Die Verfluchten - Eine Strafe des Himmels
von Christine Eisner

Kapitel
 

Die Verfluchten–Eine Strafe des Himmels

Mit langsamen Schritten ging eine Person, die in einen dunklen Mantel gehüllt war, die nächtlichen Straßen entlang und vermied jeden Kontakt zu anderen Menschen. Den Kopf zum Boden gerichtet bahnte sie sich ihren Weg durch die Menschenmenge, die ihr entgegenkam. Ohne auch nur einmal aufgesehen zu haben erreichte sie ihr Ziel und befand sich auf dem Marktplatz von Tiyam, einem kleinen Dorf am Rande einer Gebirgskette namens Viriane. „Komm, ich warte.“, sagte die Person und sah zum Vollmond auf, der die Nacht mit seinem Licht erhellte. Die Turmglocke schlug Mitternacht und plötzlich wurde alles still. Verwirrt darüber sahen sich die Menschen um und entdeckten die Ursache. Ein Mann stand auf der Spitze des Turmes und fixierte die Person in der Mitte des Platzes, die triumphierend hinaufsah. Neugierig sammelte sich eine Menschenmenge auf dem Platz und wartete gespannt darauf, was als nächstes passieren würde. Gierig sah der Mann die Person in der Mitte an, als würde er sie mit den Augen verspeisen. Er leckte sich über die Zähne und sprang schließlich den Turm hinunter zum Platz, woraufhin die Menschen anfingen entsetzt zu schreien. „Verschwindet von hier! Schnell!“, rief die Person in der Mitte und zog unter dem Umhang ein Schwert hervor. Die Menschen verstanden nicht, doch nachdem der Mann unten angekommen war und sich eine Frau griff, der er in die Kehle biss, schrieen sie und liefen aufgebracht durcheinander. Hilfeschreie ertönten nachdem das abscheuliche Etwas von einem Mann sich von der blutüberströmten Leiche abwendete und nach einem neuen Opfer Ausschau hielt. Seine Wahl fiel auf ein kleines Mädchen, das sich in der Menschenmenge verloren hatte. Mit gefletschten Zähnen lief er auf es zu – doch erreichte es nicht. Die Person, die das Schwert gezogen hatte, stellte sich ihm in den Weg. „Lauf Mädchen! Beeil dich!“, rief die Person ihr zu. Das Mädchen gehorchte und verschwand. Verärgert sah der Mann die mutige Person an. „Worauf wartest du? Komm schon, greif an.“, forderte diese ihn auf. Ohne zu zögern nahm er die Herausforderung an und ein Kampf auf Leben und Tod folgte. Obwohl die dunkelgekleidete Person ein Schwert besaß, konnte der herausgehende Sieger nicht festgelegt werden. Der Platzt leerte sich schnell und bald darauf waren sie die Letzten, die zurückblieben. Flink und anmutig wichen sie ihren gegenseitigen Attacken aus, doch plötzlich fuhr die Klinge des Schwertes über die Handflächen des Mannes, als er versuchte das Schwert an sich zu eignen. Das Schwert wurde der Person aus der Hand gerissen und demnach fiel sie in die Defensive. Gekonnt wich sie den Schlägen des Mannes aus und zeigte nach minutenlangem Ringen keinerlei Erschöpfung. Der Atem des Mannes fing jedoch an zu rasseln und die Schwungkraft ließ allmählich nach. „Jetzt hab’ ich dich.“ Mit letzter Kraft holte der Mann ein weiteres Mal zum Schlag aus, doch die Person wehrte das Schwert mit ihren gezogenen Sai (=dreizackiger Dolch;Waffe der Samurai) ab und schleuderte es in weite Ferne. Verwirrt und verteidigungsunfähig wurde der Mann zurückgedrängt, bis er gegen die Wand des Glockenturmes prallte. Um der Person zu entfliehen, die weiterhin auf ihn zuging, wich er zur Seite aus, doch die Person nagelte ihn mit ihren Sai an die Wand. Den Sai folgten zahlreiche Wurfsterne, die ihn bewegungsunfähig machten. Siegessicher schritt die Person auf ihn zu und machte kurz vor ihm Halt. Sie streckte den Arm aus und legte die Handfläche auf seine Stirn. „Nicht bewegen, dann passiert dir auch nichts.