Die Saga von Jelke Eisenseite
von Carsten Maday

 

Da trieb Helios bereits die schnellen Rosse zum hurtigem Endspurt an, des Tages Wegstrecke eilends zu enden. Noch hielten die Seeschäumer stand, doch fiel ihnen einer der Feinde tot zu Füßen, da sprangen schnell fünf neue Recken nach. Sank aber ein Wiking, da kam kein Entsatz, dass bald in den wehrhaften Reihen Lücken waren, die keine Mannschaft, sondern die heldisch Gesinnung nur zu schließen noch vermocht.
Von der Heldin Jelke ließ nun der Telamon ab, denn sie schien ihm der herrlich Hindin gleich an Beute, prachtvoll, weißfesslich, doch klein neben des wütend Ebers Schnaufen. Also der helmumkränzte Telamon dem Marschall Bohemond begegnend im mörd´rischem Laufe.
Die schöne Maid Kh´Restrin aber sandte nun ihr Geschoss nach dem Toste, dem Kriegsgott ein untadliges Lamm verheißend. Doch mitnichten ihr gewährt´s der einhändig´ Gott, denn der tödlich Wundwespe entging der Sohn des Æthalbert, der herrlich Mann. Doch nicht vollends ging der Pfeil fehl, sondern drang in des Friedward Kehle, des Ehrewald´s Jarles Sprössling, dass der Edling entseelt zur Hel fuhr.
Da sprach der Greis Helmgerd zu der Kh´Restrin:
>Dieser Schuss ward schlecht geraten. Nur den Friedward traf´s, doch Toste steht und mordet unsre Mannen dahin. Auf, edle Kh´Restrin, du machtvolle Fernhintrefferin, versuchte Dich erneut, dass von der Mannen Häupter du nimmst solch tödlich Drangsal, wie sie von dem Jüngling Toste droht. Siehe, kaum dass der Jugend golden Flaum in einen männlich Bart sich wandelt ihm, kämpft er doch wie kaum ein zweiter. Ach, wollt doch ein Gott, dass mir noch einmal der Jugend Stärke in die Glieder fährt, so wollte ich jenem wohl begegnen. Ich weiß noch, es muss so ungefähr vor sechzig Wintern gewesen sein, da erschlug ich den Berserker-Ulf im Holmgang, ja, genau, damals in der Mark. Das war ein Kampf! Und die Weiber, die waren danach natürlich wie wild hinter mir her, war ja auch ein hübsches Kerlchen. Ich weiß es noch als wär´s erst vor dreißig Sommern gewesen, da war eine, die hieß Aud. Was für ein Weib. Und was für ein Hintern! Nicht so´n dürres Teil, ne, so richtig was für´s Herz, und erst ihre, na du weiß, was ich meine, ganz enorm, sag ich Dir. Ja, damals, da war alles besser, genau, damals! Da fällt mir ein, vor so ungefähr vierzig Jahren, da war ich in einer ganz ähnlichen Situation, damals...<
Mittlerweile hatte die Kh´Restrin drei weitere Pfeile nach dem Toste geschossen, doch nur die ihm Zunächststehenden getroffen. Nun lief er herbei, wirbelte den Ger in der Hand und schoss ihn ab.
>Ja genau, damals, bei der Schlacht auf der Melkheide, na gut, war eigentlich eher ´nen mittelgroßes Scharmützel, da schoss irgendein Arsch mit dem Speer nach mir. Was soll ich sagen, ich sprang natürlich zu Seite...<
Die geschwinde Kh´Restrin sprang zur Seite und zog das Schwert.
>...und genau hinter mir stand mein Freund Grimr. Den traf der Ger mitten in den Schild. Hatte aber Glück, denn er hatte ´nen prima Schild, sechs Lagen von Fellen und die siebente war aus Bronze. Das war ein dolles Ding, nicht so ´nen billiges Teil, wie ich habe.<
Der Speer schlug in des Greisen Schild.
>Hätte er die Siebente nicht gehabt, dann wäre der Speer ihm wohl ins Gedärm gefahren. Oder die Leber.<
Der Speer fuhr durch den Schild in den Leib des Helmgerd.
>Ihr müsst nämlich wissen, dass Grimr keine so tolle Bronzeschnalle am Gürtel trug wie ich. Man, dass kann einem manchmal echt das Leben retten. Glaubt man kaum, wenn man´s nicht gesehen hat.<
Da ließ der Greis den durchbohrten Schild fahren und griff mit der arthritischen Rechten nach dem Schwert.
Doch die bogenkund´ge Kh´Restrin und der greise Helmgerd kamen nur mit Mühen gegen den wutentbrannten Toste an. Der Herman eilte dem Toste zu Hilfe, der ihm in Liebe zugetan war. Ihm folgten and´re des Volkes, dem Sohn ihres Königs Leid zu hindern, doch wehrte ihnen Felwig den Weg, der starke Tjostier. Viele fielen da vor dem Helden.
Kaum sah´s die Jelke, denn fast verwehrte nun die nächtlich Schwärze den fernen Blick, doch vernahm die kund´ge Maid, wo am härtesten nun ward gestritten. Schnell entledigte sie sich ihrer Angreifer, die sich in dreistem Verlangen nach des Tostes Lob auf die Heldin warfen, begierig die Holde zu morden.
Leichtfüßig parierte sie einen Schlag, zog dem Dreisten das Schwert übern Leib, dass ihm die Bauchdecke zerschnitten ward und ihm die Gedärme herausquollen. Das war eine schwere Wunde. Der Schlag des Nächsten ward ihr nicht gefahrvoll, sie duckte sich und stieß dem Mann die Klinge von unten durchs Schambein. Jämmerlich ging er da zu Grunde, dass es den anderen bald graute, ob solch unerwüschten Geschicks. Schon wandten sich die Feinde zur Flucht vor dem schrecklichen Verhängnis, als ein Kühnerer mit der Lanze nach der Jelke stieß. Sie sprang zur Seit´, durchhieb den Schaft unter der Spitze und fuhr in einer Bewegung mit der Klinge herum, dass sie dem Mann den Nasenschutz durchhieb und ihm die Augen blutig aus den Höhlen vor die Füße fielen. Jammernd ging er in die Knie, die Hände vor die Höhlen haltend. Da schlug Jelke ihm das Haupt von den Schultern, dass eine blut´ge Fontäne sie nässte. Schrecklich anzusehend wandte sie sich nun den Gefährten zur Hilfe.

