Die Saga von Jelke Eisenseite
von Carsten Maday

 

Wie Thal dem Centurio folgt

Schwarz vermummt schlich auch der Munzianer Thal durch nasse Dunkel, doch sein Weg führt ihn in den lormyrischen Teil des Heerlagers. Sein schwarzer Mantel barg den verkrüppelten Mann gut, als er durchs stille Lager huschte. Hier und da brannten Feuer unterm schützend Zeltdach. Herum saßen einige wenige, deren Sorge ob des morgendlichen Verhängnis schwerer wog, als des langen Tages Mühen. Wenig Gefahr von diesen entdeckt zu werden drohte dem Gunarssohn, denn der, dem er folgte, mied auch sie. Und der Centurio mied das Licht, denn er folgte dem Tribunen, dessen Gesinnung die Öffentlichkeit zu scheuen schien.
>Seltsam<, dachte Thal, >ich folge einem Centurio, der seinem Tribunen nachschleicht! Na, bei unseren Feinden scheinen die Dinge auch nicht zum besten zu stehen.<
Hin und wieder war er gezwungen, sich zu Boden zu werfen, denn Misstrauen ließ den Tribunen innehalten und nach hinten blicken. Da sah Thal, wie der Centurio sich im nassen Boden barg, wartete, bis der Tribun weiter ging, und dann ebenfalls nach rückwärts sah. Ein wenig nach ihm, erhob sich dann der Thal. Einmal gelang es ihm in letzter Sekunde sich Deckung hinter einer Zeltwand zu verschaffen. Und als er vorsichtig um die Ecke des Zeltes kroch, um nach dem Wolfskrieger zu spähen, sah er über sich einen Schatten. Schon fuhr ihm die Linke zum Heft, als er in dem Schatten ein schwarzes Banner erkannte. Die schwarze Seide, die einst munter im Winde flatterte, klebte nass am Schaft, der, wie alles Metall, von schwarzem Erze war. Einzig es prangte silbern an der Spitze des Standers ein voller Mond.
>Schwärzlich Alben Werk!<, entfuhr es ihm. Er fasste sein Schwert fester. Einem Moment lang glaube er, ein leichtes Zittern des Griffes zu spüren, als erkenne die albisch Klinge den Verwandten. >Silberhaar!<, hauchte er und sah wie sich vor ihm der Centurio erhob und schnell im Dunkel zu verschwinden drohte.
>Ihm nach! Noch ein wenig ich zögre, dann entkommt er mir. In solch regnerisch Nacht seine Spuren zu verfolgen mag mir armen Einauge dann nicht mehr gelingen! Auf denn, ihr Schenkel!<
Aber der Mann blieb im Schlamm vorm Zelte liegen. Der Centurio ward geschluckt von der Nacht!
>Ach<, seufzte leis´ der Mann> was ist´s, das mich töricht hier liegen macht, erniedrigt im Schlamm? Von nicht wenig Wichtigkeit scheint mir wölfisch heimlich Tun.<
Da endlich erhob er sich langsam. Er ließ vom Heft, schob seine Kapuze zurück. Regen schlug ihm ins Gesicht, lief vom schwarzen Haar in des Auges tote Höhlung, das noch einmal von den rettend Tränenströmen zu träumen schien, die einst solch Lied beklagt.
>Erhebt Euch ihr Schenkel! Regen, kühle meinen Sinn!<, sagte er. >Wie, linke, was greifst Du nach der Zeltplane! Fuß, was schreitest Du ins dunkle Inn´re! Halt ein, ich flehe!<
Umsonst! Schon stand er im Zelt, spürte SIE im Dunkeln. Er tropfte auf den Boden, sah, wie er einen weiteren Schritt machte. Er konnte sie riechen, atmete ihren Duft, den andere nicht wahrnahmen und ihm so deutlich wahr, wie die Lieb´ in ihren toten Augen. Er schloss das eine sehend Aug´, dass ihm in der Finsternis so wenig hilfreich, und vertraute auf jenen Teil seiner Selbst, der ihm die Kühnheit eingab, das Zelt zu betreten. Ihr Lager war dort vorn! Er machte einen Schritt auf sie zu. Dort würde sie ruhen, die Schöne. >Wo sie wohl noch überall silbernes Haar hat?<, schoss es ihm durch den Kopf. Er stolperte gegen einen Tisch, riss ihn mitsamt der Bronzeschale um, die scheppernd zu Boden fiel.
>Verdammt!<, konnte Thal noch sagen, ehe er die Klinge des Dolches spürte, die sich ihm bedenklich stark ins Fleisch drückte.

>Na<, dachte Thal, >im Laufe meiner Jahre als Munzianer bin ich ja schon oft in solchen Situationen gewesen. Hm, eigentlich passiert mir das immer, wenn ich in einen dunklen Raum schleiche, in dem jemand schläft. Irgendwann spür ich die Klinge am Hals. Dann wird ein Licht entzündet und ich blicke in ein hämisches Grinsen, das so etwas wie >Hoho, wen haben wir den hier!< sagt.<
Die blinde Albe entzündete kein Licht und schwieg. Thal versuchte zu schlucken, unterließ es aber, als die Klinge sich weigerte seinem Adamsapfel nachzugeben. >Oh, sie riecht so gut, selbst jetzt!<, dachte er. Eine Hand legte sich auf das Heft seine Schwertes, fuhr prüfend übers Metall. Der Druck nahm etwas ab, und der Gunarssohn fühlte sich ermuntert, etwas zu sagen. Nur was?
>Ich hatte eigentlich gedacht, dass du im Bett liegen würdest und...na ja, hähä< Er verstummte, als die Klinge verschwand. Die andere Hand griff nach seiner Gürtelschnalle.

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