“, warnte sie und schloss die Augen. „Möge der böse Geist diesen Körper verlassen und das Leid verschwinden. Ich, die Gepeinigte von Shin (=chinesisch:Gott), stelle meinen Körper zur Verfügung, auf das unsere Sünden vergeben werden. Appare (=lateinisch:erscheine) !“ Schlagartig öffnete sie wieder die Augen und presste ihre Stirn an seine. Eine Aura umschlang die Beiden woraufhin sich die Person von dem Mann löste und sich vor ihn hinkniete. „Vergib mir meine Sünden.“, sprach sie. Den Mann überfielen Schmerzen, sodass er aufschrie und ein weiteres Mal eine Gruppe von Neugierigen anzog. Ein schwarzer Nebelschleier verließ den Körper des Mannes und umkreiste die Person auf dem Boden. Diese hob ihr Gesicht und lies den schwarzen Dunst gewähren, als er sich mit ihr zu Vereinigen suchte, sodass der Nebel durch ihre Stirn in sie eindringen konnte und sie vor Schmerz die Augen zusammenpresste und aufschrie. Doch schon im nächsten Moment verschallte der Schrei und sie fiel zu Boden. Der Mann, der noch immer an die Wand genagelt war und das Bewusstsein verloren hatte, als der Dunst seinen Körper verließ, öffnete langsam die Augen und sah sich orientierungslos um. Als er die Person vor sich bewegungslos liegen sah, blickte er zu der kleinen Menschengruppe, doch diese wich erschrocken zurück. „Einen Heiler! Schnell!“, rief er, doch Niemand rührte sich. „Nun holt doch um des Teufels Willen einen Heiler!“ Keine Reaktion. Als der Mann schließlich an sich herabsah und das Blut auf seiner Kleidung erblickte, verstand er. Tränen liefen ihm die Wangen hinunter. War er zu so etwas fähig? Konnte er einen Menschen umbringen, ohne selbst davon Notiz zu nehmen? Nachdem sich seine Tränen mit dem Blut auf seinem Gesicht vermischt hatten und zu Boden tropften, versuchte er sich von der Wand zu lösen, doch die Wurfsterne und auch die Sai hielten ihn weiterhin zurück. Schließlich riss seine Kleidung und er war frei. Sofort kniete er sich zur Person hinunter und drehte sie vorsichtig auf den Rücken. Er stützte ihren Kopf, woraufhin die Kapuze des dunklen Mantels zurückfiel und das Gesicht eines jungen und hübschen Mädchens freigab. Er tastete nach ihrem Puls, allerdings fand er keinen. Er legte ihren Kopf auf den steinernen Boden des Marktplatzes und vergrub anschließend sein Gesicht. Sie war tot. Er hatte ein junges, wehrloses Mädchen umgebracht. Er wiegte sich in seiner Schuld, bis sich das Mädchen endlich wieder rührte und ihre Augen öffnete. Fassungslos wischte der Mann sich die Augen und lehnte sich über sie. Als diese wieder klar sehen konnte und dem Mann ins Gesicht blickte, erschrak sie und schlug ein Rad rückwärts, um Abstand zu gewinnen. Sie zog ein weiteres Schwert aus der Scheide, die um ihren Rücken hing und stellte sich in Kampfposition. „Wer seid Ihr?“, fragte sie anschließend, um sich zu vergewissern, ob der Mann sein wahres Bewusstsein wiedererlangt hatte. Der Mann stand auf und blickte sie verwundert an. Wie konnte das sein? Sie war doch tot. Verwirrt stand er ihr gegenüber und musterte sie. „Wer seid Ihr?!“, fragte das Mädchen erneut, allerdings mit etwas mehr Nachdruck. „Ryan.