TV-Leap: Die Power Shaolin vs. Meister Ling Liu
von Carsten Maday

Kapitel
 

Der Wind pfiff pfeifend durch meine Fangzähne und schob meine Gesichtshaut nach hinten wie ein zu gut gemeinte Lifting. Ich stieß einen lang anhaltenden Schrei aus, als ich mit der fauchenden Boden-Luftrakete auf dem Rücken durch die Wolkendecke nach oben schoss.
Wählerisch konnte ich bei meiner Verzweiflungstat nicht sein, da die Zeit drängte und der Kampfkreuzer sich schnell seinem Ziel näherte. Ich hatte mir eine Rakete in bester Toon-Manier auf den Rücken schnallen lassen, um den Kreuzer noch einholen zu können. Anfangs hatte mir die Hitze der Rakete Sorgen bereite, aber es stellte sich heraus, dass man als Dämon und Zeichentrickfigur einiges aushielt. Nun kämpfte ich gegen die Kälte in der Höhe, die selbst die strahlende Sonne über der Wolkendecke nicht vertreiben konnte.
Die Rakete brannte aus und die Schwerkraft gewann die Oberhand. Ich befreite mich aus dem Tragegeschirr der Rakete und fiel. Immer schneller. Ich breitete meine halb erfrorenen Schwingen aus und brach im Sturzflug durch die Wolkendecke nach unten. Unter mir das blaue Meer, das rasend schnell näher kam. Ich sah winzige Flecken, die sich rasch vergrößerten und zu kleinen Inseln wuchsen. Schließlich entdeckte ich das Gesuchte. Die lange Fahrwasserspur und die Rauchsäule des Kampfkreuzers. Ich hielt auf ihn zu. Der Wind zerrte an meinen Schwingen Näher und näher kam ich, bis ich mit meinen scharfen Dämonenaugen erste, bunte Figuren auf dem Schiff ausmachen konnte, die wild zum Heck liefen.
Während ich rasend schnell auf das Schiff zu steuerte, ging ich in Gedanken meinen Plan durch, der sich wie folgt zusammenfassen ließ: sich unbemerkt dem Schiff nähern, landen eine kleine Sprengladung am temporalen Generator anbringen, verduften, ehe das Schiff samt Blurpsy in die Luft flog. Ein einfacher Plan, der allerdings bereits beim ersten Punkt ins Wanken geriet. Ich hatte mich bis auf hundert Meter dem Schiff genähert, als ich erkannte, wohin die kleinen Knirpse am Heck liefen.
>Zum Zwillings-MG!<, schrie ich erschrocken und drehte abrupt ab. Das rette mich vor der ersten Salve Leuchtspur, die wild um mich herum jagte. Ich wurde getroffen. Meine linke Lederschwinge erhielt ein schmerzloses Loch. Und es hatte meine Rauchgranate erwischt, die ich in einem Beutel mit anderen Waffen vor der Brust geschnallt trug. Ich trudelte spiralförmig nach unten und versuchte den Kugeln auszuweichen. Im Fall kramte ich panisch im Waffenbeutel, bis ich das Gesuchte fand. Zum Glück war das Gurkenglas noch heil. Nicht auszudenken, wenn es getroffen worden wäre. Der Wind zerrte an dem Einschussloch im Flügel und erzeugte ein widerliches Heulen. Den Rauch aus der Granate zog ich in einer langen Fahne hinter mir her. Erstaunt sah ich die MG-Mannschaft jubeln. Die farbenfrohen Trottel schienen aus welchen Gründen auch immer zu glauben, dass ich einen Motorschaden hatten. Als ihnen klar wurde, dass ich weder Propeller- noch Düsenantrieb hatte, war es schon zu spät. Ich fing mit ächzenden Knochen meinen Sturzflug ab, machte meine Maschinenpistole klar und schoss wild feuernd über das Heck. Die MG-Mannschaft sprang in Deckung. Ich schaffte es gerade noch, ihnen meine Zunge herauszustrecken und die qualmende Rauchgranate zu ihnen zu werfen, als ich auch schon die Rückseite der Kommandobrücke auf mich zu rasen sah. Ich riss meinen Körper herum, schoss im Steilflug an den Aufbauten vorbei und entging einem Crash nur um haaresbreite. Dann schoss ich über die Brücke, sah den Bug und den temporalen Generator vor mir auftauchen. Ich sah Blurpsy, der mit dem Zepter auf den Generator zu rannte. Wenn ich ihm das Zepter entreißen könnte- Ich stürzt mich herab. Blurpsy hörte mich heranrauschen und drehte sich im letzten Augenblick herum. Ich fing meinen Sturzflug ab, packte glücklich das Zepter und zog nach oben. Es fühlte sich an, als ob man mir den Arm herausriss, als ich langsam an Höhe gewann. Ich hielt das Zepter in der Hand. Leider hing Blurpsy noch immer dran. Und je höher wir stiegen, desto weniger schien er gewillt zu sein, loszulassen. Ich versuchte den SS-Oberst loszuschütteln, aber das kleine Kerlchen war erstaunlich stark. Seine knuffige Hand hielt das Zepter wie eine Schraubzwinge fest. Seine andere Hand krallte sich in meinen Waffenbeutel, nur für den Fall, dass ich mich entschloss, das Zepter einfach loszulassen. Meine Kräfte ließen unter dem doppeltem Gewicht nach und die Schwerkraft zog uns nach unten. Wir stürzten ab. Das Schiff kam rasend näher. Der Bug mit dem Generator war in ein blaues Leuchten gehüllt. Das Schiff war auf den Weg zurück in die Vergangenheit.
