Das Licht der Hajeps
von doska

 

Kapitel 4

Kapitel 4

Worgulmpf stolperte durch die Dunkelheit. Der Mond bot nur eine schmale Sichel und Worgulmpf besaß nichts, was ihm und seinen Getreuen hätte den Weg beleuchten können. Außerdem wäre Licht viel zu gefährlich gewesen, konnte er doch dann womöglich von den Xamboktos (Jägern) der Loteken gesehen werden, die gewiss immer noch nach ihnen suchten. Worgulmpf hatte sich mit seinen Freunden und der Familie tagsüber in einer Höhle versteckt gehalten und ihre müden Glieder waren daher ausgeruht, auch waren sie nicht hungrig.
Als Chiu-natra und seine Soldaten die Trowes nicht hatten finden können, verhörten und attackierten sie die Einwohner Hornbergs und als diese ihnen nichts sagen konnten, bombardierten sie deren Häuser mit Gondrum. Gondrum war ein gasförmiges Kampfmittel, dass für eine vorübergehende Austrocknung der Umgebung sorgte und somit auch für ein Zusammenfallen jenes Tarnschildes, welches aus Feuchtigkeit bestand und die ganze Zeit Worgulmpf und seine getreue Schar umgeben hatte. Es war ein schnell kriechendes Gas aus einzelnen Staubwolken, das sie unweigerlich enttarnt hätte und daher hatten sie nur dadurch Chiu-natras Schergen entkommen können, indem sie sich noch rechtzeitig mit Waffengewalt unter eine Gruppe Dörfler gemischt und sich mit deren Mützen und Schals getarnt hatten. Später, als der Staub sich aufgelöst hatte, waren sie mit eben diesen Dörflern zurück nach Hornberg gegangen. Erstaunlicherweise waren nur wenige Häuser zerstört und so hatte sich Worgulmpf von diesen verängstigten Menschen den Zugang zu deren Speisekammern erzwingen können, aus denen sich seine Getreuen dann eingepackt hatten, was sie nur verdauen konnten, sogar gebratenes Fleisch, an welches sie eigentlich gar nicht gewohnt waren. Anschließend hatten sie dann gemeinschaftlich die fünfzehn Dörfler, deren Kraft und Stärke kaum an die der Trowes heranreichte, erwürgt oder einfach nur totgeschlagen, damit diese sie später nicht verraten konnten und sie hatten sich derer Kleidung bemächtigt, sofern nur etwas davon ihren gewaltigen Körpermaßen entsprach.
Sie waren jetzt also neu gekleidet, satt und ausgeruht. Sie fühlten sich eigentlich nicht schlecht, wenn nicht diese Angst gewesen wäre, dass sie, auch wenn es so finster war, doch noch von Chiu-natras Leuten erwischt werden könnten. Zudem mussten sie aufpassen, wenngleich sie sehr gute Kletterer waren, dass sie nicht daneben traten und hinabstürzten, denn dieser Pass, welchen sie gerade entlang schlichen, war sehr schmal und zum Teil sogar zerstört.
Trug für diese Verwüstungen die eisige Winterkälte Schuld oder waren sie etwa frisch ? Konnten sie am Ende gar
Das Werk von Chiu-natras Männern gewesen sein?
Wie dem auch war, das ging nicht mehr herauszufinden, vor allem nicht bei dieser Dunkelheit! Gut, dass er den Plan von diesem Georgo auswendig gelernt hatte. So konnten sie sich nicht verirren. Er war kein dummer Mann, denn er hatte ihnen nicht nur geraten, möglichst nur des Nachts weiterzuziehen und kein Licht zu benutzen, sondern deshalb auch besonders markante Bergzacken, skurril geformte Wege, Bäume und Büsche wie Scherenschnitte als Orientierungspunkte zusätzlich aufgezeichnet.
Worgulmpf zuckte plötzlich zusammen. Bei den Göttern des Alls, lugte dort oben hinter dieser komischen Felszacke, welche einem riesigen Tannenzapfen glich, nicht ein Trowe hervor ? Er gab ein Zeichen hinter sich mit seiner Hand, und seine Meute blieb stehen.
Ja, jetzt sah auch Gulmur, sein ältester Sohn den Trowenmantel hervorwehen, die Kapuze erhob sich dabei immer wieder so ein bisschen und eine dicke Bommel, befestigt an dessem Zipfel fiel dabei nach vorn und plumpste dann wieder zurück.
„ Es scheint Slorbunkas Kapuze zu sein?“ fragte er seinen Vater leise, dieser nickte.
Vorsichtig gingen sie den Pfad höher hinauf. Also hatten die Freunde, wenngleich sie sich einst im Streit getrennt hatten, am Ende doch noch den selben Fluchtweg gewählt. Warum eigentlich ? Worgulmpf waren noch gut Slorbunkas letzte Worte im Gehör geblieben. ‚Ihr traut den Lumantis, aber die Lumantis sind besiegt und daher schwach !’ hatte er gesagt. ‚Wir hingegen vertrauen den Jisken!’ Worgulmpf krauste bei diesem Gedanken die dicken Augenwülste. Man hatte zwar wenig über die Jisken gehört, doch sie waren die Hoffnung der Sklaven, denn sie nahmen Flüchtlinge bereitwillig in ihre Zeltlager auf, verborgen in dichten Wäldern.
Es war ein Volk, das sowohl mit den Hajeps als auch mit den Loteken nicht viel zu tun haben wollte. Es hatte sich im Laufe der Jahre einfach ebenfalls auf der Erde angesiedelt. Weder die Loteken noch die Hajeps wagten etwas gegen sie tun, da ihre Kampfstrategie hauptsächlich darin bestand, ihre Feinde überraschend und gezielt mit unbekannten Krankheitskeimen zu infizieren, gegen die sie selbst völlig immun waren.
Worgulmpf mochte dieses hinterhältige Volk daher nicht, und er hatte sich deswegen sogar mit Slorbunka zerstritten. Doch wie war Slorbunka so schnell bis hierher gekommen ? Er und seine Männer mussten Menschen erpresst haben, die noch motorisiert waren. Doch warum hockte Slorbunka dort oben allein ? Wo waren die acht anderen ?
„Bei Ubeka, jetzt war er verschwunden und da lugte er wieder hinter einer anderen und weiter entfernten Felszacke hervor. Noch höher hinauf schlich Worgulmpf.
„He, dort sind ja auch die anderen !“ wisperte Gulmur dicht hinter ihm zutiefst erleichtert. “Sieh nur Adji-pua hat uns jetzt gesehen und winkt uns sogar zu ! Wir sollten schneller machen !“
„ Ich weiß nicht“, knurrte Worgulmpf, „irgendetwas gefällt mir daran nicht. Das Staubgas hat sich schon seit vielen Stunden verzogen, also kann ich sicherheitshalber den Blunaska in der Hand behalten, um ihn sofort einzuschalten. Oder hülle ich uns besser gleich mit diesem Tarnnebel ein ?“
„ Dann wird uns Adji–pua schwerlich weiter heranwinken können, Vater! Sieh nur, er ist wieder verschwunden und seine Freunde auch !“
„Bleibt stehen ! Ich will sehen, was sie vorhaben !“ knurrte Worgulmpf.
„Was sollten sie schon vorhaben, Vater ?“
„ Es könnte eine Falle sein !“ murrte Worgulmpf.
„ Na gut, dann werden wir eben unsichtbar nach oben klettern und nachschauen, wo sie geblieben sind!“
“Es soll auch Gondrum-Gewehre geben, Sohn !“
„ Davon habe ich auch gehört, aber...“

„ Kein aber. Das Gondrumgemisch muss nur nahe genug abgefeuert werden, um unsere Tarnglocke zu erreichen!“
„ Woher wollen sie wissen, in welche Richtung sie feuern müssen, wenn sie uns nicht sehen, Vater ?“
„ Sie haben uns bereits gesehen, bei den Göttern, und der Gondrumstaub kann kriechen, er soll sogar irgendwie, ich weiß nicht, wie das nennen soll, ....lebendig sein !“
„Sagt man, ich glaube so etwas nicht !“ tönte Gulmur keck.
„ He, wollte ihr deswegen etwa unseren Artgenossen nicht entgegenlaufen ?“ meldete sich jetzt auch Gerawunk von hinten, der beste Freund Worgulmpfs. „Seit wann sind Trowes feige ?“
„ Ja, womöglich sind sie in Not und brauchen unsere Hilfe !“ ließ sich nun auch Worgulmpfs Weib hören.
„ Also gehen wir näher heran ?“
„ Wir gehen näher !“ stimmten alle zu.
Die kleine Meute wollte sich gerade wieder in Bewegung setzen, als Slorbunkas schwarzer Schatten abermals dort oben erschien, wieder hinter einer anderen Felszacke und noch ein Stückchen weiter von ihnen entfernt.
„Eine Falle...!“ konnte Slorbunka nur noch von oben rufen, dann verwandelte sich das Ende seines Satzes in einen gurgelnden Laut und sein Kopf rollte polternd das Felsmassiv hinab. Gleichzeitig knatterten Schüsse aus nächster Nähe zu Worgulmpf hinunter und weißer Staub wallte hinab.
Doch Worgulmpf hatte längst das Sensorenfeld seines Blunaskas berührt. „Bei Ubeka, lauft, was eure Beine hergeben können, aber bleibt dabei nur ja in dieser Tarnglocke! Behaltet dabei den Pass im Auge ! “
Die kleine Schar flitzte trippelnd und eng beieinander den Pass hinunter. „Verdammt, die Steine geben nach!“, krächzte Worgulmpfs Jüngster. „Hilfe, ich falle !“
„ Ich auch, bei Ubeka!“ ächzte Gulmur verblüfft.


„Etwa zwei Stunden später wurde Paul durch ein eigenartiges Rascheln am Höhleneingang geweckt. Automatisch fuhr er mit dem Oberkörper hoch, um besser ins Freie blicken zu können.
Es war hier drinnen stockfinster. Das Feuer brannte schon lange nicht mehr, nur einige Zweige glommen noch. Draußen dagegen erschien es einem durch die vom schwachen Mondlicht beschienene Welt erstaunlich hell.
Das Gewitter in dieser Nacht hatte den wolkenverhangenen Himmel freigeregnet. Margrit war, weil Paul sich so heftig bewegte, nun ebenfalls wach geworden und starrte genauso erschrocken umher wie er.
„Was ist los ?“ wisperte sie.
„Na, da draußen...“, Paul wies mit dem Kinn zum Ausgang. „Hörst du das nicht ?“
Margrit lauschte, den Atem anhaltend. Tatsächlich! Ganz deutlich vernahm auch sie schurrende Geräusche! Jemand machte sich am Höhleneingang zu schaffen! Und jetzt konnte man ihn direkt sehen! Ein großer, schlanker Schatten, eine muskulöse Männergestalt!
„George ? “ ächzte Margrit.
„He, wer ist da?” knurrte Paul gefährlich und seine zitterigen Finger tasteten nach dem Revolver, den er immer unter seiner Weste am Kopfende zu liegen hatte.
„Ja ?“ kam es leise zur Antwort.
Tatsächlich, es war seine Stimme.
Paul behielt trotzdem den Revolver in der Hand.
„Was machst du da ?“ fragte Margrit jetzt wesentlich energischer und daher leider viel zu laut, denn Muttchen war dadurch wach geworden.
„Junger Mann“, ertönte sofort deren verschlafene Stimme. „Haben Sie etwa schon wieder keinen Schal um ?“
„Äh... hm... nein!“ erwiderte dieser verblüfft.
„Aber Muttsch!” versuchte sie Margrit zu bremsen.
„Verschwinden Sie!“ brüllte Paul jetzt überlaut dazwischen und seine Hand mit dem Revolver zuckte gefährlich.
„Paul!“ mühte sich Margrit auch ihn zu stoppen.
Trotz des Lärms rührten sich die Kinder nicht, sie hatten wohl gerade einen gesegneten Schlaf ! Und auch der dunkle Schatten blieb unbeeindruckt im Eingang stehen.
