Lemming
von Carsten Maday

 

Kapitel

Och, wie unschuldig süß sie waren! Der Tod hatte Nachwuchs. Drei kleine, beflaumte Eulen, noch in mitten der Eierschalen, denen sie entsprungen waren. Sie blickten mich schmutziges Knäuel an, doch nicht mit Furcht, sondern mit freudiger Überraschung, dass ihr Grundnahrungsmittel nun frei Haus kam. Hunger hatten sie, die lieben Kleinen. Ich sprang zu ihnen hinab ins Nest und schon biss das erste mich in den Fuß.
>Nana<, sagte ich, >seid ihr den ganz alleine? Ist Mutter nicht da? Nein? Oh, wie verantwortungslos.< Ich lächelte so liebevoll ich konnte, tätschelte dem einen Jungen den Flaum auf den Wangen, drehte ihm den Hals um. Erstaunlicher Weise wurde es still, fast anklagend ruhig. Als der leblose Körper schlaff aus meinen Händen glitt, sah ich die Empörung in den Augen der Jungen, die Fassungslosigkeit der Starken, wenn sie selbst Opfer ihrer eigenen Gesetze wurden. Nun war ich der Täter und ich genoss es. Ich stürzte mich auf das zweite Junge, biss ihm die Kehle durch, packte das letzte am Fuß, als es feige zu fliehen versuchte, prügelte es mit meinen Grabhänden, bis es still, blutig und nach ein paar weiteren Schlägen mit Sicherheit tot war. Ob ich mich schlecht fühlte? Nein, naja, jedenfalls nicht mehr, nachdem ich mich übergeben hatte. Da stand ich, in Blut, Kotze und Eierschallen und fühlte mich groß, gut, unbesiegbar, war der Retter der Lemmingheit, denn ich hatte die Lösung gefunden, um mit den Eulen aufzuräumen. Gut, es war Mord, he, aber wenn wir nur erfolgreich genug sind, ist es kein Mord mehr, dann ist es unsere Natur. Wau!

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