>Es ist vorbei, Ling Liu<, schrie von Braunstedt. >Das Schiff kehrt zurück. Ich bin unwichtig. Aber die Information über den Krieg und neue Technologien werden unserer Sache in der Vergangenheit zum Sieg verhelfen.< Ich ließ los. Von Braunstedt sackte nach unten, als ich das Zepter freigab. Der Stoff des Beutels gab ratschend nach, hielt aber das Gewicht des Oberst. Für einen Augenblick starrte ich Blurpsy in die Augen. Eine wahnwitzige Frage schoss mir durch den Kopf. Das Orakel hatte gesagt, dass ich nicht allein wäre. Was wenn Blurpsy so war wie ich? Die Frage griff lähmen nach mir. Wir rasten auf das Schiff zu, keine zwanzig Meter.
>Und wenn schon<, brüllte ich Blurpsy an. Ich riss die Flügel auf. Es machte ein Geräusch wie ein sich entfaltender Fallschirm. Abrupt bremste mein Fall. Die Trägheit ließ von Braunstedt mit voller Wucht an dem Beutel reißen. Der Stoff gab nach und zerriss. Mit Stofffetzen in den Händen stürzte Blurpsy hinab. Der Inhalt des Beutels fiel hinterher. Auch das Gurkenglas. Ich machte ein paar Flügelschläge mit meinen überanstrengten Schwingen, um etwas von dem Schiff wegzukommen, dass schon beinahe transparent und weniger Wirklich aussah. Aber es war wirklich genug, dass Blurpsy krachend neben dem Generator aufschlagen konnte. Er sah schmerzerfüllt aber lebendig aus. Dann schlug das Gurkenglas auf und zersprang in tausend Stücke.
Ich hatte den Trick aus einer Folge Trio mit vier Fäusten geklaut. Ich dankte Gott in meinem Inneren für all die Detektiv-Serien aus den Achtzigern, in denen Vietnam-Veteranen-Ermittler mit aberwitzigen Waffenarsenalen auf Verbrecherjagd gingen, und betete gleichzeitig dafür, nie in die Rolle von Robos springen zu müssen. Der Trick war ziemlich simpel. Wenn man eine Eierhandgranate aus großer Höhe auf ein Ziel werfen wollte, ohne dass der Zeitzünder sie schon vor dem Ausschlag zur Explosion brachte, zog man einfach den Sicherheitssplint und steckte das Ding in ein Gurkenglas. Das Glas hielt den Sicherheitsbügel gespannt, der wiederum den Schlagzünder in seiner Position hielt. Zerbrach nun das Glas, entspannte sich der Sicherheitsbügel und ca. drei Sekunden später-
Eins.
Blurpsy sah die Handgranate.
Zwei.
Mit einer verblüffenden Unerschrockenheit griff er danach.
Drei.
Blurpsy explodierte. Splitter und Blurpsyteile zerfetzen den fragilen temporalen Generator. Das Ding gab einen kreischenden Ton von sich und flog in die Luft. Die Explosion griff auf die Geschütztürme über. Die Geschossladungen detonierten, rissen riesige Löcher in den Schiffsrumpf. Ich sah noch, wie einige der bunten Kreaturen von Bord sprangen, als es das Magazin des Schiffes zerriss. Das Schiff wurde regelrecht aus dem Wasser geschleudert und in der Mitte zerbrochen. Die heiße Luft, die der Feuerball vor sich heran jagte, packte mich, wirbelte mich hoch hinauf, und rette mich vor den Flammen. Mit angesenkten Schwingen flog hoch über dem Schiff, dessen beide Teile im Meer versanken. Ich sah die bunten Köpfe einiger Schiffbrüchiger. Ich flog zurück zu Insel, um Hilfe zu holen.
Ich ließ mir meinen kleinen Triumph nicht nehmen. Ich schoss hinab zur Insel. Ich sah meine wenigen verbliebenen Phantomkrieger, wie sie Gefangene Nazi-Tamagochies zusammentrieben. Sieg auf ganzer Linie. Ich flog über sie hinweg und kam zu dem Bunker. An der Anliegerstelle sah ich die Power Shaolin stehen. Sie winkten mir zu. Daneben stand FBK. Sogar er riss seinen Blick für einen Moment von Schulmädchen los, um seinem Meister zu zu jubeln. Ich überflog sie und wackelte zum Gruß mit den Schwingen. Ich flog weiter über die Basis. Ich sah Chen, die einen zerknirschten Major Ito vor sich her scheuchte. Sie blickte in den Himmel und winkte mir zu. Ich grüßte zurück. Ich stieg auf, dachte noch, wie Chen mich überhaupt hatte sehen können. Dann sprang ich.

