Die Saga von Jelke Eisenseite
von Carsten Maday

 

Die Kh´Restrin nun schlug einem Mann am Knie, wo die Beinschienen zusammentrafen, den Schenkel ab. Doch weh, schon wollte sie sich zum Raube anschicken, da traf der Toste sie mit dem Speer in die Weiche. Da fiel die Kühne und dem Helmgerd grauste es sehr, denn nun ward er stark vom Herman angegangen. Der Toste setzte den Fuß auf die Moribunde und zog mit einem Ruck den spitzigen Speer aus der Kampfmaid, dass Fleisch, Muskeln und Gedärm an den Widerhaken waren. Elendig ging die Schöne da zu Grunde, und niemand hinderte den Sohn des Æthalberts am Raube. Schnell löste er ihr die Rüstung und rief Gefährten herbei, die kostbare Beute in die eignen Reihen zu tragen. Nun ging auch er den Helmgerd an, dass diesem schon das Verhängnis nahte. Da sprach er die geflügelten Worte:
>Weh mir, armen Mann, wollt mir doch ein starker Held zu Hilfe eilend, dass nicht der Toste und der Herman auch dahinmorden mich und mir die Wehr vom blut´gen Leibe ziehen. Der Jugend zwiefach Übermacht vermag das Alter nicht zu trotzen.<
Also der Helmgerd, der reisige Greis. Den Ruf aber vernahm die Jelke und eilend kam sie herbei, dem Alten den Tod zu wehren.
Da ging sie der Herman an und rief:
>Elende Thorgesttochter, nun will ich dir die Schmährede vergelten, traf sie doch den Toste, dem ich der Liebste bin im Heere.<
Da rief die untadlige Jelke, das scharfzüngig Weib:
>Huh, warum ist es denn auf einmal so warm hier? Ach herrje!<
Das erboste der Herman sehr und schlug nach ihr, vermochte aber nicht die Brünne zu durchdringen.
Jelke aber schlug mit gellend Ruf auf den Lippen dem Mann das Schwert durch die Schulter, dass es erst am Nabel ruhte. Da schoss Blut in des Hermans Mund und schwach rief er nach dem Toste:
>Oh liebster Freund, siehe die wilde Zermorsch´rin, dreiste Schmährin Jelke, raubte mir das Leben. Nimmer nun werden wir auf gemeinsame Jagd gehen, noch beisammen liegen. Schon fehlt mir deine Wärme, da mir des Todes Kälte löst die Glieder.<
Da starb der Herman. Und Toste rief:
>Oh, du beschissene, kleine, leblose Schlampe, das sollst du nicht umsonst getan haben. Ich bieg dir die Fingernägel nach links, blöde Nuss. Du hast mir den geliebten Busenfreund gemordet. Ich schneid dir die Finger ab, die Zehen auch, steche dir die Augen aus, ramm´ einen Pflock dir in den Bauch und wickle dein Gedärm dran auf, binde dich zwischen vier untadlige Rösser, zerreiße, zerfetze dich, und den Hunden werfe ich dich vor, dass sie dein Blut lecken und dein Fleisch verzerren. Nimmer sollst du bestattet werden nach Helden Sitte, dass auf ewig deine Seele umherwandeln wird bis zum Götterschicksal! Hure!<
Die Jelke aber meinte, dass der Toste da einige sehr harte Worte gewählt habe, die einem Königssohn so gar nicht wohl anstünden. >Was regst Du dich auch so auf? Bisschen Schwund ist immer! Und an männlichen Männern mangelt´s Dir ja nicht im Heere, wie?<
Da hielt des den Toste, den starken Mann, nicht länger und er sprang die Jelke an, den Helmgerd auch, und trieb sie zurück. Seine Gefährten eilten herbei, den Leichnam des Herman zu bergen.
Kühn wehrten die Helden des Wütenden Wüten, und je mehr er stürmte, desto mehr heulte der Rasende auf, doch nicht vor Triumph sondern vor Enttäuschung, denn wohl deckten sich die Helden vor des Ungestümen Schlägen, dass er sie nicht dahinmorden konnte, wie sehr es ihm auch danach gelüstete.

