Die Saga von Jelke Eisenseite
von Carsten Maday

 

Wen Jelke Thorgesttochter und Thal treffen

Bald ging es den beiden auf, wie weise der Rat des greisen Helmgerd war. Des Himmel Schafe ästen vorm Mond, doch nicht selten kam er ganz heraus, voll und strahlend und tauchte das Tal in sein silbernes Licht.. Das war den Helden sehr misslich, denn sie mussten nun den Leichenhügel hinunter robben, wollten sie nicht im Licht entdeckt werden Das war eine widerliche Mühe. Blutnass war das Gras, hirnbesprengt auch und der Boden so rot und schlammig, als habe Jurd selbst den Todesstoß empfangen. Leichen lagen da zu Hauf, überall abgeschlagene Glieder, Arme, Beine, Köpfe, und nicht selten, wenn das Mondlicht sie auf den blutnassen Boden zwang, da blickte die Jelke in das bleiche Gesicht eines Gefährten. Schmerzverzerrt waren die Züge, dass es die Lebende nicht wenig graute.
Leer waren die Augen und nur Jammer und Weh war noch darin, dass unbestattet den Leichnam man ließ. Doch wenn die Sonne die Raben zur Atzung ruft, würde auch dies letzte Klagen aus ihren Augen verschwinden.
Manch Leib schien da im fahlen Licht sich zu bewegen, manch einem entfuhren üble Gase, als erhole er sich nur vom üppigen Schmause. Doch von denen, die da lagen, würde keiner mehr aufkommen. Einmal, als eine Wolke sich vor dem Mond schob, da verhedderte sich der Thal im Gedärm eines Gefallenen, stolperte und schlug auf den Boden. Besorgt hielten sie inne, ob nicht ein Feind sie vielleicht vernommen hatte. Da hörten sie in der Stille ein gräuliches Jammern, weit weg, dann ein zweites, drittes, viertes, und sie fragten sich, ob ein Gefährte wohl dort noch am Leben sei, die Glieder zerschmettert, aus des Todes Schwärze erwacht, umgeben von toten Kameraden.
>Und wenn du dann noch einen Ghul auf dich zuschleichen siehst, wird´s echt bitter!<, meinte da die Jelke bekümmert. >Schlimmer kann´s kaum werden!<
Sie krochen von dem Jammern fort, vorbei an Haufen von Toten, die so hoch waren, dass sie einen aufrechtstehenden Mann zur Deckung gereicht hätten. Arm- und Beinstümpfe staken daraus hervor, und aus ihren leblosen Fleisch ragten die geborstenen Knochen wie Gletscher aus einem Meer von Leichennass. Da seufzte der Munzianer laut, sagte aber nichts und die Helden krochen weiter, bis sich zu der Barriere von toten Gäulen kamen. Da seufzte der Mann ein zweites Mal, so laut, dass die Thorgesttochter aufschrak und mit dem Arm tief im aufgeschlitzten Bauch eines Rosses versank. Da rief sie:
>WAS!?!<
Und der Thal, ganz verzückt:
>Ach, Jelke, ist das Leben nicht schön?<
Da musste die Jelke hart kämpfen, mit den Nerven einerseits und dem Gedärm, dass ihren Arm festhielt, andererseits. Heftig ging sie den Einhand an:
>Wie nun, Thal, meinst du nicht, dass das eine ETWAS gewagte Aussage ist, ich meine hier, jetzt, auf dem blut´gen Walstattbett, zu dieser Stunde?<
Der Mann aus der vieltürmigen Stadt aber stöhnte da nur noch verzückter. In seinen Augen saß ein irrer Glanz. Die Jelke:
>Weh, Freund, sage, ich seh´s Dir doch an: Du liebst!<
>Ich? Niemals!<
>Na? Ist das auch die ganze Wahrheit?<
>Na ja, ein bisschen vielleicht!<
>Wenn es die Götter gäbe, ich würde sie jetzt anflehen. Sage mir, wer´s ist, obwohl ich ahne, dass mir die Antwort nicht gefallen wird!<
>Ah, die Tarna ist´s, die schwärzlich´ Albe!<
Da griff Jelke mit der freien Hand den Arm und stemmte sich mit den Beinen am Rossbauch ab. Laut ächzte sie ob der Mühe, doch der Arm blieb fest:
>Die schwärzlich Albe Tarna? Sonst geht´s gut, oder was? Hüte Dich, oh Freund, die ist ein zaub´risch Weib. Und ihr zweiter Vorname ist Ärger!<
Und die Helden im Wechselgespräch, der Thal beginnend:

>Pechschwarz ist ihr Antlitz<
>Albisch finst´res Geschlecht!<
>Silbern Haare Mähne<
>Wie Manis Totenlicht <
>Augen wie meine Seel´<
>Wie Odins Sitz Hlidskjalf! <
>Doch Hoffnung bringt den Tod<
>Höd erschlägt den Balder! <

Da fasste der Schwarzgepanzerte der Jelke von hinten unter die Achseln, zog und meinte:
>Still, blind, kalt, bewegt sie doch mehr in mir, als je ein Wort, Blick oder Lachen. Weh, nimmer seit mein Gesponst mit dem lallend Knäblein am Busen den Tod fand, wähnt solchen Gefühles ich mich fähig!<
Jelke stemmte sich nun wieder hart ab:
>Man Thal, die bringt Dir nur Sorgen, glaub´s mir. Lieb´ wurde manch Tapf´ren schon zum Verhängnis. Wie eine Krankheit ist sie.<
Der zwiefach Helden Mühen hielt nun auch das gräulich Gedärm nicht stand und mit einem schmatzenden Geräusch kam der Thorgesttochter Arm endlich frei. Die Helden aber fielen hintenüber.
Und der Thal:
>Wie nun Jelke, eine Krankheit nennst Du sie?<
>Schlimmer noch als die Pest, denn sind der Lieb die Mehrigen zum Opfer gefallen!<
>Mehr als in allen Kriegen, in allen Schlachten!<
>Jeden zu jeder Zeit kann sie befallen!<
>Keiner kann sich vor ihr verstecken!<
>Verklärter Blick und närrisch Geschwätz sie die Symptome!<
>Doch dann ist´s längst zu spät!<
>Doch das Schlimmste, Freund Thal, ist, dass sie den Moribunden jauchzen macht an ihr erkrankt zu sein!<
Da erhoben sich die Helden wieder und krochen über die toten Leiber der Pferde hinweg und weiter den Hand hinab. Und die Jelke da, dem Thal nicht unfreundlich gesonnen:
>Ich meine, mal abgesehen davon, dass sie ´ne zaub´rische Dunkel-Albe ist, ein Sorgenbringer, so schrecklich dünn und den Bösenblick hat, ist sie zufälliger Weise auch noch unsere Feindin! Paßt alles nicht so recht!<
>Doch, das paßt. Ich bin jetzt auch echt bereit für ´ne feste, reife Beziehung und so. Wirklich wahr!<
>Thal?<
>Ja?<
>Du spinnst!<
>Ich bin der erste, der´s zugeben würde, wenn einer fragt!<
Mit einem Mal hielt der Mann aus Munz inne und lauschte in die Nacht. Dann legte er den Finger an die Lippen und flüsterte zu der zaub´rischen Kriegsmaid:
>Ruhig nun, Freund Jelke! Horch hinein in die Dunkelheit und sage mir, was du hörst!<
Die Thorgesttochter folgte dem Geheiß des Thal, schwieg still und horchte, vernahm aber nicht das leiseste Geräusch. Da meinte sie:
>Thal, nichts vernehmen meine Ohren, nicht den kleinsten Laut! Aber ich weiß, was du mir sagen willst: es ist so verdächtigt still, nirgends ein Laut. Den kundigen Waldläufer aber warnt diese unnatürliche Stille, kündet ihm von drohend Gefahr! Ist es das, was du mir damit sagen willst?<
Da bedachte der Thal sie mit einem Blick und meinte:
>Was? Nein, ich meine, hörst du nicht die beiden Stimmen da unten, dort wo der Hang in die Ebene des Tals ausläuft?<
Da horchte die hehre Maid erneut und vernahm im nämlichen Moment zwei tiefe Stimmen in der Ferne, wie ganz in hitziger Gegenrede verflochten.
Und die Jelke meinte da zum Tal, das höre sich an, als wenn da zwei Helden am Fechten wären, denn ganz erregt wäre diese Rede. Und Thal sagte, da möge sie wohl recht haben, denn die eine Stimme sie die des Garmir und auch die andere käme ihm nicht unzwergisch vor.
>Hab doch gewusst, dass der kleine Mistkerl noch am Leben ist.<

