Das Licht der Hajeps
von doska

 

Kapitel 13

Kapitel 13

Margrit hatte sich entschlossen, Eile an den Tag zu legen, denn George in solch einer Situation womöglich viele Stunden alleine auf Hilfe warten zu lassen, kam für sie überhaupt nicht in Frage. Vielmehr hatte sie vor, Poma¬denmaxe um Hilfe zu bitten, da sie gehört hatte, dass dieser ein Auto haben sollte und sogar zwei Motorräder. So konnte George vielleicht noch heute verarztet werden. Leider musste sie sehr lange laufen, erst einmal durch die ganze Stadt hindurch, um ´ Pommi´, wie er von allen scherzhaft genannt wurde, noch einigermaßen schnell zu erreichen, weil George Margrit nur bis zum südöstlichen Ende der Stadt gefahren hatte.
Selbst der beschauliche Anblick dieser immer noch hübschen Stadt konnte sie nicht von dem Vorsatz abbringen, so fix wie möglich nach stehen gelassenen Säcken mit lebensnotwendigen Dingen in den Straßen Ausschau zu halten. Doch leider hatten die Leute hier am Stadtrand wider aller Erwartungen bereits alles ´abgeerntet´. Also lief sie weiter in die Stadt hinein. Danox hielt sich währenddessen im Unkraut versteckt, das hier überall fleißig gedieh und umkreiste, ja, bewachte Margrit, dabei jeden Winkel mit seinen roten Glühlämpchenaugen auskund¬schaftend, ständig einen tief klingenden Ton von sich gebend, ganz so, wie sie das einige Tage vorher durchge¬übt hatten.
Margrit spähte ihrerseits unsicher zu den alten Häusern hinauf. Vorhänge hingen noch hinter Fenstern, oft konnte man Lampen an Zimmerdecken erkennen, Schränke, Betten und Kommoden, wenn man nur genauer hinschaute, als würde immer noch jemand dort leben. Also waren die Möbel noch nicht von Schilkis (Schwarzhändlern) ausgeräumt worden, aber für Margrit in dieser Situation kaum transportabel.
Irgendwie rumorte doch ein wenig Nervosität in Margrits Eingeweiden. Du lieber Himmel, wenn nun die schrecklichen Töpfe, die sie in der einen der drei ramponierten Taschen mit sich trug, nur das Einzige bleiben sollten, was sie Pommi anzubieten hatte, was machte sie dann ? Außerdem waren sie recht unhandlich. Die dünnen Henkel vom Beutel schnitten Margrit mehr und mehr in die Finger, je länger sie lief. Aber sie biss die Zähne zusammen.
Danox schwamm, während Margrit über eine kleine Brücke lief, zu ihrer Überraschung unter ihr in dem schma¬len Flüsschen wie ein eleganter Silberfisch dahin. Was das Wesen alles konnte! Ständig überraschte es sie. Auf der anderen Seite der Brücke war ein verwilderter Park und es gab auf der rechten Seite eine Böschung mit den Resten der alten Stadtmauer. Dort würde Margrit wohl kaum etwas zum Mitnehmen finden. Aber dahinter waren wieder Häuser und Straßen, durch welche die Menschen mit ihren Sachen gezogen waren, was sie noch von damals recht gut in Erinnerung hatte. Margrit setzte die schwere Tasche ab, blickte dabei noch einmal zurück zum Stadtrand, den sie nun verlassen hatte und lauschte. Es klappte dort noch immer kein Fenster, keine Tür rumpelte, keine Stimme, weder in der Nähe noch aus der Ferne war zu hören. Und die Tiere ? Wo waren eigent¬lich die Tiere geblieben ? Die mussten doch wenigstens da sein ! Margrit runzelte die Stirn. He, in den Gärten bellte nicht einmal ein Hund, geschweige denn ein Hahn schrie von irgendwo !
Mit gesenktem Haupt verließ sie schließlich die Brücke. Ach, das alles war so schrecklich traurig ! Das herrliche Würzburg gehörte also von nun an auch zu den sogenannten toten Städten. Gott sei Dank schien die Sonne und gab dem kleinen Park und der Anhöhe mit den hervor lugenden Zinnen immer noch etwas anheimelndes. Erstaunlich eigentlich, dass die Hajeps manche Städte, so wie Würzburg, nicht dem Erdboden gleich machten und auch später nicht einmal veränderten! Kannten die außerirdischen Eroberer etwa ein ähnlichen Geschmack wie die Menschen ?
Etwas kratzte Margrit jetzt an der Wange. Sie fuhr erschreckt zusammen, doch dann schob sie schmunzelnd das kecke Birkenzweiglein beiseite, das sich in ihrem Haar verhakt hatte. Überall wuchsen hier diese jungen, schlanke Birken, waren genügsam, saßen zwischen Felsbrocken, türmten sich die bis auf etwa sechs Meter lang¬sam ansteigende Böschung hinauf.