„ He, ich habe ihnen doch vorhin einen so schönen Schal von meiner Tochter überreichen lassen!“ plapperte Muttchen einfach weiter drauflos.
„Ach sie meinen den von vorhin ?“ begann der Schatten zögerlich. „Ach, das war wirklich nicht nötig, ich...“
Paul schaute genau wie Margrit jetzt völlig konsterniert von einer Person zur anderen, immer noch seinen Revolver in der Faust habend.
„Sie haben wirklich keine Ahnung, was für sie nötig ist und was nicht“, schwatzte Muttchen aufgeregt weiter.
„Aber ich gab ihn doch ihrer Tochter zurück und...“, versuchte sich der Schatten zu verteidigen.
„Verdammt, verschwinden Sie endlich !“ versuchte es Paul noch einmal.
Doch beide schienen ihn nicht gehört zu haben.
„Das haben sie gemacht ?“ empörte sich Muttchen. „Meinen guten Schal ? Welch ein Unverstand! Hat mir Margrit noch gar nicht erzählt. Warten Sie...“
Wer Muttchen kannte, wusste, wie zäh sie manchmal sein konnte, und daher schien es nicht weiter verwunderlich, dass sie bereits in ihrer Tasche nach einem anderen Schal für George suchte. Sie stolperte nun mit etwas Länglichem in den Händen zum Ausgang und somit zu ihm hin. „Ist das nun auch wirklich ein Schal...“, murmelte sie dabei angespannt, „...oder mein Spitzenunterhemd ? Na egal, Hauptsache wir haben etwas Warmes, was wir dem guten Jungen gleich überstülpen können!“
Der dunkle Schatten wollte nun schlagartig flüchten, doch Margrit hatte sich, obwohl Paul sie daran hindern wollte, einfach an Muttsch vorbei bis zum Ausgang durchgedrängt. „He, George!“ wisperte sie, während sie noch einige Zweige, die noch zum Teil davor lagen beiseite räumte. „Was wolltest du eigentlich hier ?“
„Ganz klar, ihm war kalt !“ krächzte Muttsch hinter Margrit her. „Willst du ihm lieber den Schal geb... ?“
„Muttsch! Hm... George, wolltest du irgendwie Hilfe von uns? Ist etwas mit dem Verletzten? Wir haben dich reichlich in Stich gelassen...“
„Hm... na... keine Sorge... war nichts weiter!“ rief der schwarze Schatten nun von weitem. „Wollte nicht jeden von euch wecken, wirklich! Äh.. .hm... habe es mir jetzt anders überlegt, entschuldigt!“
„Moment!“ Paul stieß Margrit zur Seite. „Das ist doch verdächtig! Erst kommt der hier angeschlichen und als wir ihn dabei erwischen, will der plötzlich nichts mehr von uns! Jetzt rede ich mal mit dem!“ Er rannte, die Waffe immer noch in der Faust haltend, aus der Höhle, den schmalen Pass George hinterher.
„ Aber Paul!“ ächzte Margrit schon wieder nervös. “Nennst du das etwa reden ? Du wirst doch wohl nicht damit schießen ?“
„ Nein, ich werde ihn nur damit kitzeln“, fauchte Paul ziemlich boshaft, rutschte dabei fast auf einem glatten Stein aus, hielt aber noch die Balance, während er immer tiefer in die Dunkelheit hinabholperte.
George flüchtete indes immer schneller den gebogenen Pfad entlang und hielt auch nicht an, als ihn Paul dazu mehrmals aufforderte und ihm androhte, gegebenenfalls auch zu schießen.
Paul konnte ihm schließlich nur noch mühselig folgen. Trotz Mondlicht sah er fast nichts. An den unmöglichsten Stellen wuchs struppiges Gesträuch und Gebüsch, lagen Steine und Geröllbrocken. Schließlich wusste er nicht mehr so recht, wo er hier überhaupt war und so fand er es besser anzuhalten.
" Sie können mir doch nicht erzählen, dass sie diesen umständlichen Weg bis hierher genommen haben, nur weil sie uns im Schlaf beobachten wollten ? " schrie er jetzt mitten in die Stille hinein. "Wie haben sie uns überhaupt so schnell gefunden ? " fügte er erstaunt und leise hinzu.
George blieb in einiger Entfernung zunächst ebenfalls stehen, schaute sich nach Paul um und dann machte er kehrt. Er schien ziemlich nervös und leise in sich hineinzulachen, je näher er kam. "Das ist für mich nicht weiter schwer, Herr Ladeburg“, sagte er leise, “doch wenn Sie nicht aufpassen, werden Sie bald irgendwo hinabstürzen. Sie stehen nämlich gerade dort ziemlich ungünstig.... trotz ihres hübschen, wunderschönen Revolvers."
Er näherte sich Paul mit sicheren und ziemlich raschen Schritten und blickte ihn mit seltsam glimmenden Augen an. Unwillkürlich machte Paul deshalb gleich zwei drei Schritte vor ihm zurück. Er misstraute dem eigenartigen Burschen mehr denn je, fand sogar, dass er sich unnötig in Gefahr begeben hatte, indem er sich von diesem fortlocken ließ. Wie kam er nur unbeschadet wieder zur Höhle zurück?
„ Und er wird ihnen auch nicht helfen, ihr Revolver, den Weg zurückzufinden, Herr Ladeburg!“ hörte er ihn.
Verdammt, wie der jetzt vorwärts schlich, katzengleich und geschmeidig. Der war in dieser Gegend zu Hause, das war klar. Angstschweiß brach Paul aus allen Poren, während er zurücktappte, die Stirn dem dunklen Hünen lieber zugewandt als den Rücken. „K...komm mir nicht zu nahe !“ krächzte Paul hilflos. Er glaubte, unverhohlene Schadenfreude in dessen vom Mondlicht beleuchteten Gesicht zu erkennen. Was wollte der Typ ? Ihn etwa stürzen sehen ? Oder sogar den Berg hinabsto....? Paul blickte in den Abgrund neben sich. Oder war das noch keiner, nur Gras? Und dahinter kam erst... ? Ja oder nein ? Unsicher und ganz langsam ging sein Fuß jetzt zurück, er taumelte, hielt sich aber noch an einem mageren Strauch fest, der einst seinerseits an diesem Felsen mühsam Halt gefunden hatte. Wenn er tot war, hatte dieser George es ganz gewiss leichter mit dem Rest der Familie. Sollte er nicht einfach mit der anderen Hand, in der er seine Waffe hatte, zielen und feuern ?“
Paul stieß sich jetzt das Knie am Felsen, an welchem er sich festhielt und stöhnte leise.
" Tja, ja... ", hörte er wieder die eigenartige Stimme des seltsamen Riesen, “es wäre wohl günstiger, wenn man sich hier besser auskennen würde, nicht wahr ? "
" Wohl wahr ! " keuchte Paul mit angehaltenem Atem, und die Mündung seiner Waffe wies nach einigen Schlenkerbewegungen endlich auf George.
„ Aber, aber... wer wird denn?“ Der muskelbepackte Schatten wackelte gemahnend mit dem Zeigefinger. „Wir wollen doch keine Dummheiten machen, oder ?“
„ Ich wäre dumm, wenn ich jetzt nicht schießen würde. Stirb, du... du hinterhältiges Schwein !“ ächzte Paul.
„ Und wenn das Schwein nun auch bewaffnet wäre, was dann ?“
„ Guter Bluff! “ Paul wollte schrill auflachen. “Aber ganz so schlecht sehe ich nun auch wieder nicht, trotz Dunkelheit!“ „ Ach, nein ? Und was sehen wir denn ?“
„ Dass du unbewaffnet bist, du Spinner !“ Paul wollte abdrücken, doch da sah er, dass ein feiner, heller Lichtstrahl von Georges Mittelfinger ausging, scharf an seinem Kopf vorbeizischte und nun hörte er, wie der sich prasselnd hinter ihm ins Gestein fraß, dann war Stille.
„ Oh, Go – ott ?“ ächzte Paul, sackte in die Knie, doch wieder erwies sich der Strauch als unglaublich nützlich.
„ Aber, Herr Ladeburg, wir wollen doch nicht unschuldige Büsche entwurzeln !“ rief George aufgeregt. “Der da sitzt nämlich nicht gerade fest ? Jssississis...!“ Der Schatten schüttelte den Kopf.
Verdammt, Paul merkte jetzt auch, wie der Busch nachgab.
“ Wie leicht kann solch ein zarter Strauch abreißen! Nur den Revolver wieder einstecken, Herr Ladeburg, wenn ich ihnen und dem Busch helfen soll, und künftig ganz lieb und brav sein, einverstanden ?“
Paul gehorchte wie in Trance und George streckte ausgesprochen langsam den anderen Arm nach ihm aus. “Solch ein kleines Zworn hat doch immer wieder eine ganz gewaltige Wirkung, nicht wahr ?“
Paul nickte mit einem Klos im Halse und betrachtete den muskelbepackten Arm, der sich ihm nun Stück um Stück näherte.
„ Man sieht es zunächst nicht und trotzdem...“, Paul glaubte schon wieder einen kalten fast tödlichen Ausdruck in diesem Gesicht wahrzunehmen,,“...ist es stets feuerbereit ! Die Einschussstelle danach ist allerdings recht klein... schlimmer sieht es aus, wenn jemand von hier hinunter stürzt ! Ein ekeliger Anblick ! “ Der Schatten schüttelte erschauernd die breiten Schultern.
`Und er ist doch ein Hajep !` durchfuhr es Paul. ‚Er ist ein gottverdammter Hajep !’
" Halt ! " schrie Margrit plötzlich von hinten. Sie war ihnen mühselig hinterher geklettert. " Was macht ihr beide eigentlich da ? "
Georges Hand fuhr wie ertappt für einen Moment zurück, fast gleichzeitig veränderte sich auch seine Mimik. Seine Augen funkelten geradezu scheinheilig freundlich.
" Oh", hüstelte er, "ich wollte ihren Freund nur halten !“ Und dabei fühlte Paul Georges kräftige Hand im Genick und am Kragen. „Stellen sie sich vor, er wäre beinahe in diesen Abgrund gestürzt."
Margrit blickte daraufhin auch dort hinunter. " Schrecklich", entfuhr es ihr tief erschüttert, "wirklich schrecklich, schrecklich ! " Dann sah sie hinüber, zu George. " Danke ! " sagte sie leise.
" Hm." Paul blickte verwirrt von einem zum anderen, denn George hielt ihn noch immer von hinten am Kragen fest.
" Nur umkehren und dann immer weiter, Herr Ladeburg ! " wies dieser ihn freundlich an. “Ich halte sie ! Drehen sie mir ruhig den Rücken zu.“ Und leise fügte er hinzu : „ Ich tue ihnen nichts. Jedenfalls nicht im Augenblick... ", und dann lachte er amüsiert in sich hinein.
" Was meinen sie“, sagte er jetzt wieder ganz laut, „ wäre es nicht besser, wenn ich sie und ihre Familie durch diese ganze Wildnis wohlbehalten nach Eibelstadt führen würde ? Ich kenne da nämlich eine Abkürzung !"
" Nach Eibelstadt ! " stammelte Paul und drehte ihm tatsächlich den Rücken zu. " Ich denke, dort in der Nähe liegt Zarakuma... sogar Scolo soll dort sein !“ Er tappte langsam und unsicher vorwärts.
" In der Tat, das liegt dort !“ George griff ihm unter die Schulter und schob ihn vorwärts, den Hang höher hinauf. “Aber es gibt da ein altes Sprichwort...“
„ Ja, ja, ich weiß, Margrit erzählte mir bereits davon !“ Er lief nun etwas entschlossener nach oben.
" Also verstehen Sie, was ich meine ? " George ließ Paul los, da dessen Fuß nun besseren Halt hatte.
