Die Saga von Jelke Eisenseite
von Carsten Maday

 

Folgendes geschah nun:
Telamon riss im Bogen den Arm empor, gefährlich blitzte das Fackellicht auf dem spitzigen Ende des Dolches, als er wieder hinab fuhr. Tief in des Vertilgers Kehle löste sich ein brüllend Schrei.
Leder knirschte, als Jason und Jællen die umwundenen Griffe ihrer Waffen fassten.
In der schwärzlichen Albe Weiße las der Legatus Lollius die eignen Gedanken:
Nun dem Toste ob drohender Übermacht in allem nachgeben, des Nachts aber mit allen Mannen aus dem Lager fliehen, zuvor jedoch den Ambitus zur späteren Verwendung fesseln und knebeln. Morgen konnte er bereits bei seinen Legionen sein und in vier Tagen vor dem entblößten Lormyr selbst. Tod oder bedingungslose Kapitulation sah er sich bereits vor den Mauern rufen. Kontrollierte er erst die Stadt und den Handel, konnte er sich gegen den Toste wenden und danach gegen Jova selbst, bevor der Imperator selbst zuschlagen konnte. Und zuschlagen würde, musste er gegen den Usurpator, wollte er nicht alle foederati des Reiches gegen sich aufbringen. Usurpator, wie bitter schmeckte dieses Wort. Nein, Befreier wollt er sein, das klang schon besser! Doch die Truppen, würden sie ihm folgen? Die erste Desperata gewiss, doch die zwote Mora war genauso zuverlässig wie pünktlich. Ach, er würde ihre Treue mit der Plünderung Lormyrs erkaufen können. Mit Freiheit auf den Fahnen weiter nach Süden, ins Land der Belger. Dort konnte er wohl mit der Hilfe der schöne Jællen hoffen, Mannschaft zu sammeln. Dann galt´s gegen Jovas Legionen zu kämpfen, ein ungleich schwierigeres Unterfangen als ein paar Barbaren abzuschlachten. Bürgerkrieg also! Doch welch Preis war der Sieg? Die Kaiserkrone? Haha, nein, resurrectio rei publicae! Das sollte das Ziel sein, musste er den toten Kadaver auch mit Gewalt aus seinem Grabe ziehen. Ein, zwei Siege, mit brillanter Strategie erzwungen, Gnade den Besiegten und die Legionen würden anfangen zu ihm überzugehen, die Garnisonen würden ihm die Tore öffnen und Befreier rufen. Schon galt´s zu überlegen, mit welchem geschichtsträchtigen Spruch es den Grenzfluss Jovas zu überschreiten galt. Wie wäre es mit: Na, kommt schon Leute, bin mir echt, wirklich sicher, dass das ´ne gute Idee ist, oder so was. Dann Jova selbst, der Triumphzug, Kreuzigung des Ambitus, Feldzug in den östlichen Provinzen. Am Ende des Jahres wäre die Republik und der Senat wiederhergestellt, die Provinzen befriedet und die Jungs zu Hause. Er selbst würde sich dann zum Konsul wählen lassen, die junge Republik festigen und sich nach einem Jahr als Pensionär auf seinen Landsitz im sonnigen Süden zurückziehen, damit nicht sein strahlender Ruhm alle anderen in den Schatten stellte.
Gerne wollte er aber zu besonderen Staatsfesten in die Hauptstadt kommen, sich an den Ehrungen und der Liebe von Senat und Volk laben. Ja, konnte er nicht den Knaben am Rand des Triumphweges die Mutter fragen hören, wer dieser edle Greis sei. Und die Mutter würde ihm sagen: Das ist Quintus Petilius Lollius, der Vater unser Republik.
Seine Altentage aber würde er mit der Niederschrift seiner Memoiren und der Zierfisch Zucht verbringen. Ach, ein lieblicher Teich, gesäumt von schattenspendenden Zypressen, in dem sich die exotischsten Fische tummelten. Dort würde er seufzend stehen, sich fragen ob er glücklich sei, und als SIE aus dem Hause zu ihm kommt, lächelt sein Herz ein `Ja´.
