Die Saga von Jelke Eisenseite
von Carsten Maday

 

Wie der Legatus Augusti pro praetore Quintus Petilius Lollius seine Mannen zur Schlacht anfeuert


Oh Helios, du strahlender Gott, leih hilfreich uns deine Hand, dass kühnen Schwungs wir deinen Wagen erklimmen und mit deinem Glanz uns übers Tal erheben. Frohlocken soll unser Herz beim Anblick der Heere, die bereits zur Schlacht sich aufgestellt. In Kummer lass uns unser Haupt bedecken vorm Leid, dass mit deinem Licht den Kühnen drunten erwächst. Hurtig ziehen die bebend Rösser deinen Wagen empor. Zerstreue einweinig der furchtsam Wolkenlämmer Schar, dass ungehindert wir sehen die stolzen Seeschäumer auf dem Hügel, bereit zum letzten Kampf. Kaum jedoch, dass du fort rasest, da schließen sich die unheilschwangren Wolken wieder, kühle Luft hin zum gipfelumkränzten Tale tragend.
Zur andren Seit´ fliegt unser Blick, hin zu der Lormyrern rüst´gen Scharen, die, von den Treffenführern gereizt, hitzig den Strauß-Ger schütteln. Ihnen voran, die wilden Belg´rer und die wölfisch Soldaten der ersten Desperata. Oh, du Gott, schenke dem Legaten dein segnend Schein, dass wärmend sich ihm regt das Herz im Leib bei finstrer Bedeckung. Das Herz, das gänzlich nun erkaltet von nächtlicher Enttäuschung. Lollius, du erzgegürteter Heroe, dem schrecklichen Ares gleich, was zerbrach dir Armen in der Nacht, dass so sorgenvoll die Stirne sich dir runzelt und bekümmert dein Schritt vor den Kriegern wirkt?

