Die Saga von Jelke Eisenseite
von Carsten Maday

 

Lollius zum Centurio:
>Die, welche im Keile sich geordnet, erwartet der härteste Kampf, denn wenig Aussicht gibt es für sie, treffen sie auf den reisigen Renner Telamon. Dorthin also wird der Seekönig die tapfersten seiner Gefolgsleute befohlen haben. Zehn Hundertschaften sind es wohl. Vermagst du mir die Führer zu nennen, deren Namen wohl Bedeutung tragen und noch einiges an Ruhm gewinnen werden, bevor Charon sie nach dem Kleingeld greifen lässt!<
>Helden sind sie alle da und bekannt sind ihre Namen. Gerne will ich sie dir nennen, von hinten begonnen, um an der Spitze des Heldengeblüts zu Enden. Dort steht Bigode, strahlende Kampfmaid mit dem schweren Hammer. Ihr Gott ist Thor, dem sie an Waffe und Haar gleicht!<
>Ein gar schrecklich´ Weib!<
>Ja, von furchtbarem Zorne kann sie sein. Ich war ´mal mit ihr aus, privat ist sie eigentlich ziemlich nett. Nun denn, gleich neben dem Kraftweib steht den Hundert Helmgerd vor, der Greis. Man sagt, der zähle an die achtzig Sommer, doch messen kann sich kaum einer im Kampfe mit ihm. Vor wenigen Wochen erst erschlug er gleich mehrere Pfleger, die ihn von der Raubfahrt abhalten wollten.<
Dann deutete er auf einen hochgewachsenen Mann mit versilberter Rüstung:
>Dies ist Felwig, ein Soldritter, kundig im Tjoste , dass es mich verwundert ihn zu sehen unberoßt.<
>Seltsam mutet es an, den starken Tjostier ohne Pferd unter den Streitern zu sehen, aber des Einars Erfahrung wird ihn nicht ohne Plan dort aufgestellt haben. Doch sprich, wer ist jener, dem Felwig zunächst?<
Und Jason sagte:
>Dies ist Gunther. Sein Haar trägt er zu vielen Zöpfen geflochten, silberdurchwirkt, strahlend schön, dass der Kühne ob seiner Eitelkeit nie behelmt in die Schlacht zieht.<
>Manch einer täte ihn närrisch heißen!<, sprach der Legat da sehr befremdet ob solchen Leichtsinnes.
>Nun, manch einer tat dies, doch erwuchs ihm daraus mehr Schaden als dem Gunther. Siehe, oh Lollius, wie hoch seine Gestalt über die Leiber seiner Mannen ragt, dass es nur den größten unter den Lormyrern gelingen kann, ihm nach dem Haupte zu schlagen. Selbst jene werden ihm nur schwerlich beikommen, erlernte er doch sein blut´ges Handwerk in Munz.<
>Ah, Munz<, sprach Lollius schwärmerisch. Dann wurden seine Züge hart. >Muss diese verfluchte Stadt überall ihre Finger im Spiel haben? Haben sie dem Seekönig etwa Hilfe angedeihen lassen?<
>Nur drei Recken kamen aus der Vieltürmigen dem Einar beizustehen. Siehst du den Führer der nächsten Hundertschaft. Er trägt ebenfalls die schwarze Rüstung.<
Lollius tat einen Blick, rieb sich die Augen und schüttelte das Haupt.
>Siehe noch einmal<, sagte Jason grinsend.
>Hmm, ich sehe nur einen Helm, der zwischen den Reihen auf und nieder springt, als hüpfe dort ein sehr kleiner Mann, der verzweifelt versucht, sich einen Überblick zu verschaffen.<
>Ah, Legat, dies ist der zweite Munzianer, Garmir der Zwerg. Abgesehen von seinen organisatorischen Problemen, ist er ein gefürchteter Axtkämpfer.<
>Aber wird er nicht Gefahr laufen im dichten Schildgewühl zu Tode getrampelt zu werden?<
>Ich sah Zwerge kämpfen in solch gedrängten Reihen, dass die Gefallenen aufrecht stehen blieben, so eng war es auf dem Schlachtfeld. Nein, glaube mir, niemand übersieht einen Zwerg, wenn der kleine Mistkerl ihm die Beine abhackt.<
Der Legat betrachtete seinen primi pili centurio nachdenklich:
>Sage, Centurio...<
>Ja, Herr?<
>Trägst du deshalb diese ewig schweren Beinschienen aus Stahl?<