>Liebling<, hört er sie sagen, >es klopft an der Türe.<
Und ganz spannten sich die Sehnen am dicken Halse des Vertilgers, als gräulich brüllend mit dem Dolche in der Hand auf den Tisch er hieb, dass laut es krachte, und die Klinge bis zum Heft im Eichenholz stak und der schreckliche Mann noch immer den Griff mit der nervichten Rechten umschloss, mit gewaltiger Kraft, als wolle er das Metall zermalmen. Lauter jedoch als Ruf und Hieb des Rasenden, war der grollende Donner, den einen vom Rotbart, dem Lollius vom Jupiter kommend, als warne er den Legaten vor aufrührerischem Gedanken. Und es zuckte in frommer Scheu der Legatus Augusti pro praetore Quintus Petilius Lollius. Doch der Schrecken waren drei, und still und leise kam der Gräulichste: in der Albe Antlitz hatten sich die Augen geschlossen, fort die Weiße, nur Schwärze sah der Legat, dem es unheimlich fröstelte, hatte er doch der kalten Schönen Lider sich den Hauch eines Moment vor dem Donner schließen sehen; ein Moment, flüchtig wie des Lebens Lächeln selbst.
Und als des Vertilgers Unmut losbrach, wie der Regen, der nun heftig aufs Zelt hernieder ging, da trat der Lollius gefasst an die Türe, öffnete sie den Senatoren, die blökend hereinstürmten, des Lollius Knie umfassten und laut jammernd flehten. Er jedoch würde zur Truhe gehen, die Rüstung entstauben und den Tanz mit Bellona aufs Neue wagen müssen, denn seine Tat rief Nachahmer, Menschen wie diesen Ambitus, hervor. Nun würde er sich mit Usurpatoren, aufrührerischen Provinzen, die er beschworen, herumschlagen müssen. Zum dictator würd´ man ihn machen. Doch weh, wie ein Reich in sechs Monaten befrieden, wozu doch ein ganzes Leben von Nöten? Konsul, Diktator auf Lebenszeit, und niemand würd´ sagen, es wär´ nicht gut und gerecht! Hart die Zeiten, hart auch seine Hand, die unbarmherzig zuschlug und zuschlagen musste, so wie es einst auch der Imperator musste. Und die Härte würd´ zum Zug seines Wesen, wie das Misstrauen, das Grausamkeit hervorbringt.
Eines Nachts sieht er sich im Bette wälzen, schlaflos, rufend, klagend, dass er zu dem geworden, was ihm verhasst. Er sieht, wie er zum Stahle greift, die pochenden Adern sich öffnet und noch einmal weinend schreit, dass, um das Liebste zu retten, er´s um so sichrer verdarb. Da wünscht sich der Legat lieber tot, als so verhasst sich selbst zu sein.
Und die Albe schlug die Augen auf, die so weiß und kalt, so leblos waren und so schön. Da nickte ihr der Lollius anerkennend zu, denn die Falle, die ihm gestellt, war so gut, dass er lieber in sie gehen wollt, als ihr zu entkommen suchen.
Telamon endlich schloss sie vollends. Erst zogen sich des Vertilgers Brauen zusammen, und der Mann stieß die Worte mehr durch die gebleckten Zähne, als sie zu sprechen. Also der Wüterich, den Griff noch immer kraftvoll mit der ädrigen Rechten gepackt:
>Genug! Keine Vertröstungen mehr! Keine Gerede mehr von Morgen, von den stolzen Legionen! Nein, genug, sage ich. Jetzt gilt´s mit Taten eure Worte zu untermauern. Morgen wollen wir sehen, wie IHR den Hügel stürmt, wie IHR den Vertrag mit Blut erfüllt. Und bedenke, verweigerst Du´s, dann nenne ich Dich Neiding, pflanz´ Dir die Stange vors Zelt und erschlag Dich wie einen tollen Hund. Der Imperator aber wird sich fragen lassen müssen, wem seine Legionen drohen, wenn nicht den Seeschäumern. Wähle deine Antwort gut, denn Schlacht bringt sie in beiden Fällen, und wählen kannst du nur die Größenordnung!<
Weh Zeit, launischer noch als die Fortuna selbst, kaum gewährtest du ja dem Legaten sich einen Narren zu schelten, als im Zelte man zu den Waffen griff. Blank zog der Jason, schon begierig sich auf den Telamon zu stürzen, wartend nur auf des Lollius Geheiß. Ach, dem starken Mann hätte auch das kleinste Zucken des Lides genügt, um mit Blut des Legaten Schmähung fortzuwaschen.