Aber was war das plötzlich dort oben ? Etwa ein Motorradfahrer ? Er untersuchte gerade die Reifen seiner ziem¬lich aufgemotzten ´Kiste´ und hatte sich daher hingekauert. Margrits Herz hüpfte. Im Geiste sah sie sich schon die Böschung emporklettern, ihm winkend und rufend entgegenlaufen, denn sie freute sich sehr, endlich in dieser Einöde einen Menschen zu entdecken. Doch sie zögerte lieber etwas, was wohl nicht falsch war, denn als sich der kräftige Kerl mit einer geschmeidigen Bewegung zu seiner vollen Größe aufrichtete, musste sie feststellen, dass er irgendwie etwas ganz anderes war, ihr Herz krampfte sich zusammen, als ein Mensch. Um das zu sein hatte er nämlich viel zu lange Arme, obwohl ihm die Schutzkleidung trotzdem zu passen schien, und einen gewaltigen, muskelbepackten Oberkörper. Seine Beine waren sehr kurz und krumm und er hatte erstaunlich große Füße. Nun schaute er sich prüfend um und Margrit hatte dabei Zeit genug, eine flache Stirn zu bestaunen, extrem buschige Brauen, sehr kleine Augen und eine flache, ein wenig über die Oberlippe ragende Nase. Der Mund war ziemlich weit vorgeschoben, etwa wie ein Maul, schmallippig und an seinem kleinen, fliehenden Kinn schienen vereinzelt recht lange Haare abzustehen.
Zack ... schon war das ´Geschöpf ´ hinter der Mauer verschwunden. Gott sei Dank hatte es Margrit nicht gesehen ! Sie schob sich zitternd ihre Brille auf der Nase zurecht. Träumte sie etwa schon am helllichten Tage ? Es war wirklich ein zu komisches Wesen gewesen um tatsächlich zu existieren, zumal es - Margrit schluckte bei diesem Gedanken – eine ziemlich ungewöhnliche Hautfarbe hatte, nämlich grün, genau genommen moosgrün ! Nach einigem Ringen mit sich selbst führte sie sich dessen Gestalt noch einmal vor Augen. Also kleiner als ein Mensch, dafür sehr wuchtig, am Kopfe nach allen Seiten abstehendes, krauses, recht langes Haar von schwarz-grüner Farbe ! Sehr breite Schultern, dafür kaum einen Hals. Sie nahm die Brille ab und putzte diese ziemlich hektisch mit dem Zipfel ihres Hemdes. Womöglich waren ja auch nur die Gläser dreckig und sie hatte einen Krümel trockenes Blatt, vielleicht hinuntergefallen von diesem Baum, für diesen – na ja, recht merkwürdigen - Schatten gehalten. Margrit setzte die Brille endlich wieder auf, denn ewig putzen konnte sie die ja nicht - verdammt, warum zuckten ihre Finger dabei so dämlich ? - und duckte sich abermals hinter der alten Birke, mehr noch hinter dem strammen Forsythienbusch, der gleich darunter wucherte, und wartete tapfer auf das, was sich dort oben vielleicht noch einmal zeigen würde.
Huch! Tatsächlich ! Schon wieder ! Sie hatte sich also nicht geirrt !
Noch so ein Geschöpf kam jetzt hinter der grauen Mauer hervorgeschlendert, war jedoch etwas kleiner und zier¬licher, turnte einfach hier herum. Es schlenkerte dabei wild mit seinen langen Ärmchen, schien irgendwie aufge¬regt zu sein. Margrits Herz pochte. Sie keuchte. Denn nun kam auch noch eine ganze Gruppe dieser Wesen von der anderen Seite der Mauer und zwei von ihnen schoben dabei Motorräder auf den schmalen Weg. Sie waren so sehr miteinander im Gespräch, dass sie das Kind – sofern es denn eines war - dabei kaum beachteten. Der, welchen Margrit vorhin zuerst gesehen hatte, kam ihnen entgegen und zwängte dabei seinen eigenartig geform¬ten Schädel in einen Schutzhelm, der ihm erstaunlicherweise zu passen schien, dann überprüfte er mit seinen großen, wuchtigen Pranken wohl sein Gewehr und die anderen schoben derweil die Motorräder in eine Ecke. Das kleine Wesen hoppelte nun - Margrits psychologisches Gefühl sagte ihr, dass es mit einem Male irgendwie Angst bekommen hatte - seinen Freunden, oder was die auch immer sein mochten, kreischend entgegen. Wofür es sogleich in wohl hajeptischer Sprache scharf von ihnen gerügt wurde. Dann verschwanden sie allesamt wieder hinter der Mauer. Man hatte dabei kaum nach unten geschaut und daher Margrit nicht entdeckt oder Margrits Versteck war einfach Klasse oder sie waren viel zu sehr mit irgendeinem Problem beschäftigt oder ganz einfach harmlos oder gar blöd ? Pfui, was dachte sie da !
Wenig später, gerade als Margrit sich entschlossen hatte ruhig weiterzulaufen und sich sogar gescholten, weshalb sie das überhaupt interessierte, wo sie doch noch vor dem Dunkelwerden bei Pommi antanzen wollte, sah sie, wie alle sieben Geschöpfe jener sonderbaren Spezies wieder hinter der Mauer hervorkamen, diesmal mit drei kleinen Anhängern, über welche zuvor Planen gezogen worden waren. Einige lüfteten jetzt die Planen und packten mehrere Beutel und Decken in diese Anhänger, welche an den Motorrädern befestigt wurden. Was hatten sie vor ? Oh Gott, wollten sie etwa danach mit ihren Motorräder diese Böschung hinabbrettern ?
