Die Saga von Jelke Eisenseite
von Carsten Maday

 

Wie Jelke sich am Lagerfeuer wärmt

Das Gewitter war vorbei gezogen, in weiter Ferne tobte es sich übern Gebirge aus, dort, wo Jelke gestern noch die wilde Hatz vernommen hatte. Der Regen aber war geblieben und schien immer stärker auf die Zeltwand zu prasseln unter der sich vier Gestalten um ein Feuer scharten.
In der Wärme des Feuers spürte Jelke, wie kleine Rinnsale von rostigem, öligem Wasser an ihrem Körper herabliefen. Die eiserne lornica war ihr etwas zu weit, wie auch die schwere galea , die aber der blonde Mähne der Jelke genug Stauraum bot. Der frühere Besitzer der Rüstung, ein Wolfskrieger, hatte nicht sie selben Maße wie die Thorgesttochter und war auch an bestimmten Stellen weitaus weniger gepolstert, aber auf ein Opfer mit idealen Maßen zu warten, dauerte ihr dann doch zu lange.
>Freund Johannes<, sagte sie,> reich mir doch ´mal den Weinschlauch ´rüber!<
Ein ringgeschmückter, muskulöser Arm fuhr unter dem dicken Pelz hervor, griff nach dem Schlauch und warf ihn der Jelke zu.
>Danke, Freund!< Jelke nahm einen tüchtigen Schluck. Die drei Männer nickten anerkennend.
Sie und Thal hatten sich getrennt. Der Munzianer hatte sich dem Centurio an die Fersen geheftet, sie selbst hatte den Legaten verfolgt.
>Warum zieht es mich zu ihm?<, fragte sie sich, als sie einen weiteren Zug tat.
Der Legat war in seinem Zelt verschwunden und nachdem sie einige Zeit davor gelauert hatte, entschied sie, dass sie wohl anderswo nach Informationen suchen musste. Jetzt saß sie als Wolfskrieger kostümiert an einer nie versiegen wollenden Quelle von Gerüchten und Parolen.
Die drei Namen der wilden, grimmigen und angetrunkenen Belger waren Johannes, Alexander und Michael. Jelke hatte erfahren, dass sie Morgen als erste den Hügel stürmen sollten, eine Ehre auf die sie wenig zu geben schienen. >Seltsam<, dachte sie, als sie diese rauen und nicht unfreundlichen Kerle musterte,> wir sitzen hier wie Freunde und morgen muss ich sie vielleicht umbringen. Oder sie mich.<
Alexander:
>Nicht mehr lange bis zum Morgengrauen.<
Michael:
>Jap, aufgeh´n sehen werden wir die Sonne, aber sehen wir sie Morgen auch wiederuntergehen? He, wer geht da?<
Lollius ( vermummt ):
>Ein Freund!<
Michael:
>Unter wem dienst Du?<
Lollius:
>Unter dem Centurio der ersten Centurie des ersten Manipels der ersten Kohorte der Legio prima Desperata Jason!<
Michael:
>Ah, der Jason! Das ist ein guter Mann.<
Jelke zog den Helm etwas tiefer ins Gesicht, versuchte unter die Kapuze des Verhüllten zu spähen, doch dieser, solches ahnend, zog etwas fort vom Licht des Lagerfeuers sich und weiter in die Finsternis. So konnten Jelkes Augen nicht bestätigen, was ihr Herz ahnte.
