Licht wieder einzuschalten. Das gab mitunter einen munteren Wettstreit mit strobelightartigen Effekten, die es einem Zuschauer erlaubten, Chen´s atemberaubende Kampftechnik aufblitzen zu sehen. Dann war es aus. Die Kung-Fu Schreie verstummten, nur schmerzerfülltes Wimmer war zu vernehmen. Ich schaltete das Licht an.
Chen stand anmutig in ihrem gelben Gewand und Angriffspose inmitten des Raumes. Der Boden war ein sich windendes und jammerndes buntes Allerlei von Nazi-Tamogochies. Viele weinten Krokodilstränen und sahen so mitleidserregend aus, dass es mir beinahe das Herz brach. Viele hatten böse Beulen und andere Wehwehchen. Manche sogar komplizierte Knochenbrüche. Aber tot war keiner. Chen war im Inneren ein guter Mensch. Und wahrscheinlich lief dieser Trickfilmspaß nachmittags im Kinderfernsehen. Oder auch nicht, denn Chen beugte sich hinab, packte Major Ito am Uniformkragen und drohte ihm das letzte Bisschen Verstand herauszuprügeln, wenn er nicht mit ein paar Informationen rüber kam. Er packte aus. Mehr als wir wissen wollten. Er redete noch immer als wir aus dem Raum rannten.
Ein gewaltiges Zittern ging durch den Bunker, begleitet von ohrenbetäubenden Dröhnen. Wir rannten weiter. Der Kampfkreuzer hatte die Maschinen angelassen.

Major Ito hatte uns verraten, was wir wissen mussten. Um in die Vergangenheit zurückzukehren, musste sich das Schiff an den exakten Ort begeben, an dem es damals verschwunden war. Diese Position befand sich nur acht Seemeilen von der Insel entfernt. Quasi ein Katzensprung für einen Kampfkreuzer. Am Ziel angekommen würde ein temporaler Generator das Schiff in ein Kraftfeld hüllen und durch die Zeit zurückschicken. Da der Generator ein sehr instabiles Gebilde auf den Vordeck des Kreuzer war, sollte er nicht schwer zu zerstören sein. Dazu jedoch musste man erst einmal auf dem Schiff sein. Das gestaltete sich allerdings schwierig.
Ich hielt Chens Hand. Gemeinsam rannten wir durch die Bunkergänger zum Anlieger. Als wir dort ankamen, sahen wir gerade noch, wie der riesige Kampfkreuzer sein Heck aus dem Bunker schob und auslief. Der Kreuzer war bereits zu weit weg, um ihn durch einen waghalsigen Sprung zu erreichen. Und so einfach hinterher fliegen konnte ich auch nicht. Ich war nicht gerade ein begnadeter Flieger. Und von Braunstedt war zwar nur mit minimaler Besatzung ausgelaufen, aber ein paar seiner farbenfrohen Untergebenen tummelten sich an einem Luftabwehrgeschütz. Damit würden sie mich leicht vom Himmel holen, ehe ich überhaupt Höhe und Geschwindigkeit gewonnen hatte. Im Bunker trieben auch die aufgeschlitzten Überreste des Zeppelins. Blurpsy hatte sicher gestellt, dass wir ihm nicht folgen konnten.
>Oh, nein<, hörte ich Melody hinter mir sagen. Sie war mit FBK hinter uns getreten. So wie die beiden aussahen, hatten sie auch ein paar Kämpfe hinter sich.
Ich sah mic am Anlieger um. Waffenkisten war hier gestapelt. Ich sah Gewehre, Handgranaten, sogar Bodenluftraketen. Alles was das Herz begehrte, aber nichts womit man einen japanischen Kampfkreuzer versenken konnte.
>Jetzt ist alles aus<, stöhnte FBK. Ich überlegte und schüttelte den Kopf.
>Nein ist es nicht<, sagte ich. >Wenn Carl Coyote das kann, kann ich das schon lange!< Schließlich war das hier noch immer ein Zeichentrickfilm.

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