Sie schloss die Augen und sprach sich leise vor: “Bitte, bitte nur nicht das ! Ach Unsinn, diese Geschöpfe waren sicher ganz harmlos, oder ? Margrits Herz ratterte trotzdem wieder voll los. Sollte sie sofort weglaufen oder hier unten erst einmal abwarten ? Ihr wurde richtig flau im Magen, wenn sie sich die prächtigen Gebisse vorstellte, die gewiss diese riesigen Mäuler - äh, Münder - beherbergten. Und plötzlich wusste sie, welche Geschöpfe das waren! Die ihr von George schon so oft beschriebenen Trowes. Worgulmpf war deren Anführer und hatte derzeit George im Gegenzug für einen gut ausgearbeiteten Fluchtplan Danox übergeben. Und jetzt entsann sich Margrit, was er ihr noch dazu erzählt hatte. Neun Trowes hatten Danox vor etwa einem halben Jahr gemeinschaftlich mit Senizen, einem weiteren Sklavenvolk, gestohlen und waren dann den Hajeps entkommen. Vier Trowes waren bereits getötet. Der Rest wurde immer noch von Hajeps gesucht !
´Es ist verrückt. Aber das ... das sind sie !´ sagte sich Margrit jetzt, denn es gibt nicht all zu viele Trowes, welche die genialen Fähigkeiten haben, einem so hoch technisierten Volk wie den Hajeps für dermaßen lange Zeit zu entkommen.
Sie sah, wie nun vier der Trowes gemeinsam mit dem Kind in die Anhänger kletterten und Planen darüber gespannt wurden. Die übrigen schwangen sich in die Sättel, Motoren knatterten los. Margrit hielt den Atem an, hatten die Trowes etwa Danox gesehen und wollten sich nun das Ding holen ? He, warum summte Danox plötz¬lich nicht mehr ? Aber ganz gegen ihre Befürchtung sausten die Trowes nicht zu ihr hinab sondern nur oben den schmalen Weg an der Mauer entlang und verschwanden schließlich auch dort hinter den Birken und dem Gebüsch, auf der anderen Seite der Böschung.
Sonne schien behaglich auf die Zinnen. Die Wipfel der Birken schaukelten im sanften Wind. Nur das Gebrumm der Motorräder war noch immer zu hören, knatterte stetig leiser werdend durch die Stadt. Die Trowes wollten also auch tiefer in die Stadt hinein. Das war wirklich sehr mutig, aber vielleicht auch notwendig, wenn sie zum Beispiel nach zurück gelassenen Gütern suchen wollten, die sie gewiss dringend brauchten, da sie schon so lange auf der Flucht waren. Es war klug von ihnen, sich weder direkt am Stadtrand noch in der Mitte der Stadt auszu¬ruhen und .... verdammt, warum hörte Margrit eigentlich Danox noch immer nicht ? Weshalb hatte er sie nicht vorhin vor diesen schrecklichen Trowes gewarnt ? Da begann sie die ganze Umgebung am Ufer mit klammen Herzen abzusuchen. Nichts bewegte sich dort. Und das runde, graue im Schilf da hinten war wohl nur solch ein Felsbrocken wie all die übrigen, die hier herumlagen!
Eine empörte Ente hatte mit ihrem plötzlichen lautem Geschnatter, weil sie ihren Kameraden zu Raison bringen wollte, bei Margrit fast einen Nervenzusammenbruch ausgelöst. Sie zitterte noch, als sich die beiden heftig kabbelten. Andererseits war sie froh, dass wenigstens Enten in dieser Stadt weilten. Wenigstens etwas lebte! Doch dann lief sie weiter über diesen holperigen Weg aus uraltem Kopfsteinpflaster. Vielleicht war das Ding im Gebüsch? Margrit versuchte durch sämtliches Gestrüpp dieser Böschung zu spähen, bog hier und da Zweige auseinander. Nichts ... überall nichts! Aber ein Schwalbenpärchen segelte über Margrit dahin - hm, also noch etwas Lebendiges!
“D...Danox ? Kon kos to ?” wisperte Margrit schließlich entnervt. ”Noi alhum tur el, ilban runan aea diri anio tor ! To banis dendo nesa! Hm ...hmmmm ... ich hätte dich lieber gleich einsperren sollen, idiotisches Blechding !”
Da hörte sie endlich wieder den vertrauten dunklen Ton. Er kam aus direkter Nähe. Margrit stutzte, blickte in den Beutel. “Danox, to xabir hadoro !“ ächzte sie fassungslos. ”Bist wohl zum Trocknen in meine Tasche gekro¬chen, was?”
