Die Saga von Jelke Eisenseite
von Carsten Maday

 

Wie Bohemond mit einem Wurf doppelten Ruhm gewinnt

Als die Heere geordnet, bereit den Kampf zu eröffnen, trat des Einars Marschall vor die Todesnahen und sprach folgende Rede, die Recken des Königs Plan zu ermahnen und ihre Herzen vor Kampfeslust zu entflammen. Mächtig scholl die Stimme aus des Gewaltigen Brust, dass auch die entferntest Stehenden sie vernahmen. Also der Wogenröter:
>Hallo, kann mich jeder verstehen? Ja? Auch der Zwerg dahinten? Gut! Wohl an denn, ihr Kämpen all. Dort harren der Lormyrer Mannen, von des Æthalberts Sohnes Zorn mächtig angetrieben, begierig den Tod in unsere Reihen zu tragen.<
Der Marschall schenkte der Thorgesttochter einen vorwurfsvollen Blick.
>Schon schüttelt der graus´ge Mordbrenner Telamon den Wurfger in der nervichten Rechten, ihn zu schleudern über unsere Reihen, das Morden zu Rauners Ehren zu eröffnen. <
Der erste Schnee der Jahre lag auf des Kühnen Haupt und Bart, und sein Antlitz war entstellt von einer tiefen Kerbe, die ihm ein Axthieb über Stirn und Nase schlug. Doch heldischer Glanz lag in seinen Zügen, verlieh ihm eine männliche Schönheit, welche der unschuld´gen Jugend abging. Und er sprach nicht unfroh:
>Wenige sind wir, die erkoren der Nornen Schluss, sich zu erfreun´ des hellen Speerliedes Gell´n. Doch schwör ich´s bei Freys Hoden, nimmer wünscht´ ich einen mehr zu fechten in unsren Reihen, dass nicht des Ruhmes Anteil geringer wird, welcher uns an Rauners Tafel trägt!<
Und Jelke staunte sehr, ob solch kühner Rede. Weiter hinten vermeinte sie den Gunther zu vernehmen:
>Ihr Götter, steht uns bei! >Er ist ein Wahnsinniger.<
Und der Thorgesttochter schien es, als spräche des Zwerges dunkle Stimme:
>Wen wundert´s, bei dem Schlag, den er auf den Kopf bekommen hat. Kann ja nicht ohne Folgen bleiben!<
Und es räusperte sich grimmigen Blicks der Marschall und sprach :

Hoch an Wolkens Straß´, die helle Sonne steht,
gleißend Sternes Strahlen, an Speerschafts Spitze,
verheißend glänzend´ Ruhm, den hehren Ger-Recken,
Aares Atzungs Lohn , Ases Tafel Labung .
Zerschlägt Telamons Schwert, Thingherrn Volkes Schilder,
Trägt uns der Walküren Ehrung, zu Walhalls Einherjern.
Wer wünscht andres tun, an solch wundreich´ Tag?

