Die Saga von Jelke Eisenseite
von Carsten Maday

 

Von einem Gastmahl

>Weiber!<, dachte Jason. Jællen ist eine ausgezeichnete Kämpferin, ein guter Offizier, wie es nur wenige Männer sind. Sie ist mutig, sie ist stark und in dieser harten Männerwelt ist sie härter als die Männer, die sie zu regieren glauben. Aber wenn es darum ging, pünktlich zu einem Abendessen aufzubrechen... Nun, es gibt wohl Dinge, die sich nie ändern, vermutete Jason und verlagerte sein Gewicht ungeduldig von einem Bein aufs andere.
>Bin gleich so weit! Noch einen Augenblick!< Jællens Stimme drang durch den Vorhang ins Vorzelt. Jason verbiss sich die Antwort, dass sie das bereits vor einer Ewigkeit gesagt hatte. Er seufzte stattdessen und wandte sich seiner Rüstung zu. Er hatte sich in Schale, d.h. seine Ausgehuniform geworfen. Die schlichte, aber auf hochglanz polierte Rüstung eines Centurios. Alles saß an der richtigen Stelle. Er kontrollierte schnell die Eingänge, hob denn Arm und roch an der Achsel, so gut es mit seiner gebrochenen Nase eben ging. Er zog ein Gesicht. Erträglich, befand er, wenn man bedenkt, dass ich mich mit einem Bad im Schnee begnügen musste, anstatt mit einer jovenischen Therme. Unwillkürlich flogen seine Gedanken heim nach Jova und ehe er es verhindern konnte weiter aufs Land zu seinen Töchtern. Clodia, seine Älteste, die ihrer Mutter so ähnlich war, sie würde im Frühjahr heiraten. Er kannte sie kaum. Jeder einfache Legionär stand ihm näher, als seine Töchter. Er schickte ihnen Geld und Beute. Sie lebten gut. Besser als mit dem Vater. So ehrlich er sich auch freute, sie auf seinen kurzen Besuchen zusehen, wohl fühlte er sich nie dabei. Sie waren ihm fremd, er ihnen. Seine Besuche waren von befristeter Kürze und gleichzeitig länger, als Jason ertragen konnte. Er fühlte sich gezwungen in ihrer Umgebung, durfte nicht er selbst sein, denn er schämte sich für das, was er war. Er schämte sich, dass er die Besuche kürzer gestaltete als es sein Urlaub gestattete. Er schämte sich, dass sein letzter Besuch drei Jahre zurück lag, dass er ihn nur machte, weil Lollius im befohlen hatte seinen Urlaub abzufeiern. Er schämte sich des Gefühls der Erlösung, als er seine Töchter wieder verließ. und erschämte sich, dass er nicht wusste, ob er seine Kinder liebte, oder ob sie ihm egal waren. Diese Unsicherheit war ihm die schlimmste. Seine Kinder hatte man zu lieben! Wenn man überlegen musste, ob sie einem egal sind, dann war da schon grundsätzlich was im Argen.
Er schob den Gedanken fort, trat an den Tisch und musterte seinen Bronze-Helm. Daran gab es nichts auszusetzen. Selbst er hätte ihn dem verhasstesten Rekruten bei einer Parade anstandslos abgenommen. >Dauert´sch noch lange?<, fragte er mit einem gequälten Ton in der Stimme, der nicht nur von den Schmerzen seines zerschundenen Gesichts herkam. Vorsichtig fuhr er mit der Zunge über die Zahnlücken und zuckte schmerzhaft zusammen. Wenigstens hatte sich das Lispeln auf ein erträgliches Maß reduziert.
Auf der anderen Seite des Vorhangs ließ man sich nicht zur Eile antreiben. Betriebsames Poltern erklang, gefolgt von einem fröhlichen Summen. Jason seufzte und polierte den Helm aus Neue.
Als er fürchten musste, dass die Bronze allzu dünn wurde, legte er den Helm bei Seite und fasste sich in den Schritt und rückte sein Gemächte zurecht. Seine Beine steckten in warmen Lodenhosen und Lederstiefeln. Ein Tribut, den das Wetter ihm abverlangte. Nach seinem ersten Winter in diesem seltsamen Land und einer unangenehmen Blasenentzündung hatte er Hosen und Stiefel durchaus zu schätzen gelernt, doch der Jovener in ihm fühlte sich eingeengt und, nun ja, ein wenig unanständig gekleidet.
