Die Saga von Jelke Eisenseite
von Carsten Maday

 

Hügel

Sie Kommen! Sie kommen!< Aufgeregt rannte der junge Mann an den Reihen der Wikinger entlang.
>Ist ja gut Junge!<, rief ihm Garmir der Zwerg zu. >Beruhige Dich! Wir haben´s auch schon gesehen!<
Der Junge achtete nicht auf die Worte des Zwerges und lief rufend weiter.
>Wie jung er ist<, dachte Jelke. >Nur ein verantwortungsloser Idiot kann ein halbes Kind mit auf einen solchen Raubzug nehmen!< Sie blickte den Hügel hinab und sah, wie die Wolfskrieger langsam vorrückten. Hintendrein die Lormyrer. >Das kann noch dauern<, meinte sie zum Zwerg.
>Aye<, meinte der und kratzte sich am Bart. >Der Junge da, der erinnert mich an Heinrik!<
>Heinrik?<
>Ja, das ist der Knappe von Thal! Genauso jung und aufgeregt! Nicht sonderlich helle, wenn du verstehst, was ich meine, aber immer bemüht sein Bestes zu geben! Guter Junge!<
>Wusste gar nicht, dass Thal einen Knappen hat.<, meinte Jelke Eisenseite.
>Och, den brauch er schon, wegen der Rüstung und so. Mit einer Hand ist da ja nur schlecht reinzukommen, oder nicht? Bei ihm ist´s mehr als nur ´nen Status Symbol!< Der Zwerg ließ seinen Blick über die Reihen der Feinde wandern, vermochte aber die Gesuchte nicht zu finden.
>Statussymbol?<, fragte Jelke abwesend, denn ihr Auge hatte den Legaten an der Spitze der Feinde erspäht.
>Na, hat Thal Dir nie gesagt, dass er ´n Jarl ist?<, gähnte er müde, denn die Nacht war ihm anstrengend gewesen.
Jelke zwang ihren Blick zurück auf den Zwerg. >Er hat wohl so etwas in der Richtung mal erwähnt!<
Unter der Eiche, dachte sie. Vor einer Ewigkeit.
>Was hab ich erwähnt?<, fragte Thal misstrauischen, als er neben seine Freunde trat.
>Deine Jarls Würde!<, lächelte Jelke ihm zu. Thal zog ein Gesicht und schenkte dem Zwerg einen Blick: >Altes Tratschmaul! Ach, ist ja auch nicht so aufregend Jarl zu sein.<
>Aha<, meinte Jelke belustigt. >Ich hatte eigentlich den Eindruck, du würdest so in den Tag hinein Leben. Aber ein Jarl? Meine Güte! Was für eine Verantwortung! Wie gehst du denn mit ihr um?<
>Na< meinte der Einhand, >ich entziehe mich ihr!<
>Darin war er schon immer besonders gut!<, meinte Garmir. >Wo hast du denn so lange gesteckt?<
>Musste mir noch ein neues Schwert besorgen!<
Jelke lachte auf, als sie des Zwerges verdutzten Gesichtsausdruck sah: >Frag nicht, Garmir! Hat er in der Nacht verloren!<
>Was<, rief der breitschultrige Mann aus dem vieltürmigen Munz, >du hast dein DasistdiebesteKlingeaufderWeltundnichtsundniemandwirdmichjemalsdavontrennen-Schwert verloren? Einfach so?!<
>Nun...Ja!<
>Aha? Sonst noch was in der Nacht verloren?<
>Jetzt ist aber gut, ja! Man, die Klinge war doch so und so viel zu gut für mich. War immer nur ein recht mittelmächtiger Schwertkämpfer. Der Schmied dieser herrlichen Waffe wäre wahrscheinlich in Tränen ausgebrochen, wenn er mich mit dem Ding herumfuchteln gesehen hätte!<
>Ach was<, sagte die Jelke Thorgesttochter da.
>Nein, nein<, widersprach Garmir spöttisch. >Das stimmt schon! Unseren Lehrmeister hat er an den Rand des Verzweifelns gebracht! Was hat er noch immer gemurmelt, wenn er dich mit dem Schwert hat kämpfen sehen?<
Thal lachte sichtlich stolz: >Bauer!<
>Ja<, meinte der Zwerg. >Bauer.<
Jelke blickte verwirrt auf ihren Freund: >Aber wie um alles in der Welt hast du dann all die Schlachten überlebt?<
Thals Lächeln gefror und auch Garmir verstummte. >Nun<, sagte Thal mit tiefer Stimme und deutete düster bestirnt mit dem Stumpf auf seine leere Augenhöhle: >Mit vollem Körpereinsatz!<
Da lachten die Munzianer laut auf, aber ihre Augen folgten ihnen nicht.
>Ihr seid doof!<, kommentierte die Jelke.
Bohemond Wögenröter kam herbei gehumpelt. Frisches Blut drang unter seinen Verbänden hervor. Sein Gesicht war bleich und schmerzverzerrt, aber er war in volle Rüstung gewappnet, denn, so meinte er, es habe durchaus keinen Sinn sich zu schonen, wenn des Lebens endend Spanne einem keine Schonzeit gewähre. Des Einars Marschall blickte auf den Feind, der mühsam sich durch den Schlamm kämpfte:
>Einen Sturmangriff haben wir nicht zu befürchten! Fast können sie einem Leid tun, sich so durch den Matsch zu quälen! Aber seht ihr den linken Flügel? Er schert aus und hält im weiten Bogen auf den anderen Hügel zu!<
Die Munzianer und die holde Jelke sahen´s wohl.
>Hm<, sprach Jelke, >Heute gehen sie etwas überlegter vor, will´s mir scheinen! Pferde haben sie nicht dabei, also ist nicht der Pass ihr Ziel, sondern der andere Hügel! Wenn sie uns von dort in die Seite fallen, während wir hier vollauf beschäftigt sind...<
Die Vorstellung missvergnügte die Mannen sehr. Der Marschall: >Um den anderen Hügel zu verteidigen, müssen wir hier Männer abziehen, die wir dringendst brauchen. Sch...ande! Was soll´s.
Jelke!<
>Jawoll!<
>Schnapp dir den kleinen Munzianer hier...<
>Welchen?<, fuhren Thal und Garmir dem Bohemond gleichzeitig ins Wort.
>Ähm? ´Tschuldigung! Schnapp dir den Thal und was ihr noch an Männern hab, nehmt und HALTET den anderen Hügel! Leb wohl! Wir werden uns nicht mehr sehen!<
Da wurde der Jelke ganz elend zumute und sie schlang dem großen Marschall die Arme um den Hals und gab ihn einen Kuss auf die Wange. Die Munzianer aber fassten sich bei den Armen und Garmir musste dem Thal versprechen auf Gunther aufzupassen. >Und Du<, meinte der Zwerg bekümmert,> pass´ mir auf die kleine Wölva da auf!<
Das versprach der Einhand gern.
Ein letztes Mal blickte die Thorgesttochter zum vorrückend Heere hinab und war froh, dass sie nicht gegen den Lollius zum kämpfen kam. Ein kleiner Teil aber sehnte sich, noch einmal den Herrlichen zu sehen, vielleicht ihm auch ein Wort zu sagen.
Ein kleiner Teil des Thal sehnte sich nach der schwärzlich Albe, der Tarna Silberhaar. Der Rest verzweifelte, denn dem linken Flügel der Lormyrer stand keine andere als die Dunkel-Albe vor.

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