Die Saga von Jelke Eisenseite
von Carsten Maday

 

Wie der Legat Lollius in die Falle geht

Der Centurio Jason hatte sich zur Linken und die schöne Praefecta alae sich zur Rechten neben der sella des Legaten aufgebaut. Der jedoch saß mitnichten auf gebietendem Stuhle, sondern schäumte aufgebracht durchs Ratszelt des Toste, das, sah man von den zwei recht betreten wirkenden lormyrischen Wachen ab, leer war. Der Rat war bereits vor Stunden aufgelöst worden und musste nun auf des Legaten Drängen aufs neue einberufen werden. Er wartete. Also der Legat, sinnend durch Gezelte eilend:
>Ich warte! Ich warte zu lange! Man lässt mich warten! Weh, eine ganze Welt zittert vor unseren Legionen, doch hat man sie mal nicht zur Hand, lässt man einen gleich warten. Da ist doch schon grundsätzlich was falsch, oder wie? Meine Güte, wenn der Krieg Vater aller Dinge ist, dann hat er in diesem Land Frau und Kind noch vor der Geburt verlassen! Ist doch wahr, verdammt noch mal!<
Da entstand Gelärm vom Eingang her, und es trat ein, des Königs Sohn, der edle Toste. Ihm zur Seit, der Telamon, der leicht zu humpeln schien von der Wunde, welche die dreiste Schmäh´rin Jelke ihm gab am Schenkel. Diesen folgend die schwärzlich Albe Tarna, das kältlich Weib, und die Unterführer des Heeres. Endlich betrat auch der Tribun Ambitus das Zelt. Ganz verwundert sah´s der Centurio und wandte sich an den Legaten:
>Auf ein Wort, oh du mein Lollius.<
Doch der Legat, noch immer zürnend ob des Wartens:
>Nicht jetzt, Centurio! Sieh doch, dort setzt sich ja bereits der Toste auf den Thron, die edle Albe und der schreckliche Vertilger ihm zur Seit´. Schon füllen die Diener den Edlen die reichverzierten Hörner auf eichenen Tisch. He, du Knecht, mir auch, ja!<<
Doch der Centurio versuchte es erneut:
>Oh Legat, wolltest du mir doch Gehör schenken, denn nichts Unwichtiges ist, was mein Herz drängt dreist die Rede an dich zu wenden.<
Der Legat, nun scharf:
>Still jetzt! Warten muss es, denn nun gilt´s mit klugen Worten den Toste von meinem Plan zu überzeugen!<
Da wurde der Jason vollends verzweifelt, doch noch ein drittes Mal führt er die Rede:
>Oh, Lollius...<
Der Legat, erbost ob solch ungewohnten Ungehorsam:
>Schweige still! Dreimal schon gebot ich Schweigen. Wage solches nicht ein viertes Mal, denn dann sollst du meiner Langmut Ende bitterlich bereuen!<
Da erschrak der Jason ob solch herrisch Gebot, nahm Haltung an und schwieg.
Dem Tribun Ambitus aber warf der starke Centurio einen misstrauischen Blick zu, zog prüfend die Luft durch die Nase ein und wusste nun mit Sicherheit, dass der Tribun ein Lügner war, denn so sauber und wohlriechend wäre er nimmer des Centurios schmutzigen Scherz entgangen.

