Die Saga von Jelke Eisenseite
von Carsten Maday

 

Wen die Helden noch treffen

Ein Mann hieß Godwin, Sohn des Harald Schnauzer. Godwin war ein Heerführer des Toste. Er rühmte sich nicht wenig seiner hurtigen Schenkel. Viele nannten ihn daher sinnvoller Weise Godwin den Hurtigen. Nach der Schlacht war der Rat der Lormyrer unter dem Prinzen Toste, dem Vertilger Telamon und der zaubrischen Dunkel-Albe Tarna Silberhaar zusammengetreten. Folgendes beschloss man, dass es nicht schaden könne einen Späher ins feindliche Lager zu entsenden, der dort vielleicht von den Plänen der Seeschäumer erführe. Reichen Lohn versprach der Toste dem Kühnen, der dies wagte. Da sprang der Godwin auf und meinte, er wäre wohl gerade der Richtige dafür, denn seinen Beinamen habe er ja nicht von irgendwo. Da fragte ihn der Prinz, der starke Jüngling Toste, was er sich als Lohn wünsche. Der törichte Haraldssohn bedingte sich die Rüstung des Marschalls Bohemond aus, wenn dieser Morgen erst tot auf dem Hügel lag. Gern versprach ihm dies der Toste, denn das schien ihm ein Lohn, an dem er nicht verlieren konnte.
Dieser Mann also, der hurtige Godwin, kam in der Dunkelheit auf die Jelke und den Thal auch zu geschlichen und wäre ihnen wohl mitten in die Arme gelaufen, hätte Thal da nicht gemeint:
>Nun, Jelke, da wir den blut´gen Teil hinter uns haben, lass uns den roten Kampfschweiß und das Hirn auch uns von den Gesichtern und Gliedern wischen und uns in die Mäntel aus schwarz gewirkter Wolle hüllen!<
>Wau, tolle Idee, Thal!<
Da hörte der Godwin, wie die Helden beid sich zu säubern begangen und zwiefach Gedanke schoss ihm durchs törichte Hirn, die Füße hin zum freundlich Lager wenden, die Reisigen zu wecken und den Seeschäumern dort aufzulauern, oder allhier zu verharren und mit dem Ger nach beiden zu stechen. Ersteres sich ihm das Sicherere, denn gewaltig grauste es dem Mann vor der kampfstarken Thorgesttochter. Zweiteres aber schien ihm das Lohnendere, die Jelke mit dem Spieß zu morden und unendlich Ruhm und Ehrgeschenke vom Toste zu erlangen. Da gab der närrisch Degen seiner Habgier nach, fasste den Ger mit der nervichten Rechten und rannte auf die beiden Helden zu.
Der Thal säuberte sich mit dem Hemdzipfel das Antlitz und sah den mordlüsternen Mann nicht nahen. Die schnelle Jelke wurd´s gewahr aus den Augenwinkeln heraus, wie der Godwin mit dem spitzigen Ende des Speeres nach ihr stieß. Sie schnellte auf die Zehnspitzen, zog den Bauch ein, riss die Arme nach oben, dass der ganze Heldenkörper sich spannt wie der Bogen, den der muskelstarke Schütze durchzieht, dass die spitzige Klinge dort zwischen Holz und Sehne fuhr, der holden Maid das Hemd zerschnitt und eine blutige Spur zurückließ. Die Heldin, nun ganz erbost, dass der Dreiste es gewagt sie so zu ritzen, griff den Schaft unter der Spitze und wirbelte ihm samt Mann herum. Der ließ los und schlug zu Boden. Er war nun ganz bleich vor Schreck, der Thal aber ganz verwirrt:
>Was´n los hier? Wer ist das!<
Und Jelke auf ihr Hemd deutend:
>Irgendein Spinner, der mir mein Hemd ruiniert hat. Meine Güte, der wollte mir tatsächlich das spitzige Ende von diesem Ding hier in mich jagen!<
>Allerhand! Mann, das sieht aber auch verdammt spitzig aus.<
Der Godwin aber machte sich während dieser Wechselrede seinen Beinamen zu gebrauch und wandte die hurtigen Schenkel zum rettend Lauf, doch hin zum falschen Lager nun.
Und da die Jelke, den spitzigen Speer in der Hand wiegend:
>Holla, ein wahrer Schelm scheint mir dieser zu sein. Aber ein überaus schneller. Ganz macht die Furcht ihm die Glieder leicht. Gern würde ich sie ihm lösen.<
Und Thal:
>Warte, oh Jelke, mag dein Zorn auch ein gerechter sein. Wäre es nicht gut, wenn wir von ihm erführen, wie´s in des Feindes Lager steht? Um zu reden, ist aber ein gewissen Mindestmaß an Leben stets von Nöten.<
>Verdammt, gern würde ich ihm das spitzige Ding in den...na ja, da wo´s wehtut halt. Gut, hör, ich werf´ ihm zur Warnung den Speer vor die Füße. Dann weicht ihm der Mut ganz und er bleibt stehen. Wohin sollt er denn auch weiter?<
Da hob die Kühngemut´ge schon den Ger. Doch Thal rief:
>Warte noch, Freund Jelke. Ist nicht persönlich gemeint, aber wir Munzianer sind wohl die berühmtesten aller Speerwerfer. Ich meine, könnt ja sein, dass du ihn doch triffst, ganz zufällig sozusagen.<
>Hör mal, mein Vater hat das Speerwerfen erfunden ja!<
>Aber wir haben´s perfektioniert!<
>Ach?<
>Ja!<
>Bitte, wenn du meinst, dass du´s besser kannst.<
Da schleuderte der Thal mit den Linken den Ger nach dem fliehenden Godwin. Als Jelke sah, wo der Speer landete, meinte sie:
>Prima Wurf. Hat ihn echt aufgehalten. Obwohl ich finde, dass Arrgh als Information doch etwas mager ist!<
Der Thal aber wurde ganz rot im Antlitz:
>Hups!<, meinte er da. >Das wollte ich nicht. Meine Güte, war doch ´nen ganz zaghafter Wurf. Es tut mir Leid.<
>Ach schon gut, lag bestimmt nur daran, dass dat Ding so spitzig war!<
Also die Helden, die scharfzüngige Wölva und der Munzianer Thal.

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