Und die Hundertschaftsführer, dem Ansehen nach steigend:
>Eigentlich hätt´ ich heute Abend ´ne Verabredung!<
>Ich hab´ mir ein Ferienhäuschen im Süden gekauft, fast geschenkt, du weißt schon, wegen dem trocknen Klima. Die Feuchtigkeit macht mir ganz schön zu schaffen. Ja, ihr jungen Leute hab damit keinen Vertrag, aber wartet´s nur ab, die Zeit verstreicht für euch nicht langsamer, wenn ihr es jetzt auch glaubt. Denkt, ihr wäret stark wie Thor, was, ha, passt bloß auf, Elli beißt Euch auch noch in den Allerwertesten, hihihihi. Ach, damals, ja, da gab es noch richtige Helden, nicht solche Schwachköppe, wie ihr. Ja, damals, da war eh´ alles anders, irgendwie besser. Damals hatte man noch Respekt vor dem Alter, jawoll, nicht so wie heute, ne...<
>Ach, halt´s Maul, Opi. Du denkst, du hättest Ärger am Hals, wie? Sieh mich ´mal an. Ohne Pferd, hier, heute, vor dieser Schlacht. Hab´s gestern Nacht beim Würfeln verloren, und so wie die Sache steht, werde ich wohl kaum Gelegenheit erhalten, den Gaul heut´ Abend zurück zu gewinnen. Das, Alter, das tut wirklich weh!<
>Reißt Euch ´mal ein bisschen zusammen. Was soll ich denn erst sagen. Ich bin heut´ aufgewacht, und wisst ihr, was ich entdeckt habe? Haarspliss! Wenn ihr denkt, ihr hättet Probleme, dann versucht ´mal vor ´nur Schlacht ´nen Termin beim Friseur zu bekommen! Das ist die Hölle!<
>Zugegeben, Gunther, das geht an die Nerven. Doch höre mein Leid. Ich bekam heute einen Brief meines Steigers, bin stundenlang durchs Lager gerannt, bevor ich unter diesem Haufen von Analphabeten jemanden fand, der ihn mir vorlesen konnte. Und was stand drin, hä? Sie haben vor ´nur Woche ´ne vielversprechende Goldader gefunden. Hätt´ ich das vorher gewusst, wäre ich zu Hause geblieben. Konnt´ ja keiner ahnen! Shitkram!<
>Is´ ja wirklich ein schöner Tag, aber wenn ihr mich fragt, könnt ich mir schon was besseres vorstellen, als mir heut´ den Schädel spalten zu lassen. Ich kenn´ da einen Fluss, wo die Lachse wie wild beißen. Liegestuhl, die Angel in der einen Hand, ein kühles Bier in der anderen...?!. Na gut, die Angel zwischen den Knien und ein kühles Bier in der Linken! Gibt´s was besseres, na?<
>Männer! Pah! Götter, ihr seid ja so unsensibel. Geht bloß weg und seid ruhig! Ich hab meine Tage!<
Da wurden die Helden sehr rot im Antlitze. Und der Orkschlächter:
>Ja, ja, und ratet ´mal, wer gestern bei ihr liegen musste!<
Und betroffen traten die Mannen von einem Bein aufs andere und meinten, der Orkschlächter habe es wohl am schwersten gehabt.
Jelke sah zum Himmel, als erflehe sie Erbarmung, doch musste dieser Eindruck täuschen, leugnete sie bekannter Weise die Asen all.
Und der bohrende Blick des Marschalls, dem sie zunächst stand, ließ sie sagen:
>Eh, sieh mich nicht so an. ICH hab´ heute soundso nichts anderes zu tun gehabt.<
Und als der Wogenröter sich derart der heldischen Gesinnung seiner Hundertschaftsführer versichert, nickte er dem Witwenmacher übers Mordfeld zu, den ersten Wurfger zu schleudern, dass der Tages Schlachten anhebe, bevor es mit seiner Geduld zu Ende ging.

Ein Mann hieß Heinrik, der trug den Beinamen ´der Schüchterne´ und nur wenig Mut im Herzen, galt aber als sehr ratkundig. Er wohnte in der Gegend von Jädern und war ein Gefolgsmann des Goden Steinthor, der alt an Jahren war. Als Æthalberts Heerpfeil an des Goden Hof gelangte und ihn Mannschaft sammeln hieß, da sah Steinthor, dass er nicht mehr zum Kampfe taugte. Er hatte zwei Hauptleute, den schüchternen Heinrik und den Schläger Sven. Die Sache war die, dass unter ihnen wenig Freundschaft herrschte. Einen von diesen musste Steinthor zu seinem Stellvertreter ernennen, doch wie er sich auch entscheiden mochte, des einen Gunst würde des anderen Unmut wecken. Also ließ er sie losen und das Glück war mit Heinrik. Sven aber schwor bittere Rache. Am Tag der Schlacht bildete Jäderns Aufgebot die letzte Reihe der Lormyrer. Sven jedoch hatte seinen Schwur nicht vergessen und trat mit seinen zwei Brüdern vor Heinrik, ihn mit blanker Gewalt so sehr einzuschüchtern, bis dass der Arme freiwillig den Platz des Anführers räumt. Alle drei Brüder waren sehr stark und Heinrik hatte keine Freunde im Heer.