Männer sollten wirklich keine Hosen tragen, dachte er.
Ein wohl riechender Bote drang ins Vorzelt und an des Jasons bläulich schiefe Nase. Der sinnliche Duft des Parfüms kündete den lang ersehnten Auftritt der praefecta alae Jællen an.
Jason straffte sich und wandte sich dem Vorhang zu und stieß vernehmlich den Atem aus, als Jællen eintrat. Es ist nicht auszuschließen, dass des Centurios geschwollene Kinnlade nach unten klappte.
>Ähm...<, machte er.
Jællen schenkte dem Mann ein gewinnendes Lächeln. >Na? Was sagst Du?<, fragte sie.
Eine kleiner Teil tief im Inneren des Jason gab zu bedenken, dass Frauen solche Fragen nur stellten, wenn sie sicher waren, dass den Männern ohnehin die Worte fehlten. Der Rest verwandelte sich in einen stammelnden Idioten.
>Wa...<, versuchte er und sah eine lauernde Augenbraue im schönen Gesicht der Praefecta nach oben schießen.
>Gglll...<, versuchte es der Centurio und spürte, wie der Frosch in seinem Hals ihn zu ersticken drohte.
>Du...<, gelang es ihm endlich ein erstes Wort zu artikulieren.
>Ja?<, sagte die Praefecta und verzog ihre rotgeschminkten Lippen zu einem gnadenlosen Lächeln.
>Dduu bist...< Jason erkannte, dass er einen Satz begonnen, und nun keine Ahnung hatte, wie er ihn beenden sollte.
Jællen hatte ihre wilde, rote Mähne zu einen schweren Zopf gezähmt, in den Silberdraht geflochten war. Das gab mehr Blick auf einen schönen Hals frei, als es für einen alten Centurio nach einer langen Schlacht gut war. Schnell huschten seine Augen auf das Gesicht der Jællen zurück. War das ein LIDSTRICH? Der Jovener schauderte. Er verlor sich für einen Augenblick in der smaragdenen Tiefe ihrer Augen, ehe er seinen Blick senkte...und gleich wieder erhob. Das schlichte, schwarze Wollkleid verlieh ihm einen allzu tiefen Einblick... Ja, in was? Meine Güte, sind das SOMMERSPROSSEN auf ihrem Dekolleté?
Ihre Augen funkelten ihn an und Jason spürte, wie ein Schauer durch ihn lief. Jason hatte genug gesehen und erlebt und er kannte diese Art von Schauer. Es war diese Art, die einen Mann dümmlich grinsen und sinnentleertes Gestammel von sich geben ließ. Obacht, riet der kleine Teil tief in ihm. Der Rest lächelte breit und meinte:
>Du, du bist in...CIVIL?<

Leise fiel der Schnee in dem friedlichen Tal. Das lormyrische Heer war fort und das Lager war bis auf wenige Zelte leer. Die Legionen hatten das Tal erst gar nicht betreten, sondern eilends den Rückmarsch in die Ebene angetreten. Lucius Aemilius Discussus, der Stellvertreter des Legaten Lollius war mit einer Kohorte hinabgestiegen, um den Aufbruch des kleinen jovenischen Kontingents aus dem Lager zu überwachen. Lollius hatte überlebt. Die wenige Zeit, die er zu Bewusstsein kam, nutzte er um sich mit seinem Stellvertreter zu beraten, d.h. ihm Ratschläge zu geben, die der alte Militär Discussus nicht benötigte. Eilmarsch. Winterquartier und Meldung nach Jova.
>Finde Jelke, Jason!<, hatte Lollius in mitten seiner Litanei über die Perfidie des Lormyrers gestöhnt und war in Ohnmacht gesunken vor Schmerz. Jason hatte Discussus´ Angebot, ihn von dem etwas eigentümlich gegebenen Befehl des Lollius zu entbinden abgelehnt und sich die Jællen und ihre wenigen Belger zur Unterstützung ausgebeten. Widerwillig hatte der Legat Discussus eingestimmt. >Die Belger brauchen eh´ ´ne Nacht Ruhe, ehe sie wieder zu etwas zu gebrauchen sind. Aber es will mir verdammt noch mal nicht gefallen meine besten Unterführer für ein sinnloses Unterfangen dranzugeben! Warum?<
Die Männer, der Bauer Jason und der Patrizier Discussus hatten sich angesehen und gelacht.