Danox streckte zuerst das eine haarige Bein aus der Tasche und dann das andere. Dieser Anblick erzeugte leider ganz automatisch einen Würgreiz in Margrits Hals, aber dann erinnerte sie sich, dass sie sich ja eigentlich daran gewöhnt hatte. Schließlich erschienen die leicht schleimig wirkenden und durchsichtig schimmernde Fühlhörner. Die reckten sich über den Rand der Tasche und dann hörte Margrit ein leises, metallen klingendes Klappern vorne an seinem Kopfe. Danox hatte also gegähnt. Irgendwie beruhigte sich Margrit mit dem Gedanken, dass Danox die ganze Zeit nicht nur gepennt, sondern wohl nur deswegen kein Zeichen der Unruhe entsendet hatte, weil er diese sieben Trowes schon vor ihr gekannt und sie wohl nicht für gefährlich gehalten hatte. Kopfschüt¬telnd lief sie schließlich weiter und war dabei sogar ganz zufrieden, dass Danox in der Tasche blieb, obwohl sie dadurch mehr an Gewicht zu tragen hatte. So konnte man die Wunderwaffe wirklich nicht sehen. Sie hatte gera¬dezu albtraumhafte Angst, Hajeps könnten ihr die stehlen und damit noch größeres Unheil anrichten als bisher. Später, wenn Margrit diese Beutel mit Gütern voll packen würde, müsste Danox ohnehin wieder hinaus.
Etwa eine halbe Stunde später sollte sich Margrits Hoffnung bestätigen, denn nachdem sie die Stadtmitte durch¬quert und eine wunderhübsche Villengegend erreicht hatte, standen tatsächlich noch immer Säcke, Tüten, Koffer und Kisten in den Straßen, wie sie die Menschen damals stehen gelassen hatten. Das war einesteils beklemmend, denn böse Erinnerungen tauchten dabei ganz automatisch auf, andererseits war Margrit auch sehr froh, dass sich wohl bisher niemand so weit vorgewagt hatte und daher reiche Beute zu erwarten war. Während sie auf die Sachen zuschritt, gingen ihr komischerweise die Trowes nicht mehr aus dem Kopf. Sie schaute ängstlich nach allen Seiten. Die müssten eigentlich ganz in der Nähe sein! Ein Gänseschauer lief ihr den Rücken hinab, weil sie sich vorstellte, plötzlich in diese grässlichen Fratzen blicken zu müssen.
Schon der erste Sack enthielt jedoch Dinge, von denen sie wusste, dass ihr Pommi zum Beispiel Medikamente dafür geben würde. Wenig später zeigte sich sogar, dass Margrit eine geradezu unerhört große Auswahl haben sollte und darum musste sie sich entscheiden, denn alles wegschleppen konnte sie ja leider nicht. Vielleicht war es gut, wenn sie zum Beispiel den einen großen Sack einfach mitnahm, so wie der war! Denn sie hatte den nicht nur von außen abgetastet, bis zur Hälfe ausgeräumt und diese herrlichen Dinge neben sich zur Begutachtung mitten auf die Straße gestellt, sondern auch bis auf den Grund in diesen Sack hinein gespäht und dort noch weitere, ebensolch schöne Sachen gefunden. Unter anderem in einer kleinen Kiste Ohrringe, billiger Tand zwar, aber Margrit musste die gleich anprobieren. Sie nahm sich einen Spiegel aus einer der Kisten und betrachtete sich lächelnd, denn sie fühlte sich mit einem Male an ihre Kindheit erinnert, wo noch alles in Ordnung gewesen war und beschloss, die Ohrringe zu tragen und nur notfalls zu verkaufen. Dann stopfte sie alles wieder in den großen Sack zurück, denn in die drei kleinen Beutel passte das Ganze gewiss nicht. Gerade als sie den Sack anhob, um zu prüfen wie schwer der war, den alten Kram und die leeren Beutel, die sie die ganze Zeit mit sich geschleppt hatte, warf sie dabei einfach achtlos neben sich ins Gras – Danox kroch aus einem mühselig hervor - da hörte sie wieder die Geräusche von Motorrädern aus der Ferne, merkte sie, wie diese lauter wurden und sie setzte den Sack erst einmal ab. Grässlich, die Trowes hatten anscheinend das gleiche vor wie Margrit. Na ja, sie konnte teilen. War schließlich genug von allem da.
Seltsamerweise begannen Margrits Ohren zu pfeifen und sie sah, dass Danox sich plötzlich wie verrückt gebär¬dete. Er flitzte in Schlangenlinien durchs Gras und wie eingesperrt hin und her. Margrit mühte sich, den Klos in ihrem Halse hinunter zu schlucken, der ihr plötzlich gekommen war, denn das bedeutete wirklich nichts Gutes. Aber weshalb fürchtete sich Danox plötzlich vor den selben Trowes, bei denen er noch vorhin ganz gemütlich eingeschlafen war ? Wieder schüttelte sie über ihn verdrießlich den Kopf. Das spinnte doch, dieses verrückte Ding. He, gab es denn hier gar nichts, worauf man sich verlassen konnte ? Mit ziemlicher Kraftanstrengung schleifte sie einfach den großen Sack hinter sich her und erkannte einige Straßen weiter, dass das doch wohl ziemlich idiotisch von ihr gewesen war. Denn der Sack war so schwer, dass sie nur schneckengleich voran kam. Auf diese Weise würde sie wohl erst übermorgen bei Pommi angelangt sein. Sie hielt also inne. Es war furcht¬bar, Danox Pfeifton belastete sie inzwischen wirklich schrecklich, denn er wurde immer lauter. Wie konnte man das blöde Ding bloß endlich wieder ausschalten?