“, antwortete dieser endlich. Erleichtert steckte das Mädchen das Schwert wieder zurück und setzte die Kapuze auf, während sie auf die Wand der Turmglocke zuging. Langsam zog sie die Wurfsterne und ihre Sai aus dem Gestein und steckte sie unter ihrem Umhang wieder weg. Ohne die neugierigen Gesichter zu beachten, machte sie sich wieder auf den Weg und schritt über den Marktplatz zurück. „Halt!“, rief Ryan ihr hinterher, doch sie beachtete ihn nicht. „Warte! Bitte warte!“ Das Mädchen blieb stehen und wandte sich zu ihm um, der inzwischen auf sie zulief. „Wer bist du?“, fragte er, während er nach Atem rang. „Niemand von Bedeutung.“, antwortete sie knapp und wandte sich ihrem Weg wieder zu. „Du bist kein normaler Mensch, nicht wahr?“ „Wie kommt Ihr darauf?“, erwiderte sie geduldig. „Nun ja, ich habe nach deinem Puls getastet, als du am Boden lagst. Du hattest keinen, demnach bist du eigentlich tot. Wie kommt es, dass du trotzdem, beziehungsweise wieder lebst?“ Das Mädchen sah ihm in seine blauen Augen. „Ihr habt vor lauter Aufregung wahrscheinlich nur meinen Puls verfehlt.“, meinte sie und schritt auf das Schwert zu, das sie mit ihren Sai weggeschleudert hatte. „Aber wo kommt dann all das Blut her?“ Angewidert sah Ryan an sich herab. Das Mädchen deutete auf die tote Frau in ihrer Nähe. „Von ihr.“ Ihrem Finger folgend blickte er zur Frau, die in ihrer eigenen Blutlache lag. Er schlug die Hände vor das Gesicht. „Was hab’ ich getan? Was ist hier passiert?“ „Macht Euch keine Vorwürfe, Ihr könnt nichts dafür.“, sagte sie im beruhigendem Ton und warf ihr feuerrotes Haar zurück, das sanft auf ihre Schultern fiel. „Ihr wart nicht Ihr selbst“ Sie griff nach dem Schwert, das zu ihren Füßen lag und schlug erneut ihren Weg ein. „Was soll das heißen? Antworte! Was ist hier geschehen?“ Doch das Mädchen beachtete ihn nicht weiter. Wütend durch ihre Ignoranz lief er auf sie zu und griff nach ihrem Arm, um sie zu sich umzudrehen und sie zur Rede zu stellen, doch seine Hand fasste durch sie hindurch. Ein Stromschlag durchfuhr seinen Körper, woraufhin er sie entsetzt ansah. „Bitte verzeiht.“, schluchzte sie plötzlich nach einer Pause. Sie heftete ihre feuchten roten Augen auf ihn und verbeugte sich als Entschuldigung. Tränen kullerten ihre Wangen hinunter. „Du bist verflucht!?“, stieß Ryan schließlich hervor. Schon als Kind hatte er von diesen so genannten verfluchten Menschen gehört, doch dies war das erste Mal, dass er einem gegenüberstand. Das Mädchen sah ihm ein letztes Mal in die azurblauen Augen, die das junge Gesicht entschlossen wirken ließen. Anschließend machte sie kehrt und rannte davon. Um sie herum konnte sie das Getuschel der Menschen wahrnehmen. „Warte!“, rief Ryan ihr hinterher, aber sie steigerte ihr Tempo. Ihm wurde bewusst, dass er sie durch seinen Ausruf verletzt hatte, also lief er ihr hinterher, doch schon im nächsten Moment stellte sich ihm jemand in den Weg. Ryan blickte diesem Jemand ins Gesicht und erkannte darin seinen jüngeren Bruder Divine. „Divine, aus dem Weg!“ „Nein! Sie ist eine der Verfluchten.“, entgegnete dieser. „Und wenn schon!“ Ryan stieß seinen Bruder zur Seite und rannte ihr erneut hinterher. „Menschen wie sie bringen Unheil! Das müsstest du eigentlich wissen!“, rief Divine ihm hinterher, aber Ryan bog bereits um die Ecke, so dass er ihn nicht mehr hören konnte.