" Schwer, aber es wird mir schon irgendwann mal einleuchten ! "
Endlich standen sie wieder vor der Höhle und George behielt beim Abschied Margrits Hand für ein Weilchen in
der seinen. " Nun, wie lautet eure Entscheidung ? " fragte er sie leise. " Möchtet Ihr mich als euren Führer haben oder nicht ? Wollt ihr nach Eibelstadt ? Ich weiß, das ist eine ziemlich schwere Entscheidung ! Vor allem, wenn man zuerst etwas ganz anderes geplant hatte. Ihr würdet von mir Arbeit bekommen und die Kinder endlich Essen ! "
" Also... ", begann Margrit zögernd und mit einem schrägen Seitenblick auf Paul, ”äh... hm... was ist eigentlich mit dem Verwundeten los, geht es ihm gut ?” versuchte sie plötzlich irgendwie das Thema zu wechseln.
George musste lachen. “ Erst meine Frage beantworten !” verlangte er.
" Doch", fuhr endlich Paul für Margrit fort, "Sie haben mich überzeugt. Es ist zu gefährlich, ohne jede Erfahrung alleine weiter zu ziehen ! Sie haben eine enorme Kenntnis, vor allem wenn es um Hajeps geht. Wenn Sie sagen, dass wir in Eibelstadt am sichersten sind, dann wird das auch schon seinen Grund haben. Wir werden morgen, wenn wir uns gut ausgeschlafen haben, gemeinsam mit Ihnen weiterziehen."
" Geben Sie mir Ihr Ehrenwort ? " George streckte auch ihm die Hand entgegen.
" Aber sicher ! " Die beiden ungleichen Männer schüttelten sich die Hände.
Paul schmunzelte. "Morgen, so um zehn, werden wir uns alle zusammen aufmachen.“
" Haben Sie denn überhaupt eine Uhr ?“ hakte George trotzdem skeptisch nach.
„ Aber sicher !“ knurrte Paul.
" Na, dann wünsche ich Ihnen allen noch eine gute Nacht ! " sagte George leise und schnell, den schmalen Abhang eher hüpfend als laufend, schien er verschwunden.
" Und wie geht es nun dem Verletzten ? " rief Margrit doch noch in die Dunkelheit hinein.
„Phantastisch !“ hörten sie seine dunkele Stimme aus der Ferne.
„ Kann man ihm das glauben?“ wandte sich Margrit leise an ihren Paul.
„ Ja, denn es gibt gar keinen Verletzten !“
„Es gibt keinen...?“
„ Genau, weil beide Hajeps sind !“ knurrte Paul. “ Die machen mit uns nur ein kleines Spielchen, weißt du, weil sie uns lebend für diese Experimente haben wollen ! Bestimmt sollte uns der andere auflauern und dann...“
„ Aber das hätten Hajeps doch gar nicht nötig ! Und wenn überhaupt, warum wollen sie dann ausgerechnet unserer Familie haben ? Paul, jetzt hast du keine Phobie mehr, das ist bei dir schon Verfolgungswahn!“
„ Bin nie klarer im Kopfe gewesen als heute !“
„ Ach ja ? Und wenn du so skeptisch bist, warum verabredest du dich dann mit ihm, he ? "
" Das geht doch bei dem nicht anders. Wir werden, sobald es dämmert, die Kinder wecken und klammheimlich ohne ihn weiterziehen! Eine Flucht vor dem und seinem Kumpel ist das Beste, was wir jetzt tun können, und...”, er hielt plötzlich inne, wobei er finster in die Dunkelheit blickte, "... sollte er mir dennoch wieder begegnen, lege ich ihn diesmal rechtzeitig um!" Er knirschte mit den Zähnen und holte aus seinem Hosenbund nochmals die kleine Handfeuerwaffe hervor. “Ein altes Modell zwar, aber... ", er tätschelte den Griff und grinste, "...es funktioniert noch recht gut ! " Er entsicherte die Waffe und dann visierte er mit dem Lauf genau jenen Weg an, den der unheimliche Bursche genommen hatte.
" Sag` mal Paul ! " Margrit starrte ihn wütend an. " Was hat dir denn George Großartiges getan, dass du plötzlich so ausflippen musst ? Fühlst du dich etwa in deiner Männerehre gekränkt, weil er dir den Berg hinauf geholfen hat ? “
„ Er hat auf mich geschossen, Margrit !“
„ Geschossen ? Ich habe nichts gehört !“
„ Konntest du ja auch nicht, denn es hat nur leise gezischt! Das Ding war so ein Zw... nein, Zrr... na... Zlom oder so!”
„ Oder so ? Bist du dir wirklich sicher, dass bei dir da oben noch so alles...?“
„ Es war eine Hajepwaffe, Margrit ! Also ?“
„Was also?“
„ Na, wer trägt denn Hajepwaffen, he?“
“...etwa ein Hajep ?“
„ Kluges Mädchen, du hast`s erfasst ! Margrit, er hat aus seinem Finger gefeuert. Kichere nicht! Ich bin mit knapper Mühe und Not diesem hochgefährlichem Feuerstrahl entkommen !“
„ Ach Paul, das hast du dir bestimmt alles nur eingebildet!“ gluckste sie hervor.
„ Habe ich eben nicht ! Das ist ja das Schlimme ! Ich verstehe nicht, warum du mir nicht glauben kannst. Du hast doch heute selbst gehört, wie dieser... na, Verletzte... dieser Dörfler, wenn er eben einer war, behauptet hat, er wäre von solch einem Dings getroffen worden!“
„ Gerade dieser Bericht hat deine Phantasie beflügelt, mein lieber Paul! Du kannst George nicht leiden, außerdem bist du überreizt ! Ist ja auch verständlich, die ewige Flucht, kaum Schlaf, kaum Nahrung, und dann noch all das Grässliche, was wir dabei haben erleben müssen. Das geht an keinem spurlos vorbei, auch an dir nicht, Paul !“
„ Aber ich habe doch den blauen Feuerstrahl ganz deutlich gesehen, Margrit !“ „
„ Paul“, sie fuhr ihm sanft durch das Haar, “ich werde George künftig meiden so wie du, klaro ? Wenn das dich so verrückt macht ! “
Nachdenklich versenkte er die Waffe wieder in seinem Hosenbund und trottete, den Kopf gesenkt, zurück in die Höhle.
Muttchen kam ihm dabei entgegen.
„Der hier ist für ihn richtig“, krächzte sie begeistert, „schön lang und schön weich... aber das ist ja meine Strumpfhose!“

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Es dauerte nicht lange, dann war die kleine Familie startklar. Sie hatte zwar zuvor ein wenig auf Munk warten müssen, Muttchen hatte darauf bestanden, und der Kater, ein sehr guter Jäger trotz seines Alters, war vollgefressen wiedergekommen.
Stumm, eine Taschenlampe schwenkend, Muttchen hatte diese nämlich bei ihrer Sucherei überraschenderweise ganz tief unten in ihrem Rucksack gefunden, bewegten sich nun drei große und zwei kleine Schattengestalten den schmalen Pass hinab. Paul und Margrit hatten schwer zu tragen, Muttchen weniger und der Kater trug gar nichts, der schlief bereits in seinem Körbchen. Julchen und Tobias liefen zu Fuß und gähnten immer wieder vor Müdigkeit.
Wenig später quietschte ein Fahrrad leise in der Dunkelheit. Der Mond zeigte immer noch nur die Hälfte seines silbernen Gesichtes. Auf der einen Seite war das für die Flüchtenden schlecht, auf der anderen aber auch recht gut. Selbst George musste, wenn er nicht direkt in der Nähe schlief, Schwierigkeiten haben, die fünf Schatten zwischen all den Felsen mit bloßem Auge auszumachen.
Und später, als die Sonne hoch am Himmel stand, war sich die ganze Familie einig, dass sie George abgehängt hatten. Muttchens Vorschlag, weder den Weg zurück noch den nach Hornberg zu nehmen, wurde von allen begeistert angenommen.
Da Muttchen damals auf ihrer Flucht ein reizendes Ehepaar kennen gelernt hatte, das in Würzburg eine größere Wohnung besaß, in der sie eine Bleibe finden sollte, hoffte man, vorübergehend ebenfalls dort nächtigen zu können. Man war daher guter Dinge, obwohl der Magen knurrte.
Tobias und Julchen hatten es gut gemeint. Um die Koffer zu entlasten, hatten sie ihr Spielzeug in ihren Rucksäcken verstaut. Was dort nicht hineinpasste, trugen sie in ihren Händen. Es war nicht viel, aber unerhört lästig für Kinderhände, die dauernd herumwedeln und Zweige und Steine während des langen Weges sammeln müssen. Tobias nannte eine etwa zwanzig Zentimeter große, muskelbepackte Puppe sein eigen. Selbstredend besaß der ‚Westman’ auch ein Pferd. Setzte man den Helden in den Sattel, überragten dessen lange Beine stets die des feurigen Rosses. Aber das störte Tobias nicht weiter.
Hingegen war Julchens wirklich wunder Punkt, dass ihr ‚Indianer’ eigentlich eine recht kurvenreiche Frau war. Strenggenommen hatte der sogar eine regelrecht weibliche Traumfigur. Immerhin hatte ‚Winnetou’ aber schönes langes Haar, wenn auch lockig und blond, und das Rappony mit abgescheuerter Nase passte besser zu der zierlichen Gestalt. Selbstverständlich durfte niemand erwähnen, dass Julchens Winnetou Brüste hatte, dann flossen sofort die Tränen, was Paul entsetzlich albern fand. So hatten also Winnetou und Old Shatterhand während des ganzen Weges durch das Gebirge recht viel zu tun und vor allen Dingen aufzupassen !
Darum auch entdeckten sie, als die Familie eine kleine Pause einlegte, plötzlich bei einer Kletterpartie dunkelrotes Blut im Gras und Abdrücke von Schuhen, die den Berg zu ihrer Rechten hinaufführten. Aufgeregt rannten sie den Weg zurück und teilten pustend und keuchend ihrer Familie mit, was sie dort Schreckliches gesehen hatten.
"Blut ? " fragte Paul. Die Kleinen nickten, immer noch nach Atem ringend. ” Ihr bleibt bei Oma ! Margrit und ich sehen nach !” befahl Paul. Die Kinder gehorchten, wenn auch ungern.
Es dauerte ein Weilchen, bis Margrit und Paul den Weg hoch waren. Es wurde hier so windig, dass sie sich ihre Jacken zuknöpfen und die Schals enger um ihre Hälse wickeln mussten. Suchend schauten sie umher. Da war es kalkig und steinig, borstiges Gebüsch überdeckte größtenteils den kargen Boden.
" Dort ! " Paul hob plötzlich einen der stacheligen Zweige an. " Da ist tatsächlich eine kleine Lache ! " Er erschauerte unwillkürlich. Was war geschehen ? Wer war hier umgebracht worden ? Sollten sie nicht doch lieber umkehren ?
Margrit beantwortete seinen fragenden Blick mit einem Kopfschütteln. "Lass uns mit dem Suchen fortfahren, vielleicht ist es der Verletzte vom Dorf, der alleine weitergeflohen ist und unsere Hilfe braucht."
" Warum sollte der denn alleine...? Ich habe dir doch vorhin schon gesagt, dass die zwei todsicher bekannt miteinander sind !”
“ Darin bin ich eben anderer Meinung, Paul !”
“ Du bist nur trotzig ! Du mit deinem komischen Helfer... äh... dingens! " knurrte er missmutig. "Diese Macke wird uns noch eines Tages den Kopf kosten. Aber ich ahne schon, du willst dem Hajep unbedingt in die durchtrainierten Arme laufen, nicht wahr ? "
"Ich lasse mich von dir nicht ärgern, Paul !" Margrit stemmte die Hände in die Hüften, während sie weiter umherblickte. "Hm, nichts mehr zu sehen ! Na, vielleicht war es ja auch nur ein verletztes Tier, das sich irgendwohin zurück gezogen hat ! Wenn es jedoch unser Dörfler sein sollte, dann muss er ganz in der Nähe sein. Höher kann er nämlich nicht, so schlapp wie er bereits war, denn es wird hier viel zu steil ! Aber weshalb sollte er sich überhaupt von George getrennt haben? Das ist mir ein Rätsel ! “
“ Weil er eben gar nicht verletzt ist, und man Frau Klugschnacker nur anlocken will !”