Sollte sie wieder zurück zu George ? Der Weg nach dort war sicher inzwischen genauso lang wie der zu Pommi ! Sie schaute im Stadtplan nach. Vielleicht entdeckte sie ja eine Abkürzung! Nein, George hatte ihr schon den kürzesten darauf eingezeichnet. Also lief sie weiter auf den entgegen gesetzten Stadtrand zu und keuchte, während der Sack hinter ihr einher polterte. Mist, verdammter sie war wirklich - na, wie nannten die Menschen das doch früher ? Ach, ja richtig, Kaufrausch ! – sie war leider wie im Kaufrausch gewesen. He, womöglich würde bei dieser ganzen Schleiferei einiges zerbrechen ? Na, egal ! Genug war ja schließlich drin ! Margrit hielt abermals inne, atmete tief durch und ihre Finger tasteten dabei nach den Ohrringen. Sie lächelte. Na, die waren noch drin. Wenigstens das hatte sich schon mal für sie gelohnt. Sie seufzte aber dennoch, denn es hieß für sie nicht nur, die restliche Stadt zu durchqueren, noch etwa drei Kilometer von der Stadt entfernt befand sich erst Pommis Laden. Er war gemeinsam mit seinen Kumpels einfach in die alte Tankstelle umgezogen, die es dort schon immer gegeben hatte.
Margrits Beine wurden im wahren Sinne des Wortes schon allein wegen dieser Feststellung bleischwer, aber dann ergriff sie wieder den Sack bei den Zipfeln zerrte diesen hinter sich her. Immer tiefer ging sie dabei gebeugt, blickte ständig auf ihre ausgeleierten Turnschuhe, die tapfer weiter tappten, in kleinen irren Schrittchen, irgendwie vorwärts. Schon befand sie sich an der nächsten Ecke, stoppte am Rindstein und wischte sich den Schweiß. Die Arme – ach, eigentlich alles tat ihr inzwischen weh. Sie ließ den Sack abermals los und bewegte die schmerzenden Schultern.
Dabei glitt ihr Auge über die schönen Gärten, die es hier gab. Wunderschöne Grundstücke in denen noch immer bunte Herbstastern wucherten und ihre Blüten keck durch die Zäune schoben und als Margrit aufschaute, da sah sie, wie ein dunkelblauer neuartiger Satellit gemächlich über die Dächer der kleinen Fachwerkhäuser hinweg segelte.
Ihr Herz jagte augenblicklich los, sie taumelte, doch dann stammelte sie auf hajeptisch: „Xojanto me Danox, xojant ! Ich bin ein dummes Huhn“ – leider kannte sie keine Schimpfworte auf hajeptisch und daher sagte sie das auf Deutsch – „ein Esel, jati to nuchon ?“
Der Satellit begab sich nun genau in jene Richtung, aus welcher Margrit gerade gekommen war, nämlich zum Fluss und zur alten Stadtmauer. Und was tat Danox ? Er saß zwischen zwei Löwenzahnblättern und wedelte dem Ding mit seinen glibberigen Fühlern in einem ganz besonderem Takt hinterher. Hatte er etwa gewunken ? Margrits Herz krampfte sich zusammen. Bisher hatte sie eigentlich immer gedacht das Ding hasste Hajeps ? Sollte sie sich so in Danox geirrt haben? Da - jetzt auch noch das wohlbekannte Brausen mehrerer Lais in den Straßen - hatte Danox die etwa gerufen? Sie schluckte und sah bei diesem Gedankengang auf die ekelhaften Beine von Danox, auf die er sich plötzlich stellte und mit einem leisen Fiepton zu Margrit hinüber stelzte. Konnte man ihm trauen ? Was mochte wohl in diesem kleinen Metallkopf vorgehen ? Sie ließ es zu, dass er neben ihr Platz nahm.
Der Lärm kam zwar vom Stadtrand hinter ihr, also vom kleinen Flüsschen her, wieder von dort, woher Margrit gekommen war. Doch beruhigte sie diese Feststellung nicht allzu sehr, zumal Margrit mit diesem schweren Sack nicht zu schnell aus der Stadt hinaus war. Außerdem hatte sie Sorge um George und sie hoffte inständig, dass er schon von Martin und Zhan Shao abgeholt worden war. Nun erklang auch noch ein Dröhnen aus der Ferne. Demnach landete ein Flieger ebenfalls an der Stadtmauer im Nordwesten, wohl um von dort weitere motorisierte Soldaten ausschwärmen zu lassen.
Margrit überlegte, wie sie den Sack bestmöglich von hier fort bekommen konnte. Da hörte sie ganz in der Nähe ein erneutes Brausen von Motorrädern, das sofort unterbrochen wurde. Es folgte ein kurzer Schusswechsel. Wüstes Triumphgebrüll übertönte einige Minuten später Schmerzens- und Entsetzensschreie aus tierähnlichen Kehlen. Margrit stockte das Blut in den Adern. Also waren wohl Worgulmpf und seine kleine Schar leider doch von den Hajeps gefunden und überwältigt worden. Tränen traten ihr in die Augen, denn sie ahnte, was nun mit diesen armen Wesen geschehen würde, da die Hajeps ja meinten, Worgulmpf hätte noch immer Danox bei sich. Gewiss würden sie dessen Aussage, die Menschen hätten inzwischen Danox, für eine Ausrede halten und ihn foltern – sie schluckte bei diesem Gedanken - und vielleicht sogar einige Familienmitglieder vor seinen Augen quälen. Ach, Margrit hatte ja bereits die schrecklichsten Dinge über solche Sachen gehört. Aber nichtsdestotrotz musste sie wieder an sich selber denken, denn so makaber diese Sache auch war, so hatte sie doch für Margrit ihr Gutes. Denn die Hajeps hatten endlich gefunden, wonach sie gesucht hatten. Zwar verhörten sie vielleicht die Trowes gleich an Ort und Stelle, aber sie interessierten sich in dieser Zeit ganz gewiss für nichts anderes.