Blank zog auch die schöne Reckin Jællen, die rotumflammte Maid. Rechts den gladius, in der Linken den pugio, bereit dem Legaten Ungemach zu wehren. Auch der Ambitus zog das Schwert, etwas zu langsam, um ehrlich zu sein. Wohl sah´s der Lollius, des Kaisers Legat.
Weh, denn die Unterführer all standen nun auch mit gezogenen Klingen ihren Führern zur Seit´, die ruhig und mit dem Waffen im Gehänge am Tische saßen.
Quintus Petilius Lollius sprang vor, erhob gebieten den Stab, rief:
>Fort mit den Waffen, ihr Wolfskrieger und Lormyrer all. Ist mein Wort noch vom geringsten Wert, gehorchet dem Gebot, dass es nicht bitterlich Euch reut, wird Blut hier im Zelt vergossen. Senket die Waffen, in Freundschaft, ja zum Rate auch, sind wir zusammengekommen!<
Und es eilte dem Lollius zu Hilf der Aigiserschütt´rer, des verborgnen Kronos´ Sohn, denn die Flut des Regens und den Männerlärm übertönend, erscholl der mächt´ge Donnerschlag, vor dem ein jeder im Zelt zurückschrak. Also folgte man voll frommer Scheu des Legaten Geheiß:
Der nun wandte sich an den Toste:
>Prinz Toste, edler Æthelbertling, wenn es wirklich dein Wille ist, dass ich Morgen den Hügel angreife, bevor die Legionen zur Stelle sind, dann sollst du deinen Willen habe!<
Zustimmendes Gemurmel auf Seiten der Lormyrer, ein Lächeln beim Toste, des Witwenmachers Hand entspannte sich, der kühnen Jællen und dem Jason verschlug es den Atem. Und die Albe...nun die war, wie stets, blind, ein wenig höhnisch auch.
Und der Legat fuhr fort:
>Nur billig und recht ist dein Begehren. Jovaheim weiß es und, glaub ´s mir, wird es niemals vergessen.
Wohlan denn, Toste, sage, wenn ich Morgen den Hügel angreife, was wirst Du mir dann gewähren? Erhält denn nicht jeder deiner Heerführer ein Ehrengeschenk?<
Da blickte der Toste den Telamon fragend an, aber ehe der etwas sagen konnte, entstand in den Reihen Lormyrs Gemurmel, dass dem Lollius Recht gab. Viele meinten, dass der arme Spinner, der morgen den schlammigen Hügel als erster hinaufstürmen sollte, ein ordentliches Ehrengeschenk verdient habe, da sie sich selbst das gleiche ausbedingen würden, wenn sie das Schicksal ebenfalls so hart treffen würde. Und der Toste, solches vernehmend, meinte nicht unfreundlich, dass der Legat nur frei wählen sollte aus der Beute, die morgen gemacht würde.
Da zeigte der Lollius auf welche prächtige Weise seine Zähne gewachsen waren und meinte:
>Ach, das ist ja echt nett von dir, oh edler Toste! Hm, was nehme ich denn da? Ach jetzt weiß ich´s: Ich nehme die Jelke Thorgesttochter!<
Kaum dass triumphierend die letzte Silbe von des Legaten Lippen gedrungen, donnerte es wieder angemessen. So laut, dass nur der primipilus Jason der Jællen Aufschrei vernahm.

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