Verflucht! Warum sehen alle in mir nur die Verfluchte? Mit schnellen Schritten lief das Mädchen den Feldweg außerhalb des Dorfes entlang und verachtete ihre eigene Existenz. Verflucht…die wissen doch gar nicht wovon sie reden. Sie wissen nicht, wie es ist ein Leben in völliger Einsamkeit zu führen. Sie haben noch nie das wahre Leid am eigenen Leib gespürt. Außerdem, ohne uns Verfluchte hätten sie keine Hoffnung auf die Vergebung unserer Sünden. Sie verlangsamte ihr Tempo und blieb schließlich stehen. Sie starrte zu Boden und fing zu weinen an. Wie lange noch? Wann werde ich endlich von meiner Pein erlöst sein? „Wann!?“ Verzweifelt stieß sie einen Schrei aus und hämmerte ihre Fäuste auf den vom Regen aufgeweichten Boden. Erschöpft sank sie auf die Knie und schluchzte. Der Wind streifte ihr durch das Haar, aber sie spürte ihn nicht. Viel zu lang wurde ihr das Gefühl dafür vorenthalten. Sie schmeckte nicht die frische Brise, spürte nicht den Windstoß und auch nicht die Kälte, die von ihm ausging. Sie war verflucht.
Plötzlich raschelte es hinter ihr, sodass sie ihre Sai zog und sich nach dem Geräusch umdrehte. Angsterfüllt und mit Tränen in den Augen blickte sie in Ryans Gesicht. Sein Atem rasselte, woraufhin sie schließen konnte, dass er ihr hinterher gerannt war. „Entschuldige. Ich wollte dich nicht erschrecken.“, begann er. „Warum seid Ihr mir nachgelaufen?“ Ihre Stimme zitterte. Langsam erhob sie sich wieder, hielt die Sai allerdings weiterhin griffbereit. „Ich…also…“, begann er und verbeugte sich leicht. „Es tut mir aufrichtig Leid.“ Leid? Was sollte ihm denn Leid tun? Sie senkte ihre Sai und blickte ihn ratlos an. „Ich habe dich mit meinem Ausruf verletzt. Bitte verzeih mir.“ Das Mädchen steckte ihre Sai weg und wandte sich von ihm ab. „Aber Ihr habt Recht. Ich bin verflucht.“ „Sind wir das nicht alle?“ Das Mädchen runzelte die Stirn. „Ich meine, die Strafe wurde doch uns allen auferlegt. Ich verstehe nicht, warum alle die Schuld dir geben. Das ist nicht fair.“ Gerührt sah sie ihm in die Augen, fasste sich jedoch wieder. „Was wisst Ihr schon?“ „Nichts, ich weiß.“, gab er zurück. „Ich weiß nur sehr wenig über Menschen wie dich. Ich weiß noch nicht einmal, was vorhin passiert ist.“ „Das würdet Ihr sowieso nicht verstehen.“, entgegnete das Mädchen kalt. „Ich möchte es aber verstehen. Bitte erklär es mir.“ „Für so etwas habe ich keine Zeit. Am Besten Ihr haltet Euch an die Worte Eures Bruders und haltet Abstand zu uns Verfluchten.“ „Dann bin ich aber nicht besser als sie.“ Verwundert über seine Entschlossenheit mehr über die Verfluchten zu erfahren, resignierte sie und erklärte ihm was geschehen war. „Ihr wart besessen, daher habt Ihr die Kontrolle über Euch selbst verloren und wurdet zur Bestie. In diesem Zustand wird man durstig – durstig nach Blut. Das ist der Grund weshalb Ihr der Frau in die Kehle gebissen habt. Allerdings währt dieser Durst nur frischem Blut, daher habt Ihr Euch ein zweites Opfer ausgesucht.“ „Dich?“ Das Mädchen schüttelte den Kopf. „Ein kleines Mädchen, etwa neun Jahre alt.“ Ryan schlug die Hände vor das Gesicht. „Ihr ist nichts passiert.