Die Saga von Jelke Eisenseite
von Carsten Maday

 

Von Berserkern

Es war noch kälter geworden. Kalt genug, dass der Schnee, der längst in ein dichtes Schneetreiben übergegangen war, auf der schlammigen Erde liegen blieb. Jelke fror und der heiße Schmerz in ihrer Schulter taugte nur wenig zur Wärmung. Ihre Gefährten hatten einen Mantel über sie gelegt. Der Druck des Stoffes, der die zertrümmerte Schulter gnädig verbarg, ließ sie die Zähne zusammen beißen. Wieder und wieder trübte sich ihr Blick, als sie erneut vor Schmerzen in Ohnmacht zu sinken drohte. Nur langsam nahm sie das Geschehen auf. Neben ihr saß der Wiking, den es ebenfalls an der Schulter erwischt hatte. Um sie herum die Gefährten, die überlebt hatten. Das waren wenige, keine zehn. Die hatten das Kämpfen eingestellt, sah man mal von gelegentlichen Lormyrern ab, die sich in ihrer Panik auf den Leichenberg verirrten. Die gesellten sich schnell zu den toten Kameraden.
Jelke hörte die Schmerzensschreie und das tolle Heulen. Trotz des dichten Schneetreibens war der Munzianer leicht auszumachen. Dort wo er war, spritzen rote Fontänen in der weißen Luft auf und leichennasse Lachen besudelten den Boden.
Die Lormyrer waren gänzlich verwirrt. Der Schnee behinderte die Sicht, und der Rasende hatte alles in eine kopflose Panik gerissen. Wie irre wanderte die graus´ge Blutspur durchs Weiß mal hier hin, mal dort hin. Kam näher und entfernte sich, Tod und Verderben zurücklassend. Das lormyrische Heer war in Auflösung begriffen. Der Schnee vereitelte jede Neuformierung. Die grausigen Schreie, die aus dem undurchdringlichen weißen Wirbeln drangen, ließen selbst den Kühnsten die hurtigen Beine zur Flucht wenden, wenn das irre Geheul seine Richtung einschlug. Wer aber in die Blutspur trat, den hielt es nicht mehr. Gar zu schrecklich waren die Leichen der Kameraden zerhauen. Also es floh das Heer der Reisigen Lormyrer und Thal musste bald nach Beute suchen.
Einmal kam er nahe genug heran, dass Jelke ihn erkennen konnte. Er trieb einige vor Furcht halb wahnsinnige Lormyrer vor sich her. Sein schwarzes Haupt war unbehelmt. Ein Schlag hatte ihm den Topfhelm vom Kopf gerissen. Jelke sah die gefletschten Zähne im bärtigen Gesicht, das längst nicht mehr das des Thals war, sondern eine schmerzverzerrte, unmenschliche Maske. Eine rotes Glühen lag in seinem Auge, das mit jedem Mann, den der dahinschlachtete ein wenig freudiger zu lodern schien. Und aus der Kehle rang sich kein menschlicher Laut. Es war das Heulen des Wolfes, das einer mordgierigen Bestie.
Jelke schauderte vor Entsetzen und fürchtete sich mit einem Mal vor dem Freund. Ja, war dies denn noch der Thal, den sie kannte? Jelke wusste von Berserkern, wusste von ihrer blinden Kampfwut, die Freund wie Feind galt, je nachdem wer gerade am nächsten war. Sie waren schreckliche Krieger, eisenfest wie man sagte. Man schätzte sie im Kampf, liebte sie nie und Thorgest pflegte sie wie tolle Hunde zu erschlagen. Der Abschaum des Nordens. Unheilige Odinskrieger.
Fast fühlte sie Mitleid mit den Lormyrern, in deren Augen das Entsetzen stand vor dem Entmenschlichtem. Er fegte sie alle hinfort. Die stumpfe Klinge traf einen Kopf, zertrümmerte den Helm, der Kopf zerplatzte in einem roten Regen. Der Mann stand noch einen Augenblick, nur einige haarige Fetzen, wo einst ein menschliches Haupt. Angewidert sah sie, wie Thal sich mit der Zunge über den Blut und Hirn bespritzen Bart fuhr, ein wenig gieriger und freudiger heulend.
Und doch! Und doch rettete der Rasende sie alle!
Die Lormyrer hatten sich gewandt zur wilden Flucht vor dem unheimlichen Manne, der sie mordete. Ihre Gefährten sahen das genauso, denn die feuerten den Berserker mit vielerlei Zurufen an. Diesem beizustehen aber wagten sie nicht, denn auch ihnen grauste es nicht wenig.
Als Thal nun bebend über dem letzten der Gruppe stand und wild das Haupt mal nach der einen mal nach der anderen Seite wandte, ob er nicht vielleicht ein neues Opfer fand, sah Jelke, wie sich ein Mann an den Munzianer heran schlich! Da nutzten die warnenden Worte der Jelke und der Gefährten wenig, denn der Thal hörte nur das Rauschen des Blutes, das heiß und schnell durch seinen Kopf schoss.
Der Mann kam heran und stieß dem Thal die Klinge durch den Rücken, stark genug, dass sie vorne heraustrat. Entsetzt schrie Jelke auf.
Doch Thal sank nicht tödlich getroffen zu Boden, sondern drehte sich zu dem Mann um und blickte auf die Schwertspitze, die aus seiner Brust stak. Er hob seinen Blick, seine Nasenflügel bebten vor Wut, seine Lippen verzerrten sich zu einem unheilschwangerem Lachen, als er den Mann böse anfunkelte. Der war vor Angst wie gelähmt. Die stumpfe Klinge riss dem Mann mehr den Schenkel weg, als dass sie ihn abhackte. Als er fiel, war Thal bereits über ihm, ließ sein Schwert los und packte den Helm des Mannes. Die Schmerzensschrei erstarben, als der Munzianer den Mann mit seinem eigenen Helmband erdrosselte. Ein letztes Röcheln quoll mit der Zunge hervor, dann steckte kein Leben mehr in dem bläulichem Gesicht.
Als Thal sich erhob und das Schwert aus seinem Rücken zog, schauderte es Jelke. Denn keine Wunde war zu sehen. >Eisenfest!<, keuchte Jelke entsetzt.
Die Gefährten aber schrie jubelnd auf, dass ihr Anführer noch stand.
Als der Munzianer sich knurrend nach seinem Schwert beugte, trat aus dem weißen Schneevorhang eine dunkle Gestalt. Freudig heulte Thal auf, als er sich auf ein neues Opfer stürzen konnte. Das war die Tarna Silberhaar von Stamm der Dunkel-Alben.

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