Leise schlichen die beiden Helden, die holde Maid Jelke und der einäugige Thal, weiter hinab.
Bald aber waren sie so nah heran, dass die Dunkelheit die Streitenden noch verbarg, aber die Worte wohl zu verstehen waren. Folgendes ward da zu hören:

Zwergin:
Weh mir, das war ein harter Stoß, ich spürt´s am ganzem Leib!<
Garmir:
>Schmeck diesen erst, Kriegerin!<
Zwergin:
>Oh, machtvoll bedrängst du mich, dass ich fürcht, dein Stoß tät mich zerbrechen!<
Jelke:
>Man, die schenken sich ja nichts! Ob die schon die ganze Nacht dran sind!<
Garmir:
>Oh ja, ein feiner Tanz ist´s, zu dem du deine hurtigen Schenkel führst!<
Zwergin:
>Ganz erregst du mir mein Herz im heldisch Busen!<
Garmir:
>Und dein Herz ist wahrlich groß! So groß und fest! Meine Herren!<
Zwergin:
>Uh, und dein Streitkolben, so groß und hart durchstößt er meine Wehr!<
Jelke:
>Moment mal, hatte Garmir nicht immer ´ne Axt!<
Thal:
>Psst!<
Garmir:
>Hart, so hart. Spürst du ihn in deiner nervichten Rechten?<
Jelke:
>Was? Hat sie ihn jetzt entwaffnet, oder was?<
Zwergin:
>So dick und schwer, dass ich ihn mit der Hand kaum umfassen kann!<
Thal:
>Na ja, sieht so aus, was?<
Garmir:
>Dein Griff, so fest und warm!<
Zwergin:
>Wie glitschig feucht er ist!<
Jelke:
>Wahrscheinlich von Blut, oder?<
Zwergin:
>Komm nun muskelharter Held, spieße mich auf mit deinem Speer. Stoße ihn in mich!<
Jelke:
>Was denn für ´nen Speer? Hat er jetzt die Waffe gewechselt?<
Thal:
>Muss er ja, wenn sie seinen Kolben in der Hand hält!<
Garmir:
>Oh ihr Götter, ja, nun, oh, nimm das!<
Zwergin:
>Stürme weiter! Oh wie heftig zerrst du an meinen Zöpfen!<
Jelke:
>Klingt nicht besonders ehrhaft, mit den Zöpfen mein ich!<
Garmir:
>Oh weh, jetzt ist´s aus. Heiß fließt der Lebenssaft nun!<
Jelke:
>Weh ihm, er ist getroffen!<
Zwergin:
>Ja, ja, ja, bei mir auch. Bei mir auch!<
Thal:
>Ähm, Jelke, lass uns jetzt weiter gehen!<
Jelke:
>Sollten wir ihm nicht besser zur Seite stehen. Er scheint hart bedrängt zu sein!<
Thal:
>Glaub´s mir, Zwerge hassen es, wenn man sich in so etwas einmischt!<
Garmir:
>Götter, bin ich müde!<
Zwergin:
>Ja, sieh nur, dein kleiner behelmter Krieger ist schon eingeschlafen!<
Jelke:
>Wie nun, der Garmir hat Verstärkung bekommen?<
Thal:
>Vergiß es! Wir gehen!<
Da schlichen die Helden beid weiter und ließen das harte Gefecht hinter sich. Nach einiger Zeit meinte da die Jelke:
>Ich will dir ja nicht die Hoffnung rauben, Thal, aber ich meine, die Albe solltest du dir aus dem Kopf schlagen. Wir leben in einer allzu krieg´rischen Welt, als dass Feinde in Lieb zusammen finden könnten!<

Autorenplattform seit 13.04.2001. Zur Zeit haben 687 Autoren 5378 Beiträge veröffentlicht!