>Weiber!<, sagten sie wie aus einem Mund, gaben sich die Hände und verabschiedeten sich von einander.
Die Temperatur im Tal kühlte bedenklich ab, als der Jovener Discussus sich steif vom lormyrischen Thronerben verabschiedete, wie die Höflichkeit es verlangte. Dann verließ die Kohorte das Tal, den Legaten Lollius tief begraben unter Decken in einer Sänfte mit sich führend.
Der Toste aber brach mit seinem Heer in die andere Richtung auf, denn den Seekönig Einar nicht zu verfolgen, konnte er nicht riskieren, wollte er die fremden Raubscharen nicht zum Überwintern einladen. Dass der Königssohn Toste aber sein Heer mit zornrotem Gesicht anführte, lag nicht daran, dass er die Jovener unbehelligt ziehen lassen musste und kein Heer zwischen ihnen und der Stadt Lormyr stand. Warum auch, waren sie doch foederati. Nein, das lag an der Tarna Silberhaar, der schwärzlich Albe.
Die hatte dem Æthalbertling klar gesagt, dass sie nicht mitzuziehen wünschte und dem Königssohn statt dessen eine akribische Aufstellung ihrer ausstehenden Löhnung überreicht hatte. Verblüfft und zornentbrannt hatte sich Toste an den Telamon gewandt. Der aber meinte, er habe mit der Sache nichts zu tun, fande aber, dass es sehr zu empfehlen wäre, der Albe das ihre zu geben. Das war leider nicht wenig, was den Toste noch mehr erzürnte. So kam es, dass, als das lormyrische Heer abrückte, das Zelt der Albe noch immer im schneebedeckten Tal stand.
Zurückgeblieben war auch der Telamon mit einigen Männern. Der Vertilger hatte den gleichen Auftrag vom Toste, wie der Jason vom Lollius. Nur war die Motivation zweifelsohne eine andere.
Da der Vertilger ein erfahrener Söldner war, der Privates durchaus von Geschäftlichem zu trennen verstand, hatte er höflichst die Praefecta Jællen, den Centurio Jason und die blinde Tarna zum Abendessen in seinem Zelt eingeladen. >Das könnte interessant werden<, hatte Jællen gemeint und Jason hatte soundso nichts besseres zu tun. Sogar die Albe, die schwärzliche Tarna Silberhaar, hatte zugesagt.

Lagerfeuer brannten in der Nacht. Wer nicht Wache stand, oder die Zelte von ihrer weißen Last zu befreien hatte, scharte sich wärmend um die Flammen. Jællen und Jason waren in ihre schweren Militärmäntel gehüllt. Nach einem abwartenden Blick der Praefecta hatte der Jason schnell genug begriffen und der Kameradin seinen Arm angeboten. Gerne hängte sie sich ein. Arm in Arm zogen sie durch die weiße Nacht.
Das Schneetreiben war einem leisen, aber dichten Rieseln gewichen. Zwei lormyrische Fackelträger, die der Vertilger seinen Gästen gesandt hatte, leuchteten den Jovener und bahnten ihnen einen Weg durch den Schnee. Der war bereits hüfthoch und an den Zelten erreichte er sogar Mannshöhe. Nach einigen hundert, nicht unanstrengenden Schritten hatte die kleine Gruppe das große Zelt des lormyrischen Soldmannes erreicht. Die zwei Wachen unter dem Vordach hoben ihre blaugefrorenen Hände zum Gruß.
>Weiter machen<, sagte Jællen lachend und erwiderte den Gruß.
Als sie und Jason ins Vorzelt traten, verbreiterte sich Jællens Lächeln, denn hinter sich hörte sie noch die vier Lormyrer das gleiche Ritual beginnen, das man in jeder Armee in jedem Land hören konnte:
>Scheiß kalt, was?<
>Jawoll! Mir frier´n gleich die Eier ab!<
>Jap, das einzigste heiße, war die Perle grade!<
>Meine Herren, da hat der Vertilger aber ´nen schönen Appetitanreger.<
>Nette Titten, hehehe!<
>Pass man bloß auf, Ulf, dass dir deine feuchten Träume über Nacht nicht einfrieren, hahaha!<
>Achtung!<
Als Jællen und Jason den Schnee von ihren Mänteln geklopft und zwei weiteren Soldaten übergeben hatten, vernahm die Praefecta das peinlich berührte Schweigen von draußen deutlicher, als die...ähm, Komplimente der Soldaten. Ob Jason ähnlich denkt, fragte sie sich. Will ich doch schwer hoffen, hehehe.