“ Hä, hä, Paul! Es ist aber wirklich komisch, dass wir ihn nicht finden. Ob ich mal rufe? "
" Untersteh dich ! Oder willst du uns auch noch die restlichen Hajeps auf den Hals hetzen ? "
Margrit lief nun mit energischen, raumgreifenden Schritten bis zum Rande des Abgrundes, der dort sein zerklüftetes Maul weit geöffnet hatte. Eine Schar Krähen flog von unten auf, während sie sich hinüberbeugte.
" Nein ! " schrie sie gellend, presste sich die Hand vor den Mund und taumelte zurück.
" He, Margrit, was ist ?" Mit zwei, drei Sätzen war Paul bei ihr. Er hielt sie fest und beide blickten gemeinsam die Schlucht hinunter. Da lag ein Mann, mit dem Rücken ihnen zugewandt, halb zerschmettert auf dem felsigen Grunde der Schlucht. Dennoch erkannten Paul und Margrit in ihm sofort den verletzten Dörfler, der ihnen gestern begegnet war.
" Er... er hat ihn in den hinabgestoßen ! " stammelte Paul, der sich als erster wieder gefangen hatte.
" Meinst du mit er etwa George ?“ Margrit wartete keine Antwort ab, sondern setzte schnell hinzu: “ Der hat ihn ganz gewiss nicht gestoßen !“
" So? Und wenn ich dir sage, dass dieser liebe, nette George auch bei mir bereits Anstalten dazu gemacht hat ?"
Sie starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen an. "Nein, du hast mir nur erzählt, dass er auf dich geschossen hätte. Das hast du dir bestimmt auch nur eingebildet, Paul! Er wollte dich gewiss nur halten, damit du eben nicht stürzt ! "
" Das habe ich mir eingebildet ? " Paul ließ sein merkwürdiges Gelächter hervorquietschen. "Du hast mich heute Nacht, ohne dass du es wusstest, davor nur bewahren können, indem du ganz einfach erschienen bist. Er wollte dir unbedingt gefallen ! Nun, wo er ohne dich weiter musste, war das nicht mehr nötig! Also hat er sich einfach des lästigen Verletzten auf diese schnelle Weise entledigt. "
" Nein ! " Margrit starrte ihren Paul noch immer fassungslos an. "Das ist doch alles gar nicht wahr! Na, immerhin war der Dörfler schon mal kein Hajep!” versuchte sie sich dennoch zu trösten.
“ Ha, und nun musst du selbst in solch einer Situation irgendwie recht haben wollen !” mokierte er sich. ”Dabei solltest du dich schämen auf einen Typ reingefallen zu sein, der in Wahrheit ein richtiger Mörder ist.”
Sie runzelte die Stirn. "Aber dieser Dörfler kann doch auch gut selber den Berg hinauf geklettert sein und dann... "
Paul verzog sarkastisch grinsend sein Gesicht. "Und dazu zieht er sich erst die Schuhe aus und entledigt sich seiner guten Armbanduhr, ja ? "
" Hatte der etwa eine um ? " fragte Margrit ungläubig.
" Ja und zwar eine sehr gute. Ich kenne mich darin aus. Du weißt ja, dass ich vor dir eine Bekannte hatte, die... " Er räusperte sich ein wenig verlegen, "... Uhrmacherin war. "
"Hmmmm", Margrit stützte nachdenklich ihr Kinn in die Hand, "und du meinst also, dass George all diese Dinge an sich genommen hatte, bevor er ihn...", sie erbleichte und sah dabei erschrocken zu Paul hinauf, "... hinabgestoßen hat ?"
Paul nickte und nahm Margrit wieder in seine Arme. " Du musst dich damit abfinden. Dein Glaube an das Gute in Ehren ! Aber du wirst damit immer wieder Schiffbruch erleiden, wenn du so stur weitermachst ! "
" Aber”, begann sie sich wieder zu trösten, “zumindest kann George dann kein Hajep sein ! Was soll schon ein Hajep mit einer alten Armbanduhr oder gar mit gebrauchten Schuhen? Oh", sie fuhr erschrocken herum, "vielleicht befindet sich der wahre Mörder noch in der Nähe ! Wir sollten lieber machen, dass wir von hier wegkommen."
“ Der wahre Mörder... soso ! Und George könnte doch ein Hajep sein!”
“ Warum ?!”
“ Na, zum Beispiel sammeln Hajeps manchmal die seltsamsten Dinge ! Wusstest du das nicht ? “
“ Du meinst, George hat als waschechter Hajep den Dörfler wegen seiner alten Stinkeschuhe ermordet?” Sie kicherte nun doch in sich hinein.
“ Und wegen der Uhr, das darfst du nicht vergessen !” beharrte er trotzdem.
“Ach, und du bist ganz und gar nicht rechthaberisch, nein ?” brachte sie gluckernd hervor.
Wieder rutschten sie die Felsen mehr hinab, als dass sie die hinunterkletterten und währenddessen zählte Margrit, zäh wie sie nun mal war, alle Möglichkeiten auf, durch die der Verletzte auch ohne George hätte zu Schaden gekommen sein können." Es könnten zum Beispiel auch richtige Hajeps gewesen sein!" erwähnte sie jetzt.
"Ach, nein !" konterte Paul. "Und nun wollen bei dir gleich mehrere Hajeps diese stinkigen Menschenschuhe ? "
Schnell waren sie unten mit etlichen Steinen und Felsbröckchen gelandet.
" Und... was habt ihr gesehen ? " kamen ihnen sofort Julchen und Tobias neugierig entgegengestürmt. Muttchen war verhindert, denn sie suchte wieder mal nach Munk.
" Och, nichts besonderes... ", antwortete Margrit, noch ehe Paul den Mund geöffnet hatte, "ein kleines Reh hat sich leider verletzt, aber seine Mama wird es sicher gesund pflegen. "
" Ja, das machen Mamas ! " Tobias strahlte Margrit begeistert an und Julchen legte ihre dünnen Ärmchen um sie.

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Die nächsten Stunden waren schrecklich. Zwar ließ sich der Kater aber kein passender Unterschlupf für die fünf Flüchtlinge finden. Es dämmerte schon, und immer noch hatten sie keine größere Höhle oder wenigstens einen mächtigen schützenden Spalt gefunden, in dem sie alle hätten Platz finden können und der nicht zu hoch gelegen war, denn Muttchen und auch die Kinder konnten kaum klettern, höchstens schmale Pfade laufen, was an sich schon eine gewaltige Leistung für die drei war.
Alle waren sich einig, dass es mit zunehmender Dunkelheit gefährlicher sein würde, nach weiteren Verstecken zu suchen. So kam man auf die Idee, dass es wohl am Besten wäre, wenn sich jeder einzeln irgendwo versteckte. Die Kinder hatten aber Angst davor; und so entschloss sich Paul, sie in seine Höhle höher hinauf zu tragen. Muttsch suchte sich ein Plätzchen irgendwo Parterre und Margrit kauerte sich in eine winzige Höhle, die sie eben zwischen zwei großen Felsen entdeckt hatten.
Wie üblich breitete sie auch dort auf dem Boden ihre Decke aus, blieb aber lange wach. Eng mit dem Rücken an die kalten Steine gepresst, starrte sie in den sternenübersäten Himmel. Sie musste über so vieles, was während ihrer langen Flucht geschehen war, nachdenken. Und schließlich tauchten die alten Fragen auf, die schon zum nächtlichen Ritual geworden waren. Hatte überhaupt alles Fliehen einen Sinn ? Und dann kamen die neuen hinzu. Wer mochte wohl dieser George wirklich sein ? War er gar kein Hajepforscher und nur ein Herumtreiber und Mörder ? Die Höhle war so winzig, dass Margrits lange Beine hinausragten. Zwar wuchs viel Gestrüpp drum herum, aber wer hier umherschlich, musste das sehen.
Margrit fuhr hoch. Komisch, die ganze Zeit hatte sie nun schon so gelegen und plötzlich diese dämliche Angst ! Sie zitterte jetzt sogar, denn sie musste plötzlich an Mariannas schreckliches Ende denken. Nein, so etwas wollte sie nicht erleben oder Paul zumuten oder ihrer Mutter oder gar den Kindern ! Tja, was war, wenn denen nun etwas in ihrer Abwesenheit geschah ?
Sie stand auf und beschloss, nach ihnen zu suchen, obwohl sie wusste, dass das völlig idiotisch war. Sie hatten beschlossen, sich erst morgens hier vor Margrits kleiner Höhle zu treffen, und sie hatte keine Taschenlampe. "Also doppelt blöd!" murmelte Margrit leise vor sich hin. Auf der anderen Seite konnte man hier nicht abstürzen. Dazu war es zu niedrig. Sie kletterte nun doch ein Stück den schmalen Abhang entlang und versuchte, ihr angsterfülltes Gehirn zu vernünftigen Gedanken zu bewegen. Weit entfernt konnten ja die Verstecke ihrer Lieben nicht sein.
Nach einem Weilchen vergeblichen Suchens hielt sie schließlich inne. Wo war bloß Paul ? Höher geklettert konnte er doch mit den Kindern gar nicht sein ? Die mussten ja ein ganz ausgezeichnetes Versteck gefunden haben, dass man sie so schwer finden konnte, aber vielleicht war das mit einer Taschenlampe wesentlich einfacher! Sie blickte zu den schiefergrauen Berggipfeln, die in den sternenübersäten Himmel hineinragten. Ein schönes Bild ! Irgendwie war die Welt jetzt so beschaulich und still, dass man gar nichts Böses denken konnte. Sie atmete tief durch, genoss für einen Moment diese Ruhe, dann jedoch kletterte sie weiter, lauschte dem Rascheln und Schurren, das sie selbst fabrizierte, aber... was war das ? Plötzlich hörte sie ein Geräusch, das so gar nicht dazu passte.
Sie hielt an, war ganz Ohr, wagte kaum zu atmen. Es kam von etwas höher, und war auch weiter weg. Es schienen Schlaflaute zu sein. Sie atmete daher erleichtert aus. Vielleicht ein leises Schnarchen ? Es war kaum zu wahrzunehmen, aber, wenn Margrit auch nicht sonderlich sehen konnte, so hatte sie doch ein recht gutes Gehör. Sie sprach dieses außerordentliche Hörvermögen der Gerechtigkeit der Natur zu, und so zog sie sich an einigen struppigen Grasbüscheln und dürren Zweigen mühsam bis zur ‚zweiten Etage’ empor.
Das war so anstrengend gewesen, dass sie erst einmal, kaum dort angekommen, bäuchlings liegen blieb und für eine Weile verschnaufte. Sie horchte. Ja, das war ein Schnarchen, ganz deutlich. Wahrscheinlich kam es von dem Gebüsch dort hinten. Komisch, erst hatte sie solche Schlafstörungen gehabt, aber jetzt, wo sie dem Ziel so nahe war, überkam sie das Gefühl, sofort einpennen zu können. Warum hatte sie sich eigentlich diese ganze Mühe gemacht ?
Da hinten lag doch Paul und schnarchte friedlich. Doch wo waren die Kinder ? Wenigstens ein Küsschen wollte sie sich jetzt von ihm abholen, wenn sie schon mal in seiner Nähe war.
So schlich sie näher. Doch je deutlicher das Schnarchen wurde, um so befremdlicher kam es ihr irgendwie vor. Oder war sie schon wieder überängstlich? Hatte jeder Mensch seine speziellen Schlafgeräusche oder nicht? Sie kauerte sich sicherheitshalber auf alle Viere und schlich so näher. Gewiss sah sie lächerlich aus, aber das war ihr jetzt wurst! Schnarchten Hajeps? Ach, man wusste herzlich wenig von ihnen.
Noch näher krabbelte sie, schob vorsichtig Gebüsch und dichte, hohe Grasbüschel dabei auseinander. Der Schnarcher hatte sich anscheinend, bevor er sich zur Ruhe begeben hatte, ein kleines Feuerchen gemacht. Es roch nämlich nach verbranntem Holz und... irgendwie nach leckerem Essen ! Margrit verharrte erschrocken, denn ihr Magen hatte diesen herrlichen Geruch mit einem ziemlich lauten Knurren begrüßt.