Auch der Thal hätte wohl Beistand gern gehabt, denn wider ihn focht nun die kältlich Albe, die edle Tarna Silberhaar.
Schon zog die Dunkelheit herauf, dass der Thal bald nicht mehr viel von der pechschwarzen Albe sah, nur die aufblitzende Klinge, das strahlend silbern Haar und die weißen Augen im schwarzen Antlitz. Da wunderte sich der Mann aus Munz:
>Weh, welch seltsames Gefühl der Wärme überkommt mich, blicke ich in ihre kalten, toten Augen. Sie ist so kalt, dass keine Regung von des Kämpfens Mühen ich in ihrem Antlitz kann erkennen. Sie ist nicht schön, doch scheint sie mir die Schönste, die mein Herz sich kann ersehnen. Oh, langer toter Muskel in öder, karger Brust, was zuckst du nun vor Leben?<
Da konnte der Mann aus Munz nicht anders. Er senkte das Schwert, den Schild auch und stand still und ruhig. Nur das eine Auge zeigte noch eine Regung, als die Klinge auf ihn herabsauste. Eine Träne, verborgen vom Helme, stahl sich ihm aus dem Auge, rann hinab, hinab, bis dass sie sich im Bart verlor. Nur einen Hauch vorm Haupt verhielt die Klinge. Blinde Augen drangen durch seine Wehr, doch was sie suchten, was sie fanden, wusste er nicht, nur was sie bewegt. Die Albe steckte das Schwert ins Gehänge und verschwand in die Dunkelheit der eignen Reihen. Thal blieb zurück.

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