Jelke:
>Guter Mann, dieser Jason. Sage, Kamerad, was hält der Centurio wohl von der Sache?<
Lollius:
>Dass es Wahnsinn ist den vom Regen aufgeweichten Hügel mit kaum tausend Mann zu erklimmen, der von derart kampfkundigen Feinden Gehalten wird.<
Johannes:
>Ich seh das genau so! Hat er´s nicht dem Lollius gesagt?<
Lollius:
>Nö! Warum auch? Ich will Euch sagen, wie ich´s glaube, dass es um den Feldherrn steht:
der ist auch nur ein Mann, wie ich selbst einer bin! Glaubt ihr denn nicht, dass diesem dieser Wein - Danke schön- genauso schmeck wie mir? Scheint die Sonne ihm nicht gleich wie mir? Nehmt ihm den Legatsstab und die Gewänder? Wäre er dann nicht auch nur ein nackter Mann wie wir?<
Und Jelke:
>Interessante Vorstellung!<
Johannes:
>Recht hast du Freund! Ja, pinkelt der Legat nicht auch wie ich im Stehen?<
Alexander:
>Ja, gewiss, bleibt nur zu hoffen, dass er nicht soviel Blut im Strahl hat wie Du, hahaha!<
Lollius:
>Ähm... was wollte ich sagen? Blut, wie? Ist ja widerlich. Nun je, meint ihr nicht, dass all sein Fühlen gleich dem Unseren ist. Sind nicht auch seine Gedanken, wenn auch von ungleich höhrer Qualität, nicht auch wie die Unseren? Was wir fürchten, dass fürchtet auch dieser kühne, brillante, verwegene Günstling der Götter. Doch was ihn nun unterscheidet, ist, dass er diese Furcht nicht zeigen darf, will er nicht den Mut aus den Herzen der Männer nehmen. Ach, welch Last muss auf diesen starken, wohlgeformten Schultern des Legaten ruhen!<
Alexander:
>Gewiss!<
Johannes:
>In der Tat!<
Michael:
>Kein Zweifel!<
Jelke:
>Allerdings brauch er nicht Wachestehen im Regen, oder die Latrinen ausheben!<
Johannes:
>Genau. Und die Pferde versorgen, Zelt auf und abbauen! Und die Schlacht überblickt er ja von weitem!<
Michael:
>Nur Morgen, da muss er selber, wie es heißt!<
Lollius:
>Ich bin´s mir gewiss, dass jedermann dann seinen Heldenmut sehen wird!<
Alexander:
>Wer´s glaubt, wird selig! Ich wette, der liegt bibbernd im Bett und wünscht sich lieber bis zum Hals in der cloaca maxima , als in dieser regnerischen Nacht hier zu sein!<
Lollius:
>Ich will Euch sagen, was ich vom ihm glaube: Dass er, der ruhmvolle Triumphator zahlloser Schlachten, sich an keinen anderen Ort wünscht, als hier bei Euch zu sein!<
Jelke:
>Dann wünsch ich mich woanders zu sein. Da fallen mir auf Anhieb ein gutes Dutzend friedlicher, trockener Plätze ein, wo ich lieber wär´!<
Johannes:
>Jap, soll er doch allein hier sein! Außerdem scheint es mir auf einen besorgniserregenden Geisteszustand hinzudeuten, wen man unbedingt HIER sein will!<
Lollius:
>Ha, ich wage es zu sagen, dass du diesen braven Mann nicht so übel liebst, als dass du ihn allein hier wünschtest. Ich für meinen Teil kann mir keinen besseren Ort zum Sterben vorstellen, als an der Seite des Quintus Petilius Lollius, denn sein Grund ist ein Gerechter und sein Streit ehrenhaft!<
Michael:
>Das ist mehr, als wir gehört haben!<
Johannes:
>Jap, und mehr, als wir hören sollen. Wir brauchen nur zu wissen, dass wir der Jællen dienen, die übrigens diese geile rote Mähne hat, aber lassen wir das jetzt, und die dient dem Lollius. Wenn sein Grund ein Ungerechter, dann wäscht unser Gehorsam zu ihm die Sünden von uns!<
Jelke:
>Ganz recht, Johannes, obwohl dass mit den roten Haaren, na ja, ähm, aber wenn sein Grund kein Gerechter, dann braucht er starke Nerven, wenn in seinen Träumen all die Beine, Arme und Köpfe, abgehauen in der Schlacht, sich vereinigen und schreien: Du Hund hast uns auf diesen schlammigen Hügel abschlachten lassen.<
Alexander:
>Und Nasen, natürlich! Ich hab da ´mal einen gekannt, der hatte seine Nase in der Schlacht verloren und auch nicht wiedergefunden...<
Jelke:
>Aha, interessant, aber wenn die Gemordeten in seinen Träumen jammernd nach dem Wundscher rufen, sich nach dem Weibe und den Kind sich weinend sehnen, da kann der Legat nur hoffen, dass sein Grund ein gerechter gewesen. Ansonsten würde er unendlich Schuld auf sich laden, wenn die, die ihm zu folgen der Gehorsam zwang, dahingemordet liegen! Und starben sie in Sünde, so werden ihre Vergehen die seinen, denn er hat ihnen ja die Möglichkeit genommen, sie zu sühnen!<
Und Lollius:
>Wenn ein Schiffseigner sein Schiff mit Ladung ausschickt und es von Piraten aufgebracht wird, die die Besatzung über die Klinge springen lassen, lasten dann ihre Leben auf dem Gewissen des Schiffseigners? War die Besatzung aber ein Haufen von syphilitischen Sodommisten, kann man wohl kaum erwarten, dass der Schiffseigner dafür gerade steht, oder nicht? Nein! Denn er wollte ja nicht ihren Tod sondern nur ihren Dienst! Die Schuld trifft die Piraten!
