Die Saga von Jelke Eisenseite
von Carsten Maday

 

Warum der Thal froh ist, brünnenlos zu sein, aber gerne einen Helm hätte

Die Hand legte sich auf den Mund, riss den Kopf nach hinten. Die andere fuhr mit den Dolch über die Kehle und Jelke spürte, wie der Regen sich mit dem warmen Blutes mischte. Ein Röcheln, ein Zucken. Jelke ließ den schlaffen Körper leise zu Boden sinken. Eine Vorsichtsmaßnahme, die angesichts des tosenden Gewitters kaum nötig war. Sie beugte sich hinab, säuberte ihren Dolch am Gewandt des Toten und blickte in das von Blitz erhellte Gesicht eines Jungen, kaum des Knabenalters entwachsen. Jelke entschied, dass es zu kalt und zu nass für Schuldgefühle war und erhob sich. Fröstelnd zog sie sich die Kapuze des Mantel tiefer ins Gesicht und schlich weiter ums Zelt herum. Sie ging in die Hocke und sah aus dem Schatten heraus ein großes Zelt, keine dreißig Schritt entfernt, mit erleuchtetem Eingang. Unterm Vordach standen zwei Lormyrer Wache.
Sie wandte sich um und erhob den Arm. Das Dunkel der regnerischen Nacht spuckte den Munzianer aus. Er hockte sich neben sie und blickte zum Zelt:
>Na, das muss das Ratszelt sein. Scheint noch was los zu sein! Bä, man, bin ich froh, dass ich meine Rüstung nicht an habe!<
>Aha, wieso?<
>Na, das Ding rostet doch so schnell. Is´ ´ne Heidenarbeit, das wieder zu säubern!<
>Ähm, du hast ja wirklich Sorgen. Morgen sterben wir eh´ alle!<
>Ja, aber die wenigen Stunden, die ich noch zu leben hätte, müsst ich in diesem rostigen Ding verbringen. Ist doch ekelhaft! Und überleg´ mal, wenn ein Wunder geschieht und ich entkomme lebendig... Nicht auszudenken.<
>Sag´ mal, wie heftig hat der Witwenmacher dir eigentlich aufs Haupt geschlagen?<
>Hä?<
Da zuckte erneut ein gleißender Blitz hinab, und als der Donner die nächtlich Finsternis erschütterte, da tat sich der Eingang des Zeltes auf.
>Hallo!<, meinte die spitzzüngige Skaldin, >jetzt tut sich was!<
Und wirklich, es traten ins Licht des Eingang der Toste und die Albe Tarna. Und Jelke fuhr sich an die pochende Weiche, wo der grimme Recke Telamon sie ritzte, denn nun trat der Hüne neben seinen Herrn, dass sein gewaltiger Leib den Eingang verbarg.
Thal schluckte:
>Ein furchtbarer Mann!<
Jelke gab dem Thal in Gedanken recht, denn ganz unheimlich war ihr der Schreckliche. Die drei Heerführer traten an den Rand des Vorzeltes, zögerten sich der Unbill des Wetters auszusetzen. Ein befriedigtes Lächeln umspielte der Jelke Mundwinkel, als sie sah, wie der Telamon leicht hinkte.
>Guck ´mal Thal, der kocht auch nur mit Wasser. Sieh wie er hinkt, der schreckliche Mann, gehemmt von der Wunde die ich am Schenkel ihm gab. Blöder Arsch!<
Aber der Einhand hatte all sein Sinnen auf die schwärzlich Albe Tarna gerichtet.
>Thal? Hallo, Thal! Oh, nicht schon wieder!<
Jelke schüttelte Aufmerksamkeit aus dem Mann, der nur ungern seinen Blick von der schwarzen Albe abwandte. >Sie ist so süß!<, meinte er und folgte ihr mit Augen und Gedanken, als die Heerführer hin zum linken Teil des Lagers eilten. Ihnen folgten die Unterführer.
Und Jelke:
>So, süß wie? Oje! Na gut, mich würde´ eher interessieren, was die zu solch später Stunde noch zu bequatschen hatten! Komm!<
Schon wollte sich die blonde Schöne erheben, um den Lormyrern zu folgen, als zwei weitere Gestalten aus dem Zelte traten. Große Verwunderung ergriff die Jelke. Der eine war ein Jüngling, der eine Art Stuhl zu tragen schien. Der andere war eine Riese von Mann. Muskelstark wie er war, schien er selbst den Vergleich mit dem Vertilger nicht scheuen zu müssen. Die Rüstung der zween Helden dünkte der Jelke von fremder Machart und der Einhand bestätigte ihre Vermutung, dass die am Zelt Wolfskrieger seien. Der eine, der schöne Jüngling, so der Mann aus der hehren Stadt Munz, sei ein Tribun, der and´re, gleich einem kraftbebend Titan, sei ein Centurio:
>Das muss der Centurio Jason sein, ein gewaltiger Recke. Ich hört den Orkschlächter von ihm erzählen, und wahrlich, der sagte mir, dass er stets froh war, diesem dort nicht zu begegnen. Und wenn der Orkschlächter so etwas sagt, will das schon was heißen.<
Da trat ein dritter unters Vorzelt, viel kleiner als der Centurio, doch voller Würde und sein Geist schien geschwind und zielstrebig wie seine Schritte zu sein. Da ergriff die schöne Thorgesttochter ein Schaudern, denn ganz herrlich nun schien ihr dieser Mann:
>Weh Thal, der du behauptest weitgereist und kundig zu sein vieler Länder Leute´ und Sitten...<
>Na ja, man tut was man kann!<
>Ähm, sage mir, jener dort unterm Vordach, vor dem sich des Jason mächt´ger Leib strafft, ist dieser ein Gott der Wolfskrieger? So strahlend, kraftvoll und gewandt er schreitet. Schwarzgelockt das Haupthaar, kurz, an den Schläfen nach vorn gekämmt, wie wohl sein Sinnen stets nach vorn sich richtet. Kühn sein Antlitz, ganz verrät seiner Augen Schein den Vielklugen.
Stark die Schenkel, die unter den Lederriemen sich zeigen, gebräunt von südlich´ Sonne Schein, fest und geschwind. Hmm, dreh´ Dich ´mal um, Mann, damit ich deinen Hint... Öhm, unter dem Harnisch wölbt sich heldisch Brust, doch die Wehr selbst ziert er der Raubvogel, nicht der geschwinde, schöne Falke, Symbol des tapfren Ritters, nein der Adler ist´s, der König der Lüfte! Ach, wahrlich Thal, ein geringrer tät dem Mann auch nicht zu Ehr gereichen. Was guckst du mich denn so verdattert an? Sieh lieber den Herrlichen dort, den bräunlichen Helden, sieh die nervichten Arme, die unterm Panzer sich zeigen, sieh seinen Stab, den er in der Linken hält, lang, ganz gebietrisch, sieh das prachtvolle Kurzschwert, das dem erzgegürteten Fürsten, dem strahlenden Ringeschreck, im Gehänge steckt, und erst das Gehänge selbst, haste noch nich gesehn...<
Da wünschte sich der Mann aus Munz sehnlichst seinen Topfhelm herbei, dass dieser ihm das breite Grinsen verberge. Lachend fasste er der Jelke an die Stirn und zog die Hand geschwind zurück, wie wenn ein unschuldig Kindlein am glühend Herd die Finger sich verbrennt:
>Autsch! Weh, oh Freundin, nun zeigst du selbst die Symptome der Krankheit, der stets Du zu entkommen suchtest.<
>Quatsch!<
>Ja, ja, doch hüte dich vor jenem, denn der Held dort drüben kann niemand andres sein als der Legat Lollius, des Imperators kund´ger Feldherr. Diesen meide, eingedenk des Traumes der dich des Nachts befiel, denn siehe nur des Kühnen vielklugen Blick, der den Leitwolf der jovenischen Krieger verrät.<
Da musste auch die Jelke an ihren Traum denken und sie ahnte in ihrem Herzen um der Wahrheit von Thals mahnenden Worten, denn bereits es keimte die Saat jenes Pflänzchens Lieb, dass die Thorgesttochter als wucherndes Unkraut erachtete und stets sich aus dem Herzen riss. Nun jedoch zögerten ihre Finger, und ihre Seel´ staunte, wie da nicht wuchernd Unkraut ihr Herz befiel, sondern ein lieblich Röslein ihr Knospen öffnete.
>Verdammt!<, sagte sie und zwang ihren Geist die Nase aus der wohlig duftenden Blüte zu nehmen.
>Weh, Thal, mit rechten warntest du mich vor jenem, denn schon spüre ich, wie die Krankheit in mir wütet, und ich mich am brennend Fieber wärme. Aber der ist doch auch Zucker, oder nicht?
Oh nein, da siehst du´s. Hilfe, genau das ist es, ich brauche Hilfe! Was passiert hier? Lollius sagtest Du? Ach welch heldisch klingend Name! Ah, Lollius! Ob er wohl ein Weibe hat? Oh welch grausamer Gedanke, oh die Beneidenswerte, blöde Kuh!<
Und Thal:
>Keine Ahnung! Aber sieh, dort tritt neben deinen Ersehnten eine Maid, kraftvoll und anmutig wie die lilienarmige Hera! Sieh nur die smaragdene Tiefe ihrer Augen!<
Da wurde die Jelke ganz fahl im Antlitze, denn die erregte Röte der Sehnsucht ward vom starken Schrecken verscheucht. Schmerzerfüllt stöhnte sie auf.
Und der Munzianer:
>Wei, wähnst du diese etwas des Lollius Gesponst zu sein! Beschwichtge dein Herz, denn dies da ist eine Praefecta, hm, von den Hilfstruppen, glaub ich! Das steht einem Feldherrn wenig an, sich eine Untergebne ins Bett zu holen, mag sie auch schön wie diese sein. Sieht, die wilde unbändge Mähne, die rotlodernd ihr Haupt umflammt. Sieh die Züge ihre Antlitz, wie sehr sie... Verdammt, an wen erinnern die mich nur?<
Da stöhnte die Thorgesttochter ein zweites Mal auf und der Munzianer wandte sich zu ihr, öffnete schon den Mund zur Rede, als er sein Haupt herumriss und wieder nach der Praefecta wandte, dann wieder zur Jelke. Er schob die Kapuze der Frau nach hinten, und sah, als es blitzte, das schreckensbleiche Antlitz der Thorgesttochter.
>Bei meiner Treue, sie erinnert mich an...<, der Thal wartete auf den Donner um gemeinsam mit ihm dies eine Wort zu grollen: >DICH!<

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