“, fügte sie hinzu, als sie seine Verzweiflung bemerkte. „Ich habe mich Euch in den Weg gestellt.“ Ryan blickte dem immer noch unbekannten Mädchen in die feuerroten Augen. „Warum?“ „Weil es meine Bestimmung ist.“, antwortete sie. „Ich bin eine Gepeinigte von Shin. Meine Aufgabe ist es, die Sünden Eurer Vorfahren wieder rein zu waschen.“ Ryan dachte über ihre Worte nach, doch sie ergaben für ihn keinen Sinn. „Ich verstehe nicht.“, gestand er schließlich. Das Mädchen lächelte müde. „Das braucht Ihr auch nicht, niemand tut es.“ „Aber ich…“ „Ich habe Euch erklärt, was passiert ist. Damit habe ich Euch zu verstehen gegeben, was mit Euch geschehen ist. Alles andere ist für Euch nicht von Belang!“, fiel sie ihm ins Wort und wandte sich ihrem Weg Richtung Südwesten wieder zu. „Ihr solltet zurückgehen, sonst werdet Ihr als Gotteslästerer eingeordnet.“ „Ich glaube nicht an Shin. Jedenfalls nicht an den Gott Shin.“ „An wen glaubt Ihr denn?“, fragte sie neugierig. „Wie wäre es, wenn du mir erst einmal deinen Namen verrätst? Dann sage ich dir auch, an wen oder was ich glaube.“ Das Mädchen erwiderte nichts. Stattdessen antwortete ihr Entfernen. „Warte! Okay, okay überredet. Shin ist für mich nichts anderes als der Teufel.“ „So? Wie kommt Ihr darauf?“ „Shin hat sich als liebender und schützender Gott Macht verliehen. Diese Macht erhält er durch die zahlreichen Gebete der Menschen. Eines Tages besaß er soviel Macht, dass es für ihn nicht mehr nötig war sich für Gott auszugeben. Er entpuppte sich als Teufel und verfluchte die gesamte Menschheit für ihre Dummheit. Shin ist und war schon immer der Teufel. Oder würde ein liebender Gott den Menschen eine solche Strafe auferlegen?“ „Und wer ist dann Euer Gott?“ „Es gibt keinen.“, sagte Ryan. Das Mädchen verfiel in Gelächter. „Wisst Ihr, dass Ihr für diese Theorie gehängt werden könnt?“ Ryan nickte. „Ja ich weiß, aber ich halte daran fest, auch wenn es mich mein Leben kosten könnte.“ „Mit einem habt Ihr Unrecht. Es kann kein Teufel existieren, wenn es keinen Gott gibt.“ Ryan hörte ihr aufmerksam zu. „Und warum nicht?“ „Weil das Prinzip des Gleichgewichts auf Sira herrscht. Nichts kann ohne ein Gegenstück, ein Gegenteil, wenn Ihr so wollt, existieren. Ein Mensch kann nur geboren werden, wenn sich zwei Gegensätze vereinigen – Mann und Frau. Licht kann nur Erleuchtung bringen, wenn die Finsternis existiert. Enttäuschung kann einen liebenden Menschen zum Hass bewegen. Unglück kann das Glück beeinflussen und das Leben kann durch den Tod abgebrochen werden. Demnach kann Eure Theorie nicht wahr sein. Gebt sie auf, ansonsten sterbt Ihr als Ketzer.“ „Eher sterbe ich als Gotteslästerer, als dass ich mich einem Teufel bekenne.“ Seine Stimme klang entschlossen. Nichts würde ihn umstimmen, dessen war sich das Mädchen bewusst. „Weiß Eure Familie davon?“ Ryan schüttelte den Kopf. „Mein Bruder würde es nicht verstehen. Sein Glaube an Shin ist stark. Wenn er davon wüsste, würde er mich sicher als Ketzer beschuldigen und mich sogar ausliefern. Wenn es um die Religion geht, ist ihm auch Geschwisterliebe gleich. Er will nur endlich erlöst werden.“ „Erlöst werden? Wovon sollte er denn erlöst werden?