Die Saga von Jelke Eisenseite
von Carsten Maday

 

Sieben Namen


Sieben Namen! Doch wo sind die der unzähligen Namenlosen, der Toten, der Kämpfenden, der Verwundeten, der Menschen, die zum Wahne sich versammelt einhier im Tale? Ach, ich wollt, ich wüßt´ sie, könnt sie nennen. Ja, kennt denn ein Gott sie? Weiß die Norne um des Fadens Namen, den sie zertrennt oder ist´s ihr allerlei, zerschneidet sie sie namen-, wahllos in hektischer Betriebsamkeit, kaum nachkommend in schweißtreibender Arbeit? Des Todes Sense schneidet ja besser als ihre Schere.
Sieben der Namen weiß ich nun zu nennen, sieben nur von vielen, und könnten sie ´s, sie sollten stehen für all die anderen, deren Mut, Angst und Tod nicht billiger waren. Sie können´s, dürfen´s nicht und müssen´s doch, und beschämt die Feder zittert, weil´s sieben nördlich Recken sind, die auch für die Lormyrer stehen müssen.
Koll, Hrelp und Anders vom Schiff des Thal, Odd, der Steven-Hauptmann Jelkes und Mechthild, Bjartmar und Marme von anderen Schiffen.
Diese also folgten der Jelke Eisenseite, der wilden Tochter Thorgest, durchs lormyrische Gewimmel sich wühlend, hin zum Thal, dem große Drangsal erwuchs von den Feinden.
Jene streiften die Verwirrung ab, wie wenn ein Mann aus schweißigem Alpdruck schreckt und sieht, dass all die Dinge, die seinen Geist plagten, nur geträumt. Erleichtert nun beginnt er sein Tageswerk. So auch die Lormyrer ihr blutiges. Sie stürzten herbei auf die kleiner Nester der Seeschäumer und den Achten wurde es bald auf ihrem Wege wie dem Korn zwischen den Mühlsteinen. Zermalmt wurden sie in der grausigen Blutmühle des Tales.
Vorne ging die Jelke, strebend durchs Gewühle zum Thal hin, bemüht sich nicht in zeitraubende Kämpfe verwickeln zu lassen, sondern geschwind den tödlichem Sturme ausweichend, dass sie noch den Munzianer erreichte, ehe es mit ihm zu Ende. Es folgten die Sieben. Weniger von Schicksal und Können gesegnet, verloren sie bald schon den Anschluss an die hurtige Jelke. Kaum die Hälfte der Strecke getan, als Jelke sich wandte nach den Gefährten, ob sie ihr etwa noch zu folgen vermochten, oder schon alle dahin waren. Bjartmar, der starke Mann, war da, dicht auf, hielt der Thorgesttochter den Rücken frei. So auch die holde Mechthild. Koll und Marme auch. Den Odd sah sie noch, als ein Lormyrer keck mit dem Spieße von hinten nach ihm stieß. Das breite Blatt fuhr ihm durchs Gesäß und drang vorne an der Eichel hinaus, das Gemächt durchbohrend. Elend ging es mit dem Steven-Hauptmann der Jelke zu Ende. Anders und Hrelp waren nicht zu sehen. Die Blutmühle hatte sie zerrieben.
Wütend wirbelte sich die spitzzüngige Eisenseite den Weg mit der schnellen Klinge frei, gellend, dass viele, mit dieser den munteren Schwerterreigen nicht wagend, verzagt wichen. Die viere hintendrein.
Bald sah sie den Thal! Lieb´ floss stärkend ihr in die Glieder, die müden, als sie ihren Freund verzweifelnd kämpfend sah. Er verteidigte seinen Platz, wie der Leu das gerissene Lamm gegen die Übermacht der zornigen Hirten, die dem Räuber ein für alle Mal ein Ende bereiten wollen. Kreisend flog die Klinge, hielt sich den Feind vom Leibe so gut es ging. Die war längst schartig und stumpf von all dem Morden und taugte zum scheiden nicht mehr gut. Wohl aber zum Schädelbrechen und Knochenzermalmen, denn der kleine Krüppel legte nun viel Kraft in seine Hiebe, seine Feinde sahen´s ungern, hielten sich ein wenig noch ferne, bis des wilden Mannes Armes Kraft ihm schwinde.
Zerschunden auch des Munzianer Wappnung, denn der achtete wenig nur auf Deckung, fing mit Fleisch, Knochen und zwiefach gewebter zwergisch Brünne manch bösen Hieb.
>THAAAAL!<, schrie Jelke nun übers Schlachtfeld, sich sehnend nach dem Gefährten. Schnell geduckt, das Schwert aufwärts unter den Rippen in einen Brustkorb gestoßen, tödlich herausgezogen, erneut rufend, bald schon weinend um den Mann, der ihr so lieb geworden.
>THAAAAAAAAL!< Wild die Zähne gefletscht im vollem Lauf, schrie und hackte sie, die Jelke, nach Leibeskräften und wirklich, es vernahm den Ruf der Freundin der vielbedrängte Thal. Der stand über einem, dem letzten Gefährten, dem ein Spieß die sehnige Schulter getroffen hatte und der nun wund am Boden lag. Also der Thal, dem Gefährten zwiefach Raub von Brünne und Leben wehrend.
Schlimm wurde es ihm. Schon brodelte es wild in ihm, vom verzweifeltem Willem noch gebändigt, als der Jelke Ruf Hoffnung in sein hoffnungsloses Herz hauchte. Mächtig hämmerte er noch einmal auf die Feinde ein, die dreisten, die einwenig näher nun gekommen, zertrümmerte viele Schilde.
>JEEEEELKEEEE<, drang es unterm schweren Topfhelme hervor.
>THAAAAAL!<, trug Eisenseites Kehle die Antwort übers Mordfeld. So riefen sie wieder und wieder, wie wenn im Nebel Rufe zwischen zwei Schiffen ergehen, dass nicht man vom anderen abkommt, so riefen sie durch den blutigen Schlachtnebel. So kam Jelke näher, bald heran. Und wären nicht die Gefährten im Rücken gewesen, hätte sie hundertfachen Tod erlitten, denn die wehrten viel Drangsal von der wilden Schwertfrau, der spitzzüngigen Jelke Thorgesttochter.
Was an Seeschäumer noch am Leben vernahm den Ruf der Anführer und versuchte sich verzweifelt dorthin durchzubeißen, als lasse es sich in deren Gesellschaft angenehmer sterben, als allein unter den Lormyrern, die man ja überhaupt nicht kannte, geschweige denn, kennen lernen wollte.
Weh aber, denn nicht unverborgen blieb dies der schwärzlich Albe, der schönen Tarna Silberhaar. Die Scharen geordnet, lief sie nun herbei zu diesen.
Es wurde kälter im Tal. Regen begann sich in Schnee zu wandeln.

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