Die Saga von Jelke Eisenseite
von Carsten Maday
Vorwort
Für Elke
Vorwort
Als ich vor zehn Jahren mit der Translation und Restauration der Thals Saga Gunarssonar begann, bemühte ich mich, sie in einer zusammenhängenden (wenn nicht gar gut lesbaren) Form zu gestalten und aus den unzähligen Fragmenten eine Fassung zu erstellen, die meiner (natürlich unmaßgeblichen) Meinung nach, der Urversion Halldors nahe zu kommen schien. Dabei war mir die Unmöglichkeit dieses Strebens sowie mein eigenes Unvermögen stets bewusst. So erntete ich sowohl Lob, als auch harsche (keinesfalls ( ich scheue es mich nicht zu gestehen) unberechtigte) Kritik.
Zum nämlichen Zwecke wurde mir der Zutritt zur Bibliothek von Münzter gewährt, die von einigem Umfang und Chaos ist und den Eindringling vor die Wahl stellt in Verzweiflungs- oder Freudentränen auszubrechen.
Doch langer Rede kurzer Sinn. Ich traf auf ein Text-Fragment, welches zwischen den Seiten der T3-Version der Thals-Saga lag. Groß war mein Erstaunen, denn die Personen stammten allesamt aus der Thals-Saga, doch fand sich der Inhalt des Fragments in keiner anderen Version der Thals-Saga wieder. Auch war der Stil eher von epischer Art.
Ich schloss also, es handle sich hierbei um das Fragment einer anderen, verlorenen gegangenen Saga: Die Saga von Jelke Eisenseite/ Jelke Saga Jarnsiða.
Der Prior von Munz, der mir eine unschätzbare Hilfe war, verwies mich auf einen Mönch mit Namen Lazarus der Schläfer . Wir sind nun in der glücklichen Lage, das Leben des Lazarus genau datieren zu können. Im Jahre 1347 schleuderte Papst Tim der Ruppige den Kirchenbann gegen diesen Mönch. Lazarus, Prior von Munz, sollte beim Papst vorstellig werden, auf dass er dem Vater künde von des Klosters Politik (d.h. wie viel sie im Jahr aus den zinspflichtigen Bauern pressten). Als er aufbrach, da kam viel Bauernvolk herbei sein Prior zu verabschieden (im wesentlichen mit Eiern und Tomaten). Lazarus erzürnte sich sehr, schrie, man dürfe doch nicht derart mit Lebensmitteln umgehen. Die Bauern schämten sich gleich sehr, legten Eier und Tomaten zu Boden und rissen Pflastersteine aus der Straße. Das schien den Prior nun auch nachhaltig zu beeindrucken, denn er sank getroffen zu Boden und erwachte erst nach drei Tagen, als der Reisezug die päpstliche Residenz erreichte. Lazarus wurde vor den heiligen Vater gerufen. In dem Prior aber musste sich wohl ein innerer Wandel vollzogen haben. Jedenfalls sprach er vor dem Papst von Gottes Manifestation in der Natur und wiederholte diese These ständig durch das Wort `Blümchen`, wobei er jedes Mal entzückt gelächelt haben soll!
Tim der Ruppige aber war nun schon einiges gewohnt. Er diente zwanzig Jahre als Söldner, heerte in allen Landen und ließ erst zwei Jahre zuvor von den alten Göttern ab, trat in den Priesterstand ein und gelangte nach einer beispiellosen Karriere zu der höchsten Priesterwürde (Böse Zungen, die behaupteten, er könne etwas mit den fünfhundertvierzehn ungeklärten Todesfällen innerhalb der Kurie zu tun haben, wurden zum Schweigen gebracht bzw. abgeschnitten). Aber der Papst sagte dem Prior, er spreche in allem die Wahrheit, denn wahrlich, nirgends zeige sich Gottes Gestalt so klar wie in der Natur. Besonders aber in `Blümchen´, denn berühre ihr Duft doch der Menschen Herzen, wie der Glaube ihre Seelen.
Lazarus gebärdete sich hierauf wie toll, schallt den Papst einen Heuchler, Ketzer, Narren. Wie könne er behaupten, Gott sei in jeder Blume. Nein, schrie er dem verwirrtem Papst zu, Gott manifestiere sich nur in einer Blume, jawohl, ein Gott eine Blume, verkündete er, und wer diese leugne, der sei der Antichrist in Person. Gott ist das Gänseblümchen, schrie er verzückt, blutigen Schaum auf den Lippen, und rannte im Wahn davon. Der Papst ließ ihn bannen, Lazarus wurde Einsiedler in der Gegend von Munz, und in seiner Klause (so der jetzige Prior) fand man das LdS1-Fragment. Der Leser möge mir jenen weit ausgreifenden Exkurs über Lazarus nachsehen, doch schien es mir geboten, des Verfassers Geisteszustand näher zu schildern, ist dieser doch zweifelsohne von einiger Bedeutung für die Interpretation des Geschriebenen.