Ich erwachte.
Panik erfasste jede Faser meines Seins. Mein Verstand setzte aus. Eben war ich noch durch die grenzenlose Freiheit des Himmels geflogen, und nun sah ich trotz weitaufgerissener Augen fast nichts vor Dunkelheit. Stattdessen umschlang etwas meinen Körper, quetschte ihn mit unglaublicher Kraft zusammen, bis ich meine Wirbel und Rippen knacken hörte. Ein Riesenkraken musste mich in seinem Griff haben. Ich versuchte meine Arme zu bewegen, aber es ging nicht. Der Griff war zu fest und verstärkte sich sogar noch. Meine Lungen entfuhr die Luft, als der Druck auf Oberkörper zunahm. Meine klaustrophobische Panik verschlimmerte sich noch, als ich auf ein mal ein Wimmern hörte, das mehr und mehr anschwoll und in einem irren Heulen wie von einem tollen Rudel Wölfe gipfelte. Etwas schlang sich um meine Hüfte, drohte sie zu zermalmen. Krallen bohrten sich in meinen Rücken. Es fühlte sich an, als ob mir jemand die Haut herunterreißen wollte. Dann ging ein Beben durch meinen Körper, als das seltsame Wesen, das mich gefangen hielt, in wilden Zuckungen zu zittern begann. Ein gellender Schrei erklang. Mein Trommelfell platzte beinahe. Dann ließ der Druck schlagartig nach. Die Glieder des Wesen, die mich gerade noch zu zerquetschen suchten, fielen schlaff von mir ab. Unter mir hörte ich das zufriedene, dunkle Schnurren, wie von einer sattgewordenen Katze. Sternenlicht fiel durch ein Fenster und erhellte den Raum. Ich sah bronzefarbene Haut und einen prachtvollen Busen.
>Mechthild?<, sagte ich völlig überrascht.

To be continued next season

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