>Thorgesttochter!<, dachte Lollius und seine Brauen zogen sich zusammen, dass die Augen im düstren Schatten lagen. Zu seiner Linken stand die holde Praefecta und der Tribun Ambitus, den der Centurio bis zum Zelt des Toste verfolgt.
>Was dieser wohl an weiteren Verrat in seinem schlimmen Hirne mir ersinnt?< Lollius seufzte leis und kurz wurde ihm das Antlitz weich, ehe es ihm wieder erhärtete. >Mir ist´s gleich! Weh, was Übleres könnt er mir wohl zufügen, als es nicht die Jelke schon getan?<
Hart biss er die Kiefer aufeinander, hart stachen ihm die Wangenknochen aus dem Gesicht. Gleich dem schnaubend Stier blies er dem Atem aus den Nüstern. >All die Worte, oh Jelke, du Liebe, du Schreckliche, die du gesagt, dienten nur dazu, mich hinzuhalten, bis dein dritter Gefährte mich Narren niederschlagen konnte. Ja, ein Narr war ich, glaubte ich doch die Wahrheit in deinen Augen lesen zu können! Ein Narr, denn du ließest mich lediglich lesen, was dir genehm, wie auch deine Worte, die lügnerischen, mich nur hören ließen, was mein Herz zu hören wünscht. Oh du grausame Frau! Ich war ein Narr! Nun bin ich´s nicht mehr! Was einst an blühend Lieb´ in meinem Herzen war, soll nun von meinem Hass erstickt sein, denn das mörd´rische Feuer, das ich zur Schlacht mir beschwöre, verzerrt selbst das hoffnungsfrohste Lüftchen. Wenn ich denn kein Liebender sein kann, so will ich denn ein Rasender werden!<
Heftig sog der Held die Luft durch die kühngeschwungnen Nasenflügel, füllte die Lungen und entfachte seiner Augen Glut.
Wohl sah´s der Centurio, der reisige Renner Jason, der dem Freund zur Rechten stand. Er gellte den Befehl und ein Ruck ging durch die Reihen, als ala und Kohorte wie ein Mann stillstanden. Gebannt blickten sie auf ihren Feldherrn.
>Männer!<, rief der Legat. Die Zornesader an der Schläfe pochte wild, die Zähne bleckten wie die des hungrigen Wolfes: >Männer! Wir werden diesen Hügel empor rutschen (von ´stürmen´ kann bei dem Schlamm ja keine Rede sein) und irgendwie versuchen, nicht umgebracht zu werden!<
Und wollten einige schon zustimmend jubeln, so erstarb ihnen der Ruf in den Kehlen, als sie des Legaten Rede vernommen hatten. Verwirrtes Gemurmel erhob sich. Viele meinten, sie wären es nicht gewohnt, wenn der Feldherr ihnen die Wahrheit sage. Verheizt zu werden, sagten sie, wäre eine Sache, ihnen zu sagen, dass sie verheizt würden eine ganz andere.
Besorgt beugte sich der Centurio zum Lollius herüber und meinte:
>Herr, was ist mit Dir? Du kannst den Männern doch nicht sagen, dass sie wie Vieh auf die Schlachtbank geführt werden! Das ist einfach nicht gut für die Moral und so! Höre nur, wie sie murmeln. Vom Murmelnden zum Meuternden ist´s kein allzu großer Schritt!<
Und der Legat sah den Freund traurig in die Augen:
>Dann lass sie meutern, sage ich! Ist mir doch scheißegal! Ist doch alles sinnlos. Nimm dein Schwert und hau mir den Kopf ab! Was macht´s schon für einen Unterschied? Sterben müssen wir alle. Keine Hoffnung! Wie soll ich ihnen ein Ziel geben, wenn ich selbst nicht weiß, warum ich morgens überhaupt noch aufstehen soll! Ist doch wahr, verdammt! Ja, wahr! Wahrheit! Das ist es! Mit der Wahrheit im Herzen lässt´s sich schlecht sterben! Wir leben in einer Welt voller Lügen, ich weiß es nun! Verlangst du wirklich, dass auch ich die Unschuld der Worte vergewaltige und sie zur Lüge verdrehe? Nein, und sei´s nur aus dem einen Grund (und der ist so gut, wie jeder andere), dass ich der Welt Schlechtigkeit nicht mehr verachten könnt´, bedient ich mich ihrer üblen Mittel! SCHEI...nheilig ist´s!<
Und Jason entsetzt:
>Oh Lollius, du rasest ja! Komm doch wieder zu Dir! Du hast geschworen, den Hügel anzugreifen. Willst du deinen Eid brechen?<
>Ach, mein Freund, was ist wohl das größ´re Unrecht: den Schwur zu brechen, der den Mord gebietet, oder ihn zu erfüllen und zum Mörder werden? Weh, ich bin verloren, Freund!<
Und Jason besorgt:
>Aber nein, Freund Lollius, noch ist Hoffnung! Sieh nur die mutlosen Gesichter der Mannen! Ach, möchte doch ein Gott, dass du erneut sie füllst mit Kampfesfreud´! Schrecklich mag es uns werden, den Hügel zu erklimmen (auch mir graut´s vor den Verlusten), doch weigerst du dich oder die Mannen sich, fällt mordend das Heer der Lormyrer über uns. Sieh doch, solches wünscht sich doch der Toste! Und wer dem schrecklichen Verhängnis entgeht, dem droht die Kreuzigung oder lebenslanges Exil!<
>Ach, es war ein kalter Morgen, und als ich erwacht aus meiner Ohnmacht. Und ich fragte mich, ob es einen Unterschied macht, als Held, den Hügel stürmend, zu fallen, oder als Meuterer niedergehauen zu werden. Macht es einen Unterschied?<
Und Jason flehend:
>Dies ist die Frage, die zu bejahen du dein Herz zwingen musst! Belüge sie! Belüge Dich! Hoffnung ist da! Lügen ist einfach!<
Und der Legat:
>Ja, es ist einfach! Klein ist ja der Schmerz, wenn man das kleine Pflänzlein Skrupel samt und sonders herausreißt! Ach, Lüge auch dies, war nur eitel Schein, dass ich in der Ödnis diese eine Leben gedeihen ließ, um mich gut und gerecht zu wähnen! Fort mit dem Unkraut! Recht hast du, mein Freund! Unmöglich ist´s nicht, den Hügel zu nehmen! Die Spitze übernehmen die Kohorte! Verlustig ist der Feind ja der Wurfgeschoss, wir aber wollen seine Reihen mit dem Pilumsturm brechen. Dann wird´s vielleicht, ach fort, du zweiflerisch Wort, GEWISS wird´s gelingen durchzustoßen. Ein, vielleicht zwei Drittel Mannfall wäre kein zu hoher Preis! Da hat man ja schon ganz andere Rechnungen beglichen!<
