Die Saga von Jelke Eisenseite
von Carsten Maday

 

Chor der jovenischen Krieger

Zehn Schritt über ihnen tobte die Schlacht, aber für die vier Legionäre war das Kämpfen vorbei. Quintus V starrte auf seinen Stumpf. Ein sauberer Schlag hatte ihm die Rechte überm Ellenbogen abgetrennt. Er hatte die Wunde krampfhaft mit der Linken umklammert, bis Marius ihm fand und den Stumpf mit einem Lederriemen abschnürte. Der Blutverlust und der Schock hatten sein Gesicht weiß gefärbt. Auf seinem Schoß lag der Kopf des Decius gebettet, oder zumindest das, was vom seinem Gesicht noch übrig war. Ein röchelndes Husten brachte Blut und Knochen hervor, die dem Jungen in den Hals gerutscht waren. Er zitterte und sein heiles Auge irrte wild umher, als suche es irgendetwas. Quintus sah auf Decius. Armer Junge dachte er, ist besser wenn du bald stirbst. Pssst, es wird alles gut, flüsterte er. Quintus war lang genug dabei, hatte viele sterben sehen, aber warum flüstert man und spricht zu ihnen, wie zu kleinen Kindern, fragte er sich verwirrt. Er streichelte Decius über die intakte Seite des Gesichts. Neben ihm verband Marius die Wunde des Marcus VIII. Auch so ein Frischling, dachte Marius. Ein Schwerthieb hatte dem Marcus VIII. die Augen aus den Höhlen gerissen. Marius schnitt sein Untergewand in Streifen und verband den Jungen so gut es ging. Er selbst hatte einen in den Schenkel verpasst bekommen. Tief genug, um nicht mehr kämpfen zu müssen, aber wenn der Wundbrand ihm keinen Strich durch die Rechnung machte, würde es wohl wieder werden. Kriegstauglich! Na ja, alles hat seine Vor- und Nachtteile. Als alle versorgt waren (außer dem jungen Decius! Da gab´s nichts mehr zu tun) ließ sich Marius zurück in den Schlamm sinken.
Eine verdammte Schande ist es, das mit den Jungs hier. Durchweg gute Jungs, alle. Nur viel zu grün.
>Verdammte Schande<, sagte er laut und zur Welt im allgemeinem.
Quintus nickte: >Verdammte Sache, schon recht!<
Ein Knäuel aus Menschenfleisch schoss an den vieren vorbei. Decius röchelte erregt.
>Schon gut<, meinte Marius. >War nur unser Centurio und ´nen anderer...<
Quintus: War, glaub´ ich, der Orkschlächter.
Marcus: Doran Orkschlächter?
Quintus: Ja, genau! Na, da ham sich ja zwei gefunden, wie?
Marius: Uh, das tat weh!
Marcus: Was denn, was denn?
Marius: Der Orkschlächter hat dem Jason eine verpasst.
Quintus: Arrrgh! Mitten in die Eier! Der Centurio hat´s doppelt zurück gezahlt.
Marcus: Ob wir unserem Centurio nicht helfen sollten.
Marius: Du bist gut. `Nen Blinder, ´nen Handloser, ´nen Lahmer und... na ja, ähm Decius. Man, wenn wir alles in einen Topf schmeißen, kriegen wir grad´ mal ´nen ganzen Mann zusammen!
Quintus: Verfluchte Schande das! Ah, jetzt kommt Bewegung in die Sache! Jetzt geh´n sie´s mit Dolchen an.
Marcus: Was hat denn so geknirscht?
Marius: Der Jason wird jetzt wohl ´nen Boxernase haben!<
Marcus: Oh!
Quintus: Jetzt umkreisen sie sich wie die Raubtiere!
Marius: Zehn auf den Orkschlächter!
Marcus: Was, du willst Geld gegen unseren Centurio setzen?
Marius: Ist nichts persönliches! Geld ist Geld, ich kann´s gebrauchen!
Quintus und Marcus: Zehn auf den Jason!
Schweigen!
Marcus: Was ist? Was ist? Hab ich gewonnen?
Quintus: Du glaubst es nicht, wenn Du´s nicht gesehn hast! Oh, Verzeihung.... Sie ham beide ihre Dolche geschleudert.... und getroffen!
Marcus: Wa...
Quintus:... mit dem Knauf aber.
Marius: Selten dämlich!
Quintus: Echt, wahr! Jason schlägt, nein er täuscht mit der Rechten an und die Linke...!
Marius: Wei, ein Schlag, wie mit ´nem Hammer!
Marcus: Der Centurio ist richtig! Weiter so, Jason!
Quintus: Aber der Orkschlächter steht und... Buh, gegen´s Schienenbein. Das war aber unschön!
Marius: Man, was erwartest Du, he? Wie ham Kriech! Erhöhe auf zwanzig! Verdammt!
Quintus: Haha! Ich geh mit!
Marcus: Er hat getroffen? Ich auch!
Marius und Quintus: Ihr Götter!
Marcus: Was? Was? WAS!?!
Marius: Das gibt´s nicht! Ham sich beide ´nen Schwinger verpasst und sind zu Boden gegangen! Alle Beide!
Quintus: Haste noch nich´ gesehn... Oh, Verzeih...Da Jason, krabbelt rüber...
Marius: Aber der Orkschlächter kommt auch hoch... oh... und geht gleich wieder zu Boden...
Quintus: Jason packt ihn...uh...Doran kommst los und beißt ihn in die Hand. Nana...
Marius: Ein Gemetzel!
Quintus: Decius, Junge was ist? Hand? Zwei Hände? Drei, vier? Was ist mit Dir?
Marius: Junge, beruhige Dich! Hände? Ach, fünf, zehn, fünfzehn, zwanzig? Du willst auch setzen, wie?
Quintus: Jason? Nein? Orkschlächter? Auch nicht? Ein Finger! Zwei Finger? Du willst auf beide setzten? Meine Herren, das nenn´ ich aber mutig, mein Junge. Bist schon in Ordnung, Decius!
Marcus: Jau, es gilt also, Decius, deine zwanzig auf Unentschieden! Jason!
Quintus: Vorwärts Centurio!
Marius: Los Dora... Ne, lieber nicht, der Centurio hat zu gute Ohren, Leute. Echt wahr!