Weiter schlich sie. Jetzt roch es auch nach Schnaps ! Konnte Paul etwas zu essen und zu trinken gefunden und ihnen nichts abgegeben haben ? Betrank er sich ? Machte er so etwas ? Aber von wo sollte er denn plötzlich Nahrung ergattert haben ? Nein, das hier war nicht Paul! War es George? Konnte er das nicht sein ? Er - der Mörder ?
Sie fröstelte. Na ja, es war ja auch ziemlich kalt hier. Weiter vorwärts oder lieber zurück ?
Diese Fragen sollten sich sofort von ganz allein klären, denn plötzlich hörte sie ein leises Schurren hinter sich, in etwa so, als ob jemand bemüht wäre, bis zu dieser Anhöhe empor zuklettern.
Schreckensstarr bewegte sie sich keinen Zoll weiter. Was sollte sie nun tun ? Ganz eindeutig kam jemand hinter ihr hinauf. Ihre Ohren täuschten nie.
Wer war jetzt wer? Einer von den zweien war ja unter Garantie nicht Paul ! Muttchen konnte keiner von beiden sein, die hätte es niemals bis hierher hochgeschafft. Vielleicht war sogar niemand von denen Paul und sie war praktisch nur von Fremden hübsch eingerahmt ? Denn es gab auf dieser kleinen Plattform kein Ausweichen, weder nach links noch nach rechts! Ihr Herz machte einen Sprung, denn inzwischen hatte es derjenige hinter ihr hochgeschafft.
Er musste auch ganz schön erschöpft sein, denn sie hörte sein Keuchen bis hierher. Sie war immer noch wie gelähmt und nur ganz langsam blickte sie über die Schulter zurück. Es war feucht hier oben und daher ihre Brille auch beschlagen. Oder lag das an etwas anderem ? Jedenfalls konnte sie immer noch nicht erkennen, wer von hinten kam, noch wer vorne lag. Die Brille in dieser Situation gründlich putzen, war wohl etwas grotesk ?
Es kam jedenfalls ein großer, dunkler Schatten und - oh Gott - der knipste seine Taschenlampe an ! Wenn der Nahe genug war, sah er sie todsicher hier im Grase kauern, den Hintern hoch und starr wie ein gelähmtes Karnickel ! Friss oder stirb ! Margrit wählte, getrieben von heller Panik, weiter krabbelnd den Weg nach vorn. Immer näher rückte sie dem Schlafenden mit angehaltenem Atem und jedes Mal zusammenfahrend, wenn plötzlich ein Hölzchen unter ihrem Knie oder ihrer Hand knackte.
Es war ein ziemlich großer, starker Mann, der dort lag, dessen Oberkörper und Gesicht unter einem üppigem Busch verborgen waren. Der letzte Rauch seines verloschenen Lagerfeuers kräuselte sich die hellen Felswände bis zum schwarzen Nachthimmel hinauf, als ein feines, durchsichtig schimmerndes Gebilde. Und es roch immer noch unwahrscheinlich gut nach gebratenem Fleisch und penetrant nach Schnaps! Die Hosenbeine des Kerls schimmerten grau im schwachen Mondlicht. Der Schläfer hatte, bevor er sich zur Ruhe gebettet, seinen kleinen, merkwürdigen Rucksack, der neben ihm im Grase lag, geöffnet. Er schien leer zu sein. Neben dem Sack, lagen verschiedene, sorgfältig in Papier eingewickelte Dinge herum und etwas weiter davon entfernt stand ein sehr merkwürdiges Gerät auf dem kargen Boden. Was war das nur für ein komischer Kasten ? Margrit hatte noch nie in ihrem Leben etwas derartiges gesehen. Jedenfalls steckte an diesem Apparat ein siebförmiges geleeartiges Gebilde, das über diesem schwebte und alle paar Minuten seine Größe und Form veränderte und sich dabei auch noch um sich selbst drehte.
Da hörte sie ein Rascheln hinter sich ! Sie japste erschrocken nach Luft, ihr Kopf fuhr herum ! Der Mann hinter ihr - es war ganz eindeutig keine Frau sondern ein Kerl, gut an den breiten Schultern, Gang und Haltung zu erkennen - war um ein erhebliches Stück nähergekommen. Er schlich nicht, robbte nicht auf dem Boden so wie sie, daher war er schneller!
Margrit hielt Ausschau nach allen Seiten. Wohin nur so fix ? Gehörten die beiden zusammen oder wollte einer dem anderen gar etwas antun ? Sollte man den hier nicht ganz einfach wecken ? Oder war der, sie schluckte, wirklich so ein Hajep ? Ja, natürlich, wegen dieses komischen, reichlich merkwürdigen Gerätes konnte der, welcher hier vorne lag, das eigentlich nur sein - oder ? Auf alle Fälle musste sie erst einmal von hier verschwinden. Aber wie ?
Die steile Felswand hinter diesem Schnarcher hinauf ? Nein, ganz unmöglich ! Das konnte man ja selbst mit Bergsteigerausrüstung kaum bewältigen.
Sie richtete sich daher auf, um schneller zu sein, machte hilflos einen Schritt vorwärts, da knackste es wieder unter ihrem Fuß. Verdammt! Diesmal musste es schon ein größerer, mürber Ast gewesen sein, wohl von dem Lagerfeuer, denn es klang entschieden lauter. Aber der Schläfer ließ sich nicht weiter stören, schien wohl einen gerechten Schlaf zu haben, kein Wunder bei der Alkoholfahne. Er schnarchte, dass sich die Bäume biegen konnten, die Hände immer noch auf seiner Brust verschränkt.
Jetzt kam Margrit ihm noch näher und der Duft von Fleisch und Alkohol verstärkte sich. Der Kerl hatte seine Schuhe ausgezogen, um es beim Schlafen gemütlicher zu haben. Sie standen neben dem Lagerfeuer, wo auch ein Pappteller lag und auch ein kleiner Grillspieß. Seine Jacke hatte der Hüne als Zudecke über seine Brust gebreitet.
Margrit starrte auf die Schuhe und musste den Klos, der ihr wieder dabei im Halse saß, mit heftigem Schlucken bekämpfen, denn die Schuhe waren heil und erinnerten sie selbst im Nachtlicht irgendwie an die des Dörflers, auch eine Uhr trug er an seinem Handgelenk. Selbst, wenn sie noch nicht sein Gesicht betrachtet hatte, meinte Margrit jetzt doch, dass vor ihr der Mörder lag, der den Verletzten Mann aus dem Dorf auf dem Gewissen hatte.
Plötzlich traf sie von hinten ein greller Lichtkegel. Das Entsetzen über ihre schreckliche Entdeckung hatte sie daran gehindert, sich noch rechtzeitig zu verbergen, oder sich zumindest einen der Äste zu ergreifen die hier herumlagen, um sich zu wehren und nun... ? Gab es noch eine Chance ? Vielleicht eine kleine List ? Sie blinzelte tapfer in den grellen Schein der Taschenlampe, der sie blendete, versuchte, das Gesicht der unheimlichen Schattengestalt zu erfassen, die auf sie zutappte.
" Paul ? " wisperte sie.
" Margrit ? " flüsterte es leise und nicht minder erstaunt zurück.
" Was machst du denn hier ? " entfuhr es beiden gleichzeitig und nach einigem Zögern setzten sie leider vor Aufregung wieder zur selben Zeit an: "Das wollte ich dich doch eigentlich fragen ! "
Nun mussten sie trotz aller Gefahr leise lachen. Sie gingen aufeinander zu und umarmten sich erleichtert. "Ich konnte nicht einschlafen!” erklärte er hastig. “Und wollte mir daher einen Gutenachtkuss von dir abholen.”
“ He, ich mir auch!” quiekste sie. “Was ist mit den Kindern ?“
“Sie schlafen, wie die Engel, aber du warst nicht da, und da habe ich dich halt gesucht. Habe mir heftige Sorgen um Sie gemacht, Frau Klugschnacker !“ Er küsste sie, doch dann stutzte er.
" Oh, Go –ott ? “ keuchte er. „L... liegt da hinten etwa jemand und schnarcht ? "
"Ja, Paul", wisperte sie nach einem flüchtigen Seitenblick auf den Schlafenden. "Der Kerl muss einen gesegneten Schlaf haben, hat sich wohl total betrunken! Der hört und sieht nichts, und im übrigen... ", ihre Augen wurden jetzt ganz groß, "... das hier ist der Mörder ! "
" Im Ernst ? " Paul lachte kaum hörbar aber recht ungläubig.
" Doch, doch ! " Sie nickte heftig.
" Sieh` nur ! " Margrit nahm ihn beim Ellenbogen, und zog ihn weiter bis zu den Schuhen. "Erkennst du sie wieder?"
" Huiiii... Tatsache ! " zischelte er zwischen seinen zusammen gepressten Zähnen. "Was du immer so alles entdeckst, schrecklich ! Selbst die Uhr an seinem Arm scheint genau die zu sein, welche dem Dörfler gehörte ! "
Der Lichtkegel seiner Taschenlampe wanderte weiter, huschte über den kleinen, mit kahlen Sträuchern bewachsenen Platz, und Paul murmelte dabei : Donnerwetter, das riecht hier aber gut... hmmm !” und dann wanderte sein Licht wieder über die Beine des Mannes und gelangte schließlich bis zu dessen Gesicht. Paul bückte sich, hob neugierig aber dennoch vorsichtig die Zweige des Busches an.
" D... das ist doch... dieser George ! " schäumte Paul aufgebracht.
" Hab` ich`s mir doch gedacht ! Er... er hat ihn also tatsächlich ermordet !" Seine Hand mit der Stablampe zitterte und somit auch der Lichtstrahl. "Einen unschuldigen Menschen hat der einfach in den Abgrund gestoßen, nur weil der ihm lästig geworden war ! Dieses Schwein... dieser... dieser Verbrecher ! Wer weiß, wer er in Wahrheit ist ? Vielleicht habe ich in allem Recht und er ist ein... du, warte mal!"
Er stieß Margrit mit Ellenbogen und Schulter so brüsk zur Seite, dass die beinahe hinfiel. "Womöglich finde ich sogar ein Indiz!" Seine Augen funkelten mit einem Male um die Wette mit dem Schein der Stablampe.
"Welches Indiz denn ? " krächzte Margrit. "Und warum bist du plötzlich so laut ? "
"Ruhe ! " raunte er nun wieder leiser. "Aha!" Nach einem kurzen Schwenker ruhte sein Lichtstrahl auf dem Gerät. „Huch! Puah, Da haben wir`s ! Er ist tatsächlich ein Hajep ! Denn hast du jemals so ein Ding gesehen ? Brrr! Widerlich! Der Kasten geht ja noch... kann man ja noch vertragen, aber das D... Dddding darüber ? Ein einziges diffuses Fasergebilde ! Wie sich das dehnt und streckt, als wäre es lebendig! Wirklich ekelig so was ! Ha, aber es ist so! Genau wie ich es dir schon immer gesagt habe." Er fuchtelte jetzt mit der Taschenlampe wild hin und her. ”Aber auf mich hört ja keiner ! Siehst du ? Siehst du ? Das ist sicher die verrückte Antenne ? Und der Kasten, von dem habe ich schon gehört, ganz so sollen nämlich die ‚Jumaks’, die Codiergeräte der Hajeps aussehen. He, wer sonst hat solche scheußlichen, geleeartige Sender außer ihnen ? Und ich sage dir noch etwas, damit hat dieses... dieses Insekt, oder was es auch sonst immer in Wahrheit unter seiner Menschenpelle sein mag, Kontakte mit ‚Scolo’ gehabt und womöglich sogar zuletzt die Raumschiffe auf uns gehetzt, die dich gejagt haben.“
„ Mich haben aber gar keine gejagt, Paul !“ warf Margrit ein.