>Zeit ist natürlich der entscheidende Faktor. Nur wenn es Euch schnell genug gelingt, den Hügel zu stürmen, kann meine ala die Seeschäumer noch einholen und ihre Schiffe verbrennen. Den Rest erledige ich dann.< Mit einem stolzen Lächelnd schloss der Legatus Augusti pro praetore seine Rede und sah in die regungslosen Gesichter der Lormyrer. Am Tisch, dem Legaten gegenüber, saßen die drei Treffenführer des Heeres, doch was Lollius in ihren Zügen las, ließ ihn wenig gutes ahnen. Der Jüngste an Jahren, doch höchste an Rang, der Toste, hatte gerötete Augen, denn nicht wenig der Zähren vergoss er über des Hermans bitt´res Geschick. Ganz gramgebeugt war er, dass es dem Legaten nur um so deutlicher auffiel, dass der Toste kurz lächelte, als der mit der Rede endete, so als habe er etwas gesagt, worüber sich der Prinz sehr erheitre. Irgendetwas sagte Lollius, dass es nicht die Hilfe der Legionen war, die den Toste lächeln machte.
Telamons Antlitz blieb die ganze Zeit über regungslos, doch war ein Funkeln in seinen Augen, das die wilde Freude verriet, die der Legat nur zu gut kannte, die ihn stets befiel, wenn der Feind im sich´ren Gefühl des Sieges in die ihm gestellte Falle ging.
Doch zu blicken in der schwärzlich Albe Antlitz, war, als blicke man aufs Leben selbst. So unsagbar schön, rächt´s doch jeden Fehler gnadenlos. Und denkt man, es wäre kalt und ohne Gefühl, spürt man ein höhnisch´ Lächeln, dass das Leben einen sehen lässt, kurz, flüchtig, doch spöttischer als selbst das lauteste Gelächter mitten ins Gesicht. Und wie´s dies Lächeln will, begann sich der Legat zu fragen, nicht ob, sondern was er falsch gemacht hatte. Er entschloss sich zu einem strategischen Rückzug in die stärkste jovenische Festung überhaupt: die dignitas. Kerzengerade setzte er sich auf die sella, streckte einen Fuß vor, zog den anderen etwas zurück, streckte das Haupt, so dass Kinn und Hals eine würdige, unangreifbare und überaus männliche Krümmung formten. Der Gestalt ließ sich jeder Sturm überdauern.
Da erhob sich der Prinz und trat vor die Reihen seiner Heerführer. Mit weiter Geste deutete er auf die Person des Legaten und sprach, als gelte Anklage auf dem Forum zu führen:
>Freunde, Lormyrer, Lehnsmänner! Dort sitzt er, der Legat, in Haltung und Gesinnung wie das mächt´ge Jovaheim selbst: kraftvoll, edel, stolz, männlich und...<
Der Lollius versuchte, sich nicht geschmeichelt zu fühlen.
>...unbewegt, ja UNTÄTIG!<
Des Legaten Antlitz gefror. Ein Zähneknirschen verriet ihm des Centurios Unmut, ob solcher Äußerung.
Doch der Toste geriet nun erst recht in Fahrt:
>Jawoll, so ist´s, wage es nicht zu bestreiten, oh Legatus Augusti pro praetore Quintus Petilius Lollius!<
>Nenn´ mich ruhig ´oh Lollius´!
>Jawohl, oh Lollius! Schwach seien wir, sagtet ihr und nanntet uns Bruder und Freunde. Unsere Küsten seien lang, und überall drohe uns Gefahr, sagtet ihr und nanntet euch Brüder und Freunde. Freiheitsliebend wie ihr seien wir, sagtet ihr und nanntet uns Bundesgenossen und foederati. Schutz versprachet ihr uns, und wir gewährten Euch einen Markt und eine Straße in jeder Stadt. In Lormyr selbst haltet ihr obendrein ein Drittel des Hafens, des einzigen, der selbst die größten Handelsschiffe bei jeglicher Witterung aufzunehmen vermag. Garnisonen hab ihr an unseren Grenzen errichtet, um Raubvolk abzuhalten, wie ihr sagtet und nanntet uns Handelspartner und verpachtetet den zollfreien Handel an eure publicani. Den Rahm schöpfen sie, die Gierigen. Den Unseren bleibt nur die dünne Molke. Doch wie hart es uns auch ankam, stets nahm mein Vater, der König, Euch in Schutz, nannte Euch Freunde, Brüder, Friedenssichrer! Sehet Euch um, Freunde, wo ist der Friede nun, frage ich? Wo sind Legionen? Wer nun kämpft für unsere Freiheit? Wer hindert den Raub? WIR!
Und du erdreistest dich zu sagen, WIR sollen morgen den Hügel stürmen, der von den Besten der Seeschäumer gehalten wird? WIR sollen Dir mit Blut den Weg ebnen, damit DU einen leichten Sieg über die Abgeschnittenen erringen kannst? Sage, oh Lollius, bis du toll oder nur feig?<
Da entstand Gelärm im Zelt, als die lormyrischen Recken mit den Dolchknäufen auf den Eichentisch schlugen. Sehr stimmten sie der Rede ihres Prinzen zu, denn wenigen stand der Sinn danach, diesen Hügel erneut zu stürmen, wenn sich Dümmere dazu fanden, dies zu wagen. Der Telamon aber war ganz ruhig und spielte wenig freundlich mit dem Dolch in der Hand.
Jason schwieg, die Praefecta auch, denn nimmer wäre es ihnen in den Sinn gekommen, ohne des Legaten Erlaubnis das Wort zu ergreifen.
Des Tostes neidlicher Worte Sturm brach sich an den unüberwindbaren Mauern der patrizischen dignitas.
>Hoho<, dachte der Lollius, >welch allzu durchschaubarer Versuch des Jünglings, unsere Präsenz in Misskredit zu bringen. Ein Gähnen vielleicht, doch niemals Unmut erweckt solches in Feldherren Brust, wohnt dort doch ratio und nicht eines törichten Barbaren Gemüt!<
Schon wollten die kühngeschwungenen Lippen im würdig, kaltem Gesicht des Legaten die Worte des Prinzen aufnehmen und gegen ihren Urheber selbst wenden (denn war es nicht des Toste Ungeduld gewesen, die die Lormyrer in diese lächerliche Situation geführt hatte), als der Tribun Claudius Porcius Ambitus Assentator erregt hervortrat und hitzig rief:
>Wie nun, lormyrischer Prinz, was zeihst Du den Legaten Lollius der Feigheit? Siehst du denn nicht den elfenbeinern Stab in des Legaten starker Hand ruhen, die Macht Jovaheims selbst? Weißt du nicht, dass diesen Mann zu beleidigen, den Kaiser selbst beleidigen heißt? Nimmer lässt sich der Imperator Feigheit und Untätigkeit vorwerfen!<
Ganz erregt war diese Rede, doch von künstlicher Art, der Legat erblickte es wohl und sah nun endlich in des Lebens höhnisch Lachen und des Ambitus unverborgne Niedertracht: Nun, da nicht länger der Mann, sondern Jova selbst der Feigheit beschuldigt wurde, konnte er sich nicht länger der Herausforderung entziehen. Er versuchte es dennoch:
>Edler Toste, du rasest ja ob des Freundes Tod. Gern will ich dir´s nachsehen, dass dein Zorn dir solch ungehörig´ Worte in den Mund gelegt! Aber sieh doch, kaum habe ich ja eine Kohorte und nur eine ala bei mir, und Kavalleristen sind ja wohl die schlechtesten aller Infanteristen, ich meine, da brauchen wir ja nicht drüber reden, oder? Gedulde Dich nur bis zum Eintreffen der Legionen, dann sollst du sehen...<
Nun jedoch kam es zu dem längsten Moment in dem Leben des Quintus Petilius Lollius.

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