Jason spuckte einen Zahn aus. Regen und Blut rannen über sein Gesicht. Mit dem Wikinger standen die Dinge auch nicht zum besten. Sein Gesicht war von den Fäusten des Centurios verwüstet, die Lippen aufgeplatzt und auch seine Nase hing schief. Sie lagen beide im Schlamm. Doran stützte sich auf seinen Arm, holte aus und fiel wieder hin, mit dem Gesicht in die Erde. Schlammbläschen stiegen auf, als er ausatmete. Ächzend drehte er sich zur Seite, um Luft zu bekommem. Da schlug ihm Jason beide Fäuste auf den Magen, aber Dorans Kettenhemd und die erlahmenden Kräfte des Centurio retteten ihn. Er stieß den Jovener schlaff an. Es reichte, um ihn wieder umzuwerfen. Einen Augenblick blieben sie liegen, atmeten schwer. Doran hob den Kopf. Die Lormyrer kamen näher, langsam wie eine Schnecke zwar, aber wohlgeordnet und stetig. Nicht mehr lange, und sie hatten ihn erreicht. Ich muss weg hier, aber wie? Ich krieg den Typ da einfach nicht los. Er wollte sich aufrichten, schaffte es aber nicht. Egal, nur eine kleine Weile noch! Ach, keine Zeit. Er stützte sich zuerst auf den einen und dann auf den anderen Ellebogen und sah den Jason, der sich auch aufzurichten versuchte.
>Schiescht Du, die Lormyrer kommen näher! Gleisch ischt´sch aus mit Dir, Orcschläschter!< Er neigte den Kopf und spie Blut aus.
>Isch kann nischt mehr!<, meinte Doran und fuhr mit der Zunge über seinen abgebrochenen Stiftzahn.
>Isch auch nisch!<, keuchte Jason. >Tut mir leid, dasch esch scho schu Ende geht. Hätte disch lieber im ehrlichen Kampf beschiegt, als Disch von den Lormyrern gefangen nehmen schu laschschen...<
>Meinscht wohl eher maschschakrieren schu laschschen, wasch... Du könntescht misch ja auch einfach laufen laschschen, scho unter Ehrenmännern...<
Jason musste schmerzhaft auflachen:
>Ne, lasch mal, scho weit geht´sch dann doch nisch mit der Freundschaft!<
>Ssssch...ade!<
Da erhob sich ein großes Wehgeschrei von der Schlacht her, jammervoll und entsetzlich, dass den Jason eine böse Ahnung befiel.
Bald darauf bestätigte das Triumphgeschrei der Seeschäumer des Centurios Befürchtung:
>Lolliusch!<, keuchte er entsetzt. Er kam mühsam auf die Beine, wollte schon forteilten, als er sich wieder des Orkschlächter entsann. Panisch blickte Jason auf die Lormyrer, die qualvoll langsam vorrückten, dann auf den Orkschlächter.
Der sah des Mannes Zwiespalt. >Lasch mich gehn<, grinste er und zeigte seine Zahnlücken. >Lauf schon schu deinem Legaten! Oder willscht Du warten, bisch die Lormyrer kommen? Lasch unsch aufhören, wir können unschere Kräfte noch beschscher gebrauchen!<
Da nickte der Centurio. Er reichte dem Orkschlächter die Hand und sie halfen sich gegenseitig aufstehen. Als sie standen, hielten sie sich für einen Augenblick noch an den Unterarmen, nickten einander zu. Dann trennten sie sich und jeder lief seinen Weg. Der des Jason trieb ihn den Hügel hinauf. Angst und Selbstvorwürfe beflügelten seinen Lauf. Der Doran aber sah sich um, zuckte mit den Schultern und rannte einfach den Hang entlang und so aus unser Geschichte.

Chor

Quintus: Meine Güte! Erstaunlich
Marius: Ja, aber irgendwie enttäuschend!
Marcus: Was denn, eh?
Marius: Sie haben sich getrennt, einfach so!
Marcus: Also Unentschieden?
Quintus: Ja! He, Decius, haste gehört? Unentschieden! Du hast gewonnen! Oh...<
Marcus: Was ist?
Quintus: Decius ist tot!
Marius: Armer Junge! Ist wohl besser so!
Quintus: Ja, viel! Was machen wir mit seinem Geld?
Marius: Gewonnen ist gewonnen! So hab´ ich´s immer gehalten!
Marcus: Lass uns den Gewinn in Gold umtauschen, dann kriegt er ein paar schöne Münzen für den Fährmann mit!
Quintus: Er hat nur keinen Mund mehr!
Chor: Eine verdammte Schande ist das!

Autorenplattform seit 13.04.2001. Zur Zeit haben 687 Autoren 5378 Beiträge veröffentlicht!