„ Egal, dieser Schurke hatte schon so ein komisches Fernrohr und wollte mich in den Abgrund stürzen, er hat mich mit seinem Finger beschossen, aber nun... "
Margrit sah, dass Paul plötzlich seine Stablampe in die andere Hand nahm, der Lichtstrahl flimmerte und zuckte, während er ziemlich umständlich den Revolver aus der Jackentasche zog. Zuerst erstarrte Margrit entsetzt, dann stammelte sie ungläubig: "Paul ? Was ist jetzt los ? "
"Was soll schon los sein?" Er grinste schief. "Ich habe nur mit dieser schleimigen Kreatur eine alte Rechnung zu begleichen, das ist los! Das Geschöpf hatte vor, mich zu töten, aber nun bin ich am Zuge. Schade um die schöne Pelle dieses Kerlchens, wirklich ! "
" B... bist du verrückt ? " Sie packte ihn fassungslos am Arm. ”Nachher ist er doch ein Mensch gewesen !”
Er riss den Ärmel aus ihren Händen. "Das hier ist eine ganz reelle Sache. Ich bin sogar verpflichtet, so etwas umzubringen, ehe es noch mehr Unglück über uns Menschen bringt.”
Margrit drückte seine Hand soweit hinunter, dass der Lauf auf den Boden wies. "Es ist feige, jemanden im Schlaf abzuknallen ! Ob er nun Hajep ist oder nicht ! "
"So - oh? Und was machen die Hajeps mit uns, he?" Seine Hand wanderte bebend wieder herauf. Bebend deshalb, weil sich Margrit mit ihrem ganzen Körpergewicht auf seinen Arm legte. "Sie schießen mit ihren hochtechnisierten Waffen wahllos in hilflose Menschenmassen. Und dann denk` nur an diese komische Wolke. Wer weiß, ob wir nicht doch längst davon vergiftet worden sind und sich die Auswirkungen bloß etwas später zeigen! Findest du das alles etwa fairer?"
"Natürlich nicht, aber es ist gut, dass du mich an diese Wolke erinnerst! George stand nämlich auch darin, mittendrin, Paul!” Sie versuchte ihm nun, den Revolver zu entreißen.
"Dann war diese Wolke halt nicht vergiftet, Margrit !” Schweiß trat auf seine Stirn, denn Margrit war sehr anstrengend.
“Und er hatte Angst, die gleiche Angst, wie wir !” keuchte sie.
“Das hat der doch nur markiert, Margrit! Hach, du fällst aber auch auf alles rein ! “
“Und du? Woher willst du das denn so genau wissen?” stöhnte sie, während sie versuchte, seine Finger auseinander zu biegen, die den Kolben des Revolvers hielten.
Er grinste. "Dafür habe ich ganz einfach Gespür!"
“Paul!" Sie hatte jetzt Tränen in den Augen, sah ihn aber trotzdem sehr entschlossen an. "Du weißt, dass ich dich sehr lieb habe, aber wenn du dieses schlafende Kerlchen hier erschießt, werde ich dich nie mehr lieben können! Hörst du?"
"Was hat das denn damit zu tun ?" entfuhr es ihm überrascht.
"Sehr viel, denn ich verachte Leute, die jemanden, ohne zu wissen, ob er wirklich schuldig ist, einfach hinrichten! George hat noch nicht mal eine Chance, sich zu verteidigen." Margrit blickte wieder in das Gesicht des Burschen. Er schien von all dem Furchtbaren, was um seine Person geschah, auch nicht im Entferntesten etwas zu spüren. Ganz entspannt lag er da und schlief friedlich wie ein Kind.
“Also gut!” murrte Paul. “Hoffen wir, dass uns diese unsinnige Entscheidung nicht eines Tages doch einmal leid tun wird !” und er sicherte die Waffe und schob sie widerstrebend in seine Jackentasche.
“Ich danke dir, Paul!” Margrit ging jetzt so nahe an George heran, dass sie ihn mit ihrer Fußspitze in die Seite hätte stupsen können. “Ich kann dich ja verstehen, aber ich bin sicher, du wirst es nie bereuen.” Sie bog den Zweig des Busches, der über Georges Gesicht hing, wieder ein wenig zurück, beugte sich zu dem hinunter. "Ich werde ihn jetzt wecken", wisperte sie, "dann kann er uns ja erklären wie... "
"Untersteh` dich!" fauchte Paul entsetzt. "Himmel, bist du naiv !”
“Wieso ?”
“Na, wenn der wach ist, wird der uns doch gleich mit diesem komischen Sender, der dort steht, seine hajeptischen Freunde auf den Hals schicken. "
“M... meinst du wirklich ?” stammelte sie verwirrt.
“Ja, Frau Klugschnacker!” knurrte Paul kopfschüttelnd und sein Lichtkegel wanderte über Georges Hände. „Vor allen Dingen müssen wir ihn entwaffnen... he, wo ist denn sein komischer Ring ? Er hat ihn nicht mehr am Finger. Na, egal!“
„Soll ich George durchsuchen?“
„Aber, Margrit !“ Wieder schüttelte er fassungslos den Kopf. “Am besten, du klopfst ihn gleich ab, damit er auch wirklich wach wird, ja ?“
„Oh Gott, nein !“ Sie schlich schleunigst von George wieder weg.
Währenddessen wanderte Pauls Lichtkegel abermals zu dem kastenförmigen Ding. “Seltsame Kiste, wirklich!“ murrte er, war aber neugierig, schob sich das Haar aus dem Gesicht, lief mit schnellen Schritten darauf zu und blieb dicht davor stehen. „Auch wenn er ein Mensch sein sollte, so hat er schon mal Hajepgeräte von irgendjemandem bekommen! Und kann wohl auch mit diesen umgehen.“ Nach einigem Ringen mit sich selbst berührte er es kurz mit dem Daumen.
“Paul ?“ ächzte Margrit deshalb erschrocken. “Lass das lieber sein!“
„Der ist ebenfalls weich“, stellte er fest, ”und fast so gebaut wie eine Ziehharmonika. Wahrscheinlich, um ihn zusammenzuknautschen wie etwa Papier, wohl um ihn selbst auf engstem Raum unterbringen zu können! Ich wette mit dir, dass die hauchfeine Faserwolke, die über dem Ding schwebt, völlig verschwinden kann. Man muss sicher nur ein bestimmtes Sensorenfeld dafür berühren. He, hier hinten leuchten verschieden geformte Felder in den schönsten Farben. Ob ich mal eine davon berühre? Dieser komische George kann das doch sicher auch! Mal sehen, was dann passiert!”
“Nein! Tu`s bloß nicht ! Bitte ! ” zischte Margrit erschrocken und nagte an ihren Fingernägeln. “Du... du bist nicht George, der kennt sich da aus! Lass` um Gottes Willen dieses ‚Ding’ endlich in Frieden! Herr du meine Güte!“
„Ach, auf einmal sind wir ängstlich ? Hältst ihn wohl doch für einen Hajep, was ?“
„Nein, Quatsch, aber komm` endlich wieder her zu mir !”
“Komm` her zu mir!” äffte er sie geziert nach. “Denkst du denn, ich bin dämlicher als dieser... dieser George? Wie sich das anhört! Fast so wie : Fiffilein komm` endlich ! Hm, seltsam, weshalb er wohl diese Geräte bekommen hat ? Und vor allem von wem ?“
“Bitte Paul!” flehte sie. ”Lass` es trotzdem in Ruhe, ja ?”
“Haaaa !” freute er sich. “Ich habe wohl genau das richtige Feld getroffen !”
Margrit war wie erstarrt, da mit einem einzigen Schmatzer die Wolke in den Kasten hineingesaugt worden war. Stattdessen zeigte sich jetzt ein blitzender Henkel oben am Gerät. Noch ehe Margrit ihre Stimme wieder gefunden hatte, griff Paul zu, nahm das ‚Wabbelding’ hoch und schwenkte es leise lachend am schicken Tragegriff hin und her. Es schien so als hätte er gänzlich jede Vorsicht davor verloren. "He, ich hätte da eine Idee, wie wir diesen George ganz empfindlich für alles bestrafen könnten ! " schlug er jetzt blitzenden Auges vor.
„So? Aber du weißt doch gar nicht, ob er überhaupt irgendwie Schuld hat, Paul !“
„Aber sicher doch! Meinst du denn etwa immer noch, dass er, wenn wir ihn wecken würden, uns tatsächlich die Wahrheit eingestehen würde? Der Kerl lügt doch wie gedruckt. Er wird meiner Frau Klugschnacker schon die richtige Geschichte erzählen. Wirklich Margrit", er lief um den Schlafenden herum, bückte sich und ergriff mit der anderen Hand Georges gestohlene Schuhe, "wie stellst du dir denn das alles eigentlich vor?" Er warf einen Blick auf die Uhr am Handgelenk des Schnarchers, wagte sich da aber nicht heran. "Meinst du denn, wenn heraus käme, dass er tatsächlich Schuld hat, wir könnten diesen bärenstarken Typen hier so einfach gefangen nehmen und ihn abschleppen? Selbst wenn uns das gelänge, wohin anschließend mit ihm? Wo gibt es hier noch Polizei? Wo Gerichte? Alles geht doch drunter und drüber. Also, müssen wir ihn selbst bestrafen.“
„Na gut!" wisperte sie aufgeregt. "Wir bestrafen ihn, indem wir ihm sein Rad wegnehmen, das er ganz bestimmt unten in der Nähe versteckt hat....“
„Gute Idee!“ meinte er überrascht. „Hätt` ich dir gar nicht zugetraut !“
„.... und.... und wir holen uns seinen Rucksack...”, sie brach ab, bückte sich und tastete, wenn auch ängstlich, eines der in Papier eingewickelten Dinge ab, die im Grase lagen. Es fühlte sich weich und angenehm an und das nächste auch. Sie hob es auf und schnupperte daran. “ Hmmmm... lecker !” rief sie Paul zu und ihr Magen bestätigte rumpelnd die herrliche Feststellung. ” Hab` ich`s mir doch gedacht. Das hier ist Proviant, alles fein säuberlich in Papier gehüllt !” Sie wickelte das Päckchen auf.
“Oh, gebratenes Hühnchen !” Margrits Aussprache war inzwischen etwas undeutlicher, da ihr - im wahren Sinne des Wortes - das Wasser im Munde zusammengelaufen war. Sie war so hungrig, dass sie sich kaum durchringen konnte, das Päckchen wieder fest einzuwickeln. “Woher hat das Kerlchen das bloß alles ergattert ? Ein bisschen von dem Proviant werden wir ihm aber lassen, damit er nicht verhungert, und die Schuhe braucht er auch. Er scheint keine anderen mehr zu haben."
"Wie gütig!" knurrte Paul. "Nein, nein, liebe Margrit. Wenn, dann machen wir schon Nägel mit Köpfen! Wir werden ihm alle Sachen wegnehmen, die lebensnotwendig sind und ihm ein weiteres Vorwärtskommen ermöglichen. Und dann wollen wir mal sehen, ob er uns weiter verfolgen kann und ob es ihm noch immer so gut geht."
"Nein, Paul! Die Hajeps suchen doch alles nach irgendetwas ab. Wenn sie dann mit ihren hochtechnisierten Geräten George entdecken? Ich weiß nicht, was sie mit ihm machen werden. Lass` ihm wenigstens die Schuhe, damit er weglaufen kann.”
"Kommt nicht in Frage ! Ein solches Ende hat der Kerl doch verdient ! "
"Nur, weil du meinst, er habe dich in den Abgrund stürzen wollen? Nur wegen eines bloßen Verdachtes ? "
"Wenn er auch kein Hajep sein sollte, Margrit, so arbeitet er zumindest mit Hajeps zusammen. Das beweist doch dieses Gerät! Hajeps wollen die Menschen ausrotten und er gehorcht ihnen dabei ganz gewiss, sonst hätte er nicht solch einen Kasten von ihnen erhalten. Also kannst du mich nicht mehr davon abbringen Margrit. Sei froh, dass ich ihn nicht erschossen habe und diesen Kompromiss wähle."
Mit den Schuhen und dem Gerät begab er sich nun bis zum Rande der felsigen Plattform und Margrit folgte ihm, nachdem sie seufzend Georges Rucksack ergriffen und in diesen all die leckeren Dinge, die hier herumlagen, hineingepackt hatte. Der Sack war ziemlich schwer, und sie warf ihn sich deshalb über die Schulter. Dabei entwich ihm ein wunderbar leckerer Duft.