Also konnte Margrit in Ruhe weiter darüber nachdenken, wie sie denn nun den Sack aus dieser Stadt schnells¬tens hinaus bekam. Verdammt, sie musste endlich eine Schubkarre oder etwas ähnlich fahrbares finden. Doch woher sollte sie wissen, in welchem dieser Gärten noch so etwas aufzutreiben war ?
„Jasu me !“ wisperte sie Danox zu und ließ den Sack einfach liegen, wo der war, begann die Pforten der Gärten aufzureißen, schnellen Schrittes die Grundstücke zu durchstreifen und in den Schuppen nach Handwagen oder ähnlichem zu suchen und Danox folgte ihr gut versteckt überall hin. Sie öffnete dabei sogar Garagen, in der Hoffnung dort noch ein Auto, Moped oder zumindest Fahrrad zu entdecken. Aber es war wie verhext, alles Fahrbare war bereits genutzt worden, was ja eigentlich recht verständlich war.
Gerade als Margrit in den Keller eines Hauses hinein wollte, hörte sie ein leises Rauschen am Himmel und sie gewahrte plötzlich zwei dicke Staubwolken über dem Haus. Sekundenbruchteile später zeigte sich dort ein Mili¬tärflugzeug, welches wie aus dem Nichts hervorgetreten war. Das lange, bläulich grüne, schlangenartige Heck wand sich elegant am Himmel und war noch zum Teil in Tarnnebel gehüllt. Margrit war ganz überrascht, denn sie entdeckte am Bauch des Rumpfes als Symbol keinen Drachen sondern eine Pyramide mit einem geöffneten Auge.
`Nanu ?´ dachte sie, als auch schon das zweite Kampfflugzeug inmitten seiner Staubwolke sichtbar wurde, welches ganz ähnlich wie das erste gebaut war, jedoch das Hajepzeichen trug. Die beiden boten ein gespensti¬sches Bild, denn sie umkreisten einander mit solch gelenkigen Bewegungen, als wären sie keine Maschinen sondern etwas höchst Lebendiges, nämlich ein paar urzeitliche Flugechsen. Sie warfen lange, elegante Schatten über das Grundstück und plötzlich wurde von beiden Seiten aus allen Rohren gefeuert. Instinktiv zog Margrit deshalb den Kopf ein, als ob das noch dabei helfen könnte, und da die KellerTür abgeschlossen war, flüchtete sie sich mit weiterhin hoch gezogenen Schultern in den Schuppen.
„Jelso rug !“ sagte sie dabei leise und Danox sauste ihr hinterher.
Es hatte aber am Himmel nur ganz leise geprasselt, war jedoch für Margrit umso unheimlicher gewesen. Dann knallte es, als würde etwas zerbersten. Ein Knurren wie aus mehreren riesigen Hundekehlen war hoch oben zu hören und kurz danach das unsicherere Flattern und Rauschen gewaltiger Flügel, die sich davon machten, andere Flügelschläge jagten hinterher. Schließlich waren beide Flugzeuge nicht mehr zu hören und stattdessen vernahm Margrit ein weiteres Brausen von Lais wieder ganz in Nähe. Eine heftige Schießerei entstand an irgendeiner Stelle direkt hier in einer der Straßen. Margrit klopfte das Herz bis zum Halse. Sie meinte zu wissen, um wen hier gekämpft wurde. Jisken nahmen den Kampf mit den Hajeps auf, wohl um an Danox heran zu kommen. Die Trowes sollten also befreit werden. ´Verrückte Welt!´ dachte Margrit, während sie ängstlichen Schrittes den Schuppen wieder verließ und den großen Garten durchquerte. Da kämpfen nun auf dieser Erde Außerirdische gegen Außerirdische, als hätten wir Menschen diesen Planeten schon lange an sie abgetreten. Sie hoffte für die Trowes, dass nicht jede Hilfe zu spät kam. Aber dann ... was würden wohl die Jisken mit den Trowes machen, wenn sie herausbekamen, dass die gar nicht Danox bei sich hatten? Waren die Jisken anders als die Hajeps ? Sie hoffte inbrünstig, dass es liebere Kreaturen waren als die Loteken und Hajeps. Sie öffnete gerade das Gartentor, als Danox mit schrillem Gekreisch ihr einfach davon hüpfte.
