Die Saga von Jelke Eisenseite
von Carsten Maday

 

Wie der Legat Lollius den Styx trockenen Fußes überschreitet

Nun gelangten die jovenischen Truppen an die Barriere von toten Männern und Gäulen. Auf des Legaten Geheiß gab der signifer ein Zeichen und das Heer stoppte den Vormarsch. Lollius trat vor und erklomm die Barriere. Abertausende von Fliegen stoben empor. Ärgerlich fuchtelte der Legat mit der Hand vorm Gesicht, um die Schmeißfliegen zu vertreiben. >Nein<, dachte er, >noch sollt ihr Euch nicht an mir laben und eure madige Brut in mir zurücklassen!<
Viel Wasser war den Hügel hinabgelaufen und staute sich nun an der Barriere zu einem kleinen See, schlammig, blutig. Öl schwamm im Lachen auf der stinkenden Brühe, Leiber und Gliedmassen von Pferden und Menschen staken daraus empor. Auf der anderen Seite des Tümpels ragten die gepanzerten Schultern eines einstmals stolzen Ritters aus dem Wasser. Sein Kopf war in unnatürlicher Haltung verdreht und in den Schlamm gedrückt. Wo einst das Ohr war, klaffte eine schreckliche Wunde, die Zähne waren gebleckt und die Augenhöhle war leer. Die Raben hatten ihren Teil bekommen. Überall lagen sie, die blinden Toten und je weiter der Hügel anstieg, desto mehr wurden ihrer. Lollius würgte. Er hatte vieles gesehen, aber dies? Schlamm, Blut: der Tod!
Wind war aufgekommen und drückte den Gestank des Todes beiseite. Den Legaten aber freute es nur wenig, denn die frische Brise brachte die Wolken heran, und die den Regen.
Schon verfinsterten die Wolken das Tal, als sie sich wie ein dunkles Leichentuch vor die Sonne schoben.
Seine Männer waren ja jetzt schon ins Straucheln geraten, aber wie würde es erst auf der anderen Seite werden? Bei Regen? Er winkte seine Untergebenen heran. Der Tribun Ambitus, der Centurio Jason und die Praefecta Jællen schafften es, sich nur wenig zu besudelnd, als sie sich den Weg zu ihrem Feldherrn bahnten.
>Lagebericht!<, knurrte Lollius missmutig.
>Wir fahren ohne Kahn auf Scheiße!<, meinte der Jason, als er ungläubig auf die andere Seite sah.
>Der Centurio nimmt mir die Worte aus dem Mund<, stimmte die Jællen ein, und selbst diese tapfere Maid war erschüttert. >Ist ja noch schlimmer, als wir befürchtet haben! Jetzt heißt´s die Arschbacken zusammenkneifen!<
>Dulce et decorum est pro patria mori!<, rief Ambitus und versuchte sich Mut zu machen.
Lollius Mundwinkel zuckte. >So sehr es mir widerstrebt diesem da Recht zu geben, aber es stimmt:
Sein Tod ist mit Sicherheit angenehm!<
Lollius legte dem Tribunen die Hand auf die Schulter: >Bravo, Ambitus! Bleib in der Schlacht nur immer in meiner Nähe, hörst Du!< >Nicht das ich verpasse, wie´s Dich erwischt!<, dachte Lollius. >Da sieht man mal wieder, dass es selbst in der beschissensten Lage immer noch etwas gibt, auf das man sich freuen kann!<
Er wurde ernst, sah aufs ölige Wasser. >Wir stehen an der Grenze des Todes<, fuhr es ihm in den Sinn. >Styx! Ihn zu überschreiten mag mein Leben, den Toste aber ein Reich kosten!<
Er sprang, landete auf den Schultern des Toten, der tiefer in den Schlamm sank, und Lollius war trockenen Fußes auf der anderen Seite. Er gab Zeichen ihm zu folgen. Als er die Krieger vorrücken sah und hinter ihnen die Lormyrer, dachte er bitter, dass er und seine Männer den Lormyrern den Weg zum Sieg zu pflastern hätten. Er schritt voran. Vor ihm flogen Raben auf, krächzten erbost, weil man ihre Atzung unterbrach. Die ersten Regentropfen gingen in dem aufgewühlten Wasser unter, als die Wolfskrieger in den Tümpel sprangen.

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