‚Eigentlich bin ich ein richtiger Dieb!’ dachte sie beklommen. ‚Na ja, vielleicht ist er wirklich ein Mörder und Hajepfreund!’ versuchte sie ihr Verhalten zu entschuldigen, während sie Paul mit großen Schritten weiter hinterher schlich.
Dieser ließ nun die Schuhe, da sie ihm nicht passten, und den Apparat in die Tiefe hinabstürzen, in einen Riss im Bergmassiv, einem schmalen, aber recht tiefen Loch und er horchte, wie es im felsigen Grund aufklatschte.

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Worgulmpf hielt das Messer ins Feuer. Er musste es sterilisieren. Wenn er Gulmur, ach, eigentlich sie alle, retten wollte, musste er ihm das `Ding` aus dem Oberschenkel entfernen. Es hatte sich dort ziemlich tief ins Fleisch hineingefressen. Würde er es je hinaus bekommen? Er war kein Arzt, hatte also kaum Erfahrung in solchen Dingen. Doch es musste schnell geschehen, sonst war jede Hoffnung, den Hajeps doch noch zu entkommen, dahin. War dieses Ding ein kleiner Sender oder gar giftig? Wie es auch sein mochte, im Moment zeigte Gulmur keinerlei Anzeichen von Schwäche, auch schmerzte die winzige Verletzung nicht einmal sonderlich. Eigentlich durfte Gulmur sich gar nicht beklagen, denn in allem Unglück hatten sie noch einmal `Faisan` (Glück) gehabt.
Gulmur war gemeinsam mit vielen Gesteinsbrocken einen Teil des Berges hinabgerollt, weil der Pass beschädigt gewesen war. Die Schergen Chiu-natras hatten ihnen von oben hinterher gefeuert, nachdem Slorbunka, der seine Freunde in eine Falle locken sollen, sie gewarnt hatte. Dieser musste seine Treue zu Worgulmpf mit dem Leben bezahlen, doch sein Opfer war wohl nicht umsonst gewesen, da sie sich rechtzeitig weit genug aus der Schusslinie der Loteken entfernen konnten, so dass der Gondrumstaub Worgulmpfs Rudel nicht enttarnte. Jedoch hatten sie ihnen `Puktos` hinterher gesandt. Schwärme von käferartigen Minirobotern, deren Aufgabe nicht nur darin bestand, sich in das warme Fleisch der Beute hineinzubohren, sondern auch dort - erst einmal fest verankert - entweder elektrische Signale an den Feind abzugeben oder aber ein Betäubungsmittel, mitunter sogar Gift auszustoßen.
Worgulmpfs Jüngster und sein großer Bruder hatten durch ihren Sturz das schützende Tarnschild verlassen und waren für einen Moment auffindbar für die wild umherschwirren `Puktos` gewesen. Gulmur hatte die Hände seines Vaters gespürt und ihm zuerst seinen kleinen Bruder in die Arme gelegt. Er selbst war, bevor man auch ihn in die feuchte und kalte Schutzhülle hatte ziehen können, von drei Puktos gebissen worden.
Bei den Göttern, man konnte wirklich von Glück reden, dass Gulmur solch eine Lederhaut besaß. Dadurch hatte sich ihm nur einer dieser hochgefährlichen Käfer in die Innenseite seiner Schenkel bohren können. Es war gut, dass ihnen dieser Georgo, dem sie wenig später zufällig begegnet waren, bei einem Handel gegen Nahrungsmittel dieses fantastische Fernrohr überlassen hatte, denn damit konnten sie den Feind vielleicht schon vorzeitig sehen.


Georges Rad ließ sich tatsächlich leicht finden. Er musste zu dieser Zeit bereits ganz schön betrunken gewesen sein, dass er es so offensichtlich hatte stehen lassen. Paul war froh, dass er nun nicht mehr die schweren Koffer schleppen musste. Fingerfertig band er sie auf dem Fahrrad fest. Die kleine Familie schlief nur kurz in ihren Verstecken, denn wieder schickte man sich an, die Schlafplätze zu verlassen, noch bevor der Morgen graute. Gegessen wurde nur wenig und das auch noch unterwegs. Trotzdem freuten sich die Kinder derart über Hühnchen, Brot, Wurst und Käse, dass ein Gefühl eintrat, als würden Ostern und Weihnachten zugleich gefeiert.
Nur Margrit kämpfte immer noch mit einem schlechten Gewissen, denn sie hatte in ihrem ganzen Leben nie jemanden bestohlen. Ach, ihr Verhalten war doch im Grunde recht niederträchtig gewesen! Jedoch die frohen, glänzenden Augen der Kinder machten vieles wieder wett.
Frisch gestärkt und mit genügend Fahrrädern, kamen sie viel schneller die schmalen Gebirgsstraßen und Wege vorwärts als sonst. Obwohl der Plan alt war, nach welchem sie sich richteten, denn die Hajeps hatten ja vieles landschaftlich verändert, näherten sie sich ziemlich zügig Coburg, wo sie sich vorübergehend ausruhen wollten, um sich dort für den weiteren Weg nach Würzburg zu stärken.
Zwar war Coburg eine größere Stadt, aber deshalb vielleicht auch ein lohnender ‚Leckerbissen’ für die Hajeps, wenn sie sich irgendwann mal über Menschen hermachen wollten. Margrit vermutete, dass aus diesem Grunde die meisten Leute nicht direkt dort hin flüchteten, sondern lediglich in die Nähe der Stadt. Nur die Einheimischen schienen in den Städten tapfer auszuhalten.
George hatte Margrit unter anderem erzählt, dass die Hajeps Coburg noch nicht ein einziges Haar gekrümmt hätten.
Auch Eibelstadt - ganz Nahe von Zarakuma - sollte vorerst nichts geschehen sein, was seinem Sprüchlein vom Jäger und den Hasen eigentlich recht gab! Woher kamen seine Behauptungen, sein ganzes Wissen? Von wem erhielt er Hajepgeräte? Wozu brauchte er solche Dinge und von wem hatte er die leckeren Nahrungsmittel bekommen? Margrit und erst recht Paul waren jedenfalls vorsichtig, mieden die Wege zwischen den Wiesen und brachliegenden Feldern oder gar in der Nähe von Gleisen und Bahnhöfen und blieben im Gebirge. Nach zwei Tagen war das sparsam eingeteilte Proviant verzehrt.
Traurig kramte Margrit darum eines schönen Nachmittags in Georges zerknautschtem Rucksack nach dem letzten Stücken Brot. Die kleine Schar hatte sich rings um sie versammelt und wartete hungrig, bis auf Munk, den hatte Muttsch gerade frei gelassen, weil er sich wieder selbst etwas für seinen Magen besorgen sollte. Margrit spähte lange aufmerksam in das Dunkel des Sackes und die Kinder trampelten ungeduldig von einem Bein auf das andere. Doch sie ließ sich nicht nervös machen. Vielleicht fand sie, wenn sie gründlich war, dort mehr als sie vermutete! Tatsache! Jetzt fühlte sie hinten in einer Falte zwischen allem Papier ein etwa handgroßes Stück. Das hatte sie die ganze Zeit übersehen. Allerdings war es ziemlich hart...etwa ein Kanten? Sehr hart sogar !
Sie verzog angestrengt das Gesicht und beförderte das Teil gemeinsam mit weiterem Papier an`s Tageslicht, hob es mit beiden Händen hoch und der Wind wirbelte die einzelnen Seiten fort, ähnlich wie bei einer welken Blüte, die allmählich Blatt um Blatt verliert, und nicht nur die Kinder sammelten das Papier ein, besonders Munk faszinierten die wirbelnden Blättchen. Staunend und mit offenem Mund blickte der kleine Kreis schließlich auf das, was von dem wüsten Blätterhaufen übriggeblieben war.
Margrit bemerkte die Verwunderung und konnte sich das nicht erklären. Was hatten sie nur? Doch als das letzte Blatt vor Margrits Augen verschwand, sah auch sie, was zwischen ihren Händen steckte. Es war kein Kanten Brot - oh nein - sondern irgendetwas, das im Licht der warmen Nachmittagsonne funkelte und glitzerte wie ein schöner Stein.
“Er...er hatte also noch ein Hajepgerät ! ” keuchte Margrit mit großen Augen.
“Donnerwetter und das haben wir nun die ganze Zeit arglos mit uns herumgeschleppt.“ Entfuhr es Paul ebenso entgeistert. “Dieser sogenannte George besaß also zwei von den komischen Teufelsdingern und noch dazu diesen komische Fernrohr und diesen...diesen Ring, mit dem er mich fast erschossen hätte, das wollen wir dabei nicht vergessen !“
„Das du so etwas nicht vergisst, ist mir klar, Paul !“ Margrit lachte.
„Gerade du musst lachen, wo du so ein Hasenfuß bist, Margrit !“ murrte Paul. „Ich möchte dich mal sehen, wenn mit solch einem Ding auf dich geschossen wird...“
„Ich verstehe nicht, warum ihr euch gerade jetzt streiten müsst“, jammerte Muttchen. „Wer weiß, was das für ein Teufelsding ist, was meine Tochter in den Händen halten muss. Margrit, leg` doch bitte das Ding endlich in`s Gras ja ?“
Doch die regte sich nicht. „Wozu man das wohl nutzen soll ?“ fragte sie nur.
„ Hm...ich finde, Muttsch hat recht !“ begann jetzt auch Paul. „Denn dieses ‚Ding’ sieht irgendwie... wie eine...eine Bombe aus ?” ächzte er jetzt entsetzt.
Die Kinder quietschten bei diesem Wort voller Panik, entfernten sich blitzartig ein gutes Stück von Margrit und klammerten sich eng aneinander.
Munk hingegen zeigte sich unberührt. Er spielte in Margrits Nähe mit einem Stückchen Papier.
“Leg es ganz....ganz vorsichtig auf den Boden, Margrit.” Paul rang dabei unauffällig um Beherrschung und ging ebenfalls mit möglichst ruhigen Schritten zurück. “Verdammt, warum zögerst du? Hier zum Beispiel ist Moos, vielleicht eine gute Stelle, da kann es nicht...hm...äh....explodieren! Mein, Gott du arme Maus...”, jammerte er schließlich aus einiger Entfernung.
Munk war wohl das Papier inzwischen langweilig geworden, denn er beschnüffelte nun das Ding in Margrits Händen sehr eingehend. Es war wunderbar glatt und vor allem warm, darum begann er seine Backe daran zu reiben.
„Oh, verkackte Scheiße!“ krächzte Tobias deshalb entsetzt und Julchen schloss sicherheitshalber die Augen.
„Munk!“ kreischte auch Muttchen. “Wer fängt mich auf, mein Kreislauf, ich werde ohnmächtig !“
Leider waren weder Munk noch Margrit fähig, von diesem Ding zu lassen, denn es gefiel ihnen gleichermaßen.
“Munk, komm sofort her! Ach, Margrit, warum machst du denn nichts?” wimmerte Muttchen.
Endlich reagierte Margrit doch, wenn auch langsam, bückte sich etwas und ließ das oval geformte ‚Metallding’ vorsichtig ins Gras gleiten. Munk war begeistert, denn dort unten sah es aus wie eine riesige Maus!
“Aber es war irgendwie warm!“ murmelte Margrit fast wie in Trance.
„Ja, sicher war es das, nämlich von der Sonne aufgeheizt !“ murrte Paul. „Margrit, komm endlich zu mir rüber!“
„War es denn heute so heiß ?“
„Herr du meine Güte! Hinterfrage nicht immer alles sondern komm` endlich !“ brüllte er zu ihr hinüber.
„Das hört sich ja fast so an wie: Komm` her Pfiffi !“ brüllte sie keck zurück. „ Ach ja, ich kenne da jemanden, der so etwas neulich auch zu mir gesagt hat !“
„Im Gegensatz zu dir habe ich aber mehr Ahnung über außerirdische Waffen und Geräte, meine liebe Margrit!“
„Ach ja ? Warum ? Etwa, weil du ein Mann bist ?“
„Mein Gott, so streitet euch doch nicht andauernd“, jammerte Muttchen.