>Nun, Herr, ja! Ähm, obendrein sehen sie auch schmuck aus, oder?<
>Ja, ja. Du hast nicht zufällig noch ein Paar übrig?<
>Nein! Tut mir leid, Herr!<
>Ach, macht nichts. War nur ´ne Frage! Verdammt!
Nun je, dort neben des erzschürfenden Zwerges Scharen sehe ich einen Hundertschaftsführer gewappnet mit schwarzer Brünne. Dies ist wohl der dritte Munzianer.<
Jason nickte und meinte, jener werde Thal genannt, der Sohn Gunars. Weiter deutete der Centurio auf eine goldgelockte Maid von schönem Wuchs, die einen herrlichen Bogen trug. Der Legatus Augusti pro praetore meinte da, das sei eine gar prächtige Waffe, wie sie einer so schönen Jungfrau wohl anstünde.
Darauf der Centurio:
>Nun, oh Lollius, ich würde nicht so weit gehen, dieses Weib eine Jungfrau zu nennen, aber wahrlich, eine edle Waffe trägt sie. Das Weib heißt Kh´Restrin, der Bogen, den sie meisterlich zu führen weiß, wird Finnbogi genannt. Erschaffen wurde er von den Licht-Alben. Wehe dem, den die Fernhintrefferin sich als Ziel erkoren. Den rettet niemand, gehen Finnbogis Wundwespen doch durch Schild und Brünne.<
Nun sprach Lollius:
>Jenen dort erkennen selbst meine nordfremden Liderhöfe. Das kahle Haupt, die mächtigen Schultern und knorrigen Arme können nur einem gehören. Sage mir, Jason, mein primi pili, rede ich wahr, nenne ich jenen Doran den Orkschlächter?<
Und des Centurios Zähne knirschten vernehmlich, als er grimmig nickte:
>Ja, dies ist Doran, der Orkschlächter, der Ächter, den friedlos man erklärte ob seiner Verbrechen in vielen Landen. Oft schon nahm ich Teil an der Hatz nach ihm, doch ich gesteh´s, die Flucht gelang ihm ein ums and´re Mal. Wer ihn erschlüge, könnte sich Kopfgeld verdienen, wert genug ein Königreich zu kaufen.<
>Ich seh´s wohl, mein Freund, Dich gelüstet es nicht wenig danach, dieses zu versuchen.<
Als Antwort entrang sich aus des Jasons Kehle ein Knurren wie von einem Wolf.
Und Lollius:
>Ich denke, ich kann das als ´Ja` verstehen? Aber leider werden wir nicht in diese Schlacht eingreifen.<
Das Knurren wuchs nun an zum tollen Heulen eines ganzen Rudels.
Und der Legat:
>Mein Jason, tröste Dich, denn erschlügest du ihn, müsstest Du das Kopfgeld ohnehin in die kaiserliche Kasse abführen.<
Das Heulen geriet zu einem Winseln. Der muskelstarke Centurio zuckte mit den Schultern:
>Auch wieder wahr!<
>Nun sind der Hundertschaftsführer Namen nur zwei noch ungenannt. So nenn´ sie mir, ahn´ ich´s auch, welche es sind.<
Und Jason sagte:
>Birgt deine Ahnung das Gefühl der Dreistigkeit, so ist sie rechtens, denn dort steht sie, Jelke, das scharfzüngige Weib, so strahlend schön, kraftvoll und gewandt, unbewegt vom drohend Untergang.<
Und Lollius gebannt:
>Wie nun, Freund, was sprichst Du da von Dreistigkeit, wo Schönheit ich erblick´, seh ich ihr goldumflutetes Haupt, den wohlgeformten Leib. Sieh in ihr Antlitz und sage, wie können solch rote Lippen eine scharfe Zuge bergen. Nein, Worte der Liebe sollen sie säuseln, zu rufen den Liebsten an der Lilienarmigen Busen. Nimmer kann das herrlich Weib des Thorgest dreiste Tochter sein.<
Und Jason sprach erstaunt ob solch ungewohnter Rede des Legaten:
>Bei meiner Treu, sie ist´s. Legat?<
>Ja?<
>Du hast etwa Geifer am Mundwinkel!<
>Oh!<
>Legat?<
>Ja, was denn noch, Centurio?<
>Sie hat noch keinen Gemahl!<
>Ach, wirklich? <
>Sie ist eine freie Frau, von einer Art, wie man sie unter Jovaheims Matronen schwerlich zu finden vermag.<
Und tief zerfurchte sich des Centurios Stirn, als er sich folgender Weise entsann:

Speerwind Wogen, trotzt Wundfeuers Wecker,
Jotes Sturm, hält Jelkes Schild,
der Wilden flammend Zunge, auf Wahlstatt zwingt,
des närrisch Toren Trachten, der Thorgesttochter Bett zu teilen.
Lust nach Kuss und Kosung, bracht vielen Kämpfern Klage,
der Holden Augen Heimstatt, bracht manch´ Helden zu Hel,
Garm dort kaut, der Gierigen Knochen.
Und Nidhöggr lechzt, der Neidinge Leichen.

So sprach Jason, und man sah, dass des Legaten Begierde ob solcher Rede, der Vorsicht wich. Er sprach wie folgt:
>Jason, mein primi pili. <
>Ja, oh mein Feldherr?<
>Ähm, kann es sein, dass du schon zu lange unter diesen Nordleuten weilst? Vielleicht sollten wir ´mal über deine Versetzung reden!<
Und des Centurios Herz ward von der Hoffnung auf Erlösung erfüllt, wie wenn ein Verdurstender an einen See gelangt...
>Das wäre wirklich nett, Herr!<
>Ja, vielleicht an die südliche Grenze, wo die Sonne mörderisch brennt und die wilden Nomaden sich im immerwährenden Aufruhr befinden.<
Es war ein Salzsee!
Der Centurio fuhr fort:

Der Holden blut´ges Walten, der gellend Walstattlärm
ist runenkundig, Rauners Lied,
es höhnt die Wölva, Wyrds Spruch,
unter schwarzem Mondweg, wirkt dunkle Magie,
spricht zum Wahlvater, das zaub´risch Weib,
die Schildrand Röterin, manch schmähend Rede,
dem Heervater zum zorn´gen Verdruss, die trotz´ge Helden-Zermorsch´rin.

Da sah der Legat auf einmal sehr zerknirscht aus, doch wollte seiner Brauensteine Feuer nicht vollends verlöschen. Wie um sich von schweren Sinnen zu befreien, schüttelte er heftig das Haupt. Es flog sein Blick dahin auf die Spitze der Heldenschar. Dort fand er einen Mann, brünnenbewehrt, reich an Jahren, doch mächtig am Wuchs. Da meinte der Legat, dies müsse wohl der Seekönig sein, der Ringeschreck Einar daselbst, denn, so habe er vernommen, sei es unter den Nordleuten gute Sitte, dass der Heerführer alle anderen an Tapferkeit zu übertreffen habe.
Doch Verwunderung ließ den Centurio seines Herren Worte Zustimmung entsagen, denn mitnichten stand dort Einar Seekönig dem männerstarrenden Eberrüssel vor.
>Jener dort ist zwar von Drostes Gestalt, eine gewaltiger Recke, der die Helden überragt, wie der wehrhafte Keiler die Schar der Frischlinge. Doch es ist des Einars Marschall, Bohemond Wogenröter.<
Und Lollius:
>Besann sich der König der Feldherren geziemend Art sich Überblick verschaffend, zu lenken die Schlacht von fern, dass er sieht, wo der Krieger wogend Reihen Entsatz von Nöten?<
Und Jason sprach tieffurchig bestirnt:
>Hä? Nein, Jovaheims kluge Heerkunst würde dem nordisch Volksgebieter zur Schande geraten. Noch seltsamer ist´s, wende ich den Blick zur Reiterei. Dort findest du des Einars königliches Walten, beroßt, an ungewohnter Stelle, die Herren Ritter sich ordnen heißen.<
Bei solcher Rede überflog des Feldherrn Blick erneut das Tal und sorgenreiche Falten zerfurchten seine Stirn. Hastig sprach er:
>Eile, Centurio, nach dem signifer. Sende ihn dem Toste, dass er den Königssohn mit warnenden Worten bedränge, die Schlacht nicht zu eröffnen. Übles ahn´ ich, denn das riecht nach einer List der Seeschäumer!<
Eilenden Schritts es entschwand der primi pili centurio, der hurtige Renner Jason, den signifer zu senden.

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