Ein gewaltiges Tosen hob an, als die Lormyrer all den Schwertknauf gegen den Schild schlugen. Und es trat vors Heer der graus´ge Vertilger Telamon, das Schwert im Gehänge, den Schild überm Rücken, mit feurigem Helmbusch, einen gewaltigen Speer in der Rechten wiegend. Dieser war ganz aus Erz und so schwer, dass zwei Männer ihn nicht zu heben vermochten. Mächtig schüttelte er den Ger überm Haupte. Der Held blickte über die Reihen der Feinde, dann wechselte er verächtlich das Geschoss aus der Rechten in die nervichte Linke. Und es verstummten der Lormyrer Schläge, als der Kampfwecker aus dem Stand den schweren Straußger abschoss, dass dieser in hohem Bogen der Sonne Bahn durchschnitt und mit Macht weit hinter der letzten Reihe der Seeschäumer einschlug und bis zum Griff in Jords warmen Schoß versank. Die Seeschäumer nun wurden sehr still und verzagt, ob solchen Heldenstücks. Die Mutigeren meinten, da habe der Telamon einen Wurf getan, den zu übertreffen sich der Wogenröter mächtig anstrengen müsste. Wem aber das Herz nicht am rechtem Flecke saß, dem rutschte es in die Hose, manchem sogar in den Stiefel. So groß war des Telamons Kraft.
Nun wollten die Wikinger den Lormyrern nicht nachstehen und feuerten ihren Marschall mit Worten und Schildschlägen an. Der schluckte schwer, trat dann mit dem spitzigen Speer in der Rechten vors Heer. Weithin sichtbar wechselte auch er das Wurfgeschoss in die Linke, dem Telamon gleich und schleuderte es des Æthalberts Scharen entgegen.
Und der Mannen Kehlen Grollen schwoll an zum tosend´ Sturm, den Ger auf seinen Wogen über Lormyrs Reihen zu tragen. Doch siehe, der Wurf ward schlecht geraten. Zu flach war seine Bahn, als dass er hoffen konnte, der feindlich Reihen all zu überfliegen. Als die Heere diesem angesichtig, da geriet des Einars Recken Kehlen Hoffnung zur beschämten Stille. Unter Lormyrs Scharen aber hob ein hämisch Brüllen an, ob des Marschalls kraftlosen Armes. Und es sank herab der Unglücks-Ger.

Heinrik wurde sehr verzagt, als ihm die drei Brüder mit geballten Fäusten gegenübertraten. Und hart bedrängten ihn die drei, den Platz dem Stärkeren zu räumen. Schon wurden schwach die Beine, dem ungehörigem Begehren Folge zu leisten, als erscholl der Lormyrer hämisch Lachen, dass dem Heinrik ganz elend ob seiner Feigheit wurde, dachte er doch, der gerechte Spott galt ihm. Und aus der Furcht vor unmännlich Taten Schmähung erneuerte sein Herz den Mut des Svens Drängen stand zu halten. Mächtig schwoll seine Brust ob solch ungewohnten Gemüts, grimmig der Blick, bohrend den Brüdern zugeworfen, dass diese verwundert zurück traten. Also der Hundertschaftsführer Heinrik:
>Ja, weicht zurück, denn nicht weiche ich der dreifach neidlich Übermacht. Ich steh und halte meinen Platz. Trollt Euch, Neidinge, oder beweist mir im Angesicht der Götter eure Kraft.<
Doch die drei Brüder wichen ob des Wüterichs kühner Rede weiter zurück. Und der Heinrik:
>Wohl beraten seid ihr, dies zu tun. Doch in Jädern will ich Euch die Neidingsstange vors Haus pflanzen, dass jeder Eure feige Gesinnung sehe. Feigheit weckt der Götter Zorn, doch des Mutigen Herzen lohnen sie, dass... Aaarrgg!<
Und es drang dem Heinrik das Geschoss durchs rechte Auge, dass es Blut und Hirn über die Brüder regnete und ihn an den Boden nagelte. Zuckend floh den Mann das Leben, gefällt von des Marschalls Wurf. Doch den Sven traf der Schreck, dass er ohnmächtig zu Boden sank. Es geht die Rede, dass er erst nach der Schlacht erwacht sei, mit flammender Entzückung in den Augen und Nässe in den Hosen. In wilder Flucht soll er davon gerannt sein, sich den Geschorenen angeschlossen und als Einsiedler in der Ödnis sein Leben zu Gottes Ehren ausgehaucht haben.

Bei den Heeren wechselte nun das höhnische Lachen auf die eine Seite, das betroffene Schweigen aber auf die andere. Und die Wikinger meinten da nicht unstolz auf ihren Marschall, dass des Telamons Wurf an Weite überlegen sei, der des Bohemond aber an Ruhm, denn der habe gleich zwei Männer gefällt, die obendrein noch auseinander standen.
Bohemond packte das Schwert mit der nervichten Linken und gab das Zeichen, die Schlacht zu beginnen.

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