Telamon und Bohemond aber droschen wie der Bauer aufs Korn mit den Schwertern aufeinander ein. Das war längst kein kunstreicher Kampf mehr, sondern schweißtreibende Arbeit. Wie die Flügel einer Windmühle schnitten die Klingen zischend durch die Luft, machtvoll von der Helden Arme angetrieben. Der Bohemond ward schon ganz rot im Gesichte von dieser harten Arbeit und der Schweiß lief ihm in Sturzbächen vom Leibe, dass der heldisch´ Marschall schon fürchtete, dass ihm die Rüstung verdarb.
Aber auch der Telamon ward zum ersten Male an diesem Tage mühennass. Auch schwerte ihm die Schenkelwunde, die ihm die Jelke gab im Schwerterreigen. Doch verbissen focht er fort. Dem Wogenröter aber war es bald so, dass es mit den eigenen Schlägen eher schlechter als besser wurde.
Da rief der Gelärm-Schürer, der erzgegürtete Bohemond:
>Siehe Telamon, ganz dunkel wird bereits der Mondweg! Lass uns die Schwerter senken, denn nimmer taugt nächtlich Schwärze uns Kriegern zum Kampf.<
Bei jedem zweiten Wort aber hieb er auf den Telamon ein.
Der Vertilger hielt dem Wüten stand und vergalt dem Bohemond Rede und Hiebe:
>Nun sehe ich, oh Bohemond, dass die Kraft deines Geistes nicht hinter der deiner muskelstarken Arme nachsteht, denn in allem ist deine Rede klug und wahr, dass der Seekönig sich sehr glücklich schätzen darf, eine so ratkund´gen Streiter seinen Marschall zu nennen. Wahrlich, nimmer geziemet´s sich, dass kriegstüchtige Scharen sich im waffenstarrend Kampf begegnen, wenn Selene zur nächtlich Ruhe mahnt. Wenig gefällt´s, scheint´s mir, auch den Göttern, dass Schwärze ihnen den Anblick der wackeren Streiter wehret, dass sie sich nicht der heldisch Taten erfreuen können. Auch ist´s kluger Brauch zu ruhen im Schwerterreigen, werden doch lahm die Glieder von eines langen Tages Mühsalen, dass selbst der Stärkste nur noch wenig Lust im Busen, sich weiterhin zuschlagen, wenn nur der Wunsch nach Ruhe ihn beseelt, nach einem Becher Wein vielleicht und des Todes Bruders labevoller Umarmung! Gern will ich denn den Mord für heute ruhen lassen, doch hindert mich die Sorge, dass immer noch es liegt die Bigode dort in voller Wehr, dass meine Ehr´und Gier es mir versagt, das blut´ge Schlachtfeld zu verlassen, ohne von einem Stärkeren besiegt zu sein, oder der Toten ihre Rüstung von Leibe zu ziehen.<
Bei jeden zweiten Wort aber drosch er dem Bohemond das Schwert auf den Schild, dass die Wehr zerbarst und der Marschall bald viele Hiebe mit der Brünne schlucken musste und des Lebens rote Wasser aus vielen Wundquellen entsprangen. Das wäre seine Ende gewesen, wenn nicht just der Herolde mahnend Hörner nun die Heere sich trennen hießen, dass man nicht bei gänzlich Schwärze führe fort das Morden. Der Bohemond rettete sich in die Pause und in die eigenen Reihen. Telamon gewährte es ihm freudig, denn ferne lag es ihm der Herolde Gesetz zu brechen. Ehe er sich fortwandt, raubte er endlich der Bigode die Wehr und sein Triumphschrei durchschnitt die Finsternis. Den Toste aber mußten die Gefährten packen, dass er endlich in seinem Rasen einhielt. Wenig Gutes drang aus seiner Kehle, als er der Jelke bitt´re Rache schwor für den geliebten Freund.
Jelke nahm´s gelassen und als sie mit Thal ins Lager schritt meinte sie mit einem Schulterzucken, dass sie es meisterhaft verstehe sich Feinde zu machen. Thal legte ihr die Hand auf die Schulter und meinte, dass sie aber auch Freunde zu gewinnen verstehe. Dann war es Nacht.

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