Lemming
von Carsten Maday

 

Kapitel

Lemming lief auf und ab, blickte mal in den Himmel, mal in die Tiefe.
>Ob ich nervös bin? Ja, klar. Wenn man sich erst einmal zu etwas entschlossen hat, dann ist die Zeit zwischen Entschluss und Tat, die längste, die ich mir vorstellen kann. Aber letztlich wird auch sie vergehen. Anders sieht es aus, wenn man einen ganzen Winter allein in einem klammen Erdloch verbringt und die Kälte draußen genauso unerträglich ist, wie die Langeweile drinnen. Das ist die Hölle, und das einzige, was man tun kann, ist sie mit den eigenen Gedanken zu verschlimmern. Was bin ich, fragte ich mich eines Tages, und da es besonders kalt war, suchte ich nach einer Antwort. Kein Lemming jedenfalls, das war soweit klar. Was dann? Andersherum? Warum bin ich kein Lemming? Wieso bin ich, wie ich bin? Ich mummelte mich ein, versuchte mich selbst zu wärmen und Entwickelte das Konzept eines höheren Wesens, das ich, warum weiß ich auch nicht, Gott nannte, stolperte aber über mein Leben. Ich war anders, aber Lemminge haben nicht anders zu sein, verdammt! Hatte mich jemand so geschaffen? Wer und Warum? Gott, der große Lemming tief unter dem Gebirge? Warum sollte ein Gott-Lemming ein mobiles Nahrungsmittel erschaffen? Weil er einen recht subtilen Sinn für Humor hat? Na, Optimist, der ich bin, schlug ich mir diesen Gedanken aus dem Kopf. Ist Gott eine Schnee-Eule? Einiges sprach dafür, vieles dagegen! Immerhin waren auch sie tot. Warum sollte ein Gott Leben erschaffen, wenn er seine Schöpfung untergehen ließ? Es wollte mir nicht gelingen eine Antwort auf diese Absurdität zu finden. Ich zog es vor, den Fehler in meinem Gott-Konzept zu suchen? Warum bin ich verflucht, warum bin ich allein, warum mussten alle sterben und warum ist es so verflucht kalt? Gut, es gibt also keinen Gott. Die Wahrheit ist, das Leben ist, wie es ist und Lemminge werden gefressen!
Und ich? Gott, zum fluchen eignet sich mein Konzept hervorragend, ich bin ein Fehler des Lebens, ein DashätteniegeschehendürfenLemming. Das Leben ist bitter, aber sicherlich nicht humorlos, und so wuchs und wuchs der Fehler, dachte bald, das Leben sei falsch, nicht er, kämpfte dagegen an, nur um sich um so sicherer selbst zu eliminieren. Der Fehler erschuf einen Fehler und es dauert nicht mehr lange, bis dass das Leben wieder seinen ruhigen Gang zunehmen hoffte. Aber nicht mit mir! He, unterschätzt nie einen Lemming!

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