Endlich nun ließ der Legat Lollius die brennende Wut aus seinen Augen auf die Mannen überspringen.
Centurio Jason aber atmete erleichtert aus, dass er seinen Legaten doch noch hingebogen hatte.
Lollius hob gebieterisch die Hand, und seinem Winke folgend eilten die Haruspizen herbei, aus dem Ziegenbock der Götter Gunst zu schneiden. Während diese also die Opferschau vorbereiteten, wandte sich Lollius mit ausgebreiteten Armen an die Soldaten:
>Freunde, Jovener, Mitbürger...! Was ihr Belger, ihr murrt, denkt, was redet er von Jovener, wenn die meisten aus dem hochscholligen Land der Belg´rer sind? Nein, ihr braven Leut´! Noch einmal nenn´ ich Euch Mitbürger, denn volles Bürgerrecht will ich denen verleihen, die mir heut´ den Hügel stürmen, ich versprech´s und der Imperator wird sagen, es ist gut und gerecht. Durch das Blut eines Tages sollt ihr gewinnen, was Euch ansonsten den Schweiß zwanzig langer Jahre Dienst kostet! Mitbürger also!<
Da hob gewaltiger Jubel unter den wilden Belgern an. Mit dem Schwertgriff schlugen sie gegen den Schild und riefen wieder und wieder den Namen ihres Feldherrn: LOLLIUS! LOLLIUS! LOLLIUS!
Nach einiger Zeit brachte der Legat mit befehlender Geste die Jubelnden zum Schweigen:
>Mitbürger, Jovener! Einen Tag lang berannte Lormyr den Hügel und vermocht ihn nicht zu nehmen! In der Nacht bestürmte mich der Toste, ihm beizustehen wider die wehrhaften Seeschäumer! Bei Jovas Ehre beschwor er mich um Hilfe, mahnte mich der bindend Verträge, griff flehendlich mir die Knie und bat um den väterlichen Schutz, den wir Jovener stets den Schwachen gewährt. So bedrängte mich der Mann und ich gesteh´s, das Herz regte er mir im Busen, denn, liebe Freunde, es kommt der Moment, da der Sohn ohne seinen Vater zurecht kommen muss. Doch sieht der Vater, dass dem Sohn Verhängnis droht, soll er dann zurückstehen und rufen: Nun lebe und sterbe, Sohn, in Mündigkeit? Nein, das wäre ein schlechter Vater, der seinem Sohn in höchster Not nicht beistünde! Und wird ihm die Vaterpflicht auch manchmal arg, so muss er sie doch erfüllen. Diesen Hügel nehmt, rufe ich! Und zeigt den Lormyrern, was sie mit Tausenden zu vollbringen nicht imstande waren, Jova mit einer ala und einer Kohorte wagt!<
Fleißig feuerte der Legat den Mut seiner Mannen an, dass diese ihre Zustimmung schrieen und verlangten, er solle sie in den Tod oder zum Ruhm führen.
>Nun, ihr haruspices<, rief Lollius gegen den Mannlärm,>lasst uns den Segen des Jupiter Optimus Maximus sehen!<
Es blitzte das Opfermesser, Blut spritzte, nicht zuckte der Bock, klug mit Kräutern betäubt, dass nicht ungeziemend Todesangst des Opfers Erhabenheit trübe. Ein Schnitt am Bauche, kundige Finger tasteten und Fanden das Gesuchte! Zaudern nun! Ratlos und entsetzt starrte das Priesterkollegium zum Lollius und das Heer aufs Opfertier!
>Jetzt gibt´s Ärger!<, flüsterte der Centurio seinem Herrn ins Ohr!<
Und unter dem Blick des Heeres blieb dem Legaten nichts anderes übrig, als dem Priester zu befehlen in der Opferschau fortzufahren. Die Hand des Mannes fuhr in den Kadaver und zog die Leber heraus, riss sie empor, krank, geschwürig, unheilvoll.
>Die Götter sind uns nicht wohl gesonnen!<, rief er!
Schweigen im Heer! Betroffenheit bei den Priestern!
Handeln war von Nöten und Lollius war der rechte Mann dafür. Er trat vor, riss dem Priester das unheil´ge Stück Fleisch aus den Händen, stieß ihn unsanft bei Seite und rief, die Leber beschwörend gen Himmel gestreckt:
>Was steht ihr schreckensstarr nun? Wo ist der Jubel? Seht dieses tote Fleisch! Hab ihr etwa geglaubt, die Götter würden uns einen leichten Sieg bescheren? Ihr Narren! Nein! Dies ist eine Illusion, so krank, wie dies Fleisch! Unser Gott ist ein gerechter und niemand soll ihn der Lüge zeihen! Klar zeigt er uns das Unheil, das uns droht! Doch er warnt und verbietet nicht! Vertraut nie dem, der leichten Sieg verspricht! Der lügt! Ich verspreche Euch Tod und Leid, weil ich zur Lüg nicht tauge! Drum seit Euch um so sichrer, dass der Lohn, den ich verheiße, ebenso wenig erlogen ist! Ich kümmre mich nicht um dieses Opfer, um gute oder schlechte Vorzeichen, nur um das, was zu vollbringen ich Euch zutraue! An euer Spitze werd´ ich heute fechten und ich weiß nicht einen unter euch, der an Mut und Tapferkeit hinter mir zurückstehen wird. Wer mich aber wanken sieht, der soll mich niederhauen, wie auch ich den wie einen feigen Hund erschlage, der zaudernd inne hält im mörd´rischen Sturm! Wenn dies unser Untergang sein soll, dann soll er den Seeschäumern so bitter schmecken, wie mir dies geschwürig´ Fleisch!<
Da biss der Lollius in die Leber und würgte sie herunter! Ekel regte ihm den Magen, aber sein Antlitz strahlte, als sei dies das köstlichste Mahl, das er je genossen. Verächtlich warf er mit blutigen Händen den Rest der Leber zu Boden, trat sie mit dem Fuß in den Schlamm. Als die Soldaten ihren Feldherrn mit blutigen Antlitz, wie den Wolf nach räub´rischer Jagd, stehen sahen, gellten sie erregt, er möge nun zur Schlacht rufen und sie in ihren Untergang führen.

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