Metall schepperte, als unterm Vorzelt zackig salutiert wurde. Es klang beinahe, als hätten sich einige der Männer die Finger beim Grüßen gebrochen.
Tarna Silberhaar vom Stamm der Dunkel-Alben trat ein.

Der Rang eines Praefecten der Hilfstruppen barg durchaus seine Vorteile, wie Jællen zuzugeben bereit war. Eine gewisse Unabhängigkeit, ein Minimum an Luxus und natürlich das jovenische Bürgerrecht. Auf der anderen Seite verlor man den Respekt der Soldaten, den man erst wieder mühsam zurückgewinnen musste. Das schlimmste jedoch waren die gesellschaftlichen Zwänge, denen sich selbst eine unwichtige praefecta alae nicht entziehen konnte: Offizielle Empfänge! Da Jællen sowohl eine Frau und Barbarin war, war sie natürlich ein gern gesehener exotischer Gast. Meist lief alles nach folgendem Schema ab: Jællen betrat den Raum und in Windeseile schoss die Gastgeberin auf sie zu, die sie stürmisch umarmte. Einmal bekam sie sogar ein Küsschen auf die Wangen. Jællen schauderte bei der Erinnerung. Dann fasste die Gastgeberin sie bei der Hand und schleifte sie von den anderen Offizieren und den interessanten Gesprächsthemen fort zu der Horde von Patrizierinnen, die sie unentwegt mit „Liebste, oder teuerste“ Praefecta ansprachen. Der Umstand, dass Jællen weiblichen Geschlechts war, schien sie zu verpflichten, sich mit diesem völlig unbekannten Matronen zu verbrüdern oder vielmehr verschwestern zu müssen. >Teuerste, ist es nicht schrecklich die ganze Zeit unter so wilden Männern zu leben?< Die Frage an sich verriet schon die lüsterne Geilheit der Tugendhaften.
>Ach, du Ärmste! Wir Frauen sollten zusammen halten!< Warum? Eine hinlängliche Antwort darauf fand Jællen nie. Weil man vom gleichen Geschlecht war? Jællen hatte genug Männer gesehen, die sich gegenseitig die Köpfe abschlugen. Alles in allem ehrlicher, als sich mit der verhasstesten Rivalin auf ein liebevolles Schwätzchen einzulassen, um neue Munition zum Klatschen in die Hände zu bekommen. Mehr als einmal hatte Jællen mitbekommen, wie die Gespräche über sie in ein schlammigeres Fahrwasser gerieten, sobald sie den Damen den Rücken zu kehrte. Daher kam sie den Matronen in ihrer Bitte gerne nach, etwas über die raue Männerwelt zu erzählen.
Berichte über Johannes´ neueste Geschlechtskrankheiten erzielten zumeist eine erstaunliche Wirkung. Wenn die Praefecta alae dann noch die tiefe Narbe an der Innenseite ihres Oberschenkels zeigte, entschuldigte man sie für gewöhnlich gern, damit sie die Schmerzen der alten Wunden mit reichlich unverdünntem Wein betäuben gehen konnte.
Das machte ihr die Dunkel-Albe, die blinde Tarna sympathisch. Bis zu einem gewissen Grade zumindest. Die Albe sprach kein Wort, als sie eintrat. Als sie die Kapuze zurück schob und den Mantel ablegte, verschlug es der älteren Thorgesttochter den Atem. Neben ihr klappte des Centurios Kinnlade erneut zu Boden und hinter ihr hörte Jællen, wie ein Mann überrascht den Atem ausstieß. Telamon war ins Vorzelt getreten, um seine Gäste zu begrüßen. Selbst diesen Gewaltigen beeindruckte die Albe an diesem Abend nicht wenig.