“ Das Mädchen wurde zornig. „Wir sind es, die erlöst werden möchten. Im Vergleich zu unserem Leben ist Eures ein Geschenk Gottes. Ihr wurdet nicht verflucht, Ihr müsst nicht die Sünden Eurer Vorväter begleichen. Ihr wisst nicht was ein hartes Leben ist. Es stimmt, dass die Strafe Shins uns allen auferlegt wurde, aber wir sind es, die dafür büßen müssen. Ihr führt ein sorgenfreies Leben, aber klagt darüber, dass Ihr erlöst sein möchtet. Wenn Euch Euer Leben nichts bedeutet, dann vergeudet es, doch ich sage Euch, es hätte Euch schlimmer treffen können. So wie mich.“ Ihre Worte wurden immer leiser, bis sie schließlich in ihren Tränen untergingen. Hilflos sah Ryan sie an. Er hatte sie wieder verletzt und fand nun keine Worte, um sie zu trösten. „Entschuldige. Ich wollte dich nicht ein weiteres Mal verletzen. Ich weiß nicht viel über Menschen wie dich, das sagte ich bereits. Daher weiß ich nicht, was dich verletzt und was nicht. Bitte erzähl mir mehr über dich.“, bat er schließlich, woraufhin das Mädchen verwirrt den Kopf schüttelte. „Wieso sollte ich?“ „Weil ich nicht so bin, wie alle anderen. Ich interessiere mich für eure Geschichte. Schon als kleines Kind wuchs meine Neugier, als man mir zum ersten Mal über die Verfluchten berichtete. Doch ich durfte weder über euch reden, noch Fragen stellen. So blieb eure Existenz ein Mythos. Keiner wusste die Wahrheit über euch. Man setzte die Phantasie ein und spekulierte. Somit wurde nur Schlechtes über euch berichtet, aber alle glaubten es. Alle bis auf mich. Ich hörte alle schlecht über euch reden, obwohl sie selbst nichts über euch wussten. Sie glaubten den Geschichten ihrer Eltern und Großvätern. Ich hatte immer weggehört. Ich wollte die Wahrheit eigenhändig herausfinden. Das ist der Grund, weshalb ich der Einzige bin, der so wenig über euch weiß und sich nicht scheut sogar mit dir zu sprechen.“ Das Mädchen schmunzelte. „Interessante Geschichte.“, sagte sie und wandte sich von ihm ab. „Aber ich kann Euch nicht mehr erzählen. Ich muss weiter.“ Ryan trat zu ihr. „Dann begleite ich dich eben.“ „Das kann ich nicht zulassen. Was wird aus Eurem Bruder?“ „Mach dir mal da keine Sorgen. Er verachtet mich wahrscheinlich schon dafür, dass ich dir überhaupt hinterher gerannt bin. Wenn er herausfindet, wie ich über Shin denke, ist mein Leben in Gefahr. Deshalb kehre ich lieber nicht zurück.“ „Wie Ihr meint, aber mit mir als Begleitung, wird Euer Leben nicht minder in Gefahr gebracht.“ Ryan nickte. Das Mädchen schlug ihren Weg ein und Ryan folgte ihr stillschweigend. Keiner von Beiden sagte ein weiteres Wort, somit schwiegen sie sich an. „Ilyiarah.“, unterbrach das Mädchen schließlich die Stille. „Wie bitte?“ Das Mädchen lächelte. „Mein Name.“ Sie blieb stehen und sah ihm ins Gesicht. „Ich heiße Ilyiarah.“ Perplex schaute Ryan zurück. „Äh… gibt es davon auch eine Abkürzung?“, fragte er verlegen, woraufhin das Mädchen in lautes Lachen ausbrach. „Lyia.“, gab sie zurück, nachdem sie sich wieder etwas gefasst hatte. „Du kannst mich Lyia nennen.“ Ein fremdes Gefühl beschlich sie, doch sie wusste nicht warum. Nur der Gedanke an eine aufregende Reise wurde ihr deutlich bewusst.

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