„Kor wan dus ? Kesto el ! To bani dendo nesa !“ rief Margrit erschrocken. Aber das kleine Ding gehorchte nicht. Immer weiter und weiter sprang es einfach die Straße entlang. Danox unterbrach dabei seinen hellen Pfeifton und so konnte Margrit wieder einiges mehr hören, nämlich weitere Schüsse aus fremdartigen Gewehren, nun fast überall in den Straßen. Sollte sie einfach wieder in den Garten und zum Schuppen zurück laufen ? Das war ein ziemlich langer Weg. Danox ließ indes zu Margrits Überraschung zwei kleine Flügelchen aus den Bauchseiten seines runden Körpers hervorschnellen und segelte direkt durch das geöffnete Fenster des einzigen parkenden Autos in dieser Straße. Sie hörte es leise plumpsen, als er sich auf dem Sitz hinter dem Steuer fallen lies. Dabei stieß er einen solch mörderischen Pfeifton aus, dass sich Margrit die Ohren zuhalten musste.
„Danox, Danox, kor wan dus ?“ keuchte sie abermals, auch weil sie trotz eifrigem Umhersehens keinerlei Gefahr aus direkter Nähe erkennen konnte. Niemand war hier. Da wurde der Ton so stark, dass Margrit meinte, ihre Ohren würden zerspringen. Er machte wieder eine kleine Pause und da vernahm Margrit es auch. Schüsse aus fremdartigen Gewehren, Schmerzensschreie aus seltsamen Kehlen und das alles in allernächster Nähe. Doch sie konnte Danox nicht so einfach hinterher. Das sonderbare Metallwesen hatte wohl vergessen, dass sie nicht so klein und schmal gebaut war wie er, um sich durch das Autofenster zu quetschen. Würde sich die Tür vorne öffnen lassen ? Leider nein ! Jetzt hörte sie auch schon die Geräusche von Stiefeln von einer Ecke herbeiflitzen. Jemand war also vor irgendwelchen Leuten auf der Flucht. Ein paar Kameraden von demjenigen waren wohl vorher erschossen worden, das hatte Margrit ganz genau gehört. Eiseskälte umklammerte Margrits Herz, als sie nun an der hinteren Autotür zerrte, die leider ebenfalls abgeschlossen war. Was nun ? Vergessen war der Sack mit all den schönen Dingen. Sie hatte den noch immer dort hinten liegen gelassen. Verdammt, gleich würden hier alle aufkreuzen. Ganz vorne weg natürlich derjenige, den sie gerade jagten und dann ? Sie rüttelte zum letz¬ten Male auch auf der anderen Seite und .... endlich, wie durch ein Wunder war diese Tür aufgesprungen! Das Auto war so verrostet und altertümlich, dass es Margrit nicht gelang, die Tür hinter sich zu verriegeln. Vielleicht war die ja auch schon mal aufgebrochen worden. Man konnte keinen der Sitze umklappen oder verschieben, faulige Decken lagen hinten. Margrit kroch über die vordersten Sitze bis nach dort und warf die Decken nach kurzem Zögern einfach über sich.
„Danox, jelso ken !“ wisperte sie. Das Ding krabbelte mit seinen haarigen Beinen zu Margrit unter die Decken. Margrit hustete. Warum so dicht ? Oh Gott, war der ekelig, aber wegschuppsen wollte sie ihn nicht. Nun legte er auch noch seine langen, glibberigen Fühler über ihren Bauch. Verdammt, warum zog er diese grässlichen Dinger plötzlich nicht mehr ein ? Mit spitzen Fingern zupfte sie die rosanen, tentakelartigen Gebilde von ihrem Körper und legte sie geordnet - so gut es bei dieser beträchtlichen Länge ging – neben sich. Da hörte sie auch schon den Gehetzten herannahen und in den Nebenstraßen wurde derweil etwas auf Hajeptisch wie wild hinter ihm herge¬schrieen. Das klang zwar recht melodisch, trieb aber Margrit einen Gänseschauer nach dem anderen über den Rücken. Dann feuerten sie Schüsse – wohl zur Einschüchterung – einfach in die Luft. Da entdeckte der arme Kerl das Auto. Er rüttelte an der vordersten Tür, von der Margrit wusste, dass die nicht zu öffnen ging. Trotzdem wurde ihr dabei flau im Magen. Denn der Kerl war ungeheuer stark und der Wagen wankte wie ein Schiff bei höchstem Wellengang. Verrückt, warum wollte der riesige Bursche ausgerechnet auch noch hier hinein ? Margrits Gedanken jagten sich. Offenbar brauchte er ein ruhiges Plätzchen, um nach seiner Waffe zu sehen, weil die wohl nicht mehr so ganz in Ordnung war! Oder er wollte nachladen und dabei wenigstens einigermaßen geschützt sein, oder er wollte ....? War er etwa auch nur in Panik wie ein Mensch?