Augenscheinlich war auch der Befehlsgewalt des Telamon eine Grenze gesetzt, wie Jællen feststellen musste. So war es dem Witwenmacher zum Beispiel nicht möglich gewesen, seinen Männern zu befehlen, sich über Nacht in Lakaien zu verwandeln. Während ein Soldat linkisch das Tablett mit dem Braten balancierte, schenkte ein anderer den Gästen ungestüm den Wein in die Becher ein, ohne den Hauch von Platz zum Verdünnen mit Wasser zu lassen. Das war auch gut so, denn an Wasser zu denken, war dem Mann erst gar nicht eingefallen. Ein dritter versorgte das Feuer in der Mitte des Zeltes, sowie die Kohlenbecken an den Seiten. Telamon machte den Eindruck, als leide er an starken Kopfschmerzen. Sie schienen sich zu verstärken, als der Soldat das Tablett auf den Tisch knallte und daran ging, den Braten mit einem Kurzschwert zu zerteilen.
>Danke, Jungs!<, sagte der Witwenmacher, als der Mann fertig war. >Ihr könnt jetzt gehen! Den Rest schaffen wir auch allein.< Sie salutierten und verließen das Zelt.
Tarna Silberhaar, dachte Jællen. Ein verwirrter Telamon hatte die Gäste einander vorgestellt und Jællen hatte die Hand der Albe geschüttelt. Die war pechschwarz. Sogar die Fingernägel waren schwarz, wenn auch etwas matter als die Haut. Sie hatte zarte, feingliedrige Finger, doch der Griff der Albe war fest und kalt. Eine beklemmende Kälte, wie sie nicht durch die Außentemperatur zu erklären war.
An der Hand trug sie einen unverzierten Silberring.
Nun saß die Albe der Thorgesttochter gegenüber und schien mit ihren kalten, weißen Augen durch sie hindurch zu sehen. Wie Jællen trug auch die Albe ein schlichtes, warmes Wollkleid. Es war weiß und der Kontrast zur ihrer Haut brannte sich der Jællen fast schmerzhaft ins Auge. Wenn sie ein Mensch gewesen wäre, hätte Jællen ihr dringendst geraten, wieder mit der Nahrungsaufnahme zu beginnen, aber für Alben war der schlanke Wuchs normal. Gut, dass wir nicht in Jova sind, dachte Jællen, sonst könnte die Albe bei den Matronen eine sehr ungesunde Modewelle in Gang setzten.
Unter dem weißen Stoff des hochgeschlossenen Kleides stachen die Brustwarzen als einzig sichtbare Erhebung vor. Auf dem rechten, dünnen Oberarm, von dem sich die Praefecta fragte, wie er ein Schwert überhaupt zu heben vermochte, lag ein Verband an. Auf dem Linken zeichnete sich eine silberfarbene Tätowierung ab. Seltsamer Weise glitt ihr Blick immer wieder von dem silbernen Symbol ab, ohne genau erkennen zu können, worum es sich dabei handelte. Der Versuch sich darauf zu konzentrieren, brachte der Jællen nur Kopfschmerzen ein.
Als die Thorgesttochter das letzte Mal in Jova gewesen war, war gerade ein Gladiator aus dem südlichen Kontinent in aller Munde. Er nannte sich selbst „der schwarze Panther“. Verglichen mit der Albe, war seine Haut so hell, wie ein leicht bewölkter Sommertag. Ihr Gesicht war so schwarz, dass das Licht helle Schatten darauf zu werfen schien. Die Haut war von eine Schwärze, die unweigerlich ein Beiwort verlangte. Jason hatte es einmal als tief schwarz bezeichnet. Jællen nannte es finster.
Die Augen! Der gleiche Effekt, wie bei dem Kleid, nur stärker, kälter. Der blinde Blick brannte sich förmlich durch die Thorgesttochter.
Das alles aber war es nicht gewesen, was die Praefecta, den Centurio und auch den Telamon so erschüttert hatte. Es war auch nicht das lange silberne Haar, das die Albe zum Zopf gebunden hatte und so gleißend sich von der Dunkelheit ihres Gesichtes abhob. Nein, das alles kannten die drei Soldat bereits.
Es war das Lächeln der Tarna Silberhaar. Nicht das wissende, spöttische, das man aus den Augenwinkel zu sehen glaubte und das verschwand, wenn man den Blick nach ihm wandte und man sich verwirrt fragte, wie man glauben konnte, dass diese Lippen überhaupt lächeln konnten.
Nein, es war ein sichtbares Lächeln. Ein zartes Heben der Mundwinkel, so deutlich in der Albe Antlitz, wie das schallendste Lachen im Gesicht eines Menschen.
Jællen schauderte.
Der Mundwinkel zuckte etwas höher noch. >Prost!<, sagte Tarna Silberhaar und hob ihren Becher in die Höhe!

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