„ Und ich sage, dass wir es uns ruhig einmal anschauen sollten ! „ beharrte Margrit. „...denn das Ding ist wunderschön...Munk, hör`endlich auf, es mit deiner Pfote zu bepatschen !“
„ Ihr solltet beide aufhören!“ gemahnte sie Paul“ Los, schnapp dir den Kater und komm hier her...! “
„ Ja, wir bitte, gehen wir von hier schnellstens weg !“ jammerte Muttchen.
„Ach, ihr wisst ja gar nicht, wie toll dieses Ding gestaltet ist“, erklärte Margrit mit verzückter Stimme. „Man kann dafür keine Worte finden...oh, seht nur... da! Hör endlich auf, Munk!” Sie schuppste seine Pfote weg und ihr Finger wanderte behutsam den glatten Rücken des ‚Dinges’ entlang. Alles ächzte abermals erschrocken bis auf Munk, der fauchte, weil er nicht bei Margrit mitmachen durfte. „Dort ist etwas eingraviert! Seht ihr?”
Munk beleckte sich die Schnauze vor Aufregung, Julchen kam näher und Tobias schlich ihr hinterher.
„Bist du verrückt, die Kinder anzulocken?“ schimpfte Paul erschrocken. “Was ist mit dir plötzlich los, he?“
„Da... da is Schrift, stümms?“ piepste Julchen, die sich zu Margrit hinunter bückte.
„Kannst du das lesen, Mamms ?” fragte Tobias und holte seinen Blaui hervor, um diesen notfalls gegen das Ding zu werfen, falls es angriff!
Margrit schüttelte den Kopf.
„D...da drunter ist eine sch... schwarze Schlange, stümms!” wisperte Julchen weiter. “Aber ich mag nich Schlangen. Igitt ! “
„Das is doch gar keine richtje Schlange“, Tobias zog den Schnodder in seiner Nase hoch, „die hat nämlich Ohren wie der Munk !“ stellte er fest.
Munk fühlte sich wohl deshalb nicht beleidigt, denn er strich Tobias um die Beine.
„Es gibt nich Schlangen mit Ohren, stümms? ” Julchen wandte sich dabei an Paul, der immer noch an seinem Platz geblieben war.
„Das ist doch völlig Wurst”, brüllte der verdrießlich von weitem, „weiß der Himmel, was es heutzutage alles geben kann! Meinethalben auch Schlangen mit und ohne Ohren. Für uns ist doch nur eines wichtig, endlich von diesem ‚Ding’ wegzukommen und zwar so weit wie möglich, damit es uns nicht schaden kann.“
„Er hat eigentlich recht, Kinder“, sagte Margrit, wie aus einem Rausch erwacht, „fassen wir es besser nicht mehr an. Es nutzt uns zu nichts ! Wir können es auch aus diesem Grunde getrost hier liegen lassen !“
„Ich hab` Hunger, Mamms !“ fiel es Julchen plötzlich wieder ein und sie rieb sich ihren Bauch, in dem es ordentlich zwickte.
„Den haben wir alle!“ murrte Paul. “Komm, Margrit. Wir müssen darüber nachdenken, wie wir zu Essen kommen können. Muttsch kennt zum Beispiel einen Bergbauern, doch der ist, glaube ich, recht weit von hier entfernt.“
So nahmen sie ihre Fahrräder und marschierten schnellstens los. Ja, sie drehten sich nicht noch einmal um, so sehr waren sie miteinander im Gespräch. Darum konnten sie auch nicht sehen, dass Tobias noch ein wenig verweilte und zwar deswegen, weil er sah, wie nun Munk mit diesem gefährlichen Gerät ohne jede Furcht herumspielte. Der Kater gab dem Blitzebällchen jedes Mal einen leichten Stups mit der Pfote. Es zischte elegant durchs Gras von ihm fort, kam aber sofort wieder zu ihm zurück. Das war natürlich herrlich, doch ehe Munk so richtig auf Touren kommen konnte, hörte er, wie er gerufen wurde, Tobias ebenfalls.
„Ich komme!“ antwortete Tobias möglichst brav, wartete aber, bis ihm alle wieder den Rücken zudrehten und dann hob er das ‚Ding’ vom Boden auf, putzte es kurz mit dem Ärmel schön blank und ließ es – Munk schaute deshalb ziemlich enttäuscht drein - in seinem Rucksack verschwinden. „Ich verspreche, dass du es auch manchmal haben kannst, ganz ohne Scheiß!“ krächzte er zu Munk hinunter, doch dieser fauchte nur zur Antwort.

Spät am Abend, als man wieder in einer Höhle nächtigte, und die Erwachsenen noch immer darüber beratschlagen mussten, wie man endlich zu Nahrung kommen sollte, holte Tobias ‚es’ aus seiner Schlafdecke hervor und betrachtete es im Schein des Feuers. ‚Es’ sah darin noch schöner aus als je zuvor.
Er wendete ‚es’ schließlich hin und her und befand plötzlich, dass es wie der keilförmige Kopf einer Schlange aussah, aber auch wie ein kleines Raumschiff! Er hob es, inspiriert von diesem letzten Gedanken, sogleich ein wenig an, bewegte es hin und her, als schwebe es frei in der Luft und gab dazu passend leise Summ- und Pfeifgeräusche von sich.
Niemand achtete auf ihn außer Julchen natürlich, die nur ein kleines Stückchen von ihm entfernt unter ihrer Decke lag. “He, was machst du denn da?” quiekte sie aufgeregt.
“Öh, nichts!“ Wie der Blitz hatte Tobias das ‚Raumschiff’” unter seiner Schlafdecke verschwinden lassen.
„Aber, da war doch was ?”
„Was soll schon sein !” ächzte er verlegen.
„Doch, da war was!” Julchen richtete sich völlig auf und kreischte: “Ich hab` es ja gesehhäään! Ätschebätsche!”
„Na gut!“ ergab er sich hilflos. “Sei endlich still, Plapperliese, dann verrat` ich`s dir, aber du darfst es niemand weiter sagen, ohne Scheiß!”
„Indianerehrenwort !”
„Also... “, Tobias machte eine feierliche Pause, ehe er ihr zuwisperte, “ich hab` jetzt ein eigenes hajeptisches Flugschiff !” Er warf sich stolz in die magere Brust.
„I... im ERNST ? ” quietschte Julchen entgeistert.
„Schschscht, Schnatterente ! Nich so LAUT !” Er blickte angstvoll um sich.
„Ich hab` eins... und zwar `n echtes, kannste glauben!”
Julchen warf ihre Decke von sich und krabbelte auf allen Vieren zu Tobias hinüber.
„Zeigen !” befahl sie leise, kaum dass sie Tobias erreicht hatte.
Gemeinschaftlich guckten sie unter dessen Bettdecke.
„Ist was mit Euch?” knurrte Paul zu ihnen hinüber und der Deckenhaufen fuhr ertappt zusammen. Paul saß, genau wie Muttchen und Margrit, direkt vor dem Feuer, und er wollte sich sofort erheben, zu den Kindern hinübergehen und für Ordnung sorgen.
Muttchen hatte gerade von alten Zeiten erzählt, in denen man es wirklich viel besser gehabt hatte und Margrit hatte ihr so aufmerksam zugehört, dass sie kaum registrierte, was die Kinder inzwischen machten. Sie warf einen schnellen Blick zurück, hielt Paul am Hemdzipfel fest und sagte: ”Laß` doch die Kinder ruhig unter einer Decke schlafen, wenn sie das so gern` wollen, Paul !”
“Aber sie machen da irgendetwas !” protestierte Paul, setzte sich jedoch wieder.
„Mannohmann Tobi, das darfst du doch gar nicht!“ hörte nun auch Margrit Julchen piepsen. Margrit lehnte sich umständlich nach hinten und drehte ihren Oberkörper fast völlig herum. Da sah auch sie, dass die beiden unter der Decke sehr miteinander beschäftigt waren. “Hast du denn die Mamaa gefragt?“ hörten sie dumpf Julchens überraschte Stimme. “Brauch` ich nich, Schnatterliese !“

“Naaaa-ah ? Hast du`s endlich gehört ?” zischelte Paul empört.
Margrit sagte zunächst nichts, drehte sich jedoch wieder zurück, winkte Paul dichter zu sich heran, dieser gehorchte abermals.
“Mein lieber Paul”, wisperte sie, ”ich habe Psychologie studiert...”
Er seufzte genervt.
“... und daher sage ich dir, dass Kinder nicht schlafen müssen, wenn sie nicht wollen! Was sollen sie schon unter dieser Decke großartiges tun ? “
„Mann, Tobi“, juchzte Julchen jetzt, „das Ding ist ja ne Wucht! “
„Da hörst du`s !“ knurrte Paul und errötete dabei etwas.
Margrit fuhr zurück und berührte dabei fast Pauls Nase. „Laß` sie doch machen !“ wisperte sie und wurde nun auch ein bisschen rot. “Sonst sind sie später ...äh... verklemmt, verstehst du, was ich meine ?“
Er nickte und dann saß er noch für ein Weilchen verstört und nachdenklich da, während Margrit seelenruhig ihr Gespräch mit Muttchen fortsetzte. Hatte Margrit nun recht oder nicht ? Endlich fiel ihm zu seiner Erleichterung ein, dass ihm ja Kinder eigentlich ziemlich gleichgültig waren. Und er nahm deshalb guten Mutes seine Decke und machte es sich in einer Ecke der Höhle gemütlich.
“Auweia, was ist denn jetzt passiert?” wisperte Julchen erschrocken, nachdem sie auf Tobias Anraten dem Ding wieder einmal einen kleinen Schupps gegeben und es unter der Bettdecke von ihr fortgesaust und wieder zurückgekommen war. „Auf der einen Seite wird das Ding plötzlich ...so weich! Es wird uns alle tot machen!”
“Quack!” Tobias lachte krächzend. “Das tut niemand was ! Es ist lieb! ”Spontan nahm er es aus Julchens zittrige Händchen. “Nanu? Da wird es wirklich etwas weich”, entfuhr es Tobias leider etwas zu laut und daher hörte es auch Paul. Dieser warf sich deshalb auf die andere Seite. “Aber sonst fühlt es sich das Ding noch immer hart an.“
Paul hielt sich die Ohren zu.
„Was ist denn ...d... das?“ rief Julchen nun verekelt. „ Tobi, Tobi ...igitt... nein, nicht auf deiner Seite, auf meiner ....nun guck doch mal, da... da kommt ja etwas heraus? Oh, ich mag keine Spinnen !“
„Wo ist da was ? Ich sehe nichts ?“ krächzte Tobias.
„Jetzt... jetzt hat es ja auch sein Bein...“, Julchen schluckte, „...wieder eingezogen. Das war ganz voller Haare und... bäh!“ Julchen würgte sich, konnte einfach nicht mehr weiter sprechen.
„Ach, du spinnst, Plapperliese !“
Doch Julchen war bereits unter ihrer eigenen Decke, wo sie nach einem heftigem Zitteranfall endlich einschlief.
Tobias schlief in dieser Nacht auch nicht besonders gut. Julchens letzte Worte hatten ihn doch nachdenklich werden lassen und so hatte er dem Ding einfach die Freiheit gegeben und es schweren Herzens neben sich auf den Boden gelegt, statt es mit unter seine Zudecke zu nehmen, so wie er das sich eigentlich erst vorgestellt hatte.
Auch Munk schlief in dieser Nacht kaum. Freilich aus einem anderem Grunde, hatte er doch dem herrlichen ‚Trudelding’ hinterher wieseln müssen, dass ihm Tobias überlassen hatte. Wie ein Verrückter spielte er so lange ‚mutiger Kater fängt doofen Käfer’ bis auch er darüber einschlief.
Am anderen Morgen musste Tobias natürlich sehr lange suchen, bevor er sein Raumschiff, verborgen unter Munks dicken, mit Mäusen vollgefressenen Bauch wiederentdeckte. Wenn es nun tatsächlich Insektenbeine haben sollte, konnte man es dann trotzdem mitnehmen oder nicht? Das war eine schwere Entscheidung, ohne Scheiß!

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