So ist´s auch mit dem Lollius! Unseren Gehorsam verlangt er, nicht unseren Tod. Und seine Aufgabe ist es nichts, sich um das Seelenheil seiner Soldaten zu kümmern, so sehr einige auch der Seelsorge bedürfen.< Er schenkte dem Mann mit dem Blut im Urin einen Blick.
Und Michael:
>Soviel ist gewiss, der Legat ist sicher nicht schuld an dem Blut in deinem Urin!<
Und Johannes:
>Ich für meinen Teil will dafür Sorgen, dass der Legat sich nicht für meinen Tod verantworten muss, und doch will ich Morgen nicht untapfer für ihn kämpfen, ich schwör´s.<
Jelke:
>Ich hört, die Jelke als Beut´ er sich erbat vom Toste!<
Lollius:
>Ha, dieser raste wie im Wahn!<
Alexander:
>Das Gebrüll hat man bis hier gehört! Ja, ja, der Lollius weiß schon, wie er seinen Gegner auf die Palme bringt!<
Jelke:
>Kann´s nicht auch sein, dass Lieb ihn bewog?<
Lollius:
>Das stünde einem Feldherr schlecht an! Doch sagt man auch, dass von größter Schönheit die blondgelockte Thorgesttochter sei!<
Michael:
>Hab ich auch gehört! Ich persönlich hab´s ja lieber, wenn da ordentlich was dran ist, hehe!<
Jelke:
>Ich hört, der Legat tat den Schwur, morgen an unserer Spitze zu kämpfen.<
Lollius:
>Solches hört ich den Lollius sagen, als ich vor seinem Zelt Wache stand.<
Michael:
>Ach was, morgen, wenn´s ans Sterben geht, heißt´s dann, er müsste nach Feldherren Art die Schlacht von ferne leiten! Wenn wir versuchen den schlammigen Hügel zu nehmen, wird er das Morden aus sicherer Entfernung sehen!<
Lollius:
>Wenn er dies tut, dann würd ich nimmer mehr einem Worte seiner verräterischen Lippen Glauben schenken!<
Michael:
>Ach herje, dann hastes ihm aber wirklich gegeben. Was meinst Du kümmert ihn das Geschwätz eines Toten? Du führst eine närrisch´ Rede!<
Lollius:
>Unter anderen Umständen würd mich deine Rede zum Zorne reizen!<
Michael:
>Na los, zürne ruhig. Zeit für ´nen Zweikampf hätte ich noch!<
Jelke:
>Na, hebt euch euren Zorn für die Seeschäumer auf. Wohl an denn ihr Belger, genug des Trinkens. Lasst uns sehen, ob wir noch etwas Schlaf finden können!<
Da erhob sich die Jelke und die Belger mit ihr. Zusammen gingen sie in den Regen hinaus. Nach einigen Schritten aber setzte sich Jelke ab, denn schon nahte der Morgen und der Thal würde bereits auf sie warten. Als sie sich unbeobachtet fühlte, legte sie ihre Rüstung ab und schlich zu dem Treffpunkt mit Thal. Sie merkte nicht, wie der Legat ihr folgte.

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