Die Saga von Jelke Eisenseite
von Carsten Maday

 

Also die reisige Rennerin Jelke und gelangte an des Gunthers Zelt. Von drinnen aber vernahm sie bitterliches Weinen und als sie eintrat, da sah sie den Gunther auf Knien und sich mit tränennaßen Wangen die Haare raufen. Da trat Jelke zu dem Hünen und legte ihm trostreich die Hand auf die Schulter. Mit traurigem Antlitz sah er die Thorgesttochter an:
>Oh, Jelke, du beschämst mich, dass du mich derart jämmerlich erblickst, aber...< Da versagte dem Mann die Stimme ob seines Kummers.
Und Jelke voll des Mitgefühls:
>Weh Gunther, was wärest du für ein Mensch, wenn du nicht um den toten Freund Zähren der Trauer vergießen würdest...<
>Ähm, wie meinen?<
>ÖH, ich meine Garmir, den Zwerg, weil er nicht zurückgekehrt ist vom Feld der Ehre!<
>Ach so! Nein, um den kleinen Mistkerl mach´ ich mir keine Sorgen, den tötet so schnell nichts, glaub´s mir. Nein, mein Kummer sitzt viel tiefer.<
Da erkannte die Jelke endlich die entsetzliche Wahrheit und auch sie musste nun weinen:
>Weh Gunther, welch fürchterliches Leid ist Dir widerfahren. Sag, liebst Du?<
>Bitte?<
>Ich meine Bigode. Und nun, da sie tot ist, kannst du ihr nie mehr sagen, wie sehr du sie liebtest? Ist es nicht die Ironie des Schicksals, dass man erst weiß, wieviel jemand einem bedeutet, wenn dieser jemand nicht mehr ist?<
>Nein! Das ist es eigentlich auch nicht, obwohl die Bigode eine ganz Nette war, wenn du verstehst, was ich meine, hähäha! Nein, sieh her, hier, mein Leid, mein Kummer, das Ende des Lebens, wie ich es einst kannte! Sag´, siehst du denn nicht mein Elend?<
>Du meinst diese Geheimratsecken?<
>Oh ihr Götter, kann man es denn wirklich schon so deutlich sehen?<
>Aber nein, obwohl du ernstlich überlegen solltest, ob Du nicht doch lieber einen Helm in der Schlacht tragen willst! Ich meine wegen der Sicherheit, und so.<
Dann erzählte sie dem Armen von ihrem Plan und trug ihm auf den Orkschlächter zum Rate zu rufen, sie selbst aber wollte den Helmgerd herbei holen.
Als die Jelke aber zum Zelt des Greises gelangte, da saß der Alte in Decken gehüllt vorm Zelt in Selenes vollem Licht. Als er die Schwertmaid nahen sah, da sprach er:
>Na, wer kann denn da nicht schlafen? Wenn das mal nicht die kleine Jelke ist. Was treibt Dich denn des Nachts durchs Lager und ist Dir eigentlich nicht kalt in diesem löch´rigen Ding?<
Und Jelke, sich artig vor dem Alter verneigend:
>Oh edler Greis, zu dir ich eile, dass du kommst zum Rate der Heerführer, denn keiner scheint´s kann´s an Erfahrung mit dir aufnehmen. Niemand wüßt ich, dessen Rat den Kriegern teurer als der deine!<
Der Greis aber nahm das Lob der Thorgesttochter wohl auf:
>Das steht einer edlen Maid wohl an die Älteren zu ehren, doch uns Älteren kommt´s zu, die Jüngeren zu loben, doch auch an Tadel soll man´s nicht mangeln lassen, wenn´s einer verdient! Sieh, warum kam nicht der Munzianer, ähm der, na du weißt schon...?
>Garmir?<
>Nee!<
>Gunther?<
>Auch nicht!<
>Ah, Thal!<
>Genau der, der Kleine! Was liegt er faul in seinem Bett, wenn andere zum Rate rufen. Ein wenig träge scheint er mir!<
>Oh edler Helmgerd, du strenger Greis, gern magst du den Thal ein anderes Mal tadeln, wenn du ihn müßig erblickst, doch nicht jetzt, denn als ich eilte zu seinem Zelt, da sah ich ihn nicht ruhen, sondern voll der Sorgen über des morgigen Tages Geschick sinnend...<
>Oh, sieh an, dann wird vielleicht doch noch was aus ihm!<
>...weil er keiner Wein mehr hatte! Hups, hab ich das jetzt wirklich gesagt?<
>Was?<
>Na, dass er nur wach war, weil er sich ohne Wein nicht in den Schlaf saufen konnte?<
>Weiß ich nicht! Hast du´s denn gesagt, mein Dirn?<
>Ich weiß es auch nicht mehr! Und wenn, so möge es ihm verziehen sein, denn heftig dröhnt dem Einhand noch das Hirn von Schlag des Vertilgers. Auf denn, zum Zelt des Marschall Bohemond lass uns eilen, dass nicht die letzten wir sind, die zum Rat der Hundertschaftsführer kommen.<
Also die kühngesinnte Jelke, das scharfzüngig Weib. Und als sie zum Ratszelt schritten, schob sich eine Wolke vor den vollen Mond und Schwärze senkte sich übers Tal.

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