Er rüttelte nun völlig verzweifelte auch an der nächsten Tür und das ganze Auto bebte und wankte dermaßen, dass Margrit meinte, es würde dabei in Stücke zerrissen. Ihr Herz schlug nun so laut, dass sie Angst hatte, er könnte es hören. Dennoch quälte sie sich seltsamerweise mit dem Gedanken ab, ihm irgendwie helfen zu müssen! Schließlich war klar, dass man ihn töten wollte, genau wie zuvor seine Kameraden. Wie sah er eigent¬lich aus ? Sie hatte noch gar nicht richtig zum Fenster hinaus geschaut. War er etwa ein Jiske ? Die Jisken waren Margrit nämlich inzwischen recht sympathisch geworden, weil sie den Trowes zu Hilfe kommen wollten. Sollte sie ihm einfach öffnen ? Was würde er tun, wenn er sie sah ? Nun war er an der richtigen Tür. Margrit schnappte nach Luft. Nur wenige Sekunden und ....? Nanu ? Warum klemmte die plötzlich auch ? Da sah sie, dass Danox mit nur einem seiner langen, tentakelartigen Fühlern einfach die Tür von innen zuhielt. Donnerwetter das kleine Ding war wohl in Wahrheit gar nicht mal so hilflos! Konnte es glatt mit einem Außerirdischen an Kraft aufneh¬men. Wer hätte das gedacht ?
„Danox, kos to lossi ?“ wisperte sie dennoch aufgeregt. „Dieser hier ist sicher ein Guter, du kleiner Dummlack!“
Aber er gehorchte nicht. Schüsse knatterten nun direkt in dieser Straße. Die Verfolger hatten den armen Flücht¬ling bereits entdeckt und riefen ihm nun etwas zu. Man konnte dabei noch immer nicht herausbekommen, ob der Gejagte nun Jiske oder Hajep war. Jedenfalls schimpfte er irgendetwas wüst zurück. Er hatte eine schöne und stolze Stimme. Margrit hatte sich in der Hoffnung, er würde abgelenkt sein, nun doch ein wenig aufgerichtet, um zu sehen wer er war. Aber sie sah nur breite Schultern, eine weiten Umhang und seinen Helm! Ihr Atem stockte. Der trug ja das Hajepzeichen ? Sie blickte nach den anderen, die ihn verfolgten. Es waren neun Außerirdische und nur zwei Hajeps waren darunter, der eine von ihnen hatte – oh, Gott, wie entsetzlich ! - keine Hände mehr, nur mit Tüchern provisorisch umwickelte Stumpen, durch welche ständig schwarzes oder gar dunkelblaues Blut zu sickern schien. Wer hatte ihm nur diese grässlichen Wunden zugefügt ? Dieser Hajep hier etwa, den sie alle verfolgten ? Die sieben übrigen Verfolger trugen Helme mit einer Pyramide, in deren Inneren ein Auge erkenn¬bar war, also waren es Jisken. Gute Jisken offensichtlich, denn sie wollten wohl dem Hajep, der so schwer verletzt war, und dessen Freund, der auch ziemlich schlecht auf den Beinen war, helfen, indem sie sich den hier vorknöpften. Puh, und beinahe hätte sie diesem auch noch geholfen. Oh, Gott! Na, noch mal gut gegangen !
„Xojanto me Danox, xojant !“ wisperte sie deshalb heute schon zum zweiten Male in Danox spitze Öhrchen. “Jati to nuchon ?“
Doch dann begann sie sich sogleich zu fragen, weshalb denn Jisken, die sich doch eben noch hoch am Himmel mit den Hajeps bekriegt hatten, ausgerechnet mit diesen zwei Hajeps gut verstehen sollten ? Die letzte Frage sollte keine Antwort finden, denn plötzlich sauste irgendetwas Unheimliches, kaum Erkennbares wie ein Blitz zischelnd Richtung Auto. Der Hajep schrie vor Entsetzen, wollte einen Riesensatz zur Seite machen, aber da fiel er auch schon stöhnend in sich zusammen, schlug dabei zum Teil aufs Auto. Er war so schwer, dass Margrit meinte, es kippe dabei auf die Seite und dann stürzte er kopfunter einfach auf die Straße. Margrit hatte sich indes wieder zusammengekauert, wagte sich nicht zu regen. Auch als die Jisken den leblosen Körper triumphierend davon schleiften, blieb sie starr und zusammengerollt wo sie war. Während die Jisken zurück liefen, griffen sie johlend und kreischend nach Margrits Sack, nahmen den einfach mit. Margrit kamen die Tränen, denn vergebens war all ihre Mühe gewesen. Es dauerte ein Weilchen bis sie sich damit abgefunden hatte, noch einmal zur selben Stelle zurück zu laufen, um zu sehen, ob da noch etwas aufzutreiben war und dabei natürlich auch nach ihren alten Beuteln zu suchen, mit denen sie notfalls so schnell wie möglich zu Pommi laufen konnte, denn in dieser Stadt wimmelte es ja nur so von Außerirdischen. Sie musste schnellstens aus dieser hinaus. Es kostete sie schon einige Überwindung, Danox in die Hände zu nehmen und zur Dankbarkeit auf dessen Metallrücken zu küssen.
Und dann raunte sie ihm zu: „Usomi Danox ! Twacha usomi, moi xabir !“
Das Ding hatte dabei seine acht grässlichen Beine schlaff hinab hängen lassen, schließlich leise scheppernd sein kleines Mäulchen geöffnet – also gegähnt - und dabei den feinen Hornring im inneren seines Rachens hochge¬schoben. Für einige Sekunden waren zwei Reihen rasiermesserscharfer Zähnchen aufgeblitzt, aber Margrit hatte das von ihrer Seite aus nicht sehen können.

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